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„Free Willy – Ruf der Freiheit für den freien Willen“
Annie zu Jesse: „Weißt du, Tiere können schon unberechenbar sein. Und sie können sich manchmal schlecht benehmen, genau wie Menschen. Aber das bedeutet nicht, dass man das Vertrauen zu ihnen verlieren darf.“ (http://www.filmzitate.info/index-link1.php?link=http://www.filmzitate.info/suche/film-zitate.php?film_id=5237)
Nicht nur Tiere können unberechenbar sein. Menschen sind es nun mal (leider) auch. Und hierbei „schwimmt“ einem mal wieder dieser ominöse Begriff des „freien Willens“ oder der „Willensfreiheit“ durch das „Walbecken“, ob man möchte oder nicht. Ganz ähnlich erging es mir heute morgen, als ich mich – ganz gegen meinen Gewohnheiten – für eine Tasse Tee, statt einer Tasse Kaffee entschieden habe. Ich bin ja schließlich der „Herr in meinem Haus“! Und wenn es mir nach Tee gelüstet, dann hat mein „freier Wille“ den „Ruf der Freiheit“ vernommen und sich gegen meine Gewohnheit entschieden, um meinen Arm nach der Teedose strecken zu lassen. Oder war es vielleicht doch nicht mein „freier Wille“? Hatte sich etwa doch mein „neuronales Netzwerk“ im Kopf schon längst 7 Sekunden vorher entschieden, bevor ich es überhaupt „wusste“? Oder war es gar ein Ausdruck meiner „emanzipatorischen Freiheit“ sich „bewusst“ gegen den „Determinismus der automatisierten Routine“ zu „wehren“? Da waren sie wieder meine „drei Probleme“, auf die ich keine Antworten hatte.
Doch nach dem Genuss des Tees besann ich mich, dass ich mir derlei Fragen schon des Häufigeren gestellt hatte. Zum Beispiel beim Lesen des nun neu erschienen Buches meines lieben Blogger-Kollegen Axel Stöckers „Balduins Welträtsel: Das Körper-Geist-Problem und die Liebe“ tauchte dieses Problem zum „freien Willen“ auf. Auch im Interview mit John-Dylan Haynes hatte ich mich viel mit der Thematik beschäftigt, da dieser einiges zu diesem Thema geforscht und herausgefunden hatte. Ja, auch die alte „never-ending Story“ des „Körper-Geist-Problem“ schien hier als wohlbekannter Weggefährte wieder unter dieser „neuen Brennlupe“ aufzutauchen. Und selbst die KI-Forschung kam um dieses Problem nicht herum, da beim „Unsupervised Learning“ auch der „freie Wille“ der BDI-Agenten (Beliefs=Weltwissen / Desires=Ziele / Intentions=Absichten) schließlich eine immer größere Rolle spielen wird.
Also war es nun endlich mal an der Zeit sich auch diesem Thema etwas genauer zu nähern. Doch zu einer wissenschaftlichen Abhandlung „ex cathedra“ hatte ich mal wieder – eigentlich wie immer – irgendwie keine Lust, da hierzu aus meiner Sicht doch schon alles gesagt und geschrieben worden war. Daher entschied ich mich für diese Form des We(blog)-Eintrags (ich betreibe ja schließlich auch einen Philosophie- und Wissenschaftsblog), falls der geneigte Leser sich über diese etwas „populärwissenschaftliche Stilistik“ wundern sollte ;-). Der Bergamotte-Duft des Earl-Grey-Tees hing bedeutungsschwer in der Luft meines Arbeitszimmers als ich meinen Laptop aufklappte und nach Informationen zu „Free Willy“ und seinen Ruf nach „Willensfreiheit“ im „weltweiten Netz fischte“.
Da ging doch tatsächlich noch ein „dicker Fisch ins Netz“. Ich fand ein Vorlesungsmanuskript „Das Problem der Willensfreiheit“ vom Wintersemester 2013/14 aus der kognitiven Neurowissenschaften von Thomas Goschke, einem der wichtigsten Vertreter der Volitionspsychologie. Die Volitionspsychologie „bezeichnet die bewusste, willentliche Umsetzung von Zielen und Motiven in Resultate (Ergebnisse) durch zielgerichtete Steuerung von Gedanken, Emotionen, Motiven und Handlungen“, wie mir Wikipedia zu diesem Begriff wie immer eloquent und servil mitteilen konnte. Na also! Der Mann und sein Paper schienen mir doch bestens geeignet eine Aussage zu dem oben genannten Fragen zu machen.
Das Problem der Willensfreiheit
In seinem Vorlesungsmanuskript stellte er aus meiner Sicht einmal die wichtigsten Positionen zum „Problem der Willensfreiheit“ sehr explizit dar. Seine wertvollen Hinweise möchte ich an dieser Stelle daher einmal kurz beleuchten, um ein wenig mehr „Licht ins Dunkle“ am „Boden des tiefgründigen Meeres“ der Theorien zur Willensfreiheit zu bekommen und nicht weiter „im Trüben zu fischen“.
Es gibt nach Goschkes Meinung „drei Schlaglichter“, die man auf dieses immer noch sehr „dunkle Terrain“ der „Willensfreiheit“ werfen könnte. Da ist zum einen „das philosophische Problem der Willensfreiheit“, dann zum anderen die „empirischen Angriffe auf die Willensfreiheit“ und schließlich die „neusten Ergebnisse der kognitiven Neurowissenschaft“ der Selbststeuerung.
Das philosophische Problem der Willensfreiheit
Beginnen wir aber wie immer zunächst einmal historisch. „Das philosophische Problem der Willensfreiheit“ ist nämlich schon über 2000 Jahre alt und aufgrund der sprachlichen Ungenauigkeit des Begriffes haben sich schon ganze „Philosophenschwärme“ hieran die „Zähne ausgebissen“, wie „Piranhas an Schiffswracks“. Ein kurzer Blick in den Wikipedia-Fundus bestätigte meine zunächst unbegründete Annahme. Für den geschichtlich Interessierten sei dies dort unter „Geschichte des Freien Willens“ in ausführlichster Form nachzulesen.
Der empirische Angriff auf die Willensfreiheit
Das „Libet-Experiment“ (1979)
Doch die „Philosophie des Geistes“ hätte hier so schön weiterhin an ihren „Wolkenkuckucksheimen“ zur „Willensfreiheit“ deduktiv-logisch bauen oder sie auch induktiv-analytisch wieder einreißen können, wäre da nicht der „empirische Angriff auf die Willensfreiheit“ durch die naturwissenschaftlichen Experimente gekommen. Allen voran wird hier immer wieder gerne das „Libet-Experiment“ des Physiologen Benjamin Libet von 1979 erwähnt, das doch zu erheblichen „Erschütterungen im Theorie-Gebäude zur Willensfreiheit“ führte. Auf die genauen Details zum Experiment sei hier auch wieder aufgrund der epischen Breite verzichtet und auf den Wiki-Eintrag „Libet-Experiment“ verwiesen. Hieraus nur ein Zitat zum besseren Verständnis:
„Im Libet-Experiment wurde gezeigt, dass das motorische Zentrum des Gehirns mit der Vorbereitung einer Bewegung bereits begonnen hat, bevor man sich dessen bewusst wird, dass man sich für die sofortige Ausführung dieser Bewegung entschieden hat. Der zeitliche Abstand beträgt etwa 0,35 s, die wirkliche Bewegung erfolgt dann noch etwa 0,2 s später.“ (ebd.)
