Von der Physik zur Metaphysik – auf zum Strukturenrealismus
Dieser Essay stellt im wahrsten Sinne des Wortes den Versuch dar, einer viel geschmähten und vielleicht auch oft missverstandenen Disziplin der Philosophie – die Metaphysik – wieder auf die Beine zu helfen und zum Laufen zu bringen. Denn meines Erachtens benötigen wir – vielleicht dringender denn je – eine „neue Metaphysik„, denn die Naturwissenschaften und ihr Instrumentarium – der Fortschritt in den Technologien – überholt die Menschheit gerade ohne einen Blinker zu setzen. Und uns bleibt zur Zeit nichts anderes übrig, als dem Fortschreiten hinterher zu schauen und uns dem Status quo anzupassen.
Es geht im Folgenden um den Versuch der Wiederherstellung einer neuen Metaphysik unter Berücksichtigung der Abduktion (Peirce) als prospektorisches Mittel. Diese neue Metaphysik soll möglichen, negativen Entwicklungen Einhalt gebieten und den Versuch darstellen den naturwissenschaftlichen Diskurs wieder neu einzunorden und damit gleichzeitig zu einer neuen Wissenschaftsethik führen.
Table of Contents
Aber von Anfang an – Aristoteles Metaphysik
Das Thema „Metaphysik“ ist wahrscheinlich schon so alt, wie die Menschheit selber, die sich wohl seit Anbeginn des Denkens die „Seins“- oder „Sinn“-Fragen gestellt haben mag, z. B.: Was ist der Mensch? Gibt es einen Sinn im Leben?,… Die Altvorderen werden diese Fragen allerdings nicht unter dem Begriff Metaphysik subsumiert haben.
Der Begriff tauchte eigentlich erst in der griechischen Klassik auf und hier insbesondere durch Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) ontologisches Werk „ta metá ta physiká“ („Das hinter, neben der Physik“):
„Der Begriff „Metaphysik“ stammt nach heutiger Mehrheitsmeinung aus einem Werk des Aristoteles, das aus 14 Büchern allgemeinphilosophischen Inhalts bestand. Der Peripatetiker Andronikos von Rhodos (1. Jahrhundert v. Chr.) ordnete in der ersten Aristotelesausgabe diese Bücher hinter dessen acht Bücher zur „Physik“ ein (τὰ μετὰ τὰ φυσικά tà metà tà physiká ‚das nach/neben der Physik‘). Dadurch entstand die Bezeichnung „Metaphysik“, die also eigentlich bedeutet: „das, was hinter der Physik im Regal steht“, aber gleichzeitig didaktisch meint: „das, was den Ausführungen über die Natur folgt“ bzw. wissenschaftlich-systematisch bedeutet: „das, was nach der Physik kommt.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Metaphysik:Begriffsgeschichte)
Und dieser Reihenfolge (Metaphysik nach Physik) soll hier ausdrücklich Beachtung geschenkt werden. In diesem einen seiner Hauptwerke – der
Physik – stellt Aristoteles in strikter Abgrenzung zu seinen Vorgängern (Platon, Vorsokratiker) klare Definitionen zu ontologischen Einheiten wie Raum, Zeit, Bewegung und Ursache auf. Er wendet sich hierbei explizit gegen der Ideenlehre eines Platon (dem späteren Idealismus eines Kant) und setzt demgegenüber die Empirie (dem späteren Materialismus eines Laplace) ganz im Sinne der modernen Naturwissenschaft (allerdings noch ohne Mathematik):
„Man muss dabei versuchen, die Untersuchung so durchzuführen, dass das Wesentliche an dem Begriff wiedergegeben wird,[…]“ (211 a).
Aristoteles als Pionier des Naturalismus
In seiner Metaphysik versucht Aristoteles hingegen diese einzelnen Entitäten zu bündeln und zu systematisieren ganz im Sinne des modernen Reduktionismus, um durch Induktion an die dahinter liegenden Gesetzmäßigkeiten zu gelangen:
„Es gibt eine Wissenschaft, welche das Seiende als Seiendes untersucht und das demselben an sich Zukommende.[…] Indem wir nun die Prinzipien und höchsten Ursachen suchen, ist offenbar, dass diese notwendig Ursachen einer gewissen Natur an sich sein müssen.“ (Met. IV 1, 1003 a 21 – 28)
Dies erinnert alles sehr stark an die Methodik der modernen Naturwissenschaften und somit könnte man Aristoteles tatsächlich als Pionier der modernen Naturwissenschaft oder des Naturalismus (Quine, Rorty) bezeichnen:
„Deshalb unternimmt denn auch keiner von denen, die sich einer speziellen Wissenschaft widmen, über diese zu sprechen, ob sie wahr sind oder nicht, weder der Geometer noch der Arithmetiker, ausgenommen einige Physiker [sic!]. Dass diese es taten, hat seinen guten Grund; denn sie allein glaubten über die ganze Natur und über das Seiende Untersuchungen anzustellen. Da es aber einen Wissenschaftler gibt, der noch über den Physikern steht [sic!] (denn die Natur ist ja nur eine Gattung des Seienden), so wird diesem, welcher (das Seiende) allgemein und das erste Wesen betrachtet hat, auch die Untersuchung der Axiome zufallen.“ (1005 a, 40 – 50)
Moderner hätte man es nicht ausdrücken können ;-). Diesen alten „Geist-Materie“-/“Leib-Seele“-Dualismus möchte ich in einem weiteren Essay „Der Geist in der Materie„ noch näher untersuchen.
Die „Duhem-Rey-Kontroverse“
Von der Metaphysik in der Physik: Duhems Position
Im Folgenden möchte ich an einem historischen Disput zwischen dem theoretischen Physiker und Wissenschaftsphilosophen Pierre Duhem (1861-1916) und dem Philosophen und experimentellen Psychologen Abel Rey (1873-1940) den prognostizierten Wechsel in dem Erklärungsmuster in den modernen Naturwissenschaften veranschaulichen.
Diesen Paradigmenwechsel will ich hier nur kurz vorstellen und beziehe mich hierbei auf einen bereits existierenden, sehr lesenswerten Essay „Braucht die Theoretische Physik den religiösen Glauben? Neo-Scholastik und Positivismus in der Dritten Republik“ von Matthias Neuber, den ich durch einen Tipp im Netz (https://philpapers.org/archive/NEUBDT-2) gefunden habe.
Duhem gilt als ein typischer Repräsentant der „positivistischen“ französischen Wissenschaftsphilosophie im Sinne eines empirischen Materialismus um 1900:
„Eine physikalische Theorie ist keine Erklärung. Sie ist ein System mathematischer Lehrsätze, die aus einer kleinen Zahl von Prinzipien abgeleitet werden und den Zweck haben, eine zusammengehörige Gruppe experimenteller Gesetze ebenso einfach, wie vollständig und genau darzustellen.“ (Duhem, 1998, S. 20f.)
Er kann aber auch als ein Repräsentant des metaphysischen Idealismus in der Physik gesehen werden:
„So gibt uns die physikalische Theorie niemals die Erklärung der experimentellen Gesetzmäßigkeiten, niemals enthüllt sie uns die Realitäten, die sich hinter den wahrnehmbaren Erscheinungen verbergen. Aber je mehr sie sich vervollkommnet, umso mehr ahnen wir, dass die logische Ordnung, in der sie die Erfahrungstatsachen darstellt, der Reflex einer ontologischen Ordnung sei. Je mehr wir mutmaßen, dass die Beziehungen, welche sie zwischen den Beobachtungsergebnissen herstellt, den Beziehungen zwischen den Dingen entsprechen, umso mehr können wir prophezeien, dass sie sich einer naturgemäßen Klassifikation nähere.“ (Duhem, 1998, S. 30)
Und dieses „Zwischen-den-Stühlen-Sitzen“ macht Dehum für unsere Frage so interessant. Hier spiegelt sich einerseits sein Bekenntnis zum wissenschaftstheoretischen Instrumentalismus wider. Anderseits sieht Rey hierin aber auch ein neoscholastisches Theorienverständnis, weil er erstens hierdurch zu viel Spielraum für „außerphysikalische Parallelaktionen“ lässt und zum puren Mathematismus aufruft. Der zweite Vorwurf wiegt schwerer, da er Rey zufolge zu einem Verzicht auf den Anspruch kausaler Erklärung und somit zu einer vollständigen Ablösung der physikalischen Theoriebildung von den Gegebenheiten in der Erfahrung, als ein „jeu de syllogismes scolastique“ führe (s. Kants „leere Metaphysik“)
„Während Duhem die Rechtfertigungsbasis seiner Doktrin der naturgemäßen Klassifikation im Bereich des Intuitiven (bzw. der Pascalschen „Urteile des Herzens“) sieht, meint Rey seine kausal-relationalistische Ontologie auf durch-gehend rationalem Wege, und zwar in Gestalt einer wahrheitszentrierten Theorie der kausalen Erklärung untermauern zu können.“ (https://philpapers.org/archive/NEUBDT-2, S. 236)
Duhem sieht folglich die Wissensbeschaffung und den Erkenntnisgewinn der Naturwissenschaft in der Annahme einer naturgemäßen Klassifikation im aristotelisch-metaphysischen Sinne als „inhärentes Streben nach Kohärenz“ begründet. Demgegenüber verfolgt Rey ein anderes Ziel in seiner Entgegnung „La physique de M.Duhem“ auf Duhems „Physique de croyant“.
