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Die Philosophie des Geistes – der UEPhA-Cup der Ismen
Die Geschichte der „Philosophie des Geistes liest sich wie eine Chronik zum Wettkampf der verschiedenen geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen „Ismen“ (Plural des -ismus, z. B. Materialismus, Idealismus, Positivismus,…). Viele Verbalschlachten, Begriffsscharmützel und Wortstellungskriege der Vergangenheit wären aber sicherlich vermeidbar gewesen, hätte man sich im Vorfeld auf eine gemeinsame Sprache – oder zumindest auf eine einheitliche Konnotation eines bestimmten Begriffes geeignet. Wenn es mir an dieser Stelle gestattet sei, würde ich gerne diesen Kampf der Ismen aber nicht so martialisch beschreiben, sondern lieber zu dem Begriff „UEPhA (Union of European Philosophy Associations)-Cup„-Spiel zwischen dem Team der Geisteswissenschaften (Soziologie, Geschichte, Linguistik,…) und dem der Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie,…) wechseln. Auch wenn ich keine Ahnung vom Fußball habe, aber damit es in der PdG nicht ganz so kopflastig wird ;-).
Im Folgenden möchte ich versuchen, anhand einiger ausgewählter Begriffsanalysen den jeweiligen Standpunkt der vermeintlich diametralen Lager in der Philosophie des Geistes deutlich zu machen, um in einem letzten Schritt die bereits gebildeten Gräben und Risse wieder zu zuschütten und zu kitten. Meine Arbeitshypothese soll darin liegen zu zeigen, dass Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften nur die zwei Seiten ein und derselben Münze sind und in der Philosophie des Geistes oder Neurowissenschaft eine gemeinsame Schnittstelle besitzen. Diese Schnittstelle sehe ich in der relativ jungen Disziplin der Neurophilosophie gegeben, auf die ich aber in meinem weiteren Artikel „Die Neurophilosophie“ aufgrund der ansonsten entstehenden „epischen Länge“ gesondert eingehen möchte.
Zur Erläuterung meiner Arbeitshypothese sei mir hier zunächst einmal eine begriffliche Standortbestimmung und Einordnung der Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft in die Genese und Evolution der Philosophie des Geistes erlaubt.
Das alte Schisma Geisteswissenschaft vs. Naturwissenschaft
»Als Gegner stehen einander nicht zwei wissenschaftliche Fächer gegenüber, mit unterschiedlichen Gegenständen, aber ähnlichem Wissenschaftsverständnis, sondern zwei wissenschaftliche Konfessionen, deren Auseinandersetzungen nicht selten Züge eines Glaubenskrieges annehmen.« (Vowinckel, in: Zwischen Natur und Kultur, S. 35)
Es soll im Folgenden zunächst einmal um die Klärung des „Wissens-„/“Wissenschafts-„Begriffes gehen. Doch schon an dieser Stelle tritt eine begriffliche Verwirrung auf. Bedeutet die begriffliche Unterscheidung in Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft, dass sich die „Geisteswissenschaften“ (Dilthey, Hegel) nur mit dem „Geist“ und nicht mit der „Natur“ und die „Naturwissenschaften“ nur mit der „Natur“ und nicht mit dem „Geist“ beschäftigen? Diese – bei näherer Betrachtung – doch sehr merkwürdige Begriffswahl erscheint nicht nur im deutschen Sprachraum. In der angelsächsischen Sprache ist der Wissenschaftsbegriff noch stärker polarisiert. Man unterscheidet hier „science“ von „humanities„, wobei sich der Begriff „science“ hauptsächlich auf die „natürlichen Wissenschaften“ (natural science, life science, physical science,…) bezieht und „humanities“ auf die „menschlichen Wissenschaften“. Also dürfte auch im Angelsächsischen „science“ unmenschlich sein, ebenso wie die „humanities“ (anthropology, history, philosophy,…) unnatürlich wären, sonst benötigte man keine solche Unterscheidung der Wissenschaftsobjekte. Die Differenzierung zielt aber im Deutschen, wie im Angelsächsischen weniger auf das Objekt der Untersuchung, sondern liegt eigentlich viel mehr in dem vermeintlichen Unterschied der Methodik. In den Naturwissenschaften wird nach eigener Aussage eher empirisch, induktiv und reduktiv gearbeitet, wohingegen die Geisteswissenschaften ihre Methodik vielleicht eher als logisch, deduktiv und spekulativ bezeichnen würde. Dieser künstlich-erzeugte Dualismus hat – wie man später noch sehen wird – weitreichende Konsequenzen hinsichtlich der Evaluation von Ergebnissen, am Beispiel der Philosophie des Geistes vs. der Neurowissenschaft. Aber zunächst soll hier erst einmal der „Graben/Riss“ an dem Begriff der „Wissenschaften“ gezeigt werden.
„Hiatus philosophicus“ – der Riss im Wissen
Der eigentliche Graben/Riss in der Philosophie („Hiatus philosophicus“) ist vielleicht noch nicht so alt wie das Schisma der katholischen Kirche von 1054. Er ist aber schon angelegt in den Anfängen der Philosophie in der Antike, bei den „ollen Griechen“, hier besonders Platon (* 428/427 v. Chr. in Athen oder Aigina; † 348/347 v. Chr. in Athen) und sein Schüler Aristoteles (* 384 v. Chr. in Stageira; † 322 v. Chr. in Chalkis auf Euböa):
„Die Griechen sind von maßgeblicher Bedeutung, weil sie bei der Kontrastierung von moderner und vormoderner Wissenschaftlichkeit einen Angel- und Wendepunkt in der Geschichte bilden. Sie stellen in der Weltgeschichte der Wissenschaften eine Zwischenstufe dar: ein Scharnier zwischen den ersten Anfängen der Wissenschaft bei den antiken Hochkulturen und der elaborierten Wissenschaftssystematik der Moderne.“ (Tim Kunze: „Der Riss im Wissen. Zum Problem des Unterschieds zwischen Natur- und Geisteswissenschaft in der griechischen Antike, anhand von Aristoteles‘ Physik und Politik„, S. 21)
Die verschiedenen Wissensstufen des antiken Griechenlands
Im antiken Griechenland wurde lediglich zwischen verschiedenen Wissensstufen unterschieden:
1. Vorwissenschaftliches Wissen:
a) ἐμπειρία (empiria ≈ bloßes Erfahrungswissen),
b) ἱστορία (istoria ≈ gesammelte Einzelkenntnisse) und
c) τέχνη (téchne ≈ systematisch-praktisches Wissen in Form von praktischem Können)
2. wissenschaftliches Wissen: ἐπιστήμη (epistéme ≈ theoretisches Wissen in Form von Gelerntem oder Erdachtem
3. philosophisches Wissen: φιλοσοφία (philosophia ≈ höchste Wissensstufe als Sammlung von verschiedenen Weisheiten/Wissen)
„Bezüglich der Differenzierung von vorwissenschaftlichem und wissenschaftlichem Wissen zeigt sich Folgendes: In der Moderne wird ein bestimmter Begriff der «Wissenschaft» bzw. «science» vorausgesetzt und über dessen Ausdehnung gestritten («Wissenschaft» qua strenge Wissenschaft vs. Geistes«wissenschaft» u. dgl.). Bei den Griechen stellt demgegenüber weniger die Breite eines normativen Konzepts, sondern die Begriffsüberlappung das Hauptproblem dar. Neben dem Begriff ἐπιστήμη [epistéme] dienen auch μαθήματα [mathímata] oder gar τέχνη [téchne] u.ä. als Bezeichnung für wissenschaftliches Wissen, und die allgemeine Bedeutung von ἐπιστήμη [epistéme] als „Wissen“ lebt weiterhin fort.“ (Tim Kunze: „Der Riss im Wissen…“, S. 25)
Geisteswissenschaft vs. Naturwissenschaft
Für Platon und Aristoteles stellte sich die Frage nach der Definition der „Wissenschaft“ geschweige denn der Abgrenzung von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft noch überhaupt nicht. Bis in die Moderne differenzierte sich allerdings der Wissenschaftsbegriff sehr stark, wobei die Naturwissenschaft ihre Wurzeln stärker in empiria und téchne schlugen und die Geisteswissenschaft sich lieber über die epistéme und philosophia verorten lassen wollten. Die philosophia wurde gegenüber dem antiken Konzept stark entwertet und einfach der Geisteswissenschaft zugeschlagen. Diesen Hiatus philosophicus zu verorten ist nicht so einfach, da es sich eigentlich um einen kontinuierlichen Prozess gehandelt hat. Man könnte aber Francis Bacon als ersten „modernen Naturwissenschaftler“ bezeichnen, da er sich von der epistemischen Scholastik in Form der „Naturphilosophie“ abwendet und sich der durch empirische Daten (empiria) gewonnen Erkenntnis und technischen (Aus-)nutzbarkeit (téchne) zuwendet. Mit den antiken Begriffen veranschaulicht – ohne eine Bewertung zu beabsichtigen – bedeutet dies, dass die niederen, antiken Wissensstufen „techné“ und „empiria“ aufgewertet und die höheren Wissensstufen „philosophia“ und die „epistéme“ abgewertet wurden.