„Wie bitte?!?“, durchfuhr es mich wieder, dass mir fast die Tasse Tee aus der Hand fiel. Ich weiß noch, als ich von diesem unerhörten Experiment zum ersten Mal im Studium gehört hatte. Damals war ich allerdings fast vom Bürostuhl gefallen. Diesmal war es nur die Tasse, die meiner Hand entglitt. Ich dachte so bei mir, „da ist sie mal wieder, eine der vielen ‚Kränkungen der Menschheit‚ nach Freud“, vielleicht die vierte im Bunde. „Ich“, im wahrsten Sinne des Wortes, soll noch nicht einmal „der Chef im eigenen Hause“ sein. Mein eigenes Gehirn soll mir also, frei nach Otto Waalkes Gag „Der menschliche Körper“, einfach einen Streich spielen:
„Ohr an Großhirn, Ohr an Großhirn, habe soeben das Wort ‚Saufkopf‘ entgegen nehmen müssen!“
„Großhirn an Ohr, von wem?“
„Ohr an Großhirn, ich kann nichts sehn, mal Auge fragen.“
„Großhirn an Auge, wer hat da eben ‚Saufkopf‘ gesagt?“
„Auge an Großhirn, der Typ der uns gegenüber steht 1, 95 groß, breite Schultern und Schläger Visage.“
„Großhirn an alle, fertig machen zum Ärgern.“
„Großhirn an Drüsen, Adrenalinausstoß vorbereiten!“ (Otto Waalkes: „Der menschliche Körper“, Die Otto-Show III, 1975)
Nur mit dem großen Unterschied, dass es diesmal nicht um „die Kontrolle der Organe“, sondern um das „Eingemachte“, das „Selbst“ mit all seiner „Qualia“ oder von mir aus auch „Qualen“ ging. „Ich“„dachte“ immer , dass „Ich“ der „Chef meines Gehirns“ bin und nicht umgekehrt. Also „hänge“ ich vielleicht doch nur am „unsichtbaren Faden“ des „Puppenspielers“ Gehirns. Dieser „neurozentristische Strippenzieher“ soll mir also einfach das „Bewusstsein als Projektion einer geistigen Multimediashow“ (Antonio Damasio) oder das „Ich“ als „Illusion“ vorgaukeln, wie Thomas Metzinger nicht müde wird, in seinem „Phänomenalen Selbstmodell (PSM)“ „Das Ich ist eine Illusion, die niemandes Illusion ist“, zu betonen. Es lebe der neurozentristische Konstruktivismus!
Gerhard Roth und „Das Problem der Willensfreiheit. Die empirischen Befunde“ (2004)
Wir hatten noch die außerordentliche Gelegenheit und große Ehre den renommierten Hirnforscher, Biologen und Philosophen Gerhard Roth, der leider Anfang dieses Jahres verstorben ist, auch zur „Willensfreiheit“ interviewen zu können. Sein Standpunkt zu diesem Thema wurde bereits sehr dezidiert in den Medien und der Presse dargestellt. Daher noch einmal ein passendes Zitat aus dem Archiv des Deutschlandfunks:
„Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth folgerte aus dem Nachhinken des Bewusstseins in den Libet-Versuchen:
„Das Ich ist eine Instanz, die hartnäckig ihren Produzenten leugnet. Wenn man sich die Großhirnrinde anguckt, dann überwiegen die Verknüpfungen dessen, was reinkommt, und dessen, was rausgeht, um das Hunderttausend- bis Millionenfache. Also alles, was aus dem Unbewussten in das Bewusstsein eindringt, erlebt das Bewusstsein an und in sich und kann das alles sich nur selbst zuschreiben.
Und so kommt es, dass dieses Ich all die Wünsche, die aus dem Unbewussten kommen, die Handlungsentwürfe, die auch aus dem Unbewussten kommen, sich selbst zuschreibt. Und das ist diese Lüge: Ich tue das, Ich erlebe das, Ich will das jetzt so. Das sind Illusionen, aber es sind sehr nützliche Illusionen.“
(https://www.deutschlandfunkkultur.de/neue-erkenntnisse-zur-willensfreiheit-wie-das-gehirn-102.html#:~:text=Der%20Bremer%20Hirnforscher,sehr%20n%C3%BCtzliche%20Illusionen)
Damit konnte und wollte „ich und Ich“ mich aber nicht zufrieden geben. Lustigerweise bekam der „Ruf der Freiheit für den Willen“ ausgerechnet Hilfe auch wieder aus dem Lager der kognitiven Neurowissenschaften durch die neusten Forschungsergebnisse von John-Dylan Haynes und seinem Team selber.
Die neusten Ergebnisse der „kognitiven Neurowissenschaft
John-Dylan Haynes und „Der unbewusste Wille“ (2008)
Für das Interview mit John-Dylan Haynes hatte ich mir beizeiten schon einmal ebenfalls ein paar Informationen aus dem „WorldWideWeb gefischt“. Unter anderem „zappelte“ ein kleiner Podcast von Mathias Eckoldt aus dem Deutschlandfunk in meinem „Netz“. Mathias Eckoldt hatte in diesem kleinen, aber feinen Podcast „Wie das Gehirn entscheidet – Neue Erkenntnisse zur Willensfreiheit“ von 2017 einige bekannte Hirnforscher, unter anderem eben John-Dylan Haynes zu Worte kommen lassen. Beide haben übrigens 2021 zusammen das sehr lesenswerte Sachbuch „Fenster ins Gehirn: Wie unsere Gedanken entstehen und wie man sie lesen kann“ geschreiben. In Kapitel 14 „Der freie Wille“ wird hier auch einiges zu unserem Ausgangsproblem dem „Ruf der Freiheit für den Willen“ genannt.
John-Dylan Haynes hat in diesem Buch die Forschungsergebnisse, die er seit 2013 mit seinem Team im „hayneslab“ am Berlin Center for Advanced Neuroimaging (BCAN) der Charité Universitätsmedizin Berlin durch zahlreiche Experimente untersucht, einmal populärwissenschaftlich zusammengefasst und sehr lesenswert aufbereitet. Er ist aber nicht nur aufgrund seiner Ergebnisse zum „Brain-Reading“, oder wie er lieber sagt „Brain-Decoding“, bekannt geworden, sondern eben auch mit seinen empirischen Daten zur „Willensfreiheit“. Hier konnte er in den Folgeexperimenten zum Libet-Experiment zeigen:
„dass nicht nur Entscheidungen für eine Handbewegung, sondern auch Entscheidungen bei der Auswahl einer abstrakten Denkaufgabe (Rechenaufgabe) spezifische, zeitlich vorausgehende Gehirnaktivität aufweisen. Statistische Analysen abgebildeter Gehirnaktivitäten zeigten, dass mit überzufälliger Häufigkeit bestimmte Aktivitätsmuster ca. vier Sekunden vor dem Moment auftraten, in dem die Versuchspersonen selbst sich über ihre Entscheidung bewusst sein konnten.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille#Experimente_zur_Willensfreiheit)
Wir hatten die große Ehre und außerordentliche Freude Professor Haynes in einem sehr freundlich zugewandten Interview einmal zum Thema „Die Suche nach dem Code des Gehirns“, das ich zusammen mit meinem Zoomposium-Kollegen Axel Stöcker im Juli dieses Jahr mit ihm geführt habe, natürlich auch zu dieser Thematik zu befragen. Hier konnte er seine neuesten Erkenntnisse der kognitiven Neurowissenschaft zur Willensfreiheit erläutern, die hier aber auch wieder gerne aus Wikipedia zitieren möchte:
„Neueste (Stand 2015) experimentelle Forschungsergebnisse u. a. von Haynes weisen aber darauf hin, dass solche Gehirnaktivitäten – nachdem sie unwillkürlich gestartet wurden – willentlich gestoppt werden können: „Die Probanden sind den frühen Hirnwellen nicht unkontrollierbar unterworfen. Sie waren dazu in der Lage, aktiv in den Ablauf der Entscheidung einzugreifen und eine Bewegung abzubrechen“, so Haynes. „Dies bedeutet, dass die Freiheit menschlicher Willensentscheidungen wesentlich weniger eingeschränkt ist, als bisher gedacht. Dennoch gibt es einen Punkt im zeitlichen Ablauf von Entscheidungsprozessen, ab dem eine Umkehr nicht mehr möglich ist, den ‚point of no return’.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille#Experimente_zur_Willensfreiheit)
„Aha, ist also doch alles nicht so schlimm, wie es zunächst aus den Ergebnissen des Libet-Experimentes geklungen hat“, dachte ich mir. Das „Ich“ kann also doch noch aktiv in die Willensentscheidungen eingreifen und ist nicht nur die „Handpuppe seines Chefs“ dem Gehirn. Um dies zu überprüfen, wurde das Experiment von Libet noch ein wenig verfeinert, da nun die Probanden in einen fMRT-Scanner gelegt und ihre Gehirnaktivitäten von einer KI ausgewertet wurden. Die KI konnte mit 60 – 70 prozentiger Überwahrscheinlichkeit berechnen, wie sich der Proband in den darauffolgenden ca. 7 Sekunden entscheiden würde.