Hin zur Physik in der Metaphysik: Reys Position
Rey selber plädiert in diesem Zusammenhang für eine Art von dritten Weg, in dem – von ihm so genannten – „wahren“ Positivismus. Dieses Konzept umfasst im Wesentlichen folgende Thesen:
„1. die Physik ist die „Wissenschaft von der Materie“;
2. Gegenstand physikalischer Theorien sind Relationen;
3. Relationen sind die Instanz kausaler Wirksamkeit;
4. die Erklärung des in der Erfahrung Gegebenen erfolgt im abduktiven Rückgriff auf kausale Relationen; physikalische Theorien sind – aufgrund ihres vorhandenen Erklärungspotentials – nicht nur „empirisch angemessen“, sondern in einem buchstäblichen Sinne (wenn auch nur näherungsweise) wahr.“ (vgl.Rey: „La Philosophie moderne“1908, S. 150 – 154, 348 – 352)
In den Thesen 1, 2 und 3 versucht Rey eine Ontologie zu entwicklen, die „von keinerlei theologischen Dogmen «infiltriert» ist„. Den maßgeblichen Bezugspunkt sollen hierbei einzig und alleine das Beziehungsgeflecht der Relationen bilden. Der Ausgangspunkt der Untersuchung liegt zwar im Materiellen, aber die hieraus abgeleiteten Rückschlüsse und Gesetzmäßigkeiten sind rein geistiger Natur. Durch den „abduktiven Rückgriff“ gehen sie über das empirisch Gegebene sogar hinaus und könnten als „wahr“ bezeichnet werden.
„Physikalische Theorien sind mehr als bloße Vorhersageinstrumente“, es sind „kausal-relationalistische Ontologien“, die auf durchgehend rationalem Wege in Form einer „wahrheitszentrierten Theorie“ alles erklären können (s. Theory of everything ToE). Für Rey sind diese Relationen Instanzen kausaler Wirksamkeit. Dies stellt einen sehr klaren Schnitt und Paradigmenwechsel in der Physik hinsichtlich der duhemschen-aristotelischen Metaphysik dar, da nun nicht mehr die Objekte an sich als Grund der Kausalität, sondern die sich hieraus entwickelnden Relationen im Vordergrund stehen. Dies wirkt an dieser Stelle schon sehr modern im Sinne der Luhmannschen Systemtheorie (aber dazu mehr in dem späteren Essay „Die Struktur im System„).
Zurück zur neuen Metaphysik: der ontische Strukturenrealismus
Jetzt kommt der eigentlich interessante Teil zu unserem „Materie-Geist“-Problem oder zu dem Vorhaben „Von der Physik zur Metaphysik“. Neuber leitet nun aus Reys Position einen modernen „Strukturenrealismus“, der sich gänzlich der alten Metaphysik entledigen kann, ab. Er vertritt die These, man benötige zum Aufstellen von (erfolgreichen) physikalischen Theorien (mit effizienter Vorhersagekraft), „um die damit einhergehende ontologische Verpflichtung auf beobachtungstranszendente Strukturen (bzw. Relationen) eingehen zu können, keine wissenschaftsfremde Metaphysik, geschweige denn Theologie.“ (ebd. S. 237)
Ihm geht es darum einen „epistemischen Strukturenrealismus“ nach Worrall durch einen „ontischen Strukturenrealismus“ zu ersetzen.
„Sehr hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Differenzierung zwischen „abstrakten“ und „konkreten“ Strukturen. Während es sich bei abstrakten Strukturen um mathematische Gebilde wie etwa Gleichungssysteme handelt, sind konkrete Strukturen physikalisch real. Genauer gesagt, haben abstrakte mathematische Strukturen – wenn man von ihrer Existenz ausgeht – den ontologischen Status von Universalien, während konkrete physikalische Strukturen partikulär sind. Zwar kann man diese partikulären physikalischen Strukturen mittels mathematischer Strukturen beschreiben, aber die physikalischen Strukturen als solche existieren unabhängig, d. h. als immer schon voraus zu setzender Gegenstand der mathematisch-physikalischen Beschreibung.“ (ebd. S. 239)
Die Vorzüge eines ontischen Strukturenrealismuses versucht er an dem Beispiel „Loch-Argumentes in der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie“ zu belegen. Die Unterdeterminierung der Theorie wird hier als „Mannifaltigkeitssubstanzialismus“ (vgl. in diesem Zusammenhang z. B. Lyre, 2007, S. 238 ; Carrier, 2009, S. 206) im Falle allgemein kovarianter Theorien als eine „starke Form des Indeterminismus“ (Carrier, 2009, s. 207) beschrieben. Soll heißen, der ontische Strukturenrealismus lässt diese Unschärfe in der Theorie nicht nur zu, sondern erzeugt sie geradezu als inhärente Struktur. Hierin liegt gerade die Stärke des ontischen Strukturenrealismus, dass er keines transzendentalen „externalistischen“ Bezugspunktes bedarf, sondern sich zur neuen Metaphysik generiert, oder in den Worten eines der gegenwärtigen Hauptvertreter:
„The new metaphysics of nature distinguishes itself from the older essays in speculative metaphysics by being close to science: metaphysical claims are based on scientific theories. Consequently, the metaphysical claims about nature are as hypothetical as our scientific theories: there is no more certainty to be gained in metaphysics than here is in science. In other words, scientific knowledge claims are fallible and meta-physics, insofar as it draws on those claims, is as fallible as science.“ (Esfeld „The Modal Nature of Structures in Ontic Structural Realism“ (2009), S. 341)
„Beweisen lässt sich die These der Selbstgenügsamkeit des wissenschaftlichen Erklärungsanspruchs allerdings nicht. Aber sie ist immerhin einer rationalen Begründung zugänglich, was man von der Duhem’schen Flucht in das Intuitive wohl nur schwerlich behaupten kann.“ (ebd. S. 243)
Hierin sehe ich ebenso wie Neuber einen viel versprechenden Ansatz für eine neue Form von metaphysischer Philosophie im Sinne eines kritischen Idealismus, der sich nicht hinter der Naturwissenschaft verstecken muss, sondern im Gegenteil als metaphysischen Naturalismus die Naturwissenschaft begründen muss.
Das diese „neue Metaphysik“ mehr als dringend benötigt wird, kann auch an der aktuellen Entwicklung im Bereich der KI und Kybernetik-Forschung abgelesen werden. Das „Geist-Materie“-Problem manifestiert sich an dieser „wissenschaftlichen Front“ besonders deutlich. Aber wie der Geist nun mit der Materie zusammenhängt, möchte ich in meinen nächsten Essay „Der Geist in der Materie„ näher untersuchen.
Cher M. B.,
merci pour votre objection légitime, que j’ai lue attentivement.
Ce terme «esprit-matière» est tout autant un terme technique que «corps-âme», qui est bien sûr connu depuis le dualisme de Descartes et pour autant qu’il présente des «signes d’usure». À cet égard, j’estime que la tentative de monisme de Spinoza est plus d’actualité:
«Les gens ne peuvent souhaiter rien de plus excellent pour la préservation de leur être que que tout le monde s’accorde en tout pour que tous les esprits et tous les corps forment un esprit et un corps, et chacun se cherche Ce qui est commun à tous. De là, il s’ensuit que les gens qui se laissent gouverner par la raison ne demandent rien pour eux-mêmes dont ils ne veulent pas pour les autres, et donc qu’ils sont justes, loyaux et honorables. „(Spinoza , Ethique, 4. Sur la servitude humaine ou le pouvoir des affects)
J’espérais en fait que ce serait clair dans mon essai. Mais je voudrais aussi me référer à l’essai de suivi „L’Esprit dans la matière“ ;-), où vous êtes également invités à traduire le terme „esprit“ par „conscience“, „cognition“ ou „cybernétique“ d’une manière plus moderne.
Cordialement
philosophies.de
Lieber Herr S.,
vielen Dank für Ihre Erklärung. Da mache ich sofort mit 😉 Denn mein Essay hatte genau das zum Ziel: der Metaphysik „wieder auf die Beine zu helfen und zum Laufen zu bringen“.
„Denn meines Erachtens benötigen wir – vielleicht dringender denn je – eine „neue Metaphysik„, denn die Naturwissenschaften und ihr Instrumentarium – der Fortschritt in den Technologien – überholt die Menschheit gerade ohne einen Blinker zu setzen.“
Jetzt wäre nur noch spannend zu wissen, wenn die „Metaphysik als Theorie, eine Totalität all dessen ist, was ist und notwendig die Gegenstände der anderen Wissenschaften schon einschließt“, wie eine solche moderne Variante der Metaphysik aus Ihrer Sicht aussehen könnte.
Ich habe hierzu zum Beispiel sehr interessante Impulse in dem „ontischen Strukturenrealismus“ gefunden, die man prima mit einer „nicht-reduktiven, bidirektionalen Neurophilosophie“ verbinden könnte. Was meinen Sie?
Viele Grüße
philosophies.de
Dear Mr. S.,
that’s a good joke. But it wasn’t meant like that. Plato was probably as good a scientist as Socrates was 😉
But I don’t think we should make the mistake of automatically equating epistemology with sitting in a dark room and pondering things that don’t exist anyway. The episteme (theoretical knowledge) is often delimited with a certain hubris from the techne (practical skill) from which modern natural science has emerged. If I am allowed at this point, I would have a little modified (unfortunately Platonic 😉 „cave allegory“ to illuminate the connection between metaphysics and physics and the claim to truth content:
To stay in the parable, we sit in our cave (world) with our world of ideas / images (shadows on the wall). The entities are either thrown on the wall by a small sparkle in the form of a candle (church) in a shadowy and blurred manner – that is, interpretable and subject to belief. Or at the other extreme, we get things popped on the wall with halogen floodlights (natural sciences), so that out of sheer objectivity we can no longer recognize what is essential to things (insofar as it still exists at all ;-). We have enough light to see even the smallest details on the wall and in the distance. But only through metaphysics are we able to locate the various light sources and perhaps find the corresponding sockets. Be that as it may, I am of the opinion that we cannot look out of the cave, we do not even notice that we are sitting in the cave (at this point it is questionable, since one could not really think about it) . Only now and then maybe an additional light beam falls from the ceiling (or wherever from), which you may or may not notice, but whose source we cannot really see. Or if you want to add „Russell’s teapot“ as proof. At this point there is no verifiable evidence as to whether the teapot actually stands outside the cave or not. We only see the silhouette of the teapot and not the teapot itself ;-).