Diese wissenschaftsgeschichtliche Vorbetrachtung ist aber wichtig für das weitere Verständnis des darauf folgenden späteren Kampfes zwischen der Geisteswissenschaftund Naturwissenschaftin Form der Ismen in der Philosophie des Geistes.
Die Philosophie des Geistes – der UEPhA-Cup der Ismen
Das Schiedsrichtergespann Bieri-Trilemma
Das Schiedsrichtergespann soll das in meinem vorherigen Essay „Der Geist in der Materie“ beschriebene Bieri-Trilemma abgeben, da es die zugrundegelegten Basen der jeweiligen Ismen besser bewertbar macht; das gilt im Übrigen sowohl für die Dualismen und Monismen. Das Bieri-Trilemma soll in diesem Sinne ausdrücklich keine neue Theorie sein, sondern lediglich nur ein Instrument dienen. Wenn ich das Bieri-Trilemma aus diesem Grunde noch einmal kurz vorstellen dürfte:
Dualismus:
(1) Mentale Phänomene sind nicht-physikalische Phänomene.
(2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal wirksam. (mentale Verursachung; z.B. allg. für Verhalten, „vor Scham erröten“)
(3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen.
Jede der drei Annahmen wirkt auf den ersten Blick plausibel:
Zu (1): Das Bewusstsein scheint durch seine interne Struktur – insbesondere durch das subjektive Erleben – von jedem physischen Ereignis verschieden.
Zu (2): Mentale Phänomene (etwa Angst) scheinen ganz offensichtlich Ursache von physischen Phänomenen (etwa Weglaufen) zu sein.
Zu (3): In der physischen Welt scheinen jedoch immer hinreichende, physische Ursachen auffindbar zu sein.
Monismus:
(1) Wenn mentale Phänomene im kausal geschlossenen Bereich physischer Phänomene eine kausale Rolle spielen sollen, dann müssen sie physische Phänomene sein.
(2) Mentale Phänomene sind M.
(3) Phänomene, die M sind, können nicht physische Phänomene sein.
(M steht für Charakteristika, denen Eigenschaften zugesprochen werden, die exklusiv mentalen Phänomenen zugeordnet werden.) (Peter Bieri: „Analytische Philosophie des Geistes„, S. 9.)
Das Trilemma besteht nach Bieri darin, dass die Sätze paarweise, aber nicht alle zugleich wahr sein können. Wenn mentale Phänomene auf die physikalische Welt einwirken können (1 und 2), so ist sie nicht geschlossen (Widerspruch zu 3). Wenn dagegen das Mentale von der physischen Welt unabhängig ist und die physische Welt kausal geschlossen (Satz 1 und Satz 3), so kann es keine Wirkung mentaler Phänomene auf die physikaische Welt geben (Widerspruch zu 2). Wenn mentale Phänomene physische Vorgänge verursachen und die physische Welt kausal geschlossen ist (2 und 3), so muss das Mentale auf die physische Welt reduzierbar sein (Reduktionismus, Widerspruch zu 1).“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Bieri-Trilemma)
Die Untersuchung in wie weit die Prämisse (3) überhaupt Bestand hat, muss leider auch noch auf den späteren Essay „Neurophilosophie“ verschoben werden.
Anstoß der Partie durch die Geisteswissenschaft
Der Wettkampf um den UEPhA-Cup der Philosophie des Geistes wird selbstverständlich durch das Team um die Geisteswissenschaft angestoßen, da zu Beginn des „Spiels“ die Mannschaft um das Team Naturwissenschaft noch Probleme mit der richtigen Technik zur Behandlung des Objektes „Geist“ (der Begriff ist übrigens sprachlich auch nicht unproblematisch) haben. Es fehlen die empirischen Daten.
Platons Substanzdualismus
Also legt Platon mit seinem Substanzdualismus den „Ball“ vor:
„Sokrates: Unser Leib, wollen wir nicht sagen, der habe eine Seele? Protarchos: Offenbar wollen wir das. Sokrates: Woher aber, o lieber Protarchos, sollte er sie erhalten haben, wenn nicht auch des Ganzen Leib beseelt wäre, dasselbe habend wie er und noch in jeder Hinsicht trefflicher?“ (Platon: Dialog „Philebos“ (30a).
Der Ball landet auch im gegnerischen Spielfeld, wo er von den Verteidigern des Teams NW, den „Atomisten“ Leukipp, Demokrit und Epikur mit ihrer substanzmonistischen Theorie zunächst einmal abgewehrt wird (die Idee wird aber – wie man später noch sehen wird – zum Physikalismus in Form der „Identitätstheorie“ ausgebaut). Platons eigentlicher Plan lag zwar eher darin, die Unsterblichkeit der Seele zu postulieren, aber von nun an ist die Differenz zwischen zwei vermeintlichen Entitäten dem „Leib“ und der „Seele“ unwiderruflich in der Welt. Er liefert in seinem Dialog „Phaidon“ allerdings keine genaue Definition zu dem Begriff „Seele“, „was es ist zu sein„, außer dass sie etwas Immaterielles (Nicht-Körperliches) sein soll.
Descartes Interaktionismus
Dies wird aber zu einer Steilvorlage für die berühmt-berüchtigte Flanke von „res cogitans“ zur „res extensa“ von Descartes Interaktionismus:
„Ich kann mir klar und deutlich vorstellen, dass Geist ohne Materie existiert. Was man sich klar und deutlich vorstellen kann, ist zumindest prinzipiell möglich. Also ist es zumindest prinzipiell möglich, dass Geist ohne Materie existiert. Wenn es prinzipiell möglich ist, dass Geist ohne Materie existiert, dann müssen Geist und Materie verschiedene Entitäten sein. Da also Geist und Materie verschiedene Entitäten sein müssen, ist der Dualismus folglich wahr.“ (René Descartes: „Meditationes de prima philosophia.“ (1641), S. 98)
Auf Descartes Interaktionismus gehe ich hier nicht ausführlicher ein, da ich ihn bereits in meinem letzten Essay „Der Geist in der Materie“ beschrieben habe. Nach Descartes ist die Seele zwar „unräumlich“, jedoch würde sie in engem Kontakt mit der Zwirbeldrüse stehen, die als Vermittlerin zwischen Körper und Seele fungieren soll. Dies konnte aber bis heute weder durch das Team um die Naturwissenschaft empirisch bestätigt werden, noch hielten die Kommentatoren aus der Geisteswissenschaft-Kurve diesen Ansatz für erfolgversprechend (Andreas Kemmerling: „Ideen des Ichs: Studien zu Descartes‘ Philosophie“ 1996).
Spinozas Substanzmonismus
Als taktischer Einzelspieler übernimmt nun aber Spinoza nochmals den Ball mit seinem Substanzmonismus. Der Substanzmonismus soll aber anders als bei den antiken „Atomisten“ nicht in der Materie, sondern in Gott als unendliche, substantiell in ihren Eigenschaften konstante, einheitliche und ewige „Substanz“ in allem Seienden (Pantheismus) gefunden werden. Die hieraus entwickelte Erkenntnistheorie für die Philosophie des Geistes führt bei ihm im Gegensatz zum IA zu einem psychophysischen Parallelismus. Der menschliche Intellekt kann Spinoza zufolge zwei „Attribute“ das „Denken“ (Geist) und die „Ausdehnung“ (Materie) der einen Substanz natura naturans = schöpferische Natur (Gott) erkennen.
Leibniz Parallelismus
Dieselbe Taktik verfolgt ebenfalls sein Parallelismus-Mitspieler Leibniz, der jeglichen psychophysischen Interaktionismus zwischen Leib und Seele ablehnt und diese nur als zwei Uhren vergleicht, die voneinander getrennt, aber durch Gott vollkommen synchronisiert, ablaufen würden. Die perfekte Parallelität ohne Kausalität erscheint schon damals fragwürdig, aber endgültig scheitert der Pass durch seinen Determinismus an den Verteidigern der „Willensfreiheit„. Wie stabil diese Verteidigungsmauer ist, muss allerdings auch in einem späteren Essay untersucht werden. Auch ein weiterer idealistischer Parallelismus-Spieler Kant kommt mit seinem torgefährlichen Doppelpass in Form des transzendental-apriorischen Eigenschaftsdualismus weit in den Strafraum des NW. Er kann aber leider auch nicht erfolgreich abschließen, da das Bieri-Trilemma-Schiedsrichtergespann ihn im Abseits sieht, wie ich auch bereits in „Der Geist in der Materie“ dargestellt hatte.