Dann kam es zum „Showdown“ in „Dodge City“ als „Mensch gegen Maschine“-Duell, wie in einem der vielen „Italowestern“ aus den Sechszigern. Wer „zieht schneller“ oder wer antizipiert zuerst die „Willensentscheidung“ seines Gegenübers. Um es vorab zu verraten. Der Computer hat natürlich mal wieder gewonnen, wie immer ;-). Das Verhalten des Menschen war mit einer „überwahrscheinlichen Genauigkeit“ von der KI vorhersagbar gewesen. Das war allerdings nur ein „Pyrrhus-Sieg“ für die Maschinen, da es ebenso ein Ergebnis des Experimentes war, dass die Probanden durchaus die Möglichkeit hatten, ihre Entscheidung doch noch zu revidieren. Also schien durch die Ergebnisse des Experimentes der Determinismus der vermeintlichen „Domino-Kette“ im Libet-Experiment ebenso wie die „unbedingte Willensfreiheit“ widerlegt. Dies ist auch sehr schön in einer Antinomie von Torsten de Winkel (1999) zusammengefasst: „Die einzige Möglichkeit, einen wirklich freien Willen zu manifestieren, wäre, etwas zu tun, wozu es keinerlei Veranlassung gibt. Und da dies selbst die Veranlassung wäre, ist dies unmöglich.“
Der Dualismus von „Kompatibilismus vs. Inkompatibilismus“
Die angebliche Unvereinbarkeit von Determinismus und Willensfreiheit lässt sich dann auch wieder auf den vermeintlichen Dualismus von „Kompatibilismus vs. Inkompatibilismus“ und sogar auf einen Indeterminismus zurückführen. „Und da waren sie schon wieder die vielen „Ismen im UEPhA-Cup der Philosophie des Geistes“, die scheinbar unversöhnlich in zwei feindlichen Lagern gegenüber standen“, dachte ich mir.
Auf der einen Seite des „Spielfeldes“ stehen die „Kompatibilisten“, deren moderne Vertreter Daniel C. Dennett, Michael Pauen und Peter Bieri zu nennen wären, die an eine Vereinbarkeit des freien Willens mit dem Determinismus glauben und die sich aufgrund der unterschiedlichen Extremwerte ihrer Positionen wiederum in einen „harten und weichen Kompatibilismus“ differenzieren lassen.
Demgegenüber stehen auf der anderen „Spielhälfte“ die „Inkompatibilisten“, die einen Determinismus mit dem freien Willen für unversöhnlich halten. Hier kann man wieder in „zwei Unterlager“ differenzieren: „1. Harte Deterministen“ wie Baron d’Holbach oder Derk Pereboom, die den Determinismus für zutreffend halten und bestreiten, dass es so etwas wie einen freien Willen gibt. 2. Libertarianer wie Peter van Inwagen, Robert Kane oder Geert Keil, die den Determinismus ablehnen und die Existenz eines freien Willens bejahen.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille#Kompatibilismus)
Die Indeterministen waren ganz aus dem Spiel raus, da sie den Determinismus grundsätzlich ablehnen und von einem substantiellem Willen ausgehen, der nicht determiniert sein soll.
Aus meiner bescheidenen Sicht klang dies allerdings wieder einmal nur nach einem neuen Match im alten Paradigma „Dualismus“. Also wieder einmal eine „Schwarz-Weiß-Malerei“ im Stile des Reduktionismus ohne auf die „Vielschichtigkeit und Komplexität des Sujets“ eingehen zu wollen oder zu können. Klar könnte ich jetzt an dieser Stelle wieder die einzelne Positionen herausarbeiten und gegenüberstellen. Ich hatte mir dies auch schon so schön an meinem Beispiel der „Wahl eines passenden Heißgetränkes“ („Tee vs. Kaffee“) als „Ruf der Freiheit für den Willen“ zurecht gelegt. Aber beim Schreiben schon keine Lust mehr gehabt, die bekannten Positionen einfach nur wiederzugeben (die/der geneigte Leser*in verzeihe mir diese Attitüde ;-).
Daher hier nur der Verweis zum Nachlesen der unterschiedlichen Positionen im zugehörigen Wiki-Eintrag „Freier Wille“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille). Nein, ich wollte lieber wieder einmal einen Gegenvorschlag zu den bekannten Konzepten machen, um das „Schwarz-Weiß-Bild“ mit ein paar „Farbkleksen“ aufzufrischen, um das metaphysische Konzept des Dualismus zu überwinden helfen und ein neues metaphysisches Konzept zur Willensfreiheit anzubieten. Daher hier also ein bescheidener Gegenvorschlag als 3. oder 4. Weg, den ich gerne zur Diskussion stellen möchte. Aber zunächst einmal ein paar grundsätzliche Überlegungen zu den Begriffen, um sie dann in einen neuen Zusammenhang stellen zu können.
„Determinismus-Willensfreiheit-Dualismus = Körper-Geist-Dualismus“
Das philosophische Konzept des Determinismus ist ein relativ wirkstarkes Modell zur Erklärung der Wirklichkeit und besonders den hierin ablaufenden Prozessen (gewesen). Man könnte es auch als die Grundidee des Reduktionismus oder des Naturalismus bezeichnen, da „sämtliche natürliche[n] Prozesse durch Naturgesetze bestimmt sind und dass zweitens die Bewegungsgleichungen dazu beim Einsetzen von exakten Werten eine eindeutige Lösung liefern und damit die Ergebnisse festlegen.“(https://de.wikipedia.org/wiki/Determinismus)
Der „freie Wille“ tritt demgegenüber scheinbar wieder wie ein natürlicher Gegenspieler auf, da er im Sinne des Idealismus die „subjektiv empfundene menschliche Fähigkeit, bei verschiedenen Wahlmöglichkeiten eine bewusste Entscheidung zu treffen“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille), beschreibt.