Or how do you see the whole thing?
regards
philosophies.de
Lieber Herr B.,
vielen Dank für Ihren aufschlussreichen und konstruktiven Beitrag, den ich mit großem Interesse gelesen habe.
In den meisten Punkten kann ich Ihnen folgen, manches sehe ich vielleicht etwas anders. Den „gemeinsamen historischen gedanklichen Hintergrund“ von „Metaphysik und Wissenschaft“ verorte ich genauso. Ob er nun im „Paradigma der deduktiven Mathematik“ entwickelt wurde, lasse ich mal dahin gestellt. Die erkenntnistheoretische Gegenüberstellung von dem deduktiven Platon und dem induktiven Aristoteles finde ich gelungen und dem kann ich mich nur anschließen. Ebenso die Summe der Teile < das Ganze. Die von Ihnen beschriebene Theoriebildung ist auch eine gängige Praxis - des aus meiner Sicht - reduktionistischen Materialismus/Naturalismus. Spannender empfinde ich die Frage nach den "leitenden Hypothesen, dh Deduktion und Induktion". Ist das so? Wie sieht es zum Beispiel mit der ebenfalls von Aristoteles eingeführten erkenntnistheoretischen Methode der "Abduktion" (Apagoge) aus? Die Peirce so beschreibt:„Die überraschende Tatsache C wird beobachtet; aber wenn A wahr wäre, würde C eine Selbstverständlichkeit sein; folglich besteht Grund zu vermuten, daß A wahr ist.“ (Peirce: Collected Papers (CP 5.189) „Abduktion ist jene Art von Argument, die von einer überraschenden Erfahrung ausgeht, das heißt von einer Erfahrung, die einer aktiven oder passiven Überzeugung zuwiderläuft. Dies geschieht in Form eines Wahrnehmungsurteils oder einer Proposition, die sich auf ein solches Urteil bezieht, und eine neue Form von Überzeugung wird notwendig, um die Erfahrung zu verallgemeinern.“ „Deduktion beweist, dass etwas sein muss; Induktion zeigt, dass etwas tatsächlich wirksam ist; Abduktion deutet lediglich daraufhin, dass etwas sein kann.“ (Peirce: Collected Papers (CP 5.171) Dies würde zum Beispiel aus meiner Sicht ganz neue Möglichkeiten zur Entwicklung einer "Neuen Metaphysik" in sich bergen. Es geht mir mehr um den prospektorischen Gehalt der Metaphysik, um damit beispielsweise zu einer Wissenschaftsethik zu gelangen, die ihren Namen auch wert ist. Und die nicht immer im Nachhinein bemängeln muss, dass aus aus "Pflugscharen doch wieder Schwerter wurden". Sehen Sie vielleicht auch eine derartige Möglichkeit? Viele Grüße philosophies.de
Lieber Herr S.,
vielen Dank für Ihren bemerkenswerten und interessanten Kommentar. Zur ausführlicheren Erläuterung des Begriffes „nicht-reduktiven, bidirektionalen Neurophilosophie“ müsste ich ein wenig weitschweifiger werden, wenn es mir gestattet sei.
Der Auslöser war eine Beschäftigung mit dem „Geist-Materie“-Dualismus und die Frage, wie aktuell dieser „Dualismus“ noch sein kann, in Anbetracht des technologischen Fortschritts, den die KI- und Kybernetik-Forschung momentan macht. Hieran knüpfte sich aus meiner Sicht auch dringend eine Antwort auf die Frage nach einer „neue Metaphysik“, welche die moderne Philosophie bisher – auch gerade wegen dieser Thematik – schuldig geblieben ist; das wäre doch ihr proprietäres Gebiet.
Das Problem mit dem „ontologischen Materialismus“ und dem „erkenntnistheoretischen Idealismus“ ließ mich aber – ab da an – nicht mehr los. Und damit war ich wieder beim Ausgangsproblem dem „Geist in der Materie“ oder der „Materie in dem Geist“, was ich für ein kausal-logisches „Henne-Ei-Problem“, halte: ob nun die Materie den Geist manifestiert oder ob doch eher der Geist die Materie konstituiert. Zu dem Thema „Neuophilosophie“ fand ich einen sehr lesenswerten Artikel von Philipp Klar „What is neurophilosophy: Do we need a non-reductive form?“ (https://link.springer.com/article/10.1007/s11229-020-02907-6) als sehr hilfreich:
„[…] the naturalization of philosophy regarding neurophilosophy and three resulting distinguishable forms of how neuroscience and philosophy may or may not be connected in part 1, namely reductive neurophilosophy, the parallelism between neuroscience and philosophy which keeps both disciplines rather strictly separated and lastly, non-reductive neurophilosophy which aims for a bidirectional connection of both disciplines. Part 2 presents a paradigmatic example of how these three forms of neuroscience and philosophy approach the problem of self, mainly concerning its ontological status (existence and reality). This allows me to compare all three neurophilosophical approaches with each other and to highlight the benefits of a non-reductive form of neurophilosophy. I conclude that especially non-reductive neurophilosophy can give full justice to the complementary position of neurophilosophy right at the intersection between neuroscience, philosophy, and psychology.“(ibid. p.1)
Es fehlte für mich an dieser Stelle nur das „missing link“, welches die entsprechende Klammer um die verschiedenen Disziplinen setzt und diese dann nicht-reduktiv und bidirektional zusammenfügt. Wenn man so sagen darf, geht also – im Gegenteil – nicht um einen „Substanzdualismus“, sondern um einen „Mannigfaltigkeitssubstanzialismus“(s. https://philpapers.org/archive/NEUBDT-2, p. 240), der eine Unterdeterminierung der Theorien durch Evidenzen zulässt. Wenn mir der Vergleich – der auch sicherlich stark „hinkt“ – erlaubt sei, so etwas wie eine „theory of everything“ (ToE) der Philosophie. Hierzu hatte ich einen Tipp bekommen, dass sich mit diesem „bescheidenen“ Vorhaben bereits ein gewisser Gabriel Vacariu („Illusions of Human Thinking“) mit seinen „EDW’s“ (»Epistemologically Different Worlds (EDWs)«) beschäftigt hat. Seine „Mikro-“ und „Makro“-EDWS sollen angeblich zu unterschiedlichem epistemologischen Frameworking und zur Verschmelzung von phänomenalen und noumenalen Metaphysik führen.
Wie dem auch sei, es ist richtig, es wird wohl auf „die kritische Metaphysik im Verbund mit der Epistemologie und also speziell die Frage, inwiefern die Gegenstände von unserem besonderen Wahrnehmungsapparat abhängen“ hinauslaufen. Die wirksamsten Impulse sehe ich aber zur Zeit – wie gesagt – aus der KI- und Kybernetik-Forschung kommen, da hier eine neue Metaphysik gerade zu verlangt wird. Wie man vielleicht an folgenden Fragen, die ich an die Luhmann-Gruppe auf Facebook gerichtet habe, ablesen kann:
„Unter der Prämisse, dass der Mensch mit Hilfe der neuen Technologien nun der neue „Schöpfer“ ist, benötigt man dann auch eine neue Metaphysik im Bezug auf folgende Fragen?:
1. Kann man mit Hilfe der Autopoeisis tatsächlich so etwas wie Wissen/Kognition herstellen (vgl. Paul Bourgine/John Stewart: „Autopoiesis and Cognition“ http://yannickprie.net/…/docs/documents2006/alvarpb7.pdf ) oder bleibt es nur bei „system-inhärenten Rechenoperationen“? (Dirk Baecker: „A Calculus for Autopoiesis“ https://poseidon01.ssrn.com/delivery.php?ID=084013121017005082031085097126029109118032061048043044009117114089082115106095064092005049039026020056054098125090082125103074108057014069082025067085000064067102065045091090090011030001094098071112079086083064121105019005071083021007105068073069066&EXT=pdf?)
2. Führt dieses inkrementelle, subsumierende Wissen tatsächlich zu so etwas wie autonomen Bewusstsein (TTC) als artifizielle Lebensform (al)? (vgl. Paul Bourgine/John Stewart: „Autopoiesis and Cognition – What is life -“ S. 15 in http://yannickprie.net/…/docs/documents2006/alvarpb7.pdf )
3. Dies führt natürlich unweigerlich zur Frage eines Selbstbewusstseins. Kann ein kybernetisches System/Organismus sich selbst erkennen und kritisch reflektieren (Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist die Maschine?
4. Können wir dann mit Kant auf „Vernunft“ und auf eine damit implizierte „Moral“ hoffen? Heißt, gibt es für kybernetische Systeme einen transzendentalen Orientierungspunkt? Oder sind wir Menschen dann – als „Schöpfer“ – der Bezugspunkt? Oder wird das System, weil es ja selbstreferenziell ist, sich selbst als Schöpfer betrachten und eine neue „Schöpfungs“-Mythologie (Religion/Glauben) entwickeln?
