Table of Contents
Zoomposium mit Sascha Benjamin Fink: „Die Suche nach dem neuronalen Korrelat des Bewusstseins – 1. Teil”
1. Informationen zur Person
In einem weiteren sehr spannenden Interview aus unserem Zoomposium-Themenblog „Erkenntnistheorie und Philosophie des Geistes“ sprechen Axel und ich diesmal mit dem noch jungen, deutschen Philosophen Sascha Benjamin Fink, der aber schon einige sehr interessante Forschungsprojekte mitbetreut und zahlreiche sehr lesenwerte Publikationen veröffentlicht hat, aber dazu später mehr.
Sascha Benjamin Fink ist Forschungsdirektor am Zentrum für Philosophie und KI-Forschung {PAIR} (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Affiliate Professor am Department of Philosophy der University of Glasgow und externes Mitglied des Center for Behavioral Brain Sciences in Magdeburg, wo er zwischen 2016 und 2024 Juniorprofessor für Neurophilosophie war. Zudem war er auch Principal Investigator in dem von der DFG-geförderten Graduiertenkolleg Extrospection: Externe Zugänge zu höheren kognitiven Prozessen (2019-2023).
Er ist an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt, wie z. B. am DFG/AHRC-geförderten Projekt SENSOR „Sensory Engineering: Investigating Altered and Guided Perception and Hallucination“ (mit dem Center for the Study of Perceptual Experiences an der University of Glasgow), BMBF/DLR-geförderten Projekt „PsychedELSI: Ethische, legale und soziale Implikationen der Neuropsychopharmakologie in der Psychotherapie – Vorbereitung auf die psychedelische Renaissance“, EU ERANET NEURON-finanzierten Projekt PSYTRANS (psychedelische Transformation);EU ERANET-Projekt NEURON COMPAIN (komplexe Schmerz-Ontologien) und an dem DFG-Projekt „Philosophie und die Geisteswissenschaften (PhiMiSci). Er ist Chefredakteur in der zuvor genannten unabhängigen, kostenfreien, diamantenen Open-Access-Zeitschrift „Philosophy and the Mind Sciences“ (PhiMiSci), die er 2019 mit Wanja Wiese und Jennifer Windt gegründet hat.
2. Forschungsschwerpunkte und wissenschaftliche Arbeiten
Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Philosophie der Neurowissenschaften, Neurophilosophie, Philosophie der Psychologie, Philosophie des Geistes, der Unschärfe und der Paradoxien. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich viel den philosophischen und theoretischen Aspekten einer Wissenschaft des Bewusstseins.
Aus diesem Bereich forscht er vor allen Dingen an den „neuronalen Korrelaten des Bewusstseins“, der „Ersten-Person-Perspektive“, „Qualia“, Schmerzen und Leiden, neuronale Erklärungen der zeitlichen Phänomenalität, strukturelle Ansätze zum phänomenalen Bewusstsein und sensorischen Modalitäten.
Die kulturellen und ethischen Aspekte des Bewusstseins, insbesondere das Konzept einer „Bewusstseinskultur“ (Metzinger), transformative Erfahrungen, die Ethik der sensorischen Substitution, Psychedelika, das Bewusstsein bei Tieren und damit verbundenen Fragen der Ethik rücken hierbei ebenfalls in den Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeiten.
Weitere Forschungsbereiche stellen die „Psychologie der Unschärfe“, die Unschärfe in den Naturwissenschaften, Maße für den Grad der Paradoxie und Paradoxien als pädagogische Mittel dar.
In seinen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten beschäftigt sich Benjamin Fink des Häufigeren mit der Entwicklung von neuen Konzepten für ein mögliches „neuronales Korrelat des Bewusstseins NCC 2.0″, abgeleitet vom englischen Ausdruck „neuronal correlate of consciousness“. Hierbei unterscheidet er explizit zwischen „Token-“ und „Type“-Korrelaten, die auf der Grundannahme einer „bijektiven, eins-zu-eins-Typ-Abbildung“ beruhen.
Seine Grundannahme geht von einem „4E-Konzept“ aus, nach dem Bewusstsein erweitert, eingebettet, enaktiv oder embodied ist. Somit hätte das Bewusstsein keine feste neuronale Basis und daher gibt es auch nicht den einen neuronalen Typ, der einem bestimmten phänomenalen Typus entspäche.