In diesem Lichte betrachtet, ist der „Determinismus-Willensfreiheit-Dualismus“ also eigentlich nichts anderes als ein „Körper-Geist-Dualismus“ in einem anderen Kontext. Wenn man daher versuchen möchte das Problem der scheinbaren Unvereinbarkeit aber Bedingtheit von Determinismus und Willensfreiheit lösen zu wollen, muss man meines Erachtens folglich den Dualismus zu überwinden versuchen.
Vorschläge zur Überwindung des „Determinismus-Willensfreiheit-Dualismus“
Ein Vorschlag wäre nicht die Unvereinbarkeit sondern die Bedingtheit in den Fokus zu setzen, wie es die Experimente zur Willensentscheidung aus den kognitiven Neurowissenschaften, z. B. im „hayneslab“ (s. o.), untersuchen wollen. Die Freiheit zu einer Willensentscheidung fällt nun auch nicht vom Himmel, sondern lässt sich aufgrund ihrer neuronalen Aktivitätsmuster mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Dies bedeutet andersherum auch keine Einschränkung der Freiheit im idealistischen Sinne, da wie die Versuche von Haynes gezeigt haben, sich die Entscheidung auch noch abändern lässt.
Eine Erklärung zur Vorhersagbarkeit von Willensentscheidungen könnte unter Umständen die „predictive coding“-Theorie liefern, wie sie zum Beispiel Karl Friston vorgeschlagen hat. Insofern gebe es kein Primat des Determinismus über die Willensfreiheit oder umgekehrt, da sich beide bedingen. Das Problem taucht erst dadurch auf, da es eine methodische Unschärfe zur Messung des Grades der Willensfreiheit gibt, da sich diese erst im Prozess der Willensentscheidung manifestieren kann.
Daher wieder einmal der Vorschlag den Fokus von den Entitäten auf den Prozess selber zu verschieben. Der „freie Wille“ ist keine Entität, die sich irgendwo im Gehirn verorten und lokalisieren ließe, sondern der sich nur im Prozess selber darstellen lässt. Aus diesem Grunde empfinde ich auch den Dualismus von „Kompatibilismus vs. Inkompatibilismus“ für vollkommen inkompatibel, da er wiederum ein „Pseudoproblem“ schafft, wo keines nötig ist. Man könnte zum Beispiel den Prozess zur Willensentscheidung im Sinne eines „deterministischen Chaos“ beschreiben, bei dem kleinste Veränderungen im System nach einer gewissen Zeit zur Unvorhersagbarkeit, als „Ruf der Willensfreiheit“, der bekannten Abläufe führen können. Damit wird keinesfalls die Bedingtheit oder die Freiheit in Frage gestellt, sondern miteinander in Beziehung gesetzt. Diese Form der „self-organized criticality (SOC)“ nach Per Bak scheint ein ebenso wirkmächtiges Prinzip in den neuronalen Prozessen des Gehirns darzustellen.
Petra Ritter und „Die neuesten Befunde aus der Computersimulation von Gehirnen“
In einem sehr aufschlussreichen Interview (das in nächster Zeit erscheinen wird) mit der sehr sympathischen Professorin Petra Ritter, die als Medizinerin, Neurowissenschaftlerin und Leiterin der Sektion Gehirnsimulation an der Charité Berlin arbeitet, wollten wir natürlich auch einiges zu der Bedingtheit des Gehirns von ihr wissen. Die Forschungsergebnisse zu der gemessenen Synchronität von neuronalen Aktivitätsmustern in unterschiedlichen Gehirnarealen in Form von Korrelationsstrukturen lassen nämlich durchaus Hinweise auf eine „self-organized criticality“ der Attraktoren in den „power-laws-/scale-free-“Systemen zu. Man könnte insofern von einer „balancierten Homödynamik“ in den Prozessabläufen des Gehirns sprechen. Anders ausgedrückt, könnte man also in den neurophysiologischen Grundlagen des Gehirns durchaus die zuvor postulierte Balance zwischen Determinismus und Willensfreiheit widergespiegelt finden.
Frau Ritter und ihr Team simulieren nämlich diese Prozesse zur Willensentscheidung mit Hilfe von „funktionellen Schaltkreisen“, oder auch „Plug-ins“ genannt, bestehend aus erregenden und hemmenden Zellen (EPSP/IPSP), die in die empirisch ermittelten Gehirnmodelle eingebaut werden. Die so entwickelten Simulationen liefern mit Hilfe der erwähnten „Plug-ins“ dann tatsächlich eine gute Darstellung, wie Willensentscheidungen zustande kommen könnten. Hierbei hat sich herausgestellt, dass ein länger balancierter Zustand in einem korrelierten System zu besseren Ergebnissen in der Entscheidungsfindung führt, da die korrespondierenden Rauschereignisse nicht zu verfrühten, falschen Entscheidungen führen. Was wir schon immer geahnt haben, finden wir hier folglich empirisch bewiesen und auf der Maschine simuliert, „eine Nacht über wichtige Entscheidungen zu schlafen“ und nicht vorschnell „aus der Hüfte zu schießen“ scheint zu besseren Ergebnissen unseres freien Willens zu führen.
Insofern sollte ich mir also doch besser überlegen, was ich morgens trinke. Der erste spontane Entschluss muss nicht immer die beste Wahl sein. Ein Ergebnis zur Erforschung der Willensfreiheit müsste folglich lauten, dass man sich einmal mehr Zeit lassen sollte, bei seiner Willensentscheidung. Auch ruhig einmal etwas mehr als die bekannten „7 Sekunden„. Eine Forderung allerdings, die in unserer schnellebigen Zeit wahrscheinlich auf „taube Ohren“ stoßen mag, da ja angeblich „Zeit, Geld ist“. Doch man sollte lieber eine Entscheidung gut überdenken, bevor man sie später wieder revidieren muss. Daher habe ich mir mal lieber eine Kanne Tee aufgestellt ;-).
In diesem Sinne „Free Willy“ und schenkt dem Willen seine Freiheit zurück!
Dear J. P.,
that I have always thought so far that it requires a „human intellect“ to be able to possess a „free will“. The research results of Professor Petra Ritter and her team of the Computational Neuroscience at the Charité Berlin, however, seem to assume other conditions. If I may quote from my essay on this topic:
„Namely, Ms. Ritter and her team simulate these volitional decision processes using „functional circuits“, or „plug-ins“, consisting of excitatory and inhibitory cells (EPSP/IPSP), which are built into the empirically determined brain models. Using the aforementioned „plug-ins,“ the simulations developed in this way then actually provide a good representation of how volitional decisions might come about.“
So free will does not seem to be a special intellectual achievement let alone purely human.
Thank you for your interest and
many greetings
Philo Sophies
Lieber E.,
vielen Dank für Deinen sehr interessanten Kommentar und Deine sehr freundliche Rückmeldung, auf die ich gerne antworten möchte.
Ja, das Thema ist nun einmal sehr „voll“ und dabei habe ich mich schon sehr zurückgehalten ;-). Wie Du vielleicht gelesen hast, bin ich gar nicht auf die unterschiedlichen Positionen en detail eingegangen, sondern habe den/die geneigte(n) Leser/-in bei Interesse an die entsprechenden Wiki-Einträge verwiesen.
Mag sein, dass Du Recht hast, dass „ die Fülle an Theoriebegriffen und Autoren“ für den einen oder die andere schon too much war. Dabei habe ich noch versucht das Ganze in einen lockeren Tagebuch-Eintrag zu verpacken, wie weit das gelungen ist, lasse ich mal dahingestellt.