Der Bieri-Trilemma-Schieri muss nun allerdings auch endlich mal einschreiten und das „Spiel abpfeifen“, da bei allen Spielzügen des Teams um die Geisteswissenschaft, sowohl beim Substanzdualismus, als auch beim Substanzmonismus, die Prämisse (1) mit der Prämisse (2) konfligieren, entweder weil sie zu einseitig (1) oder (2) betonen oder weil sie mit Prämisse (3) nicht mehr unter einen Hut gebracht werden können. Dies führt natürlich dazu, dass nun das Team um die Naturwissenschaft in einen längeren Ballbesitz kommen, wobei sie beabsichtigen, über die Empirie zu verlässlichen Daten und schließlich zu stabilen Theorien in der Philosophie des Geistes zu gelangen.
Konter durch die Naturwissenschaft
Huxleys Epiphänomenalismus
Als neuen Spielzug im UEPhA-Cup wurde der Epiphänomenalismus durch das Team Naturwissenschaft in Form der Spieler Bonnet oder dem populäreren Spieler Thomas Henry Huxley (nicht zu verwechseln mit seinem Sohn, dem Autor Aldous Huxley „Schöne, neue Welt, s. „Das Technopol„) – auch als „Automatismus“ genannt – in die Philosophie des Geistes gebracht. Der Epiphänomenalismus baut ebenfalls auf einem Substanzdualismus auf, bezieht sich aber eher auf die Eigenschaften der Materie, so dass er auch als Eigenschaftsdualismus bezeichnet wird. Die taktische Idee des Epiphänomenalismus kann man als „lange Flanke“ sehen, die nur eine Richtung kennt: das Physische hat Auswirkungen auf das Mentale, aber nicht umgekehrt. Der immaterielle Geist, die Seele „erscheint“ nur als Epiphänomen der Materie und ist damit für den Epiphänomenalismus eigentlich redundant. Wie dies die Materie im Gehirn bewerkstelligt, bleibt der Epiphänomenalismus damals (aber auch heute noch) trotz zahlreicher empirischer Daten (EEG, CT, MRT, DTI,…) schuldig, obwohl auch hier neue Spieler, wie zum Beispiel Thomas Metzinger mit seinem Phänomenalen Selbstmodell (PSM) ins Team aufgenommen wurden.
Skinners Behaviorismus
Den Ball wollte sich natürlich die noch relativ junge Disziplin – die Psychologie – nicht wegnehmen lassen, da auch sie noch Probleme mit ihrer Standortbestimmung hatte, ob sie denn nun eher dem Geisteswissenschaft- oder Naturwissenschaft -Team angehören wollte. Um sich dem Naturwissenschaft -Lager anzuschließen, wurde ein Spieler namens Watson („Psychology as the Behaviorist views it“ (1913) auf das Spielfeld geschickt, der menschliches Verhalten („Behaviour„) durch seine „objektive Methode“ als Reiz-Reaktions-Schema („stimulus-response„) beschreiben wollte. Der Behaviorismus war begründet. Um es mit der Sprache des Behaviorismus zu sagen, der Epiphänomenalismus war der „Reiz“ und der Behaviorismus die „Reaktion“. Man wollte das Spielfeld nicht dem Materialismus der Geisteswissenschaft oder Physikalismus der Naturwissenschaft überlassen, sondern selber ein Team zusammenstellen. Skinner („Science and Human Behavior“ 1953) wurde als bekannter Spieler hinzugewonnen und verstärkte die Position im „radikalen Behaviorismus „. Der Behaviorismus geht allgemein davon aus, dass die dem beobachteten menschlichen Verhalten zugrundeliegenden, physiologischen Vorgänge als „Black Box“ nicht erschlossen werden können und auch dementsprechend irrelevant sind. Die Psychologie sollte zur „exakten Wissenschaft“ werden, die mit Hilfe von Experimenten und naturwissenschaftlichen Begriffen das menschliche Verhalten im biologischen Sinne exakt beschreiben konnte. Der Behaviorismus erwies sich allerdings, abgesehen von dem Nachwirken in der Psychologie in Form der „Experimentellen Verhaltensanalyse„, als entschiedener Fehlpass.
Places/Smarts Identitätstheorie
Insgesamt ist aber nun weiterhin das Team der NW mit der von Place und Smart begründeten Identitätstheorie im Ballbesitz. Die Identitätstheorie ist geradezu als Einwurf auf die gescheiterte Behaviorismus anzusehen, da sie beherzt die Spielstrategie wechselte. Der Substanzdualismus des Behaviorismus wird als falsch angesehen, da er scheinbar an der Prämisse (1) des Bieri-Trilemma gescheitert ist. Demgegenüber wird von der Identitätstheorie die Einheit von physisch-materiellem Körper und psychisch-mentalem Geist beschworen, weil sie die „physikalische Geschlossenheit“ der Prämisse (3) des Bieri-Trilemma erreichen möchte. Insofern könnte man auch den Transfer des Substanzdualismus zum Substanzmonismus als Eigenschaftsdualismus beschreiben, der doch wieder stark an den Epiphänomenalismus erinnert. Der Unterschied liegt allein darin, dass nun die psychisch-mentalen Zustände durchaus als gegeben erachtet werden, sie müssen allerdings durch das Physisch-Materielle realisiert werden. Diese taktische Festlegung führt zum Physikalismus, der von den logischen Empiristen Carnap und Neurath aus dem Naturwissenschaft-Team begründet wurde, um sich vom „metaphysischen Begriff“ der Geisteswissenschaft, dem Materialismus zu distanzieren, der auf die Cambridger Platonisten More und Cudworth zurückgeht. Die Identitätstheorie verwendet interessanterweise beide Begriffe – ungeachtet der unterschiedlichen Lager – synonym.
„Ein mentaler Zustand M ist nichts anderes als ein Gehirnzustand G. Der mentale Zustand „Wunsch nach einem Kaffee“ wäre also nichts anderes als „das ‚Feuern‘ bestimmter Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen“. (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_des_Geistes#Identit%C3%A4tstheorie)
Token-Identität vs. Type-Identität
Die Identitätstheorie erscheint allerdings in zwei unterschiedlichen Spielarten der Identität. Bei der Token-Identität handelt es sich um zwei konkrete Exemplare eines Types, die identisch sind. Also der Spieler Place wird sowohl von dem Zuschauer A als auch von dem Zuschauer B als Exemplar gesehen, aber von beiden als Token-Identität betrachtet. Demgegenüber können bei der Type-Identität bestimmte Mengen von Exemplaren zusammengefasst werden, die bestimmte Eigenschaften erfüllen. So kann man den Spieler Place mit der Eigenschaft, dass er im Spielfeld der Naturwissenschaft steht und das Trikot der Identitätstheorie trägt, als Type-Identität sehen. Wenn nach Smart alle mentalen Zustände durch die Type-Identität reduktiv auf bestimmte neuronale Zustände zurückführbar seien, so wäre es nur eine Frage der Zeit und der Forschung, bis die NeuroW alle offenen Fragen der Psychologie geklärt hätten. Man kann aber nun auch beobachten, dass er sich mit dem stark reduktiven Charakter der Type-Identität „vertrippelt“ und den „Ball ins Aus“ geschlagen hat.
Putnams/Fodors Funktionalismus
Hier erfolgt nun erneut ein Einwurf durch den Funktionalismus, ausgeführt von den Spielern Putnam und Fodor, die versuchen das Problem der Identitätstheorie – die „multiple Realisierung“ – zu lösen. Wenn man annehmen kann, dass alle Wirbeltiere so etwas wie „Qualia„, z. B. „Schmerz“ als mentalen Zustand empfinden, wird man aber auch davon ausgehen können, dass der Spieler Place bei einem Beinbruch einen anderen neuronale Zustand besitzt, als der gemeine Lurch auf dem Platz. Der Funktionalismus versucht dieses Problem der multiplen Realisierung dadurch zu lösen, dass es den verschiedenen neuronalen Zuständen des Gehirns den gleichen funktionalen Zuständen zuordnet. Die mentalen Zustände werden dann einfach mit den funktionalen Zuständen gleichgesetzt. Die funktionalen Zustände werden gerne mit Hilfe der Automatentheorie erklärt, die davon ausgeht, dass ein funktionaler Zustand durch einen Input, einen entsprechenden Output liefert und hierbei in einen anderen funktionalen Zustand wechselt (s. „Colaautomat“ https://de.wikipedia.org/wiki/Funktionalismus_(Philosophie). Dieses Bild hat natürlich der Analogie von Gehirnfunktion und Computermodulation erheblichen Vorschub geleistet und eine Brücke zur Informatik und Kybernetik geschlagen.
bewusstes Erleben von mentalen Zuständen
Dem Funktionalismus kommt nun allerdings das „Bewusstsein“ in die Quere, was als Problem an dem „China-Gehirn„-Gedankenexperiment verdeutlicht wurde. Die Erklärung, wie der Geist in die Flasche oder hier in die Materie kommt, bleibt auch der Funktionalismus schuldig. Auch die funktionalen Zustände der neuronalen Gehirnaktivitäten liefern keine schlüssigen Theorien für das bewusste Erleben von mentalen Zuständen, die man als „Ich„, „Selbst“ oder auch die Wahrnehmung des „Anderen“ bezeichnen könnte.