Um auch praktische Anwendungsmöglichkeiten für die kognitiven Neurowissenschaften anzubieten, verwendet Fink einen strukturenrealistischen, neuen Ansatz zur Lösung des „Problems“. In diesem Konzept geht er von einem strukturellen Morphismus eines neuronalen Substrats mit phänomenalen Räumen aus, den er als „neurophenomenalen Strukturalismus“ bezeichnet.
Dann wollen wir uns mal auf die Suche nach dem „heiligen Gral der Neurowissenschaften“ begeben, um u. U. „das neuronale Korrelat des Bewusstseins“ zu entdecken. Hier aber schon einmal die Interviewfragen zu unserer „Suche“:
3. Interviewfragen: „Die Suche nach dem neuronalen Korrelat des Bewusstseins“
1. Herr Dr. Fink in Ihrer Forschungstätigkeit als Forschungsdirektor des Zentrums für Philosophie und KI-Forschung {PAIR} an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Juniorprofessor am Center for Behavioral Brain Sciences in Magdeburg sowie als assoziierter Forscher am Department of Philosophy der University of Glasgow in dem DFG/AHRC-gefördertes Projekt SENSOR „Sensory Engineering“ beschäftigen Sie sich viel mit Neurophilosophie und hier insbesondere mit den Grundlagen der Geisteswissenschaften, von neuronalen Korrelaten des Bewusstseins (NCC) bis hin zur Art und Weise, wie der Geist manipuliert wird (z.B. durch pharmakologische Interventionen oder Interaktionen mit neuen technischen Geräten).
- Zum Einstieg eine vielleicht ein wenig „ketzerische Frage“: Wird der „heilige Gral“ der kognitiven Neurowissenschaften jemals gefunden werden? Oder liegt vielleicht in dem vermeintlichen „hard problem“ von David Chalmers nicht schon ein „dualistischer Konstruktionsfehler“?
In dem Artikel „A Deeper Look at the Neural Correlate of Consciousness“ (2016) gehen Sie genau auf das Problem mit dem „hard problem“ ein, in dem Sie zeigen, dass es sich nicht im Sinne der Möglichkeit einer Falsifikation operationalisieren lässt, da es kein geeignetes „experimentum crucis“ gibt, die Hypothese zu überprüfen. Alternativ stellen Sie die Forderung nach einem „NCC2.0“ auf, das zwischen „Token-“ und „Type“-Korrelaten explizit unterscheidet und auf der Grundannahme einer „bijektiven, eins-zu-eins-Typ-Abbildung“ beruht. Diese Grundannahme geht von einem „4E-Konzept“ aus, nach dem Bewusstsein erweitert, eingebettet, enaktiv oder verkörpert ist. Somit hätte das Bewusstsein keine feste neuronale Basis und daher gibt es auch nicht den einen neuronalen Typ, der einem bestimmten phänomenalen Typus entspäche.
- Könnten Sie uns und unseren Zuschauer:innen bitte Ihren Lösungsansatz noch einmal genauer erklären? Vielleicht mit einem Beispiel?
An diesem Konzept haben Sie weiter gearbeitet und einen strukturenrealistischen Ansatz hinzugefügt, der diese „eins-zu-eins-Typ-Abbildung“ eins zu eins in eine neue Theorie für das NCC 2.0 umsetzt. In der diamantenen Open-Access-Zeitschrift „Philosophy and the Mind Sciences“ (PhilPhiMiSci), dessen Mitbegründer Sie sind, haben Sie zusammen mit Holger Lyre und Lukas Kob 2021 einen Artikel „A structural constraint on neural correlates of consciousness“ veröffentlicht, in dem Sie diesen neuen Ansatz zur Lösung des „Problems“ vorstellen. Sie gehen hier von einem strukturellen Morphismus eines neuronalen Substrats mit phänomenalen Räumen aus, den Sie als „neurophenomenalen Strukturalismus“ bezeichen.
- Gehen Sie davon aus, dass durch diesen direkten strukturellen Morphismus das Problem der Zuordnung von neuronalen Korrelaten mit phänomenalen Korrelaten gelöst wird, da im Sinne des Holismus der phänomenale Strukturalismus diese Korrelation bereits beinhaltet?