Das freut mich aber sehr, dass Du etwas damit anfangen konntest, weil Du, wie Du schreibst, Dich auch mit Neurowissenschaften und Kritischer Theorie auseinandergesetzt hast. Auch nochmals vielen Dank für den Hinweis auf „Martin Hartmann und Jan Slaby“, die ich noch nicht auf meinem Schirm hatte, die aber scheinbar einiges zu Philosophie des Geistes und Emotionen gemacht haben.
Jan Slabys Artikel „Perspektiven einer kritischen Philosophie der Neurowissenschaften“ aus
Band 59 Heft 3 -Deutsche Zeitschrift für Philosophie hat mich ein wenig an „Hirnwelt oder Lebenswelt? Zur Kritik des Neurokonstruktivismus“ von Thomas Fuchs aus demselben Band erinnert, den wir auch schon mal zu diesem Thema interviewen durften.
Die Emotionsforschung von Martin Hartmann hat mich an Achim Stephan und Sven Walter von der Uni Osnabrück erinnert, wobei letzterer auch einiges zum Thema „freien Willen“ gemacht hat. So jetzt aber genug mit den ganzen Namen und Theorien ;-).
Du schreibst: „Neurowissenschaftliche Entwicklungen, insbesondere mit der Idee fehlender Willensfreiheit, bieten einen wunderbaren Nährboden für Fragen nach individueller und soziologischer Freiheit – da passt die Kritische Theorie wie die Faust aufs Auge.“
Stimmt, genau aus diesem Grunde habe ich den Essay geschrieben. Es ging mir um einen „Ruf der Freiheit für den freien Willen“, der nun lustigerweise ausgerechnet aus den kognitiven Neurowissenschaften zu kommen scheint. Die Frage nach der „individuellen und soziologischen Freiheit“ im Fokus der „Kritischen Theorie“ habe ich mal versucht in einem älteren Essay „Die Dialektik der Aufklärungen – es werde endlich Licht!“ (https://philosophies.de/index.php/2021/10/19/die-dialektik-der-aufklaerung/) kritisch unter die Lupe zu nehmen. Kannst Du ja mal schauen, wenn Du magst.
Vielen Dank für Dein Interesse und
viele Grüße
Philo Sophies
Lieber Dirk,
„Grüner Earl-Grey-Tee [Bergamotte!!], Rührei und Vollkonrtoast, dazu Al Stewart aus der Stereoanlage.“ Okay, nicht Depeche Mode, aber zumindest eine Parallele scheint es zwischen Dir und dem Protagonisten von „Balduins Welträtsel“ zu geben. Oder bist Du noch gar nicht auf S. 36? 😉 Jedenfalls vielen Dank für die Erwähnung 🧡.
Auch wenn die Wahl zwischen Kaffee und Earl-Grey ob seiner olfaktorischen Steuerung eher ein Kandidat für eine unbewusste Entscheidung sein dürfte, bin ich doch begeistert einen – wie gewohnt fundierten – Beitrag zu diesem Thema bei Dir zu finden. Und natürlich hast du recht mit Deiner Analyse. „It’s the Qualia, stupid!“ möchte man – sehr frei nach James Carville – ausrufen. Deshalb heißt die Rubrik bei mir auch „Bewusstsein und freier Wille“, denn das eine lässt sich nicht ohne das andere lösen. Eins möchte ich aber betonen: Es ist nicht meine Schuld ist, dass uns das Körper-Geist-Problem in schöner Regelmäßigkeit bei allen großen Fragen auf die Füße fällt. Ich gehöre nur zu denen, die es ernst nehmen, statt es wegzudefinieren. Für letzteres greifen ja – von Dir wunderbar aufgespießt – selbst hochdotierte Philosophen zu sinnfreien Formulierungen wie „Das Ich ist eine Illusion, die niemandes Illusion ist“. Es muss schon Verzweiflung im Spiel sein, wenn man davor nicht zurückschreckt.
Ob sich das Problem, wie von Dir angedeutet, entweder mit Hilfe von Komplexität oder Zufall (oder einer Mischung von beiden) lösen lässt, vermag ich nicht zu beurteilen. Für mich ist nur klar, dass Anfangs- und Endpunkt jeder Erklärung das eigene Erleben sein muss und nicht die Eleganz irgendeiner Theorie. Ich glaube, so dachte auch Peter Bieri, der seit kurzem ja auch nicht mehr unter uns weilt. Er ging immer vom Mensch aus. Sein Trilemma – aus der Mode gekommen, aber mitnichten gelöst – sorry! Daran ändert auch nichts, dass er sich auf seine alten Tage der Poesie zugewandt hat. Ich lese gerade seinen letzten Roman („Das Gewicht der Worte“). Kann man sich der Qualia letztlich nur poetisch nähern? Eine ketzerische Frage, ich weiß. Aber sie gibt mir die Möglichkeit nochmal auf mein Werk zurückzukommen: Die von Dir erwähnten Experimente von Libet und Haynes, das Bieri-Trilemma und noch einiges mehr zum Thema – findet sich alles in „Balduins Welträtsel“. Nicht zur reden von Sara Almeida und ihrem Tanz mit Balduin. Qualia pur! Bin gespannt auf Dein Feedback!
Liebe Grüße und nochmals Danke für den wunderbaren Artikel
Axel
Lieber Axel,
vielen Dank für Deinen wunderbaren Kommentar, zu dem ich natürlich gerne ein paar Sätze schreiben möchte während ich genüsslich in mein „Vollkorntoast mit Rührei“ beiße und meinen „grünen Earl-Grey-Tee mit Bergamotte“ schlürfe. Selbstverständlich habe ich mich hier und in meinem Essay von Deinem hervorragenden literarischen Werk „Balduins Welträtsel“ inspirieren lassen und daher heute Morgen keinen „Rhabarberkuchen mit einer Melange“ gewählt ;-).
Da war er wieder der Ruf nach Freiheit für„Free Willy“, der mich „It’s the Qualia, stupid!“ ausrufen ließ. Daher schreibst Du auch vollkommen richtig, dass „Bewusstsein und freier Wille“ zusammengehören. Wie soll ich einen freien Willen haben, wenn er mir nicht bewusst ist oder wie soll ich ein Bewusstsein entwickeln, wenn ich hierzu nicht einen freien Willen habe?
Und ja, das „Körper-Geist-Problem [fällt uns hierbei] in schöner Regelmäßigkeit bei allen großen Fragen auf die Füße“. Das scheint auch irgendwie nicht anders zu gehen, da wir dieses „alte Paradigma des Dualismus“ in unserem Kulturkreis schon „mit der Muttermilch aufgesogen“ haben. Immer meinen wir, das Dilemma muss doch gelöst werden können, wenn wir die „zwei Seiten“ nur irgendwie wieder aufeinander bekommen könnten. Daher muss auch ein „Bierisches Trilemma“ hieran scheitern, da es einfach noch einen weiteren Gegensatz hinzufügt.
„Ob sich das Problem, wie von Dir angedeutet, entweder mit Hilfe von Komplexität oder Zufall (oder einer Mischung von beiden) lösen lässt, vermag ich auch nicht zu beurteilen. Für mich ist nur klar, „dass Anfangs- und Endpunkt jeder Erklärung das eigene Erleben sein muss und nicht die Eleganz irgendeiner Theorie.“ Das weiß ich natürlich auch nicht, ob „sich das Problem wirklich mit Komplexität oder Zufall (oder einer Mischung von beiden) lässt“ oder ob „man sich der Qualia letztlich nur poetisch nähern“ kann. Allerdings erkenne ich aus dem Geschriebenen wieder den großen Mystiker in Dir ;-).