Hierzu habe ich sehr vielversprechende Antworten besonders von Franz Hoegl „The evolutionary dynamics of expectations: Interactions among codes in inter-human communications“ (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0303264720301258) erhalten, die ich gerne in einem weiteren Essay „Der Geist in der Materie“ vorstellen möchte.
Es bleibt spannend. Vielen Dank für Ihr Interesse und es wäre schön, noch etwas von Ihnen zu hören.
Viele Grüße
philosophies.de
Dear Mr S.,
thank you very much for your comment, but you would have to specify what you mean by „results“ and „science“. If by „results“ you mean the advances in technology, I could do without „a few advances“ (see „The Technopoly“ https://philosophies.de/index.php/2020/11/01/das -technopol /) . If by „science“ you mean a discipline that creates knowledge, it is also difficult for me to imagine a „natural science“ without epistemological foundations (e.g. „induction“ and „deduction“). But maybe you can teach me better.
regards
philosophies.de
Dear Mr. S.,
thank you for your interest in my article and your interesting comment.
Your first objection: Science becomes speculation without the epistemological foundation of metaphysics (again see „Induction“, „Deduction“, „Abduction“, „Verification / Falsification“, etc.).
You can see that in your second objection: For me the earth is a sphere (even without speculation 😉
Regarding your review of my article „Das Technopol“ (https://philosophies.de/index.php/2020/11/01/das-technopol/): It’s a pitty that you find the informality of the article as sarcasm, but Then you have to complain to the author Neil Postman, who has written two very readable books on the subject of „Information in the Information Age“, „Amusing Ourselves to Death: Public Discourse in the Age of Show Business“ and „The Second Enlightenment: A bridge to the eighteenth century“.
With philosophies greetings
Dear Mr. J.,
thank you for your comment, which I read with interest.
Right, Descartes was wrong. There is no dualism between „res cogitans“ and „res extensa“. I only see a structural coupling (Maturana and Varela, 1985), which is why „ontic structural realism“ appeared to me (see https://philosophies.de/index.php/2020/11/12/von-der-physik -to-metaphysics /) as the most promising approach. Therefore, the question of fiction or reality does not arise at all, since reality first has to be generated cognitively. And that’s right, you don’t have to try any „supernatural“ things, cognitive science and neurosciences provide a sufficient amount of data for this. But I would like to investigate this in a later article „The Spirit in Matter“ with the he
lp of Luhmann’s system theory.
With philosophies greetings
Cher Monsieur L.,
merci pour votre intéressante objection, que j’ai immédiatement reprise.
Non, mon essai n’a absolument rien de commun avec l’approche formelle-logique et empirique de M. Carnap. Je considère la «logique scientifique» de Carnap comme un projet raté à plusieurs égards, aussi et surtout en ce qui concerne la tentative d’abolir la métaphysique à l’aide de la logique de la physique.
Au contraire, j’essaie actuellement d’adopter une approche différente, que j’ai trouvée dans mon essai plus ancien „Le Dieu de la science“ (https://philosophies.de/index.php/2020/09/23/der-gott-der-wissenschaften /) et que je voudrais décrire plus en détail dans un essai ultérieur „L’Esprit dans la matière“.
Avec des salutations philosophies
Dan Langlois
Admin of Kant in contemporary philosophy (FB)
„Note Henri Poincaré, Pierre Duhem and Abel Rey, these ‚French Conventionalists‘.
The Belgian P. Duhem’s philosophy of science is difficult to classify according to more contemporary categories like instrumentalism and realism — his anti-instrumentalism did not amount to endorsement of realism. or something. Not anti-realist either. He was particularly impatient with the neo-Thomism of the day. Note philosophical idealism, towards which he tends more or less consciously, more or less decisively, such that this might be described as vacillating between idealism and dialectical materialism — energetically combating the atomistic-mechanical conception of nature, pointing to the narrowness of this conception, to the impossibility of accepting it as the limit of our knowledge, to the petrification of many of the ideas of writers who hold this conception. I’m kidding, but I recall that Engels rejected the old metaphysical materialism for *dialectical* materialism. What Duhem shows, he shows with an enormous expenditure of labor, and with the help of a number of interesting and valuable examples from the history of physics. But if it is that “every law of physics is provisional and relative, because it is approximate”, then also:
“A law of physics, properly speaking, is neither true nor false, but approximate“ — writes Duhem.
Thus, the question whether “material reality” corresponds to perceptual phenomena is metaphysics. Our concepts and hypotheses are mere signs, “arbitrary” constructions, and so forth.
He says that we know sound “such as it is in relation to us but not as it is in itself, in the sound-producing bodies. This reality, of which our sensations give us only the external and the veil, is made known to us by the theories of acoustics. They tell us that where our perceptions register only this appearance which we call sound, there really exists a very small and very rapid periodic movement,” etc.
Nature is infinite, just as its smallest particle (including the electron) is infinite:
“Thus, the struggle between reality and the laws of physics will continue indefinitely; to every law that physics may formulate, reality will sooner or later oppose a rude refutation in the form of a fact; but, indefatigable, physics will improve, modify, and complicate the refuted law”.
The starting point of Rudolf Carnap’s and Otto Neurath’s endeavour, however, is to be found in Poincaré, though the members of the Vienna Circle seem to have missed Poincaré’s structural realism. Or I mean, John Worrall has called this view „structural realism“. It says that what is merely instrumental are our conceptions of the entities we theorize about. What remains constant in this theory change, however, is the structure of the phenomena investigated. Poincaré thus resisted wholesale instrumentalism. Duhem abstained from affirming realism. Poincaré asserted realism whereas Duhem did not, seeking to dissociate science from metaphysics. Insofar as Poincaré’s confidence transcended possible scientific évidence, his structural realism must count as a metaphysical thesis.
I might say ‚Poincare’s version of Kantianism and Duhem’s Catholicism‘, but not where I actually want it repeated. Duhem’s holism? Duhem’s non-Catholic readers could regard Duhem’s historical interest in medieval science as representing little more than another version of neo-scholasticism. Maybe, in the long run, what this meant was that Duhem could be dismissed as a Catholic apologist by non-Catholics. while simultaneously being condemned by the French Catholic intellectual elite.
Poincaré assumed the continuity of ordinary and scientific language which Duhem questioned. It is not easy then to say precisely what Poincaré and Duhem shared when they spoke of conventions in science.
Of course, they agreed that there are facts which are unimpugned by any of the conventionalities of theory however conceived, namely the „crude“ or „practical facts“ which we know for sure. The significance of this becomes clear by comparison of Duhem with Quine. Duhem made his holistic claims only for theoretical physics (possibly a special case amongst the sciences).
Poincaré’s and Duhem’s agreement was pretty thin. Famously, Duhem contrasts representation to explanation, where explanation proceeds with positing unobservable entities and structures and consists in reducing the behavior of observable entities (the empirical laws) to these invisible entities, their properties and their own laws of behavior. These metaphysical entities — metaphysical by default. And the laws they are supposed to obey. Hence, explanation is taken to be characteristic of metaphysics, thereby falling outside the scope and bounds of science.
It might be thought that Duhem cannot have it both ways. He cannot be a holist and at the same time wouldn’t commitment to holism imply that the explanatory part also gets some credit by getting some of the empirical support of the theory? Heck, I say ‚the explanatory part‘, assuming that we can draw such a distinction. Although Duhem talks of metaphysical relations between essences, what he really refers to are relations among unobservable entities—the minute constituents of material objects. Recall that for him the atomic hypothesis (as well as any other hypothesis which refers to unobservable entities) was a “metaphysical” hypothesis.
If we want to cast light on the reasons that explain the shift of opinion—from scepticism to realism—concerning the reality of atoms and molecules in the beginning of the twentieth century, then I figure maybe the story told has some rather interesting repercussions for the rationality of accepting the reality of explanatory posits. The atomic hypothesis—the key assumption of which was that matter is discontinuous—entailed that atoms should be countable. Hence, the determination of the number of molecules in a gram-molecule of gas, was a key plank in its defence. Note, that there had been many attempts to determine this number, and that the determination of it would allow the determination of other atomic properties, e.g., the size of molecules.
I gather that the incessant and irregular agitation of small particles suspended in a liquid, which came to be known as Brownian movement because it was first identified as such by the botanist Robert Brown in 1828, was destined to play a decisive role in the wider acceptance of the atomic conception.
Two important things happened in the first decade of the twentieth century. One, was Einstein’s theory of Brownian motion in 1905, which provided for an explanatory mechanism of it based on the molecular kinetic theory; the other was Jean Perrin’s theoretical and experimental work, which yielded a very accurate determination of Avogadro’s number. In Perrin’s hand, Avogadro’s number became an invariant and indispensable feature in explanations of various and diverse phenomena.
Between roughly 1908 and 1912, there was a massive shift in the scientific community in favour of the atomic conception of matter. When Perrin received the Nobel Prize for physics in 1926, it was noted in the presentation speech by Professor C. W. Oseen that he “put a definite end to the long struggle regarding the real existence of molecules”. Perrin’s case for the reality of molecules is rather exceptionally strong. But wait, do we figure then, that commitment to the reality of certain explanatory posits should be made on the basis of the strength of the evidence there is for them? But then, it seems like commitment to the reality of specific explanatory posits is a matter that depends on the context.
It seems to me that while we are acting as if meta-theoretic or philosophical considerations get into the evidential balance sheet, it turns out, in the end, that in certain contexts, they are trumped by the detailed and well-supported explanation of the phenomena to be explained. I also figure we could say this: that the evidence for the atomic hypothesis was indirect—that is, via its confirmation, as opposed to direct observation—does not imply that this evidence was insufficient. It became unreasonable to defend the superiority of the molecular theory without defending its truth.
