Das Technopol

Das Technopol

Das Technopol – Die Macht der Technologien und die Entmündigung der Gesellschaft –

Prolog

Der Begriff „Technopol“ soll im Folgenden lediglich in einem begrenzten Rahmen als „Terminus technicus“ (Nomen est omen 😉 benutzt werden, ohne hiermit anderen, möglicherweise implizierten Konnotationen Vorschub leisten zu wollen.

Dies ist ausdrücklich keine weitere, neue Verschwörungstheorie, die ja momentan des Häufigeren im Sinne der Dialektik der Aufklärung im Schatten der „Informationsgesellschaft“ gedeihen (dazu mehr in einem späteren Blog „Die zweite Aufklärung“). Im Gegenteil, es ist der Versuch wieder mehr Licht auf die Wissenschaft und ihre Methodik (Technologien) zu werfen.

Es geht bei dieser Hypothese insbesondere um den Einfluss naturwissenschaftlicher Diskurse auf Bereiche des menschlichen Lebens, die aus meiner Sicht nicht der empirisch-reduktiven Methodik unterliegen sollten. Diese Methodik ist auch nur eine mögliche Sichtweise unter vielen anderen auf die Welt und somit nicht der einzige und allgemeingültige Diskurs.

Neil Postman: „Das Technopol“

Meine Hypothese möchte ich mit dem Buch „Das Technopol“ (erschienen 1991) des US-amerikanischen Medienwissenschaftler Neil Postman (* 8. März 1931 in New York; † 5. Oktober 2003) stützen.

Postman war ein ausgesprochener Technik-/Technologiefeind, der sich angeblich weigerte den Computer zum Schreiben seiner Bücher zu benutzen. Er sah zudem in dem Medienkonsum – besonders in Form des Fernsehens – eine große Gefahr für die demokratische Gesellschaftsform („Wir amüsieren uns zu Tode“ dazu auch in einem weiteren Blog „Wir informieren uns zu Tode“ mehr). Dies stellt natürlich in mancherlei Hinsicht einen sehr radikalen Ansatz dar, dem ich nur zum Teil Folge leisten möchte. Man kann (sollte) das Rad der Geschichte nicht zurück drehen. Aber eine kritische Position auch gerade gegenüber dem weiteren Verlauf der Wissenschaftsgeschichte seien mir hier vielleicht durchaus erlaubt.

Die Dialektik des Technologiebegriffes

Postman versucht in seinem Buch „Das Technopol“ einen wissenschaftshistorischen Rückblick zu der Entwicklung des Technologiebegriffes und seinen Einfluss auf die Gesellschaft zu geben. Hierbei geht es ihm nicht nur um reine Kritik, sondern er versucht auch die Dialektik des Technologiebegriffes deutlich zu machen.

„Um es dramatisch zu formulieren: man kann gegen die Technik den Vorwurf erheben, daß ihr unkontrolliertes Wachstum die Lebensquellen der Menschheit zerstört. Sie schafft eine Kultur ohne moralische Grundlage. Sie untergräbt bestimmte geistige Prozesse und gesellschaftliche Beziehungen, die das menschliche Leben lebenswert machen. Kurz, die Technik ist beides – Freund und Feind.“ (S. 3)

Der technologische Fortschritt

Die Wissenschaften – und hier insbesondere die Naturwissenschaften – haben zu anfangs einen unvergleichlichen Siegeszug der Menschheit in Form des technologischen Fortschritts ermöglicht. Hierdurch ist vermeidbares Leid, vermeidbar geworden (s. Medizin) und angestrebter Wohlstand (s. Ökonomie) und Komfort (s. Technik) erreichbar geworden. Dies entspricht ganz den Gedanken des „technokratischen Pioniers“ Francis Bacon (S. 22).