Das Team wollte den Ball aber noch nicht als verloren geben, sodass es beim Bieri-Trilemma-Schieri einen Einspruch geltend machte, dass der Schieri befangen sei und zu oft falsch gepfiffen hätte. Man solte sich die Szenen noch einmal unter folgenden Voraussetzungen erneut anschauen und neu bewerten:
1. Der Materialismus ist wahr, mentale Zustände müssen materielle Zustände sein.
2. Die einzelnen reduktiven Vorschläge sind alle unbefriedigend: Mentale Zustände lassen sich nicht auf Verhalten, Gehirnzustände oder funktionale Zustände zurückführen.
Davidsons nicht-reduktiver Materialismus
Also mussten wieder ein paar Ersatzspieler von der Bank einspringen, die das Spiel noch zu retten versuchten. Die Rede ist vom nicht-reduktiven Materialismus, der von Davidson als „anomalen Monismus“ in Form des „Supervenienzprinzip“ eingeführt wurde. Das Supervenienzprinzip geht davon aus, dass die psychisch-mentalen Zustände des Gehirns von den physisch-materiellen Zuständen der Neuronen abhängig sind und nicht umgekehrt. Dieses Abhängigkeitsverhältnis der psychisch-mentalen Zustände von der physisch-materiellen Zuständen führte zu einem weiteren taktischen Spielzug; der „Emergenz„. Die Emergenz postuliert, das bestimmte Phänomene nur auf der Makroebene eines Systems erscheinen, aber nicht auf der Mikroebene der Systemkomponenten beobachtet werden können. Insofern spielt die Emergenz eine herausragende Rolle für den nicht-reduktiven Materialismus, da sie das Problem mit dem Bewusstsein dadurch versucht zu erklären, dass diese mentalen Zustände auf der Makroebene der menschlichen Kognition erscheint, er aber nicht in den neuronalen Zuständen der Gehirnaktivitäten nachzuweisen ist. Dies hat natürlich auch zu Buhrufen im Stadion geführt, da die Erklärung für eine materialistische Theorie als nicht sehr befriedigend erscheint und einige Fans der Naturwissenschaft hierin sogar wieder ein Foul durch einen Eigenschaftsdualismus der Geisteswissenschaft gesehen haben.
P./P. Churchlands eliminativer Materialismus
Zum Schluss gibt es noch einen letzten verzweifelten Angriffsversuch vor dem Abpfiff des Bieri-Trilemma-Schieris, der sich das Spiel auch nicht mehr länger anschauen konnte. Patricia und Paul Churchland schossen den Ball als eliminativen Materialismus auf das gegnerische Tor, indem sie einfach behaupteten:„Es gibt keine mentalen Zustände.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_des_Geistes#cite_note-32). Die Vorstellung von den mentalen Zuständen würden lediglich auf einer Annahme der Alltagspsychologie beruhen, die aufgrund der fortschreitenden Ergebnisse der Neurowissenschaft irgendwann einmal zum Paradigmenwechsel der zur Zeit noch bestehenden Theorien des Philosophie des Geistes führen würde.
Paradigmenwechsel durch die nichtreduktive, bidirektionale Neurophilosophie
Dass dieser Paradigmenwechsel zwingend notwendig erscheint, ist hoffentlich durch das Hin und Her im UEPhA-Cup der Ismen mehr als deutlich geworden. Allerdings sehe ich ihn eher darin, die beiden Teams GW und NW endlich wieder zu vereinen, da zur Lösung des Problems der Philosophie des Geistes wie der Geist in die Materie kommt, beide Methoden vonnöten sind. Dieses Zuschütten des Grabens oder das Kitten des Risses könnte die nichtreduktive, bidirektionale Neurophilosophie aus meiner Sicht leisten. Aber hierzu mehr in meinem nächsten Essay „Die Neurophilosophie„.
Lieber Herr F. B.,
vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihre wirklich guten Fragen.
Ich muss aber gestehen, dass ich auf diese auch keine Antworten habe, sondern – ähnlich wie Sie – eher nach diesen suche. Ich könnte Ihnen also lediglich nur ein paar Gedanken zu diesem Thema anbieten, das mich ebenfalls seit einiger Zeit sehr beschäftigt:
1. Ich denke, zunächst einmal wird es sehr schwierig werden hier eindeutige, belastbare Lösungen/ Antworten zu finden. Dies habe ich versucht anhand des Vergleiches mit einem Wettkampf der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen in einem weiteren Aufsatz zur Philosophie des Geistes (https://philosophies.de/index.php/2021/01/10/die-philosophie-des-geistes/) deutlich zu machen.
2. Ich glaube nicht, dass es einer einzigen Disziplin gelingen wird, dieses „Rätsel der Menschheit“ zu lösen, Ich bin eher von einem interdisziplinären Ansatz überzeugt. Daher glaube ich auch, dass uns eine „nicht-reduktive, bidirektionale Neurophilosphie“ (Philipp Klar: What is neurophilosophy: Do we need a non-reductive form?“ https://link.springer.com/article/10.1007/s11229-020-02907-6) hier um einiges weiter bringen würde. Dies würde ich gerne einmal in einem weiteren Essay untersuchen.
3. Diese ontologischen „an sich“-Fragen sind meines Erachtens aufgrund eines logischen Problems nicht unbedingt eindeutig lösbar und auch methodisch nicht unbedingt zielführend. Es geht um das Problem des „sich-beobachtenden Beobachters“, das aus meiner „Sicht“ zu tautologischen Zirkelschlüssen führen müsste. Ansätze zu einer Lösung dieses Problems sehe ich aber durchaus in der transzendentalen Dialektik Kants oder in der Systemtheorie nach Luhmann gegeben, wobei ich die letzere präferieren würde (Leydesdorff/Hoegl:“The evolutionary dynamics of expectations: Interactions among codes in inter-human communications“
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0303264720301258). Autopoietischen Systeme in der KI-Forschung oder Kybernetik könnten hierbei ein ganz neues Licht auf die Begriffe „Geist“ oder „Bewusstsein“ werfen. Dies zu untersuchen, steht aber weiterhin noch auf meiner to-do-Liste für einen weiteren Essay.
Wie Sie vielleicht hieran erkennen, es gibt noch genügend „offene Baustellen“, also mehr Fragen als Antworten, aber das ist ja das Schöne an Philosophie.
Aber mich würde noch brennend interessieren, wie sehen Sie denn das Problem?
Mit philosophies Grüßen
Lieber Herr F.,
vielen Dank für Ihren sehr aufschlussreichen, ausführlichen Kommentar und hilfreichen Anmerkungen, die ich mit großem Interesse gelesen habe und – wenn es mir gestattet ist – würde ich ihn ebenfalls gebührend beantworten. Auch herzlichen Dank für die netten Komplimente, die ich nur an Sie zurück geben kann. Nur eines noch vorab, ich war auf Ihrer Webseite „freismuth.org“ und habe dort gelesen, dass Sie sich auch bereits mit ähnlichen Themen ausführlich und sehr kenntnisreich auseinandergesetzt haben (echter Zufall oder vielleicht „Zeitgeist“/“global consciesness project“ 😉 Mir hat an Ihrem Schreibstil ebenfalls sehr gut gefallen, dass sie die doch manchmal etwas kopflastigen Themen sehr gut und locker erklären und damit vielleicht den einen oder anderen Leser doch noch für diese spannende Themen begeistern können. Vielleicht könnten sich ja – natürlich nur bei Interesse – „Synergieeffekte“ ergeben.