Für mich ist natürlich auch klar, „dass Anfangs- und Endpunkt jeder Erklärung das eigene Erleben sein muss und nicht die Eleganz irgendeiner Theorie“. Allerdings befürchte ich, dass wir ebenso wie bei dem Bewusstsein auch bei dem freien Willen unsere eigene phänomenologische Sichtweise überschätzen und eigentlich nur wieder einer neurozentristischen Verzerrung unserer Perspektive aufsitzen. Unsere gemeinsamen Interviews mit John-Dylan Haynes, Petra Ritter und Patrick Krauß haben mich doch wieder sehr nachdenklich gemacht, inwiefern wir nicht gerade wieder einmal nur eine „Kränkung der Menschheit“ erleben, dass selbst unser Erleben nichts besonderes ist.
Ich möchte aber ungern mit diesem Gedanken schließen, sondern genieße viel lieber den Tag mit der Stelle „Sara Almeida und ihrem Tanz mit Balduin“ aus Deinem sehr lesenswerten Buch, Depeche Mode mit „Free Love“ aus der Stereoanlage im Hintergrund und einer Tasse „grünen Earl-Grey-Tees“. Qualia kann so schön sein ;-).
Liebe Grüße
Dirk
PS: Die Rezension zu Deinem Buch kommt natürlich auch noch.
Lieber Dirk,
ich sehe Du bist doch schon weiter, was mich natürlich sehr freut. Ich wollte eigentlich nicht mit dem berühmten Zaunpfahl winken, hab’s aber wohl ganz unbewusst – ohne Beteiligung meines freien Willys (äh, 😜) – dann doch gemacht. Das hat jedenfalls keine Eile.
Das „alte Paradigma des Dualismus“, das wir „in unserem Kulturkreis schon „mit der Muttermilch aufgesogen“ haben.“ Vielleicht müsste man das mal genauer unter die Lupe nehmen und sich tatsächlich ein paar Texte aus dem alten Testament und aus der griechischen Mythologie anschauen, die unsere unbewusste DNA geprägt haben. Mir würden da ein paar Stellen einfallen, aber wir haben für die Griechen ja auch einen Experten unter uns. Und für den Vergleich mit dem Buddhismus würde mir jetzt auch jemand einfallen. Klingt ein bisschen nach Capras „Tao der Physik“, das ja damals nicht funktioniert hat. Aber wir würden es natürlich besser machen. Ein Versuch wäre es wert, denke ich.
Natürlich alles bei Melange und Rhabarberkuchen (oder doch Karameltorte??)
Liebe Grüße
Axel, der Mystiker
Der Buddha war in etwa der Ansicht dass nur Wahrheiten gelehrt werden sollten die auch zur praktischen Selbsthilfe bzw. Überwindung des Leids beitragen. Fragen und Wahrheiten ohne praktische Auswirkungen wurden eher ignoriert.
Das Standardbeispiel aus dem Buddhismus ist folgendes: stelle dir vor du wirst in einem Wald plötzlich von einem Pfeil getroffen. Um zu überleben musst du die Wunde heilen; der Täter wird in der Zeit wohl verschwinden sein. Allerdings hast du etwas für dich getan und du wirst wohl überleben und nicht verbluten.
Der griechische oder westliche Philosoph würde wohl in etwa die folgenden Fragen stellen nachdem er frisch von einem Pfeil getroffen wurde: wer war der Täter? gab es überhaupt einen Täter, oder bilde ich mir die Tat nur mental in meinem Bewusstsein ein? gibt es überhaupt eine echte Außenwelt? warum hat jemand dies getan; ich muss die Person finden uns sie ausführlich befragen, koste es was es wolle; wieso spüre ich überhaupt Schmerzen und wieso gibt es nicht qualialose physiologische Prozesse?
Der westliche Philosoph fragt sich also im wahrsten Sinne des Wortes zu tode; er verblutet an Ort und Stelle und erhält am Ende des Tages doch keine Antwort auf seine oftmals metaphysischen Fragen.
Hi Philipp,
vielen Dank für Deinen Kommentar und Deinen Hinweis auf Buddhas Lehren, für die ich durchaus große Sympathien hege.
Dein Beispiel fand ich sehr anschaulich und gut gewählt, da es durchaus das Dilemma der abendländischen Philosophie beschreibt, dass sie durchaus manchmal aufgund ihrer „Kopflastigkeit“ und der „Suche nach dem Gral der letzten Gründe“ durchaus vergißt, dass man im Sinne eines Existenzialismus vielleicht einfach nur das Leben leben sollte; nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe allerdings so meine Zweifel, ob der Buddhismus hier tatsächlich existenzieller ans Werk geht, da die Lehren Buddhas für mich doch auch sehr „verkopft“ daher kommen. Hier nur eine kleine Auswahl an Zitaten, die ich beim Fischen im Netz gefangen habe:
„Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht in unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt.
Glück hängt nicht davon ab, was du hast oder wer du bist. Es hängt nur davon ab, was du denkst.
Alles, was uns im Leben begegnet, ist letztlich Resultat unseres eigenen geistigen Handelns.
Willst du wissen, wer du warst, so schau, wer du bist. Willst du wissen, wer du sein wirst, so schau, was du tust.
Der Geist ist alles – was du denkst, das wirst du.
Der Geist ist durch seine Aktivität der leitende Architekt des eigenen Glücks und Leidens.
Beherrsche deinen Geist oder er wird dich beherrschen.“
Ich hätte die Sorge, um in dem Bild Deines Beispiels zu bleiben, dass der „vom Pfeil getroffene Buddhist“ hierüber auch erst einmal meditieren muss, ob dies zu seinem Karma gehört oder nicht, bevor er den Notarzt ruft oder den Verbandskasten auspackt.
Also worauf ich hinaus will, ist eher die Frage, wie es Menschen ohne eine gewisse Metaphysik gelingt ihr Schicksal zu händeln. Die Religionen spielen hier für mich keine so große Bedeutung, da sie alle nur das gleiche Ziel in meinen Augen verfolgen, wie wir es angesichts unsere eigenen Sterblichkeit hinkriegen noch ein sinnvolles Leben zu verbringen und im Angesicht des Todes es würdevoll zu Ende bringen, nicht mehr und nicht weniger.
Liebe Grüße
Dirk
Hallo Dirk,
bezüglich deinen Zitaten:
es gibt im Buddhismus schier endlos viele Schulen. Hier findet man auch Schulen die dem westlichen Idealismus entsprechen; für die ist, wie in deinen Zitaten zu sehen, „alles Geist“. Der historische Buddha war allerdings kein Idealist. Der frühe Buddhismus sah den Buddha noch als Menschen; zumindest mehr oder weniger. Der Mahayana Buddhismus erhob den Buddha quasi zu einer Gottheit, ähnlich wie Jesus im Christentum. Was ich damit sagen möchte: du findest im Buddhismus sehr viele philosophische Ansichten – eben je nach Schule und Quelle. Diese kann man aber nicht untereinander vermischen.
Zum Thema des freien Willen:
Buddha ging jedenfalls von einem freien Willen aus da seine Lehre praktisch sonst keinen Sinn machen würde.
Dann wird häufig behauptet dass es im Buddhismus kein Selbst bzw. Ich gäbe, was eventuell in philosophische Widersprüche im Zusammenhang mit den freien Willen führen könnte. Aber auch das stimmt so nicht. Es gibt Schulen die jegliche Form des Selbst/Ich ablehnen, während es andere akzeptieren. Soweit ich es aus der Literatur gelernt habe war Buddha wohl der Ansicht dass es ein empirisches Selbst gibt, wohl aber kein metaphysisches.