„Wissen bedeutet keine persönliche epistemische Sicherheit, sondern ist das vorläufige Resultat einer kollektiven Suche nach Wahrscheinlichkeiten. Ihr Zweck ist nicht die Tugend, sondern Wohlfahrt und Macht.“[…] Radikaler ist die Frage, ob Bacons utilitaristischer Wissensbegriff uns nicht auf Abwege geführt hat. Steht seine Auffassung der Natur als einer flüchtigen und rätselhaften Gestalt, welcher wir alle Geheimnisse mit List und Gewalt abringen müssen, nicht am Anfang dessen, was wir heute als ungehemmte Ausbeutung von Naturressourcen durch immer raffiniertere Technologien erleben?“ (https://www.nzz.ch/feuilleton/francis-bacon-hat-definiert-was-wissenschaft-ist-vor-400-jahren-ld.1582517?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE)

Szientismus

Hinter dem Erreichten möchte bestimmt trotzdem keiner mehr zurücktreten und mit einem Leben im Mittelalter tauschen. Es geht hier also viel mehr um die Frage, in wieweit man der erfolgreichen, naturwissenschaftlichen Methodik nun gestattet in menschliche Lebensbereiche und gesellschaftliche Diskurse vorzudringen, die zu anfangs nicht zu ihrem proprietären Aufgabengebiet gehörten.

Postman nennt hier als Beispiele die Theologie (S. 16), die Schule/Bildung (S. 44), die Sprache (S. 72), das Management (S. 81), die Soziologie (S. 84), Psychologie/Anthropologie (S.92). Dies sind wichtige Schlüsselbereiche des menschlichen Daseins, die nach Postmans Meinung nicht dem Diktat der Rationalität, der Objektivität und der Effizienz des naturwissenschaftlichen Diskurses zum Opfer fallen sollten.

Er belegt diese Übergriffe auch eindeutig anhand von Beispielen und rechnet sie einer philosophischen Haltung, dem Szientismus, (S. 84) zu. Diesen philosophische Ansatz darf man durchaus als Hybris der naturwissenschaftlichen Anschauung bezeichnen. Denn der Szientismus beansprucht einen Alleinvertretungsanspruch für den Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff, da er davon ausgeht, mit Hilfe der naturwissenschaftlichen Methodik alle Antworten auf jede sinnvolle Frage zu finden. Aus diesem Grunde wird er auch gerne mit dem Positivismus gleichgesetzt.

„Sobald man einer Technik den Zugang gewährt, spielt sie alles aus, was sie bei sich hat; sie tut, wozu sie bestimmt ist. Unsere Aufgabe ist es, zu erkennen, worin diese Bestimmung besteht – anders gesagt, wenn wir einer neuen Technik den Zugang zu unserer Kultur gewähren, dann müssen wir dies mit offenen Augen tun.“ (S. 6)

Ein Selbsttest

Um Ihnen nun die Augen zu öffnen, sei mir vielleicht an dieser Stelle ein kleines Experiment gestattet. Es geht um ein paar einfache Fragen zu den Selbstverständlichkeiten in unserem Alltag, die wir nicht mehr reflektieren, die ich Ihnen aber gerade deshalb gerne einmal als Selbsttest stellen möchte:

  1. Sollten Kirchengemeinden nur aufgrund ihres Mitgliederschlüssels Geldzuwendungen bekommen und nicht nach der humanitären Bedarfslage? (ja = 1 Punkt/nein = 0 Punkte)
  2. Müssen schulische Leistungen immer in numerischen Noten (sehr gut = 1, sehr gut (+) = 15 Punkte) ausgedrückt werden und zu einer Abschlussnote (Ø = 1,3) führen? (ja = 1 Punkt/nein = 0 Punkte)
  3. Ist der Begriff der „Digitalisierung“ in seiner vollen Tragweite für die anstehenden gesellschaftlichen Veränderungen verständlich und geeignet? (ja = 1 Punkt/nein = 0 Punkte)
  4. Entsprechen die Leistungsindikatoren für die leistungsorientierte Bezahlung in dem Zielvereinbarungsgespräch mit einem Mitarbeiter seiner tatsächlichen Leistung? (ja = 1 Punkt/nein = 0 Punkte)
  5. Kann man aus den Umfragen/Statistiken zu den aktuellen, politischen Fragen eine direkte Handlungsanweisung für Regierungen ableiten? (ja = 1 Punkt/nein = 0 Punkte)
  6. Ist es möglich psychische Erkrankungen eines Menschen mit Hilfe eines Fragekataloges (wenn mindestens 5 von 10 Fragen mit ja beantwortet wurden) aus dem ICD10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) eindeutig zu ermitteln? (ja = 1 Punkt/nein = 0 Punkte)

Auswertung

Zählen Sie Ihre Punkte zusammen.