Suppose that resistance to the atomic hypothesis was solely based on philosophical dogma. Well, then, what if we say that adhering to philosophical dogma in the face of mounting scientific evidence against its basic presuppositions is unreasonable?
These remarks are based on my notion that the atomic conception was essentially true. So to speak. I figure it’s not that we have to capture the whole truth and nothing but the truth. Instead, if we say that the atomic conception of matter, in its essentials, as it were, has become a stable and permanent part of our evolving scientific image of the world, then okay. The discontinuous structure of matter—is true. Certain properties of the constituents of matter have been rendered definite and measured.
Personally, I’ve never had much of an issue with the idea of recommending belief in both observable and unobservable aspects of the world described by the sciences. I guess this attitude leaves a lot less for philosophers to maunder about, and at least, has important metaphysical and semantic dimensions, and anyways, debates about scientific realism are closely connected to almost everything else in the philosophy of science.
I note that ‚realism‘ is a term that was coined by Kant. On the other hand, it is perhaps only a slight exaggeration to say that scientific realism is characterized differently by every author who discusses it. It is denied by any position that falls under the traditional heading of “idealism”, including some forms of phenomenology, according to which there is no world external to and thus independent of the mind. This sort of idealism, however, though historically important, is rarely encountered in contemporary philosophy of science. More common rejections stem from putatively neo-Kantian views of the nature of scientific knowledge, which deny that the world of our experience is mind-independent, even if (in some cases) these positions accept that the world in itself does not depend on the existence of minds.
Not to get bogged down. Maybe we say that semantically, realism is committed to a literal interpretation of scientific claims about the world. In common parlance, realists take theoretical statements at “face value”. This semantic commitment contrasts primarily with those of certain “instrumentalist” epistemologies of science.
The general recipe for realism just described, falls short of the degree of precision offered by most realists. Since ’structural realism‘ has come up, I’ll note that structural realism is the view that one should be a realist, not in connection with descriptions of the natures of things (like unobservable entities) found in our best theories, but rather with respect to their structure. This position adopts a strategy of selectivity. Also there is ‚entity realism‘, and there is ‚explanationism‘. I don’t need any of this jargon, I just say that adopting a realist attitude toward the content of scientific theories does not entail that one believes all such content. I’m being informal, of course. But I wonder if the rigid observance of rules of convention or etiquette really can succeed in making ‚philosophy of science‘ into ‚actual science‘, or not?“
(Source: https://www.facebook.com/groups/KantAndAnalyticphilosophy/permalink/1937400719748335/?comment_id=1937895229698884&reply_comment_id=1938913636263710¬if_id=1615763175176437¬if_t=group_comment&ref=notif)
Dear Mr. Dan Langlois,
thank you for your very detailed, insightful comment, which I read with great interest. But someone knows his way around.
One question in advance. I would like to publish your comment on my website because I think it is scientifically sound and I think it would be a shame if other people interested in this topic could not read it. For reasons of copyright and data protection law, I must of course ask your permission. For this reason I usually only publish my reply to the comments, but in this case it would be a shame. Speaking of which, you could also have left your comment directly on my page (I’ll leave out the juvenal wink smileys so we can talk like grown-ups).
Let’s get down to business. I don’t really have anything more to add to your profound knowledge on this topic, as this would only lead to redundancy, which is known to be boring. The description of the epistemological standpoint of Duhem and Poincaré is absolutely correct, as is the derivation of the consequences resulting from this with regard to the ontological-epistemological realism-idealism dispute.
Indeed, Kant tore open this epistemological rift very broad and influential, as he contrasts his empirical realism with the anti-realism he attests in the form of a „dogmatic idealism“ à la Berkeley (KrV B274). One can probably take this step together with Kant, since this Berkeleyian idealism has, as is well known, ended in solipsism, which was not really very fruitful for a further description of the world and the investigation of its entities.
I find the investigation of the old Cartesian paradigm of the dualism of „res extensa vs. res cogitans“ more interesting, as this has haunted our heads (sic!) to this day. From my point of view, this dualism is unfortunately aggravated by another resulting dichotomy, the juxtaposition of natural science and humanities. The truth claim to a real and correct description of the entities in this world is claimed by both camps and also mutually discredited.
Nowhere is this „old trench warfare“ clearer than in the philosophy of spirit and the neurosciences that have grown out of it. For this reason I had in my previous essay the „Philosophy of Spirit“ (https://philosophies.de/index.php/2021/01/10/die-philosophie-des-geistes/#The%20philosophy%20of% 20mind% 20-% 20the% 20UEPhA% 20Cup% 20of% 20Isms) once occupied with the description of the problem, in order then in the next step a solution in the form of the joint venture in the following essay „Die Neurophilosophie“ (https://philosophies.de/index.php/2021/02/15/die-neurophilosophie/#Neurophilosophy%20-%20or%20the%20brain's%20lack%20of%20discipline). With your permission, I can also post the essays again in this group.
For the establishment of a new discipline like neurophilosophy, however, I still owed a justification, which I would like to catch up on in the new essay „The Paradigm Shift“ because I am convinced that we urgently need a „new metaphysics“. For this I am currently also dealing with the philosophy of science and that brings us back to the beginning of our metatheoretical problem, the „Duhem-Quine thesis“ of epistemological holism:
„Taken together, it follows that the physicist can never subject an isolated hypothesis, but only a whole group of hypotheses to the control of the experiment. If the experiment contradicts its predictions, it teaches him that at least one of the hypotheses, which form this group is not permitted and must be modified (Duhem: „Goal and Structure“, p. 248)
„[…] our assertions about the outside world do not stand individually, but in a group before the tribunal of sensory experiences“ (Quine: „Two dogmas of empiricism“)
This approach can also be garnished with the „Gödelian Incompleteness Theorem“, which counteracts the logical empiricism of Carnap, which you also mentioned. In your comment, however, I still missed Rey’s position, because for me the more interesting connection to my „missing link“ lies in the paradigm shift. If I may quote again from the article by Matthias Neuber mentioned in my essay, which I have translated into English for easier readability:
„Rey himself advocates a kind of third way in this context: the physics-related ignorance of his adversary Duhem and the uncompromisingly progressive believing Scimus of the scientists who had a lasting impact on the context at that time (such as Berthelot) he contrasts the ignorance of what he calls “true” positivism. One has to know that Rey is implicitly referring to the “Ignorabimus dispute” that took place in Germany towards the end of the 19th century. As is well known, Emil Du Bois-Reymond triggered a fundamental scientific dispute that was received on a broad (also international) level with his speech “On the Limits of Nature Recognition”, given in 1872 at the Leipzig Assembly of German Naturalists and Doctors. Closely related to the question of the limits of scientific knowledge raised in the title of the speech was the question of the task and goal of science: Is it the task of science to merely describe observable phenomena or to explain them causally as well? It is precisely this question about which the controversy between Rey and Duhem revolves. While Duhem, in the sense of Du Bois-Reymond’s ignorance of science, or, more precisely, physics, disputes the claim to explanation, Rey wants to defend with his ignorance an explanatory model that is if not for certainty, at least for hypotheticality. In short, from Rey’s perspective, Duhem draws the “limits of the knowledge of nature” too early.“ (Matthias Neuber:“Does theoretical physics need religious belief? Neo-Scholasticism and positivism in the Third Republic” https://philpapers.org/archive / NEUBDT-2).
Because this trench warfare is smoldering in the respective camps themselves. In other words, even in the natural sciences, there is disagreement about the epistemology and ontology of empirical theorizing, leading to the positions you mentioned in the form of materialism, physicalism, instrumentalism, holism, scientific realism, constructive empiricism and epistemic/ontic Structural realism led; my goodness all these isms. At this point, I will spare ourselves a closer look at the individual isms, since they would not be of any further importance for the further progress of the solution to the problem.
I was much more interested in my further article „The paradigm shift“ from the literature of Thomas S. Kuhn: „The Structure of Scientific Revolutions“, Bas van Fraassen: „Scientific Realism“ / „Constructive Empirism now“ / „Scientic Image“, John Worrall: „Structural Realism: the Best of Both Worlds“ / „Normal Science and Dogmatism, Paradigms and Progress: Kuhn versus Popper and Lakatos“, James Ladyman / Don Ross / David Spurett / John Collier: „Every Thing Must Go: Metaphysics Naturalized „, Georg Northoff:“ Lessons from Astronomy an Biology for the Mind – Copernican Revolution in Neuroscience „, as this seemed more effective to me.
And yes, I am actually convinced that ontic structural realism can not only build a bridge within the different positions in the scientific camp, but also create a connection to the positions in the humanities camp. In order for this balancing act to succeed, however, in my opinion the aforementioned new metaphysics is required. I see opportunities for this paradigm shift and an associated metaphysics here under certain circumstances in the combination of a luhmann-style language-analytical systems theory with the post-structuralist discourse analysis à la Foucault or Serres, which unfortunately I cannot describe in detail here because I am still working on it myself. I’m not even sure whether this connection will work, but the French term „essay“ from humanities can also be easily combined with the Latin term „experiment“ from natural science.
Please forgive me if I was only able to sketch out some thoughts roughly. I would also like to ask the Kant expert whether it would be possible to achieve such a metaphysics without the dialectic of transcendental reinsurance. Because my project should only get its epistemological and ontological basis with the help of a planned, self-observing observer. How do you see this, would Kant have got involved in something like this or is it really not that far removed from his transcendental subjectivity? Maybe it’s just „young wine in old bottles“ after all.