Lieber Axel,
aujaa, cool, das wär doch mal ein Projekt für unsere nächste Tafelrunde, ob IRL oder IVL
Das „alte Paradigma des Dualismus“ aus christlich-theologischer, griechisch-mythologischer, westeuropäischer Sicht und buddhistisch-religiöser, asiatisch-mythologischer, ernöstlicher Sicht zu beleuchten. Ich wäre auf alle Fälle dabei. Von mir aus auch mit einem „Tao der Physik“. Man muss ja schließlich ach mal „über den Tellerrand schauen“.
Sag mir Bescheid, ich organisiere auch die „Karameltorte“ 😉 und wenn auch nur IVL.
Liebe Grüße
der Dörk
Lieber M.,
vielen Dank für Deinen Kommentar und Dein anschauliches Beispiel, auf das ich hier kurz eingehen möchte.
Das Beispiel hat zwar nichts direkt mit meinem Essay zum „freien Willen“ zu tun. Ich finde es aber sehr schön und wichtig, da es um die Einnahme von anderen Sichtweisen und besonders um die Demut geht.
Ich sehe das übrigens ganz genauso wie Du in Deinem Beispiel mit den „3 Affen auf dem Baum und dem Tiger“. Nur dadurch, dass man mal die Sichtweise eines anderen Menschen einnimmt oder wenigstens nachvollzieht, gelangt man zu ganz neuen Perspektiven auf das Problem. Ein Fokus auf ein Thema ist gut und schön, aber erzeugt auch einen „Tunnelblick“. Man schaut nicht mehr über seinen eigenen Tellerrand und wird letzlich systemblind (s. z. B. https://philosophies.de/index.php/2022/01/21/digitaler-tribalismus/).
Ebenso erzeugt Hochmut oder Hybris bekanntermaßen eine größere Fallhöhe (s. „Ikarus“). Daher wäre ein Stück Demut und Bescheidenheit auch manchmal sehr angebracht. Da zum Beispiel die hoch gesteckten Ziele hinsichtlich von Machinen mit künstlichem Bewusstsein (#AC/#DC = „artificial/digital consciousness“) dringend einer Risikofolgenabschätzung mit mehr Demut verlangen (s. z. B. https://philosophies.de/index.php/2021/08/14/das-system-braucht-neue-strukturen/).
Aber der „Affe ist ja noch nicht vom Baum gefallen“ ;-). Und gut, dass es Menschen, wie Dich gibt, die auf so etwas hinweisen.
Liebe Grüße
Dirk 🙋
Lieber Dirk, leider habe ich jetzt nichts Kluges beizutragen, aber ich mag mich für den anregenden Beitrag noch einmal bedanken, wie immer auch mit deiner grandiosen Gelassenheit im Humor, was mich immer wieder fasziniert! Und ohne Kommentar verpasse ich anscheinend schöne Wortwechsel, daher muss ich nun diesen Kommentar ersatzweise hinterlassen. LG, Christian
(Kommentar gehört hier hin.)
Lieber Dirk, leider habe ich jetzt nichts Kluges beizutragen, aber ich mag mich für den anregenden Beitrag noch einmal bedanken, wie immer auch mit deiner grandiosen Gelassenheit im Humor, was mich immer wieder fasziniert! Und ohne Kommentar verpasse ich anscheinend schöne Wortwechsel, daher muss ich nun diesen Kommentar ersatzweise hinterlassen. LG, Christian
🙁
Die Kommentarfunktion scheint seinen eigenen Willen zu haben, wo mein Kommentar erscheint…
Das hat aber glaube ich ausnahmsweise mal nichts mit Meta zu tun 😜.
Lieber Christian,
herzlichen Dank für Deinen sehr freundlichen Kommentar und Dein Kompliment ☺️.
Alles Weitere können wir ja dann in der Tafelrunde besprechen.
Liebe Grüße
Dirk
Ich möchte dazu gerne ein Gedicht beitragen, das ich in meiner Schulzeit von einer Mitschülerin bekam, die mir damit auf eines meiner Gedichte geantwortet hat:
Du willst frei sein,
aber vergiss nicht, dass du grausam sein kannst,
wenn du gehst, ohne auf Wiedersehen zu sagen.
Du bist frei,
aber Freiheit darf nicht bedeuten,
dass man verspricht, wie man will,
dass man Liebe nimmt, wie man will,
dass man Vertrauen bricht, wie man will.
(Der Autor ist mir nicht bekannt)
Aus meiner Sicht gibt es zur Freiheit nichts zu sagen, denn alles was gesagt würde, das wäre bereits eine Einschränkung dessen, was wirklich frei ist.
Ein Nachtrag, zum Gedicht, das richtig so geht:
….
Du bist frei,
„aber schüttle meine Hand nicht einfach ab, wenn du sie nicht mehr brauchst.“
Freiheit darf ….
Tut mir leid!
Lieber c.,
vielen Dank für Ihren interessanten Kommentar und den Hinweis zu dem Experiment Marcus Du Sautoy und John-Dylan Haynes.
Das von Ihnen erwähnte Experiment haben wir ebenfalls in unserem Zoomposium-Interview „Zoomposium mit Professor Dr. John-Dylan Haynes: „Die Suche nach dem Code des Gehirns” (https://philosophies.de/index.php/2023/08/15/die-suche-nach-dem-code-des-gehirns/) mit John-Dylan Haynes besprochen, auf das ich Sie hier gerne aufmerksam machen möchte.
Er spricht sich hier übrigens für einen „Semi-Kompatibilismus“ aus, der nicht ganz so positivistisch und physikalistisch ist, wie Ihre Beschreibung „Diese Erkenntnis stellt die Vorstellung vom freien Willen in Frage und legt nahe, dass unbewusste Gehirnaktivität unsere Entscheidungen erheblich prägt, bevor wir uns ihrer bewusst werden.“ vermuten lässt. Das bedeutet, dass zwar ein „predictive coding“ abläuft, aber wir noch einen Ermessensspielraum zum Eingreifen, auch wenn er scheinbar nur „7 Sekunden“ beträgt. Daher kann ich Ihre deterministische Hypothese von den „biologischen Robotern“ nicht unterstützen.
Aber diese „Determinismus-Willensfreiheit“-Debatte ist doch letztenendes nichts anderes als „alter Wein in neuen Schläuchen“, da sich das Pseudoproblem des „Körper-Geist-Dualismus“ in dem „Determinismus-Willensfreiheit-Dualismus“ als vermeintlicher physikalistischer Monismus einfach nur fortsetzt, wobei er eigentlich doch wieder nur ein verkappter dualistischer Neurozentrismus ist.
Vielen Dank aber für Ihr Interesse und
viele Grüße
Philo Sophies
Lieber C,
vielen Dank für Ihre erneute Rückmeldung, auf die ich hier gerne kurz antworten möchte.
Das von Ihnen erwähnte „alte Dilemma“, was es nun letzlich sei unser „Bewusstsein in der 1. Person-Perspektive“, die „Qualia“ oder auch das oft zitierte „hard problem“ ist mir durchaus bekannt. Ich hatte dies auch bereits in einem älteren Essay „Der Geist in der Materie – oder immer Ärger mit dem Lemma“ (https://philosophies.de/index.php/2020/12/11/der-geist-in-der-materie/) einmal versucht darzustellen.