So, jetzt aber erst mal „Butter bei die Fische“:
– Da stimme ich Ihnen absolut zu, „Geistes-“ von „Naturwissenschaften“ gerade bei einem solchen Thema, wie der „Philosophie des Geistes“, ist nicht nur anachronistisch, sondern sogar kontraproduktiv. Aber genau das, war ja das Anliegen meines kleinen Aufsatzes, diesen vermeintlichen Riss/Graben wissenschaftshistorisch sichtbar zu machen und zu intersdisziplinärem Arbeiten, vielleicht in Form einer „nicht-reduktiven, bi-direktionalen Neurophilosophie“ (kann man auch gerne anders nennen 😉 zu kommen .Auch ich sehe hier genau – wie der von Ihnen genannte Herr Kuhn – einen dringenden Bedarf für einen Paradigmenwechsel – für beide Seiten der „Wissenschaftsgebäude“. Es wäre – meines Erachtens – die Zeit überreif für so etwas – wie das vielgeschmähte Wort – neue „Metaphysik“. Nach „Qualität“ vs. „Quantität“ zu unterscheiden ist natürlich schon mal ein solcher Ansatz. Ich befürchte aber, dass dieser ebenso wie der „apriorisch-analytische“ vs. „aposteriorisch-synthetisch“ (Kant/Quine) nicht wirklich zielführend sein wird, da er immer noch zu stark von einem dualistischen Weltbild ausgeht. Da sehe ich momentan eindeutig mehr Chancen in einem „ontischen Strukturenrealismus“ (Ladyman/Worrall). Wie sehen Sie das?
– Zu Epikur gebe ich Ihnen auch vollkommen Recht, deshalb hatte ich noch die „Glücksmomente“ und das „Genusstraining“ ergänzt. Ich möchte ja gerade eben nicht dem angeblichen, ausschweifenden Hedonismus Epikurs das Wort reden, sondern eben auch seine Dialektik des Glückes/Genusses darstellen, wenn ich ihn da richtig verstanden habe. A propos verstehen, das ist natürlich eine sehr ausgreifende Interpretation, wenn man „Ataraxie“ mit „Sorgenlosigkeit“ versucht zu übersetzen. Ich fand meinen Vergleich mit „Coolness“ aber im Sinne von „Neudeutsch“ bedeutend schlimmer 😉 Aber vielen Dank für den Hinweis, ich werde dies noch abändern.
Ich wünsche Ihnen auch alles Gute. Bleiben Sie auch weiterhin „am Ball“ und wer weiß, vielleicht können wir mal einen „Doppel-Pass“ spielen.
Viele Grüße
philosophies.de
Lieber Herr W.,
vielen Dank für Ihren aufschlussreichen Kommentar, den ich mit großem Interesse gelesen habe.
Zum einen Teil sehe ich das absolut genau wie Sie, zum anderen müsste ich noch etwas ergänzen, wenn es erlaubt ist:
1. Mit „Zu 1.“ vermute ich, haben Sie die Prämisse (1) des Bieri-Trilemmas gemeint: „(1) Mentale Phänomene sind nicht-physikalische Phänomene.“ Das sehe ich absolut so, wie Sie: „Es gibt keine unmittelbare Erfahrungen der physischen Welt sondern lediglich das Abbild, das durch unser Nervensystem generiert wird. Die Unterscheidung zwischen Innerer, psychischer Welt und äußerer, physischer Welt ist eine unterscheidung, die unser Gehirn vornimmt.“ Aus diesem Grunde arbeite ich gerade auch in meinem weiteren Essay „Die Neurophilosophie“ an einer Untersuchung, wie dieses Zusammenwirken zwischen „Gehirn-Körper-Umwelt“ zustande kommt. Hier gibt es schon sehr vielversprechende Ergebnisse des in Kanada lehrenden Mediziner und Philosophen Northoff (https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Northoff) und seinem Team, der dieses Problem in einem interdisziplinären Ansatz mit Hilfe einer „nicht-reduktive, bidirektionale Neurophilosphie“ (Philipp Klar: What is neurophilosophy: Do we need a non-reductive form?“ https://link.springer.com/article/10.1007/s11229-020-02907-6) untersucht hat.
2. Zu dem zweiten Teil Ihres Kommentars: „Verstehen wir Physik und Geist hingegen als Ausdrucksformen einer sache, die weder das eine noch das andere ist, dann können wir die Verlässlichkeit beider Systeme beibehalten.“ Hier sehe ich dies durchaus etwas differenzierter und würde gerne ergänzen, dass es vielleicht nur einer neuen Metaphysik bedarf, um diese „unterschiedlichen Sichtweisen“ nur als die zwei Seiten einer Münze zu erkennen. Möglichkeiten hierzu finden sich beispielsweise in dem ontischen Strukturenrealismus nach Ladyman/Worrall/Esfeld. Das steht auch noch auf der to-do-Liste für einen weiteren Essay.
3. Zu Ihrer ontologischen Bemerkung:“Weil wir aber nur aus mentalen Beobachtungen über die Welt auf eine physische Realität schließen – und weil das mentale in mithilfe physischer Methoden nicht quantifizierbar ist, sollten wir nicht annehmen, dass eines von beiden oder gar beide in der Welt essenziell vorhanden sind.“ Diese ontologischen „an sich“-Fragen sind meines Erachtens aufgrund eines logischen Problems nicht unbedingt eindeutig lösbar und auch methodisch nicht unbedingt zielführend. Es geht um das Problem des „sich-beobachtenden Beobachters“, das aus meiner „Sicht“ zu tautologischen Zirkelschlüssen führen müsste. Ansätze zu einer Lösung dieses Problems sehe ich aber durchaus in der transzendentalen Dialektik Kants oder in der Systemtheorie nach Luhmann gegeben, wobei ich die letzere präferieren würde (Leydesdorff/Hoegl:“The evolutionary dynamics of expectations: Interactions among codes in inter-human communications“
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0303264720301258). Autopoietischen Systeme in der KI-Forschung oder Kybernetik könnten hierbei ein ganz neues Licht auf die Begriffe „Geist“ oder „Bewusstsein“ werfen. Dies zu untersuchen, steht aber – wie oben schon erwähnt – weiterhin noch auf meiner to-do-Liste.
Wie Sie vielleicht hieran erkennen, es gibt noch genügend „offene Baustellen“, also mehr Fragen als Antworten, aber das ist ja das Schöne an Philosophie.
Aber mich würde noch brennend interessieren, wie sehen Sie denn das Problem? Sie können mir gerne noch einmal schreiben, wenn Sie nicht mehr „müde“ sind 😉
Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und
mit philosophies Grüßen
Lieber Herr J.,
vielen Dank für Ihren Kommentar, den ich mit großer Freude gelesen habe.
Zum einen Teil sehe ich das absolut genau wie Sie, zum anderen müsste ich noch etwas ergänzen, wenn es erlaubt ist:
1. „Es gibt mE keine „mentale“ ohne „physische“ Welt. Beide sind untrennbar verbunden.“
Stimmt. Aber aus diesem Grunde ist es ja auch spannend, wie beide zusammenhängen. Ich arbeite auch gerade in einem weiteren Essay „Die Neurophilosophie“ an dieser Untersuchung, wie dieses Zusammenwirken zwischen „Gehirn-Körper-Umwelt“ zustande kommt. Hier gibt es schon sehr vielversprechende Ergebnisse des in Kanada lehrenden Mediziner und Philosophen Northoff (https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Northoff) und seinem Team, der dieses Problem in einem interdisziplinären Ansatz mit Hilfe einer „nicht-reduktive, bidirektionale Neurophilosphie“ (Philipp Klar: What is neurophilosophy: Do we need a non-reductive form?“ https://link.springer.com/article/10.1007/s11229-020-02907-6) untersucht hat.
2. „Die sog. „Metaphysik“ halte ich .. mit einem bei Karl Kraus entlehnten Aphorismus, für eine Glatze, auf der manche eben die eine oder andere Locke drehen …“ Das wäre doch schön, wenn diese „Glatze“ endlich mal wieder „Locken“ bekäme. Ich denke nämlich wir benötigen dringender denn je eine neue „Metaphysik“.
Viele Grüße
philosophies.de
Lieber Herr F.,
schön von Ihnen zu hören und vielen Dank für Ihren Kommentar, den ich zum Teil zustimmen kann.
Richtig, es gibt modernere und speziell in diesem der PdG vielversprechendere Erklärungsansätze zu dem „Geist-Materie-Problem“.