Thank you for your interest and your help
philosophies.de
Dear Mr. M. E.,
thank you for your comment and your question.
But I can’t tell you what a „Philosophy of everything“ might look like. I don’t think it will ever exist any more than the „Theory of Everything“. These are very nice holistic thoughts. But unfortunately I fear that our world is simply too many-faceted and complex for us to be able to simplify it so much that it fits into a philosophy / theory.
I even consider the old paradigm of dualism to be outdated and in need of replacement. I have already written an essay on this subject, to which – assuming you are interested – I would like to refer you once (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/).
Best wishes
philosophies.de
Dear Mr. A. M. M.,
that’s right. Deleuze had started a similar project called „transcendental empiricism“. I just looked in there again and actually see similarities.
Only from my point of view, Deleuze did not end the path that had begun. He analyzes the relationship between identity and difference completely correctly, but from my point of view does not derive the underlying structural conditions that could be made visible with the help of structural realism.
I take a closer look at the lyrics, especially the „Difference and Repetition“ (1968).
Thank you for the tip and best regards
philosophies.de
Dear Mr. M. D.,
thank for your comment.
Correct. You can define that is the goal of science. But it is of no use if you only want to reduce „metaphysics“ to „behind physics“ or rather originally to „behind physis“ as an „ontological background“.
The „theoretical accounts of observed behavioral relationships“ do not simply fall „from the sky“, but must first be determined. I therefore still believe that the modern natural sciences in particular need a new metatheory more urgently than ever if the term „metaphysics“ is too heavily biased for you ;-).
Best wishes
philosophies.de
Dear Mr. B. B.,
thank you for your kind comment, which I can only agree with.
In my opinion, it is due to the cultural-historical connotation of the term, which is too strongly reminiscent of Christian theology or continental philosophy (e.g. German idealism). That is why I would actually prefer the term „metatheory“, as used, for example, in Luhmann’s „system theory“.
Whatever it is to be called, we need more urgently than ever a new theory for the modern sciences, which I will describe in another essay „The paradigm shift“ (https://philosophies.de/index.php/2021/ 03/31 / the-paradigm shift /) have already tried to describe it.
Thank you for your interest and best regards
philosophies.de
Dear Mr. S. Z.,
thank you very much for your very kind comment, which I read with great interest. You spoke to me from the „soul“ (even if this term is again too metaphysical ;-).
I know from my own experience, but also from the discussions here on FB, that a great many natural scientists, especially if they are strongly materialistic or purely physicalistic, always withdraw to the supposed objectivity of scientific realism, which strives for a strict demarcation from metaphysics.
I don’t think this is an objective, realistic approach to science. In my opinion, this attitude is based on a false conception of a scientific realism, which was developed through the method of inductive-empirical verification of the logical empiricists from the „Vienna Circle“.
Even Popper with his critical rationalism had already pointed out in his methodology of hypothetical-deductive falsification (see Peirce „abduction“) the resulting „induction problem“ and the associated problems with regard to attempts to differentiate from metaphysics, which no longer exist in this form were durable.
You wrote absolutely correctly: „The new metaphysics of nature distinguishes itself from the older essays in speculative metaphysics by being close to science: metaphysical claims are based on scientific theories. Consequently, the metaphysical claims about nature are as hypothetical as our scientific theories: there is no more certainty to be gained in metaphysics than here is in science. In other words, scientific knowledge claims are fallible and meta-physics, insofar as it draws on those claims, is as fallible as science.“
This is an important, trend-setting approach for a new, „naturalized metaphysics“ that can contribute to the solution of scientific problems. For example, Ladyman and Ross designed an ontic structural realism in their influential book from 2007: „Every Thing Must Go: Metaphysics Naturalized“, which is based on the „Principle of Naturalistic Closure (PNC)“ and the „Primacy of Physics Constraint (PPC)“, which can give completely new impulses for modern physics. In this form, metaphysics and physics are no longer opposites at all; on the contrary, they are mutually dependent.
In your example, you correctly point out the strong mathematization and prioritization of stochastics in relation to scientific questions. This can also be traced very nicely in the history of science using the paradigm shift on the micro level „from classical physics to quantum physics“ and on the macro level „from classical mechanics to the theory of relativity“. Many modern scientists, for example from physics, are not even aware that they are practicing pure metaphysics, for example when they put forward theories on „string theory“ or „black matter“ ;-).
The „mediator variable“ you mentioned, which strongly reminded me of the concept of the „Markov blanket“, would for me be another example of a new metaphysics in the natural sciences. With the help of a moderate, ontic structural realism, for example Esfeld / Lam: “Moderate structural realism about space-time. Synthesis, 160 (1), 27-46. (2008) and “Ontic structural realism as a metaphysics of objects.” In A. Bokulich & P. (2011) suggested such phenomena, or rather noumena, could be better investigated.
The structural realism that can be described here is possibly stronger in its expressiveness than the investigation of the individual ontological entities. In this respect, I also advocate a general paradigm shift for theory formation in the sciences. I have already tried to illustrate this in another essay „The Paradigm Shift“ (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/), which I would like to draw your attention to.
Thank you for your interest and best regards
philosophies.de
Dear Mr. L. T.,
thank you for your comment and your kind compliment.
However, I do believe that not only science, but much more fundamental things and facts are based on structures that are anything but simple, but unfortunately rather complex.
Thank you for your interest and best regards
philosophies.de
Dear Mr. N. K.,
thank you for your remarkable comment, which I read with great interest. If I may, I would like to comment on a few points from you.
They accurately describe the rise, fall and revival of the great subject area of metaphysics from its origins to modern times. I would just like to add one more important aspect, as I have always found a misunderstanding of the term „metaphysics“ in discussions, especially with participants from the Anglo-Saxon-American language area. This term is all too quickly equated with „transcendent“, „religious“ or even „mystical“, as that which lies behind the sensual experience of the natural world, which represents the ultimate reasons and connections of being.
In my essay I wanted to point out that this does not necessarily have to be the case, since the historical origin of the term “metaphysics” relates to a bibliographical name for a work by Aristotle, which consisted of 14 books of general philosophical content. The Peripatetic Andronikos of Rhodes (1st century BC) classified these books in the first Aristotle edition after his eight books on „physics“ (τὰ μετὰ τὰ φυσικά tà metà tà physiká, that after / next to physics ‘).
So the term has always belonged to physics from its origin, but has unfortunately been transferred to other areas. Therefore, I find your reference to Peirce Pragmatism with regard to the formation of categories for the concept of metaphysics absolutely justified. I would only like to exclude categories (1) and (2) here and focus more on category (3) of „physical metaphysics“, as for example Deleuze with his „transcendental empiricism“ or Ladyman / French with their „naturalized, a posteriori metaphysics“ have proposed. I would prefer to use the term as a „metatheory“ in the sense of a discourse about the methodological foundations of science.
For example the epistemological comparison of the Platonic deduction in contrast to the Aristotelian induction, for example, I do not consider to be useful for a modern philosophy of science. The methodology of inductive-empirical theory formation is still common practice – of, in my view, reductionist materialism / naturalism. I find the question of the „leading hypotheses“, which supposedly only have to decide between deduction and induction, more exciting. Is that so? What about, for example, the epistemological method of „abduction“ (apagogue), also introduced by Aristotle?
Which the Peirce you mentioned describes as follows: „The surprising fact C is observed; but if A were true, C would be a given; hence there is reason to suspect that A is true.“(Peirce: Collected Papers (CP 5.189) Abduction is the kind of argument that starts from a surprising experience, that is, from an experience that runs counter to an active or passive belief. This takes the form of a perceptual judgment or a proposition relating to such a judgment, and a new form of belief becomes necessary to generalize the experience. „Deduction proves that something must be; induction shows that something is actually effective is; abduction merely indicates that something can be.“ (Peirce: Collected Papers (CP 5.171)
For example, from my point of view, this would harbor entirely new possibilities for the development of a „New Metaphysics“, which I will focus on in my further essays „Theory of Science“ (https://philosophies.de/index.php/category/wissenschaftstheorie/) tried to describe it.
Thank you for your interest and best regards
philosophies.de
Dear Mr. I. H.,
thank you for your questions about my essay.
But that has already been checked and proven several times that the „operator“ (the observer / researcher) is also part of the „operation“ (observation of an experiment / research) as the „operand“ (observed / object of knowledge). This can be found in „2nd order cybernetics“ (von Foerster) or „systems theory“ (Luhmann).
My goal is rather a „new metaphysics“ for a „new science“, which I will describe in further essays on „philosophy of science“ (https://philosophies.de/index.php/category/wissenschaftstheorie/) tried to explain.
Thank you for your interest and
best regards
philosophies.de
Dear M. R.,
thank you for your comment, which I read with great interest.
Admittedly, I haven’t read everything on this big topic either. But I can appreciate your note „I’m scared of life, death, and anything unknown. Please don’t make me have to believe in the real world ..!“ only absolutely, because I personally believe in more than the „real world“, if there is any.
Also your argument „Natural Science justifies itself, every time, without fail but, any failings will eventually be detected and corrected.“ is absolutely correct and has also led to criticism of the existing scientific paradigm as a position of scientific anti-realism in the form of „pessimistic meta-induction“ (Laudan), which I can only agree with.
A naturalized metaphysics, however, also claims to be falsifiable and thus real. However, my approach pursued another function for metaphysics in the sense of a systems-theoretical meta-theory, which of course can also be falsified.