Wenn Sie 0 – 2 Punkte erreicht haben, gehören Sie zur Gruppe der Skeptiker.

Bei 3 – 4 Punkten gehören Sie zur Gruppe der Pragmatiker.

Und bei 5 – 6 Punkten kann man Sie zu den Positivisten zählen.

Dieser „Selbsttest“ ist zugegebenermaßen nicht ganz ernst gemeint; der dazugehörige Hintergrund schon. Die Fragen zielen auf die Selbstverständlichkeiten und stillschweigend hingenommenen Prämissen ab, die der naturwissenschaftliche Diskurs unseren menschlichen Lebensbereichen schon seit langer Zeit eingenommen hat.

Hinter diesen aus der Soziologie und Psychologie stammenden, sehr beliebten Selbsttests steht dieselbe Prämisse. Es sei möglich, quantifizierbare Daten aus dem Antwortverhalten eines Menschen zu erheben und ihn aufgrund dessen zu katalogisieren – oder noch schlimmer – zu pathologisieren. Welche Auswirkungen solche Praktiken haben, lässt sich bei Michel FoucaultWahnsinn und Gesellschaft“ (1961) nachlesen.

Der Technologiebegriff

„Mit dem Aufstieg des Technopols verschwindet eine dieser [technologische vs. traditionelle] Gedankenwelten. Das Technopol beseitigt die Alternativen, die es zu ihm gibt, auf ebenjene Weise, die Aldous Huxley in Schöne neue Welt beschrieben hat. Es drängt sie nicht in die Illegalität, auch nicht in die Immoralität. Es macht sie nicht einmal unpopulär. Es macht sie einfach unsichtbar und damit irrelevant. Und dies gelingt ihm, indem es das, was wir unter Religion, Kunst, Familie, Politik, Geschichte, Wahrheit, Privatsphäre, Intelligenz verstehen, neu definiert, dergestalt, daß die Definitionen schließlich den Anforderungen des Technopols genügen. Mit anderen Worten, das Technopol ist die totalitär gewordene Technokratie.“ (S. 29)

Diese elementare Hypothese von Postman möchte ich im Folgenden anhand von zeitgemäßen Beispielen und Entwicklungen mit Hilfe des Textes „Das Technopol (1991)“ näher unter die Lupe nehmen und zeigen, dass der Inhalt aktueller ist denn je. Methodisch möchte ich mich hier an der strukturalistischen Diskursanalyse von Michel FoucaultArchäologie des Wissens“ (1969) orientieren.

Bei dem Begriff „Technopol“ handelt sich um eine Wortneuschöpfung Postmans, der nur im Zusammenhang mit seinem Werk Verwendung gefunden hat. Postman entwickelt diesen Neologismus, um die historische Entwicklung des Technologiebegriffs besser abzugrenzen. Er unterscheidet drei Stufen der Technologieentwicklung: 1. Werkzeugkulturen, 2. Technokratien und 3. Technopole.

„Die Werkzeugkultur“

Bis zum 17. Jahrhundert herrschte die Werkzeugkultur vor. Bei ihr besteht noch ein elementarer Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Werkzeuges und den Produktionsbedingungen. Die Technologie ist hier nur Mittel zum Zweck und hat sich noch verselbständigt.