[Liebe Frau H., Sie haben aber auch Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass auf der „Höhe der Zeit“ nicht immer automatisch besser sein muss. Hinsichtlich der Ethik kann ich Ihnen nur zustimmen, bei der Epistemologie leider nicht ;-)]
Zurück zu Ihrem Ausgangsproblem, dieser kleine Artikel stellt ja auch nur einen kleinen Ausschnitt der PdG dar. Wie ich in der Überschrift schon hingewiesen hatte, handelt es sich hier um den „Anstoß der Partie durch GW“ nach dem „Vorspiel“, Also den zweiten Teil meiner UEPhA-Cup-Übertragung. Wenn Sie so wollen, die ersten 30 Minuten des Spiels. Es kommt ja noch der „Konter durch die NW“, auf den Sie mit dem Hinweis auf das „Emergenz-“ und „Supervenienzprinzip“ in Davidsons nicht-reduktiver Materialismus (nrM) schon vollkommen korrekt hingewiesen haben.
Ich konnte den kompletten Artikel leider nicht als Ganzes veröffentlichen, da mir von Mitgliedern auf FB schon einmal die „epische Länge“ meiner Texte um die „Ohren gehauen“ wurde. Man kann leider keine längeren, zusammenhängenden Texte mehr veröffentlichen, aber das ist ein anderes Thema, in einem anderen Artikel 😉
Die komplette Partie steht aber auch schon als „Live“-Übertragung auf meiner Seite, falls Sie der Ausgang interessiert. Ich muss aber leider auch schon darauf hinweisen, dass dieses „Spiel“ leider auch noch in eine „Verlängerung“ gehen muss, da ich gerade an noch „moderneren, vielversprechenderen Ansätzen“ in Form der nicht-reduktiven, bi-direktionalen Neurophilosophie arbeite.
Aber hierzu vielleicht demnächst mehr auf diesem Sender oder vorab in der Mediathek auf meiner Seite 😉
Viele Grüße
philosophies.de
PS: Die Systemtheorie passt übrigens auch – wie von Ihnen erwähnt – hervorragend ins Konzept. Und vielen Dank auch noch für das Kompliment, aber ich bin froh, dass ich hiermit keine Studenten an der Uni behelligen muss 😉
Lieber Herr A. S.,
vielen Dank für Ihren freundlichen und sehr aufschlussreichen Kommentar.
Ich bin dem Herr Bieri direkt mal „Im Nachtzug nach Lissabon“ nach gefahren. Kompliment, „Der Blog der großen Fragen“ (https://die-grossen-fragen.com/) ist wirklich eine gelungene Seite mit zahlreichen, sehr informativen Artikeln.
Habe mir direkt mal die Mannschaften der „Qualiaskeptiker, Willensskeptiker und Mentalisten“ angeschaut. Hier sind vielleicht auch noch ein paar Anwärter auf den „Pokal“. Ich habe einige von diesen Spielern auch schon bei den größeren Clubs der „reduktiven Neurophilosophie (NeuroP)“, der „parallelen NeuroP“ und der „nicht-reduktiven NeuroP“ wiederfinden können; sowohl mit einer „uni-direktionalen“ oder „bi-direktionalen“ Spielweise.
Aber, ich sehe das genau wie Sie. Über ein 0:0 sind wir zur Zeit noch nicht hinaus gekommen. Ich denke auch, dass es noch ein wenig dauern wird, bis das erste Tor fällt, wenn überhaupt. Um noch ein paar Weisheiten hinzuzufügen: Das Spielfeld ist einfach zu groß, das Spiel dauert 90 Minuten und das Runde muss in das Eckige. Mehr wissen wir noch nicht.
Aber vielleicht haben Sie mal Lust einen Doppelpass zu diesem Thema mit mir zu spielen. Mich würde es jedenfalls sehr freuen.
Viele Grüße
philosophies.de
Jetzt habe ich mir den Spielbericht – endlich – einmal komplett durchgelesen. Ich muss zunächst dem Kommentator ein Kompliment machen. Er hat m. E. objektiv und äußerst kenntnisreich durch’s Spiel geführt. Einer von vielen kleinen Glanzpunkten war für mich der Satz: „Um es mit der Sprache des BE zu sagen, der EP war der „Reiz“ und der BE die „Reaktion“.“ Vermisst habe ich lediglich das obligatorische „Guten Abend allerseits!“.
Die Partie selbst war für Kenner taktischer und strategischer Finessen ein Hochgenuss. Allein, wie heißt es so schön: Ein Tor würde dem Spiel guttun. Möglicherweise gibt es hier ein Problem mit dem Schiedsrichter und/oder den Auslegungen der Regeln, das dazu führt, dass immer kurz vor dem Torschuss abgepfiffen wird. Andererseits: Wer, wenn nicht das Bieri-Trilemma, sollte den Platz des Schiris einnehmen können? Möglicherweise haben wir es hier mit dem Dielemma des Bieri-Trilemmas zu tun?
Vielleicht behält ja doch die Trainer-Legende Emil du Bois-Reymonds mit ihrem Ignorabismus-Argument recht: Wir können es nicht wissen! Klar, das klingt in den Ohren der GWs und erst recht der NWs wie wenn heute noch jemand sagen würde, er spiele mit Libero. Lächerlich – einerseits. Aber hey, der „olle Grieche“ Rehakles ist damit 2004 Europameister geworden. Da haben dann alle dumm geguckt.
Klar, das würde bedeuten, dass alle weiteren Spiel auch 0:0 enden, was wir ja nicht hoffen wollen. Oder vielleicht doch?
Lieber Axel Stöcker,
ich sehe gerade die Übertragung läuft gerade noch. Aber schon einmal vielen Dank für den treffsicheren und kompetenten Bericht aus dem „aktuellen sport-studio“: die-grossen-fragen.com/
Ich kann den „Ball“ nur zurückspielen, da ich auf Ihrer Seite auch schon einige sehr aufschlussreiche Zwischenergebnisse zu den derzeitigen Tabellenplätzen zum „UEPhA-Cup“ und den teilnehmenden Mannschaften des PdG gesehen habe.
Daher freue ich mich sehr darauf, mehr von Ihnen zu hören oder auch in Ihrem neuen Buch zu lesen. Vielleicht kommen wir ja bald mal zu unserem „Doppelpass“.
Mit sportlichen Grüßen
Dirk Boucsein
Liebe Frau R. L.,
vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihre Nachfrage. Das war eigentlich gar nicht intendiert, aber trotzdem eine interessante Frage.
Ich glaube „Gott verbindet mit Fußball“ erst einmal nichts, auch wenn ich mich mit dieser Behauptung wahrscheinlich bei den „Jüngern des runden Leders und des heiligen Rasens “ unbeliebt machen werde.
Aber was mir auch neu war, ist der pseudoreligiöse Charakter des Fußballs in Form der Anbetung der Fußballstars, siehe z. B. Maradona (https://de.wikipedia.org/wiki/Iglesia_Maradoniana), die man bisweilen auch als Fußballgötter (https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fballgott) bezeichnet. All dies war hiermit aber nicht gemeint, sondern zeugt eher aus meiner Sicht von der Säkularisierung von Religion und der Erosion von Glaubenswerten (s. „Die Entleerung der Symbole“ https://philosophies.de/index.php/2020/11/01/das-technopol/ .
Die Analogie zum Fußballspiel hatte eigentlich nur eine sehr profanen Charakter. Es ging mir lediglich darum den Wettkampfcharakter bei der Installation von Theoriegebilden der unterschiedlichen Lager (GW/NW) deutlich zu machen. Hat aber scheinbar nicht funktioniert, da es definitiv nicht um Fußball und auch nicht um Gott ging.
Vielen Dank für Ihr Interesse und viele Grüße
philosophies.de
Dear Mr. I. L.,
nice to read something from you again. And as always – as my loyal reviewer 😉 – you point out to me that my texts have nothing to do with „Greek philosophy“.
But if you had read the beginning of my „trilogy“ published on FB, you would not have escaped the fact that my entire article has something to do with Greek philosophy. But I have again the link for you to check (https://philosophies.de/index.php/2021/01/10/die-philosophie-des-geistes/#The%20philosophy%20of%20mind%20-%20the % 20UEPhA% 20Cup% 20of% 20Isms) attached to the full length article so you can see that I am actually referring to Greek philosophy.
Thank you also for your response. But I was actually interested in the content of Greek terms and the associated Greek philosophy, in order to understand how these terms and their content have changed over time.
And here I would like to make a brief remark, doesn’t it make sense to apply Greek philosophy, even if it is a bit older, to current issues? I believe that it has more to offer in a more current context than between the dusty book covers.
I would be happy if you read my article in full again and give me feedback (also with a reference to the Greek philosophy 😉
It’s nice that you point this out, because that’s what my little essay was about. I wanted to point out the inflationary character of theories and concepts in philosophy from antiquity to modern times by presenting these isms once using the philosophy of mind. But You just misinterpreted my intention.