However, I agree with you if you would point out at this point that such considerations will probably become irrelevant in the „hour of death“. Because this metaphysics, which also belongs to the real world, is unlikely to be falsifiable. I will therefore not have any knowledge beforehand, but perhaps afterwards.
Thank you for your interest and
best regards
philosophies.de
Dear Mr. R. P.,
thank you very much for your comment and your perseverance in at least one third of my „little essay“.
Your „9th grade social studies teacher“ was absolutely right. That’s why I’ve actually tried to write popular science as understandably and simply as possible. But apparently I did not succeed in doing this.
I would therefore be interested in whether it was due to the incorrect translation by the Google Translator (I’m not a native speaker), which I’m actually still trying to proofread (hopefully this text is correct), or whether I can give you a little more information would have to make my text more understandable.
I can try to say it in one sentence, I just don’t know whether this sharp reduction will make this even more misleading. I would also like to take up your sentence:
„Naturalized metaphysics (e.g. Ladyman/French: “Every Thing Must Go: Metaphysics Naturalized”, 2007) has a reality, and it has no other rules than physics, since it is also based on the “Principle of Naturalistic Closure (PNC )” together with the “Primacy of Physics Constraint (PPC)”, so the ontic structure realism (OSR) is generally a very interesting approach to perhaps better solve currently unsolved problems in science.“
That may have become a very long sentence now, but I hope I was able to express myself precisely enough and was able to arouse your interest in reading more about this.
Thank you for your feedback and
best regards
philosophies.de
Dear Mr. R. P.,
okay, even if the example you gave cannot be transferred like this, I’ll try again for the last time, to express it as simply as possible. Perhaps with a mathematical formula, even if the example given cannot be transferred like this:
Science = (physics + metaphysics) / structure = 1
I hope this was short and simple enough 😉.
Thank you for your interest and
best regards
philosophies.de 🙋
Dear members of the S., P., F., and H. group on FB,
since I have now heard from you more often that my essay was apparently „too long“ or „too difficult“ to read, I thought to myself that I would leave the „Grand Master of the Philosophy of Science“, which I am already referring to here so many have been called to speak. Perhaps you believe Karl Popper, the co-founder of „Critical Rationalism“ and the „falsification methods“ named after him, more because he once made an explicit statement on the subject of „metaphysics“:
„Unlike before, I no longer think that there is a difference between science and metaphysics on this extremely important point. I now see a metaphysical theory in a similar way to a scientific one. It is undoubtedly more vague and in many respects weaker, and its irrefutability, its lack of verifiability, is its greatest flaw. But as long as a metaphysical theory can be rationally criticized, I would be willing to take seriously its implicit claim to be tentatively taken for granted. And I would be prepared to consider this claim above all and judge it accordingly – first examining how interesting it is from a theoretical point of view, and giving its practical usefulness (in contrast to its fertility as a research program) only a secondary interest. Practical usability or worthlessness may be important especially when it is something like a truth test – as is often the case with a scientific theory.
But is it possible to rationally judge or evaluate a theory that is irrefutable? What is the point of criticizing a theory rationally when we know from the outset that it cannot be refuted purely on grounds of reason, nor can it be tested on the basis of experience?
My answer to this is: if a metaphysical theory is a more or less stand-alone assertion, if it is nothing more than a premonition or an idea that comes with its „take or leave me,“ then a rational discussion may well be impossible. But the same would also apply to a „scientific“ theory.“ (Karl Popper: “The Quantum Theory and the Schism of Physics”. Chapter 27: Open Problems, p. 229 ff.)
And if he already says that, then maybe there should be something to it ;-). But the “evil” word “metaphysics” is apparently endowed with a cultural-historical “Pavlovian reflex”. In “metaphysics”, most people go for the “head cinema” with the films “Hegel on the flower meadow picking hermeneutic flowers” or “Moses on Mount Sinai and the proclamation of the 10 commandments”.
These connotations of the term can probably no longer be reinterpreted. That is why I would actually prefer the term “metatheory”, as it is used, for example, in “systems theory”. Because actually “metaphysics” is about more than just “behind the physics”, which is actually meant as a “behind the physics” (which, by the way, can be read in my essay ;-).
I believe that the modern natural sciences in particular need a new metatheory more urgently than ever. You just hide this unpleasant topic and other opinions. I would say the falsification is definitely not taking place here and for me this is further striking proof that Kuhn was right after all with his “normal science” and “scientific revolutions”. Unfortunately, one has to state that scientific realism has failed in this form, since it is only about claiming validity and possessing power and not about gaining knowledge or increasing knowledge.
But now I have to stop again, because otherwise I get too much into fiction (see above) and this on FB is back to tl: dr, sorry.
Thank you for your interest and
best regards
philosophies.de
Dear V. A.,
first of all I would like to thank you for your interest in my articles and your very insightful explanatory comments which reflect the content very well. Your question is also very well chosen, since it points very precisely to the basic problem of modern natural sciences in the history of science.
In my opinion, it is due to a scientific-theoretical „construction error“, the dualism in the methodology of the sciences. They reproduce the underlying, metaphysical assumption in scientific methodology completely correctly, in which a dualism between „epistemic vs. ontic knowledge gain“, or „reality vs. efficacy“ or „anti-realism vs. realism“ is postulated.
„Epistemic structural realism“, e.g. B. by John Worrall „Structural Realism: The Best of Both Worlds?“ (1989) or the „ontic structural realism“, z. B. James Ladyman „Structural Realism“ (2007) or Ladyman/Ross „Every Thing Must Go: Metaphysics Naturalized“ (2007) tries to overcome this dualism. Here, however, a difference is still formed between relata and relation, which in „moderate, non-eliminative structural realism“, e.g. B. Esfeld „The Modal Nature of Structures in Ontic Structural Realism“ (2009) is no longer seen as a difference, but as a mutually dependent, holistic correlation. If you are interested in this topic, I could recommend my further essay (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/).
In this respect, the supposed contradiction between epistemology and ontology does not really need to continue, since in this structural form there is no longer any dualism between „inside vs. outside“ or „subject vs. object“.
Unfortunately, I am not that deeply rooted in Buddhism, but the Buddhist teachings, e.g. B. a Nagarjuna also overcomes this dualism by bridging the supposed gap between „Shunyata“ and „Pratityasamutpada“. So there is still a lot to be done in Western philosophy and science.
Thank you for your attention and
best regards
philosophies.de
Dear Mr. V. A.,
thank you very much for your very detailed explanations regarding a „paradigm shift in modern physics“.
If I understood you correctly, the paradigm shift you mentioned was more about changing the notion of „matter and time“ in order to solve the „particle-wave“ problem and to define the „space-time continuum“ differently.
But this is still a physicalistic, naturalistic approach. But I am more concerned with the questions:
1) To what extent do we have an ontological possibility at all of making statements about reality in the sense of a genuine scientific realism, or whether it is not rather a question of a strong form of an anthropic principle?
2) To what extent do we have an epistemological possibility at all to differentiate ourselves as a subject of knowledge (operator) from the object of investigation (operand) in the experiment to be carried out (operation) in the sense of second-order cybernetics?
3) Insofar as there might be a methodological possibility at all to resolve the differences between the „a priori-analytical-noumenal“ methodology of philosophy and the „a posteriori-synthetic-phenomenal“ methodology of physics in a „New Metaphysics“?
Many thanks for your attention and
best regards
philosophies.de
Dear V. A.,
thank you for your reference to your article „Physics, Anomalies and Assumptions“ on the subject, which I read carefully.
From my point of view, the description of the problem is completely correct, but not the conclusions derived from it. Modern natural sciences assume a scientific realism based on pure sensualism and empiricism, which has a unique selling point as „constructive empiricism“ (van Fraassen) as a methodology. Bas van Fraassen, for example, expressed this in great detail in his book „The Empirical Stance“ (2004).
The „anomalies“ you mentioned, which you also correctly describe as „The above anomaly in physics indicates that there is at least one hidden assumption in physics at the fundamental level“, do not represent an „anomaly“ for me, but rather an „anomaly“. „Antinomy“ because it starts from the wrong premises in modern science.
In my opinion, the error lies in the construction of a dualism between „subject vs. object“, „inside vs. outside“, „reality vs. efficacy“. You also point out: „herefore, the resolution of anomalies, in general, leads one from subjectivity towards objectivity.“ I consider only this separation between supposed „subjectivity“ and „objectivity“ to be achieved to be exactly this construction error, since it tries to artificially abstract the research subject (operator) from the knowledge object (operand) with the help of a reductionism in the research process (operation).
Second-order cybernetics (Heinz von Foerster) tries to eliminate exactly this faulty construction. I tried exactly that in my article „The paradigm shift“ (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/), which I would like to draw your attention to if you are interested to represent.
Thank you for your attention and
best regards
philosophies.de
Dear V. A.,
I once sent your remarks on the problem of „Matter and Time“ to a German colleague, Christian Bührig, who is more familiar with the „matter“.
I have attached his answer once in translation. Maybe take a look at these. I would forward your possible answer to him as well, or perhaps you could get in touch with him directly.
Incidentally, like you, he also runs a science blog on this topic, which I would like to point out to you: https://cbuphilblog.wordpress.com/
Answer text from Christian Bührig:
„Hello Philo Sophies,
I’m glad you recognized a similarity. However, the choice of words and the effort of a far eastern philosophy does the paradigm shift no favors.
I am classically with Einstein, Schrödinger and Bernd Riemann, first to understand only the mathematics of non-Euclidean geometry as the true state space of our world. Whereby matter or substance is not needed any more, we speak nir of differences in this continuum.