- Entfällt hierdurch vielleicht auch das „Qualia-Problem“, da es nicht im Sinne einer „Supervenienz“ oder „Emergenz“ sich als „Repräsentation“ im Gehirn „bilden“ oder „hinzukommen“ muss, sondern bereits schon im phänomenalen Strukturalismus enthalten ist?
- Könnten Sie dies vielleicht bitte einmal an Beispiel der „Farbwahrnehmung“ erläutern, die Sie in diesem Zusammenhang schon häufiger untersucht haben.
2. Die Wahrnehmung (optische, auditive, sensorische, etc.) wird unter dem Einfluss von halluzigonen wirkenden, psychotropen Substanzen (LSD, Mescalin, Psilocybin, etc.) stark beeinflusst, wobei auch u.a. eine veränderte Farbwahrnehmung entstehen kann. In einem vom BMBF/DLR geförderten Projekt „PsychedELSI“ („ethische, legale und soziale Implikationen der Neuropsychopharmakologie in der Psychotherapie – Vorbereitung auf die psychedelische Renaissance“) und in dem EU ERANET NEURON-finanziertes Projekt „PSYTRANS“ (über psychedelische Transformation) untersuchen Sie die Wirkung von Psychedelika auf das Gehirn und mögliche Implikationen für neue psychotherapeutische Behandlungsmethoden.
- Inwiefern könnten uns die veränderten „Bewusstseinszustände“ Auf- oder Rückschlüsse über die Konstitution von Bewusstsein selber geben?
- Was sagen die Forschungsergebnisse aus Ihrer Sicht über den konstruktivistischen Anteil unseres Wirklichkeitsbezug aus? Gibt es die Möglichkeit eines ontologischen Zugriffs auf die Realität überhaupt?
- Wie könnten sinnvolle Psychotherapieansätze mit Psychedelika konkret aussehen und wie sieht die „Nutzen-Risiko-Balance“ aus?
3. Das Verhältnis von Wahrnehmung und Wirklichkeit ist auch Thema in Ihrem Artikel „When seeing is not believing: „A mechanistic basis for predictive divergence“ (2022), in dem Sie anhand von Ergebnissen ein Modell zum „Predictive Processing“ entwickeln, das davon ausgeht, dass Wahrnehmungsvorhersagen und kognitive Vorhersagen sich von der gleichen zugrundeliegenden Inferenzhierarchie ableiten, dass Informationen durch Mechanismen in den „Top-down- und Bottom-up-Strömen“ der Informationsverarbeitung angenähert werden können. Diese Forschungsergebnisse sind sehr wichtig für technologischen Umsetzungen in Bezug auf die KI-Forschung oder die Entwicklung von „Virtual Reality (VR)“, die Sie auch im „Centre for Philosophy and AI Research {PAIR}“ (FAU) und „Sensory Engineering (SENSOR) Project“ (University of Glasgow) untersuchen.
- Wie weit ist denn bereits das „Sensory Engineering“ für die Entwicklung von künstlichen Agenten vorangeschritten, die sich selbständig in ihrer Umwelt orientieren und handeln können?
- Könnten diese senso-motorischen, propriozeptiven Ansätze durch entsprechende Rückkopplungsmechanismen nicht auch zum Entstehen einer „Allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AKI)“ führen, da im Sinne des „4-E-Konzeptes“ einer „Philosophie der situierten Kognition (PSK)“ die Voraussetzungen für eine Form von „Künstlichem Bewusstsein“ gegeben wären?
- Was heißt dies im Gegenzug für die menschliche Wahrnehmung ihrer Wirklichkeit? Können wir in Zukunft überhaupt noch zwischen „virtueller“ und „realer“ Wirklichkeit unterscheiden oder werden auch hier die technologischen Möglichkeit unsere Realität verändern?
Das komplette Interview ist zweigeteilt und der 1. Teil ist auf unserem Youtube-Kanal „Zoomposium“ unter folgendem Link zu sehen:
Durch die viele FETTEN HERVORHEBUNGEN wird der Artikel recht unlesbar, schade!
Liebe Maria K,
vielen Dank für Ihren formalen Hinweis. Habe ich geändert.
Im Gegenzug, da es nun besser lesbar ist, könnnte Sie vielleicht noch einen inhaltlichen Kommentar hinterlassen ;-).
Vielen Dank für Ihr Interesse und
viele Grüße
Dirk