But maybe you can help me out what is wrong or anachronistic about my idea of the Greek terms: „1. Pre-scientific knowledge:
a) ἐμπειρία (empiria ≈ mere empirical knowledge),
b) ἱστορία (istoria ≈ collected individual knowledge) and
c) τέχνη (téchne ≈ systematic-practical knowledge in the form of practical ability)
2. Scientific knowledge: ἐπιστήμη (epistéme ≈ theoretical knowledge in the form of what has been learned or imagined
3. Philosophical knowledge: φιλοσοφία (philosophia ≈ highest level of knowledge as a collection of different wisdoms / knowledge) “
If this is not true, please teach me better.
Many greetings
philosophies.de
Lieber Herr M. B.,
vielen Dank für Ihre offene und ehrliche Rückmeldung.
Ich war nur etwas erstaunt, weil ich bisher immer das Feedback bekommen hatte, dass die Erklärung dieser relativ komplizierten Geschichte der Philosophie des Geistes mit Hilfe des Fußballspiels eigentlich anschaulich wäre. Damit aber Ihre Kritik für mich noch konstruktiv werden könnte, wäre es für mich spannend zu erfahren, woran es lag, dass für Sie das Wesentliche nicht erkennbar wurde.
Mich würde daher interessieren, ob es vielleicht an der Vielzahl der Abkürzungen lag. Ich würde den Artikel nämlich dann noch einmal dahingehend überarbeiten.
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit und
viele Grüße
philosophies.de
Dear Mr. D. S.,
thank you for your comment, which I read with interest.
I can only agree with you, not only sciences and humanities can lay claim to a right to describe reality or actuality, but also art and religion have a right to this.
I am also convinced of a holistic approach in the sense of a pragmatism according to Peirce and Quine, but I do not share your conviction that this analysis must amount to a dualism between “a priori-analytical-noumenal vs. aosteriori-synthetic-phenomenal” methodology. I have described this aspect in a further essay „Der Pardigmenwechsel“ (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/), to which I would like to refer you if you are interested.
Many greetings
philosophies.de
Dear Mr. D. S.,
thank you for your comment and your further questions.
Unfortunately, I am not completely convinced of the philosophical concept of „emergence“, as I had researched the approach once and actually pursue a completely different approach.
The concept of emergence appeared for the first time in 1875 in George Henry Lewes‘ book „Problems of Life and Mind“ to explain the phenomenon of consciousness and was then used by the English philosophers Samuel Alexander and Conwy Lloyd Morgan in 1923 in their theory of „Emergent Evolution“ used.
Since then, the concept has been very „fashionable“ to explain phenomena that shouldn’t actually arise due to reductionism, since reductionism actually wants to reduce everything to the essentials. Here, however, there is always a „mereological fallacy“ in the form of the „pars pro toto“.
The problem of the constitution of consciousness as a „first person perspective“ or the „qualia“ could therefore not be solved in identity theory as a „multiple realization“, so Donald Davidson was unceremoniously used in the „philosophy of mind“ (https: // philosophies. de / index.php / 2021/01/10 / die-philosophie-des-Geist /) introduced a non-reductive materialism as „anomalous monism“ in the form of the „supervenience principle“. Now the „mind“ suddenly „appears“ again and „floats“ metaphysically over the „matter“.
Sorry, I can’t take part. In my opinion, the problem of „philosophy of mind“ but also of „quantum physics“ lies in a faulty construction of thinking in the form of dualism („mind vs. matter“ or „wave vs. particle“). For this reason I also mean that we urgently need a „paradigm shift“ to solve the above-mentioned problems. If you are interested, I would like you to refer to my further essays (e.g. https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/ ) refer to this topic.
Thank you for your interest and
best regards
philosophies.de
Dear Mr. R. B.,
thank you for your comment and your interest.
Your objection that „the philosophy of mind is a minefield of terminology“ is perfectly valid, but the problem is also homemade by both the philosophy of the mind and the cognitive neurosciences.
This essay therefore initially aimed to point out the problem. However, I have already written another essay on the subject of „artificial intelligence“ and the possibility of „machine consciousness“ that I would like to draw your attention to if you are interested (https://philosophies.de/index. php / 2021/08/07 / the-system-needs-new-structures /).
Incidentally, the „Turing test“ is not an adequate test design to test AI in terms of its strength in terms of „intelligence“ let alone „1st person perspective“ of a form of consciousness. John Searle had already referred to this with his „Chinese Room“-argument.
Many greetings
philosophies.de
Dear Mr. N. K.,
first of all, I am sorry that I was only able to respond to your very friendly and well-informed comment now, but unfortunately I am very busy at the moment.
Thank you for your reference to „epiphenomenalism“, which is a special form of dualism in the „mind-body“ – „hard problem“. Unfortunately, epiphenomenalism, for example represented by Donald Davidson as an „anomalous monism“, cannot close the „explanatory gap“ for example for the phenomenon of „qualia“ either, since it is based on a neural correlate, similar to „identity theory“ (Place/Smart) of the mental states (NCC) goes out, which could not be found until today and from my point of view also cannot be found, since it is a „pseudo-problem“.
From my point of view, there is a more promising approach, called a „joint venture“, which combines the deductive concepts of the „philosophy of mind“ with the inductive empiricism of the „neurosciences“ to create a non-reductive, bi-directional „neurophilosophy“. I have already tried to present this in a further essay „Die Neurophilosophie“ (https://philosophies.de/index.php/2021/02/15/die-neurophilosophie/), which I would like to draw your attention to. The first part has already appeared in your FB group, but you can find the full text via my link.
Thank you for your kind interest and
best regards
philosophies.de
Lieber Werner,
vielen Dank für Deinen ausführlichen und tiefgreifenden Kommentar, den ich mit großem Interesse gelesen habe und auf den ich, wenn es erlaubt ist, ein wenig ausführlicher antworten möchte.
Wenn ich eins vorweg schicken darf, Du stellst genau die richtige ‚conditio sine qua non‘-Frage und die daraus resultierende Prämisse, wenn Du schreibst: „Wenn zwei komplexe Zusammenhänge wie die Geistes- und die Naturwissenschaft sowohl in X als auch in Y eine gemeinsame Schnittstelle besitzen, frag ich mich ob sie in beiden je eine Schnittstelle haben oder in der Einheit der beiden eine einzige.“
Es geht mir bei meinem Projekt tatsächlich darum zu zeigen, dass es zwischen den GW und den NW nicht nur Schnittmengen im Sinne von größten gemeinsamen Teilern, sondern eher im Sinne von kleinsten, gemeinsamen Vielfachen gibt ;-). Die Wissenschaften – sowohl GW, als auch NW – benötigen aus meiner Sicht dringends ein neues „methodisches Backup“ im Sinne einer „Neuen Metaphysik“ als „epistemologische Metatheorie“ und nicht schon wieder irgendein so ein „ontologisches Zwischending“, da suchen wir schon 2500 Jahre nach.
Zu Deiner Frage „Mich würde der Kontrast interessieren, nach dem Muster: So arbeitet und denkt der Club Geistes- und Naturwissenschaft.“ kann ich nur sehr verkürzt aus meinem Essay „Der Paradigmenwechsel – oder die Sanierung des dualistischen Wissenschaftsgebäudes“ zitieren:
„Man kann die neuen Werkzeuge der Wissenschaftstheorie auch durchaus mit Hilfe von dualistischen Begriffs-Clustern beschreiben, die auf eine Kreuzung von Kants epistemischen Eigenschaften (apriori vs. aposteriori) mit semantischen Unterscheidungen (analytisch vs. synthetisch) von Urteilen und ihren nicht-/sinnlichen Formen (noumenal vs. phänomenal) zurückgeht: „apriori-synthetisch-noumenal vs. aposteriori-analytisch-phänomenal“.
Die apriori-synthetisch-noumenale Methodik wird gerne den Geisteswissenschaften – hier der Philosophie des Geistes – zugeschrieben. Sie sei dadurch gekennzeichnet, dass sie im erkenntnistheoretischen Sinne „Episteme“ (Foucault) untersucht. Diese sind aber nicht der sinnlichen Erfahrung/Wahrnehmung zugänglich (Noumenon). Nur durch Denkprozesse werden sie analytisch beschreibbar, da sie in Begriffe und sprachliche Formen gefasst werden. Dadurch können sie die Form von allgemeinen und notwendigen Urteilen (Kant) annehmen. Kant nennt diese „Formen der sinnlichen Anschauung“ a priori (von dem Vorderen/Früheren/Ersteren), da sie als transzendentale Bedingungen der Erfahrung vorausgehen müssen.