[…] das Hauptmerkmal aller Werkzeugkulturen besteht darin, daß ihre Werkzeuge erfunden werden, um vor allem zwei Zwecke zu erfüllen: sie sollen ganz bestimmte, dringliche Probleme des materiellen Lebens lösen, wie etwa bei der Nutzung von Wasserkraft, von Windmühlen oder von schweren Räderpflügen;[…] In beiden Fällen ging von den Werkzeugen kein Angriff auf die Würde und Integrität der Kultur aus, in die sie eingeführt wurden […]“ (S. 15)
„Die Werkzeuge sind hier nicht Eindringlinge. Sie sind in die Kultur so integriert, daß sie keinen entscheidenden Widerspruch zu deren Weltsicht anzeigen.“ (S. 16)

„Die Technokratie“

Beginnt ihren Siegeszug Mitte des 18. Jahrhunderts mit James Watts Erfindung der Dampfmaschine (1765). Von da an spielen die Werkzeuge und Maschinen einen immer größere Bedeutung für die Gedankenwelt der Kultur. Sie halten Einzug über die Veränderung von Symbolen und werden zum täglichen Begleiter in allen Lebensbereichen.

„In einer Technokratie spielen die Werkzeuge für die Gedankenwelt der Kultur eine zentrale Rolle. Alles muß sich bis zu einem gewissen Grad ihrer Entwicklung fügen, das gesellschaftliche Leben und die Sphäre der Symbole werden in zunehmendem Maße den Anforderungen, die sich aus dieser Entwicklung ergeben, unterworfen. Die Werkzeuge werden in die Gesellschaft nicht integriert; sie attackieren die Gesellschaft. Sie legen es darauf an, selbst die Kultur zu werden. Infolgedessen müssen Tradition, Sitte und Brauchtum, Mythos, Politik, Ritual und Religion um ihr Überleben kämpfen.“ (S. 18)

„Das Technopol“

Hier haben sich die Technologien verselbständigt und sind selber zum Inhalt der Kultur geworden. Viele Bereiche des menschlichen Lebens sind nun dem Diktat der „Objektivität, Effizienz, Sachverstand, Standardisierung, Meßbarkeit und Fortschritt“ unterworfen, aus dem es auch kein Ausbrechen mehr gibt.

„Huxley selbst nannte als den entscheidenden Augenblick für den Übergang von der Technokratie zum Technopol die Entstehung des Imperiums von Henry Ford, und deshalb wird in seiner Schönen neuen Welt die Zeit in v. F (vor Ford) und n. F. (nach Ford) eingeteilt.“ (S. 30)
„[…] Außerdem gewann die Vorstellung an Boden, daß die Maschinerie des technischen Fortschritts am besten funktioniert, wenn man die Menschen nicht als Kinder Gottes und auch nicht als Staatsbürger auffaßt, sondern als Konsumenten, als Marktfaktoren.“ (S. 26)
„Sie steigerte auch das Tempo des Lebens. Die Menschen konnten schneller von einem Ort zum anderen gelangen, sie konnten das, was zu tun war, schneller tun, sie konnten in kürzerer Zeit mehr leisten. Die Zeit wurde zu einem Gegner, über den die Technologie triumphieren konnte. Und dies hatte zur Folge, daß keine Zeit blieb, zurückzublicken und zu überlegen, was da verlorenging.“ (S. 27)
„[…] daß die Subjektivität dem klaren Denken hinderlich sei; daß etwas, das sich nicht messen lasse, entweder nicht vorhanden oder wertlos sei; und daß die Angelegenheiten der Bürger eines Landes am besten von Fachleuten gelenkt und geleitet würden.“ (S. 31)

Die Macht der Technologien

Dieser von Postman postulierte drastische kulturelle und gesellschaftliche Wandel hat sich aber scheinbar in aller Stille vollzogen. Es gab keine Proklamation der Diktatur der Technologien oder einen Parteitag der Technokraten. Es gab andererseits aber auch keinen Aufschrei der technologisch-informationell Abgehängten (den technologischen Verlierern der Informationsgesellschaft) oder eine Konterrevolution der technologie-kritischen Gegenbewegung.