Auch die von Ihnen genannten Argumente, die immer wieder gerne für den materiellen Monismus in Form des „Neurozentrismus“ herangezogen werden, sind mir ebenfalls geläufig. In meinem Wiki-Eintrag zu diesem Thema habe ich versucht einmal eine Gegenposition zu entwickeln. Wenn es Sie interessiert, könnten Sie es hier einmal nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Neurozentrismus
Vielen Dank für Ihr Interesse und
viele Grüße
Dirk
Lieber Dirk, was ich nicht verstehe, ist deine Annahme, dass nicht du, sondern jemand anderes entscheidet, ob die Tee o0der Kaffee trinken willst, bloß weil diese Entscheidung möglicherweise eine Drittelsekunde früher in deinem Gehirn fällt, als es dir im Experiment messbar bewusst wird. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber mein Gehirn gehört vollständig mir. Wenn Teile meines Gehirns etwas entscheiden, dann bin das ich. Wenn ich dank eines guten Reflexes rechtzeitig ausgewichen bin, bevor mein Auto mit einem überholenden Raser des Gegenverkehrs frontal zusammengestoßen wäre, dann war das doch mein Reflex, also ich. Darf ich auf meinen Reflex nicht stolz sein, bloß weil ihm zum Glück keine langwierige Hin- und-her-Überlegung vorausging?
Wie misst man eigentlich den Zeitpunkt, zu dem uns eine Entscheidung bewusst wird? Tritt die Verzögerung vielleicht erst später auf: zwischen dem Zeitpunkt des tatsächlichen Bewusstwerdens und dem Zeitpunkt, den wir als Proband im Experiment dafür angeben? In dem Fall wäre das ganze Libet-Experiment eigentlich ein Artefakt.
Bei dem KI-gestützten Experiment bezweifle ich glatt, dass die KI signifikant richtige Voraussagen über Details treffen kann. Sie kann vielleicht voraussagen, dass ich mich gleich kratzen werde. Aber sie kann nicht voraussagen, welcher Finger wann genau welche Bartstoppel treffen und wann genau er nach oben und nach unten gehen wird. Oder glaubst du das?
Lieber Jens Jürgen,
vielen Dank für Deinen sehr interessanten Kommentar und Deine Frage, auf die ich gerne zu antworten versuchen möchte.
Zunächst einmal muss ich gestehen, dass ich den Essay nicht ohne eine gewisse Spur von Ironie geschrieben habe, da ich den vermeintlichen „freier Wille vs. Determinismus“-Dualismus auch für ein Pseudoproblem halte, da dieser aus meiner Sicht eigentlich nichts anderes als eine Fortsetzung des „Geist vs. Materie“-, „Körper vs. Gehirn“- „Leib vs. Seele“-Dualismus im „anderen Gewand“ ist. Hier wird wieder mal ein Kategorienfehler begangen, weil man versucht das Mentale aus dem Physischen oder umgekehrt abzuleiten.
Ich mache mich zugegebenermaßen ein wenig lustig, wenn ich nach meiner „Entscheidungsfreiheit“ für eine Tasse Kaffee oder Tee frage. Ich bin es natürlich selber. Nur ist die Frage, ob mein Gehirn oder mein Körper entschieden hat, also ob das Mentale über das Physische regiert, ist aus meiner Sicht eine sehr absurde Frage. Thomas Fuchs spricht z. B. demgegenüber in seinen Büchern und in unserem Interview lieber von einem „verkörperten Bewusstsein“, man könnte es auch als „embodiment“ oder „embededdness“ bezeichnen.
Die Messergebnisse, die John-Dylan Haynes mit seinem ausgeklügelten „Nachfolge-Libet-Experiment“ geliefert hat, sind allerdings schon mehrfach überprüft und belegt worden. Die KI kann tatsächlich mit einer „überzufälliger Häufigkeit bestimmte Aktivitätsmuster ca. vier Sekunden vor dem Moment auftraten, in dem die Versuchspersonen selbst sich über ihre Entscheidung bewusst sein konnten“ vorhersagen.
Das entspricht auch dem von Karl Friston nachgewiesenen Prinzips des „predictice coding/processing“ des Gehirns. Natürlich kann die KI aber (bisher) keine Vorhersagen zu unserem Verhalten machen, weil sie auf eine bestimmte Situation trainiert werden muss. Viel wichtiger ist aber bei diesem Experiment der Nachweis einer „Veto-Funktion“, die uns scheinbar noch vor dem Vollzug der Entscheidung von unserer Handlung abbringen kann.
Es macht nur keinen Sinn, dies wieder als ein „Two-Player-Game: Körper vs. Geist“ aufzubauen. Da ist nichts Geisterhaftes, was da noch einwirken oder uns abbringen muss. Das Ganze ist eine Einheit und die Aktion/Reaktion ist, wenn man es unter einem prozessontologischen Aspekt betrachtet, auch nicht in „freier Wille vs. Determinismus“ zu trennen. An dem von Dir erwähnten Beispiel des „Reflex“ wird dies auch sehr schön deutlich. Ebenso könnte man das Beispiel „Bauchgefühl“ als emotionale Intelligenz anführen, die auch nachweislich zu unserer Entschungsfindung beiträgt.
Ich hoffe, ich konnte Deine Fragen beantworten und bedanke mich für Dein Interesse.
Viele Grüße
Dirk
Was, wenn ich durch meinen Körper erfahre, was das Leben braucht, damit er gesund bleibt, wird oder ich durch ihn erfahren kann, warum er krank ist? Höre ich auf meinen Körper, oder missachte und ignoriere ich seine Aufforderungen an mich? Es gibt sicher medizinische Studien darüber, wodurch ich meinen Körper so wahrnehmen kann, dass ich zwar unabhängig seiner Konstitution Entscheidungen treffen kann, diese aber nur durch eine ganz bestimmte Konstellation auch in sein Bewusstsein vordringen können. Informationswesen spielt dabei sicher eine ihn tragende Rolle, da der Körper ja nicht weiß, was ich durch sein Herz und meine Verantwortung für seine Gesundheit durch meine Rolle im Informationssystem verantworte.
Es ist müßig, über die Entscheidungsfindung im Umgang mit dem Körper zu sprechen, der ohne eine endgültige Verfassung durch das Gedächtnis kein Herz mit sich bringt. Damit will ich sagen, sein Wissen um das Leben, das in diesem Körper wohnt, auch, wenn ich es nicht hervorbringe, das ist unabdingbar. Um die richtigen Entscheidungen in seinem Sinn zu treffen, bleibt das Leben erhalten, auch wenn sein Körper nicht von mir getragen wird. Dieses Leben besteht aus seinem Gedächtnis, sodass dessen Aufbau durch die Einheit nachvollzogen werden kann, an der ein neues Herz erwächst.
Entscheidungen basieren demnach auf Vorkenntnissen, die in ihrer Zeit von der Einheit abhängig sind, die sich im Leben durchsetzen kann. Die Menschheit beinhaltet Vorkenntnisse, die sich auf ihre Herkunft beziehen, ohne die sie ihre Wurzeln verliert. So baut das Herz des Menschen auf Vorkenntnisse, die zu seinem Gedächtnis in ihrer Form erhalten bleiben und mit ihm gemeinsam das Leben teilen.
Ich hoffe, mein Beitrag hilft bei der Aufklärung eines Willens, der zwar absolut frei ist, dennoch begrenzt durch das Leben wirkt, dem er innewohnt. Dadurch kann ich seinen Lebenswillen von der Person unterscheiden, die für meine Existenz verantwortlich ist.