Dem hingegen untersucht die aposteriori-analytisch-phänomenale Methodik der Naturwissenschaften – hier die Neurowissenschaften – im erkenntnistheoretischen Sinne „Entitäten“. Diese sind der sinnlichen/empirischen Erfahrung/Wahrnehmung (Phänomen) zugänglich. Mit Hilfe von Messinstrumenten/-geräten kann man dann zu Beobachtungen und Messungen gelangen. Aufgrund der Beobachtungen und Messungen können dann synthetischen Aussagen/Urteilen gebildet werden, die dann in Form von Modellen/Theorien zusammengefasst werden können.“ (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/)
Die „Neurophilosophie“ als Joint Venture zwischen Neurowissenschaften und Philosophie des Geistes habe ich hier allerdings nur exemplarisch für das angestrebte Joint Venture zwischen GW und NW herausgegriffen, weil es sich hier besonders gut darstellen lässt.
Interessanter für Dein Projekt der „Psychologie des 21. Jahrhunderts“ denke ich, sind allerdings die methodischen, praktischen Auswirkungen in der Psychotherapie in Form der „Neuropsychatrie“. Georg Northoff von der The Royal’s Institute of Mental Health Research University of Ottawa hat zu diesem Thema einige sehr interessante Ergebnisse geliefert, die Du unter http://www.georgnorthoff.com/neuropsychiatry oder in seinem Buch „Neuropsychodynamische Psychiatrie“ (2016) nachlesen kannst. Ich hatte das außerordentliche Vergnügen und die Ehre ihn zu seiner „temporo-spatial theory of consciousness“ (TTC) einmal interviewen zu dürfen. Falls es Dich interessiert: https://youtu.be/BsZH3BiLR14
Ähnlich wie Thomas Fuchs von der „Phänomenologische Psychopathologie und Psychotherapie“ der Klinik für Allgemeine Psychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg geht Northoff von einem „embodiment“ und „embededdness“ des Bewusstsein als „situierte Kognition“ aus. Insofern kann man aus diesem Ansatz eine ganz neue Sicht auf psychische Erkrankungen, wie z. B. Depression und Schizophrenie und dementsprechend auch neue Behandlungsmethoden entwickeln.
Die Tendenz des methodischen Ansatzes geht weg von dem Reduktionismus einer physikalistisch-materialistischen Sichtweise der klassischen Psychotherapie mit Hilfe von Psychopharmaka, hin zu einer struktural-holistischen Sichtweise, die eine strukturale Kopplung der Psyche mit ihrem Körper und der Umwelt propagiert.
Ich kann das hier leider nur sehr verkürzt und schemenhaft darstellen. Aber falls es Dich interessiert, können wir mal ein Zoom-Meeting machen, dann muss ich mir nicht die Finger wund schreiben ;-).
Ich wünsche Dir auch noch einen schönen Restsonntag und eine schöne Woche.
Liebe Grüße zurück
Dirk
Lieber W. M.,
ich danke Dir vielmals, dass Du noch nicht aufgegeben hast und weiterhin Interesse an meinen „literarischen Häppchen“ zeigst.
Leider ist das Ganze nun einmal tatsächlich über die 2500 Jahre sehr verknäult, was man an meinem kleinen Vergleich zum Fußballspiel vielleicht erkennen konnte. Den „Faden aufzudröseln“ mit „ein bis zwei Sätzen“ würde daher entweder zu „kurz fassen“ oder zu noch mehr „offenen Enden“ führen. Das ist nun mal das Schöne und das Schreckliche zu gleich an der Philosophie und ihrer Geschichte.
Die Essays zur Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie bauen leider aufeinander auf, aber wenn ich trotz mal spoilern soll, es geht mir hauptsächlich um 3 Punkte:
Schluss mit dem Reduktionismus: s. https://philosophies.de/index.php/2021/04/25/neurozentristische-weltbild/
Start einer neuen Metaphysik: s. https://philosophies.de/index.php/2021/08/14/das-system-braucht-neue-strukturen/
Ich weiß, dass dies alles ein wenig ambitioniert klingt, aber man muss ja mal irgendwo anfangen. Jetzt weiß ich natürlich, ob das den „roten Faden“ erkennbarer gemacht hat. Falls nicht, kann ich noch ein wirklich weiter stricken aus dem „Nähkästchen“.
Ich wünsche Dir auch noch schöne Pfingsten und
herzliche Grüße
Dirk
Lieber W.,
vielen Dank für Deinen Hinweis auf Deine tolle Seite, die ich mir auch mal direkt angeschaut habe.
Besonders Deine Artikel „Polarität im Denken“ und „Das BILD (die Analogie) ist die zukünftige Währung…“ haben mir gut gefallen. Interessant fand ich, dass es hier durchaus sehr viele ähnliche thematische Überschneidungen gibt, aber wahrscheinlich ist dies auch einfach dem Zeitgeist geschuldet, dass manche Themen einfach in der Luft hängen, um „gepflügt“ zu werden.
Falls Du Interesse hast, könnten wir ja mal ein „Joint Venture“ starten.
Hier aber erst einmal die „Alternative Formulierung“ meiner 5 Grundthesen für eine Neue Metaphysik mit der geforderten „Übersetzung für 5-Jährige“ ;-):
„Die 5 Grundthesen als Basis für einen „Strukturwandel“ hin zu einer „Neuen Wissenschaft“ mit einer „Neuen Metaphysik“ (mit Übersetzung für 5-Jährige :):
-> „Meine Förmchen sind auch Deine Förmchen!“
-> „Wenn ich meine Spielzeuguhr in ihre Bestandteile zerlege, habe ich sie immer noch nicht verstanden, weil sie dann kaputt ist.“
Dritte Grundthese: Der Strukturwandel der vermeintlichen Objektivität in eine „Kybernetik 2. Ordnung„ im von Foerster’schen Sinne, bei dem der Forschungsprozess („Operation“) selber zum Gegenstand der eigenen Forschung gemacht werden soll und somit das Forschersubjekt („Operator“) und Erkenntnisobjekt („Operand“) miteinbezogen werden.
-> „Spielen kann ich nur, wenn ich selber mit dabei bin. Das Spiel nur angucken, ist doof!“
Vierte Grundthese: Der Strukturwandel vom Dualismus in eine Polykontexturalität im Günther’schen Sinne als eine Möglichkeit Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen und Algorithmen für holistische Problemlösestrategien entwickeln zu können.
-> „Warum soll ich mich für „fruchtig“ oder „cremig“ entscheiden, wenn die „Fruchtcreme“ nur mit allem besser schmeckt?“
Fünfte Grundthese: Der Strukturwandel von linearen Problemlösestrategien in komplexe Problemlösestrategien im Dörner’schen Sinne um genauere Heuristiken, aber auch um bessere Risikofolgenabschätzungen für die wissenschaftliche Forschung und ihre späteren Auswirkungen als eine neue Form der Wissenschaftsethik zu entwickeln.
-> „Wenn ich von meiner Mutti Eis haben will, muss ich meine Förmchen auch schon mal abgeben, beim Spielen mitmachen und besser keine Fruchtcreme vorher essen.“
Liebe Grüße
Dirk
Lieber W.,
im Gegenteil, ich freue mich sehr darüber, dass Du auf meine Beiträge reagierst (die Reaktion der anderen Xing-Teilnehmer hält sich momentan doch ein wenig in Grenzen ;-).
Ich kann Dich in Deinem Gedankengang hinsichtlich der „Kardinalthese vs. KardinalAntithese“ auch nur unterstützen (auch wenn ich den Klerus hier lieber aus dem Spiel lassen würde ;-). Aber ganz genau darum geht es letztendlich in dem „Kern von Schopenhauers Pudel“: „Die Welt als Wille und Vorstellung“.
Aus diesem Grunde habe mich auch einst der Geisteswissenschaften und der Philosophie abgewandt, weil mir die messbare Überprüfbarkeit oder das empirisch Nachweisbare fehlte und mich der Naturwissenschaft zugewandt: „Nur da stand ich nun, ich armer Tor, Und war so klug als wie zuvor!“.
Da half mir auch Dein „tapferer Advocati diaboli“ nicht weiter 😉 Und ziehe schon an die zehen Jahr‘. Herauf, herab und quer und krumm. Meine Schüler an der Nase herum – Und sehe, daß wir nichts wissen können!“, wenn wir nicht die guten Dinge beider Seite vereinen.
Daher betreibe ich nun hier meine Don Quichotterie auf meiner guten Rosinante und kämpfe gegen die übermächtigen Windmühlenräder der Institutionen. Mir geht es tatsächlich um einen Paradigmenwechsel hin zu einer Neuen Metaphysik der Wissenschaften. Aber wenn vielleicht noch ein paar Leute mitpusten könnten, dann bewegen sich vielleicht doch noch irgendwann einmal die Windmühlenräder 😉
Ich wünsche Dir noch ein schönes Wochenende und
liebe Grüße
Dirk