„Die Macht ist immer schon da, insofern Menschen handeln, sie ist nicht das Ergebnis einer Praxis derjenigen, die Macht und Herrschaft erzeugen, um bei anderen, die sie zu übermächtigen und zu unterwerfen versuchen, ein bestimmtes Handeln herbeizuführen und dabei auf Widerstand stoßen.“(Alex Demirovic´: „Das Problem der Macht bei Michel Foucault“, S.51)
„Neben den industriellen Erfindungen habe es auch Erfindungen auf dem Gebiet der politischen Technologie gegeben. Die eine Technologie sei die Disziplin gewesen, mittels der der Gesellschaftskörper sich bis hin zu den kleinsten Elementen kontrollieren lasse. ”Es handelt sich um Techniken der Individualisierung von Macht.“(Michel Foucault: „Archäologie des Wissens“ S. 232-233)

Gründe hierfür könnte man durchaus auch in den dekonstruktivistischen Strömungen („Das Ende der Ismen“) der Postmoderne finden.

Der naturwissenschaftlich-technologische Diskurs

Dieser naturwissenschaftlich-technologische Diskurs hat sich viel subtiler und latenter in das alltägliche Leben gegraben, als man wahrhaben möchte. Das Einfallstor bildete die menschliche Vorliebe an der Bequemlichkeit, dem Komfort, dem Tempo, der Hygiene und dem Überfluss, was im anglo-amerikanischen Sprachraum auch gerne schon einmal mit „convenience“ übersetzt wird. Das Nachdenken/Reflektieren über die komplexen Veränderungen im alltäglichen Leben überließ man gerne den „Experten/Fachleuten“:

[…] den Arbeitern wurde überhaupt jede mit Nachdenken verbundene Verantwortung abgenommen. Fortan dachte das System für sie. Dies ist ein wesentlicher Punkt, denn hieraus entstand eine Vorstellung, die zu den Grundprinzipien des Technopols gehört: daß die Technik das Denken ersetzen kann.“ (S. 31)

Zudem kam das allseits akzeptierte und täglich angewandte „Mantra“ der „Fehlerhaftigkeit des Menschen und der Unfehlbarkeit der Maschine (Computers)“, der zu einem Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt führte, den wir heute gerne mit „Digitalisierung“ euphemistisch umschreiben aber dessen Reichweite wir noch gar nicht überschauen können.
Man kann dies aber auch ganz konkret an der „Entleerung von Symbolen“ oder deren Umdeutung durch den naturwissenschaftlichen Diskurs im Alltag nachweisen.

Die Entleerung der Symbole

Kein Bereich des gesellschaftlichen Lebens ist einer so starken Entwertung in Form einer Profanisierung und Trivialisierung unterworfen worden, wie der theologisch-religiöse Diskurs.

„Es könnte sein, daß eines Tages ein Werbemann, der einen Fernsehspot für einen neuen kalifornischen Chardonnay entwickeln soll, folgende Eingebung hat: Jesus steht allein in einer Wüstenoase. Eine leichte Brise fächelt die Blätter der stattlichen Palmen hinter ihm. Sanfte orientalische Musik liebkost die Luft. Jesus blickt voller Bewunderung auf eine Flasche Wein in seiner Hand. Dann wendet er sich der Kamera zu und sagt: »Als ich zu Kana Wasser in Wein verwandelte, schwebte mir das hier vor. Probieren Sie mal. Sie werden mir glauben.« […] Symbole, deren Bedeutung aus traditionellen religiösen oder nationalen Zusammenhängen herrührt, müssen deshalb so rasch wie möglich unwirksam gemacht, das heißt: ihrer sakralen Bedeutung oder ihres Ernstes entkleidet werden. Die Erhebung eines Gottes macht die Absetzung eines anderen erforderlich. »Du sollst keine anderen Götter neben mir haben« – das gilt für den Gott der Technologie ebenso wie für den Gott des Alten Testaments.“ (S. 96)

Die Symbole der Theologie/Religion werden nach ihrer Säkularisierung im Zuge der Aufklärung fast vollständig entwertet und unter ökonomischen Gesichtspunkten dem naturwissenschaftlich-technologischen Diskurs wieder einverleibt. Es geht um die kommerzielle Ausbeutung traditioneller Symbole, die zu einer Aufwertung des beworbenen Produktes führt. Die Werbeindustrie nimmt sich die Freiheit „alle verfügbaren Symbole den Interessen der Wirtschaft dienstbar zu machen, indem sie die Psyche der Konsumenten verschlingt.“ (S. 99)

Epilog

Der wahllose, sinnentleerte Umgang mit diesen Symbolen wird als Ausdruck einer „gesunden Respektlosigkeit“ verbrämt. In Wirklichkeit ist er nur der Ausdruck einer Erosion von gesellschaftlichen Werten und Normen und dies ist nicht im neo-konservativen Sinne gemeint, sondern meint den pseudo-pluralistischen Ansatz einer Gesellschaft, die auf tönernen Füßen steht.

Die neue Heilslehre, der neue Götze „Der Gott der Technologien“, „Der Gott der Wissenschaften“ kann die Lücken, die das Abreißen des religiös-theologischen Gebäudes hinterließ, (noch) nicht mit eschatologischen Inhalt füllen. Diese mangelnde Sinnhaftigkeit und der fehlende metaphysische Unter-(Über-)bau ist Thema eines weiteren Essays „Von der Physik zur Metaphysik“ werden.

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Notz Urs
3 Jahre zuvor

Ich war 49 Jahre lang als Maschinenschlosser tätig und habe viele praktische Erfahrungen gemacht.

Als während des Ersten Weltkrieges 1914/18 die Werkteile toleriert wurden, konnte man sie auch massenweise konstruieren und zusammen montieren, die Massenproduktion wurde dadurch geboren.
Auch diese Erfindung der Toleranz wurde von einem unbekannten Arbeiter in die Wege geleitet, jedenfalls gab es keiner, der etwa den Nobelpreis dafür erhalten hatte.

Seit mehr als hundert Jahren schon wurden die Massenproduktionen durch Hunderttausenden von Arbeitern oder Mitarbeitern durch persönliche Ideen bereichert, die Rationalisierung wurde geboren.
Dies ermöglichte Millionen von Menschen, einen Beruf zu erlernen, was wiederum den meisten die Möglichkeit gab, sich eine Privatsphäre (eine Wohnung) zu leisten.
So, wie ja auch die Arbeit eine Altersversorgung ermöglichte, typische zivilisatorische Errungenschaften sind.

Nur das Problem liegt meines Erachtens nicht in der Technik, sondern in der Profitgier von Arbeitgebern und Aktionären, die sich seit über 50 Jahre weigern, die Arbeitszeiten zu verkürzen, um sich dabei schamlos zu bereichern.

Philosophisch zum Ausdruck gebracht, nennt man es „sein und haben“ das eine ohne das andere schon gar nicht geht, nur den Autoritäten ist dies schnuppe.
Wichtig ist nur, ein paar wenige, die Kohle machen, auch wenn es weltweit Milliarden von Menschen gibt, die nicht von der Zivilisation profitieren, weder eine Wohnung, Arbeit und ordentliche Ernährung und Hygiene haben.

Wir sind also noch sehr weit von einer gerechten Welt entfernt.
Eine Welt, wo alle an der Zivilisation teil haben lässt und nicht
sich welche schamlos bereichern, was hinterlassen wir doch für ein Chaos unseren zukünftigen Generationen.
Der schwarze Peter liegt also im menschlichen Egoismus begründet und nicht in der Zivilisation, die es praktisch jedem ermöglichen könnte, ein würdevolles Leben zu haben und nicht im Dreck und nichts zu verharren.

Seit der Aufklärung wird ja das Bewusstsein geschärft, während der Glaube zusehends vernachlässigt wird, dieses der Mensch sehr wohl beides kann, weil Glauben ist nun mal keine Wissensfrage, sondern ist auf unseren Gefühlen aufgebaut, ganz tief im Herzen, die innerste Stimme (Gewissen) uns stets treu geblieben ist, man jedoch die Sprache des Herzens
ignorieren kann.
Es wäre grundsätzlich die Aufgabe der Philosophie, das Mysterium Mensch mit all seinen Facetten (Verstand, Herz, Seele, Schicksal, freier Wille,,,,,) zu erforschen, wir echt wieder dem Ursprung von Leben auf den Grund gehen.
In der Annahme, Sie meine Betrachtungsweise bezüglich Technologie vielleicht verstehen können, grüß ich Sie freundlichst.
Urs aus CH-Lausanne.