Whereby exactly the effect comes into operation, which I hear out in Vinay Agarwala: An initially „more compact“ non-Euclidean space state takes the way of „relaxation“. I may speak analogously to Anaximenes (air) of the structural differences which a metaphysical substance could take if it had a different density (we could speak classically of a field intensity / gravitational field). The „denser“ geometrical states show up to be different from the less „dense“ states in that we recognize light propagation measurements differences when the light has to cross different „density zones“.
Therefore, the Michelson-Morley experiment is not different speeds of light because we are parallel to the surface of the Earth in the same „density zone“. The situation is different when we measure horizontally, for example when we also want to measure signals to satellites. Then one needs the effects, which we attribute to the fourth dimension time, because we continue to describe the space three-dimensional (a priori our cognition is also evolutionary trimmed to this three-dimensionality).
The time has its justification, because we cannot grasp the light propagation differences in the three-dimensionality otherwise. After all, the satellite has a known distance, but it makes a difference, ub I communicate with a radio station on the ground, which is 10 km away, than with a satellite, which flies 10 km above us. The difference is not the speed of the object, but the different „state of space“ in the non-Euclidean geometry on Earth and 10 km away from Earth.
Continuously, space „lose“ „density“ in the gravitational field. This affects the duration of the light signal, because the electromagnetic field is identical with the space and does not need any medium Einstein’s theory of relativity abolished with it the aether and awarded to the space with it physical properties to be able to be carrier of the electromagnetic waves. The ether was removed as substance in the space, as carrier now had the space to get physical properties.
The possibility of being able to have these physical properties was born only with Einstein’s insight that the space is to be understood non-Euclidean in the style of Bernhard Riemann. The manifolds of this geometry created the basis to bring a structure realism into the world, which is actually a single continuum.
greetings
Christian“
Many greetings
philosophies.de
Lieber B. J. S.,
vielen Dank für Ihren sehr interessanten Kommentar, den ich mit großer Aufmerksamkeit gelesen habe. Wenn es mir aber erlaubt sei, würde ich gerne au ein paar Punkte von Ihnen noch genauer eingehen wollen.
Ihr Hinweis:“Leider mangelt es der Wissenschaftstheorie an der Erkenntnis, dass physikalische Theorien keine Aussagen über die ontologische Beschaffenheit ihrer konstruierten, im Modell agierenden Objekte machen,“ ist aus meiner Sicht vollkommen korrekt beschrieben. Die moderne Physik besitzt tatsächlich leider keine metaphysische Basis im ontologischen Sinne für zum Beispiel so vermeintlich selbstverständliche Begriffe, wie z. B. „Raum“ oder „Zeit“.
Andererseits betreibt die „moderne Physik“ in Ihrer Methodik aber geradezu „Metaphysik“ im „epistemologischen Sinne“, in dem Sie ihrer alten induktiv-empirischen Methodik einfach mal über „Bord geworfen hat“ und stattdessen lieber „abduktive Forschung“ betreibt.
Ich denke, ich brauche Sie wahrscheinlich nicht auf die Problematiken der „Kopenhagener Deutung“ hinzuweisen, die mit Bohrs und Heisenbergs „Interpretationen zur Quantenmechanik“ ein Tor zur Hermeneutik und damit auch zur Metaphysik aufgestoßen haben, dass sie so schnell nicht wieder zu bekommt und das die „moderne Physik“ in eine Sackgasse geführt hat, aus der sie ohne fremde Hilfe (z. B. Philosophie in Form einer Wissenschaftstheorie) auch gar nicht mehr herauskommen. Mit diesem Thema hat sich ein Freund von mir ausführlicher beschäftigt, dessen Link ich hier vielleicht anführen darf, da er nicht mein eigener ist ;-): https://cbuphilblog.wordpress.com/2021/01/17/kommentar-zu-metaphysischen-fragen-in-der-physik/
Noch ein Hinweis zu diesem Thema, das Physiker nicht so gerne hören mögen. Sabine Hossenfelder vom Frankfurt Institute for Advanced Studies hat mit ihrem Buch „Das hässliche Universum“ sogar auf die ästhetischen Aspekte des „Schönheitswahn der Theoretischen Physik“ hingewiesen, die seit Jahrzehnten einen Durchbruch in der Grundlagenphysik verhindern und „mittlerweile in Konflikt mit wissenschaftlicher Objektivität“ geraten. Na, wenn das so schon soweit ist, dass „Schönheit“ ein Kriterium für wissenschaftliche Forschung ist, dann „Prost, Mahlzeit“. Dann kommen irgendwann solche metaphysischen Konstrukte, wie die „String-Theorie“ mit ihren 11 Dimensionen heraus?!?
Aber kommen wir lieber zu Ihrem Hinweis zum Strukturenrealismus (SR). Hier gibt es ebenso, wie in der Physik, die unterschiedlichsten Ausrichtungen und Strömungen. Daher bezieht sich Ihr Hinweis „Der Strukturen-Realismus muss scheitern, weil von Relationen ohne Relata zu sprechen keinen Sinn macht,“ auch nur auf eine Form des ontischen Strukturenrealismus (OSR), wie ihn zum Beispiel Ladyman/Ross in „Every Thing Must Go: Metaphysics Naturalized“ von 2009 beschrieben haben. Der Vollständigkeit halber seien aber hier noch der epistemische Strukurenrealismus (ESR) nach Worrall oder der moderate, nicht-eliminative SR (mSR) nach Esfeld/Lam zu nennen.
Bevor dies aber auch in einen ähnlichen „Strukurenzoo“ wie beim „Teilchenzoo“ ausartet, hier nur der Hinweis, dass der SR – welcher Spielart auch immer – nicht auf eine ontologisch, neue Metapyhsik unbedingt aus ist (bei Ladyman/French bin ich mir allerdings nicht so sicher ;-), sondern auch eher versucht neue Lösungsansätze zu bieten für so alte dualistische Pseudo-Probleme, wie „Teilchen-Welle“-Dualismus in der Physik oder „Geist-Materie“-Dualismus in der kogntiven Neurowissenschaft. Insofern bietet der SR eine elegante Lösung an, um aus diesen Dilemmata heraus zu kommen.
„Deshalb kann man ein Plädoyer für die Aufwertung der Metaphysik nur begrüßen. Es ist ja ein Plädoyer für die Aufwertung der Philosophie gegenüber den Naturwissenschaften, das dringend nötig ist. Wann endlich gründet sich irgendwo eine Arbeitsgemeinschaft, um der Physik klarzumachen, dass sie eine metaphysische Grundlegung braucht. Gerne halte ich den Einführungsvortrag.“ Gerne unterstütze ich daher Ihren Vorschlag vollen Herzens und bin sehr dankbar für weitere Unterstützer. Wir könnten zumindest schon einmal eine FB-Gruppe „Wissenschaftsphilosophie“ gründen, bei der Sie auch gerne den Einführungsvortrag halten dürften.
Ich bedanke mich für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit und
wünsche Ihnen frohe Ostern
Lieber P.S.,
ich lese die Beiträge hier mit großem Interesse, bin aber philosophisch und rhetorisch nicht besonders fit (bin Physiker). Ich habe den Eindruck, dass in den Beiträgen hier der Strukturenrealismus so eine Art Hilfsmittel oder Instrument ist, den Dualismus von Geist und Materie endlich loszuwerden (zu überwinden), und dem Materialismus und Reduktionismus auf eine sichere Grundlage zu stellen. Ich würde dazu gerne ein paar Bedenken äußern, und dies auch sehr konkret:
a) Mein Eindruck: Viele reden über Relationen, ohne zu sagen, was das denn sein soll. Zwar gibt es formale Definitionen, aber wie in der Physik hilft zutreffende Mathematik nicht unbedingt weiter. Was ist die Metaphysik der Relation? Da kommt man schnell zu der Frage: Konstituieren die Relata die Relation (zum Beispiel durch ihre Orte = „Gegenüberliegen“), oder konstituiert sich die Relation selbst (zum Beispiel durch ihr „Ausgerichtet sein“ zu den Relata). Das ist keine Frage, was zuerst da ist, sondern die Frage, wodurch e n t s t e h t eine
Relation, wie beschreibt man das Werden einer Relation– oder ist sie einfach nur da, wie alle physikalischen Gegenstände bei naiver Betrachtung.
b) Wenn man von Relation spricht, dann muss wohl die Existenz eines „Abstands“ oder eines „Unterschieds“ im allgemeinen Sinne vorausgesetzt werden, und dann stellt sich die Frage: muss dies ein raumzeitlicher Abstand sein (also nochmals ein raumzeitlicher Kontext vorausgesetzt werden, mit all den damit verbundenen Komplikationen), oder ein Abstand im allgemeinen Sinne ohne raumzeitlichen Kontext, und wenn im allgemeinen Sinne: wie konstituiert und portioniert sich dieser Abstand im allgemeinen Sinne außerhalb der Raumzeitlichkeit.
c) Wenn man Relationen mit „Abständen“ nur im raumzeitlichen Kontext betrachtet (die Komplikationen mal ignoriert), dann stellt sich das Problem, dass es neben räumlichen Abständen auch zeitliche Abstände gibt ,und dass auch Zeitpunkte in einer Relation stehen können, nämlich durch eine Verbindung zwischen dem Vorher und Nachher, und haben dann räumliche und zeitliche Relationen den gleichen Status des Seins oder verschiedene, und falls verschieden, was für eine Relation haben sie dann untereinander.
d) Die moderne Physik gründet sich auf dem paradigmatischen Konzept des „Feldes“ – doch welche Struktur hat nun ein Feld? Welche ontologische Struktur liegt der Strahlung zugrunde? Der Strukturenrealismus scheitert grandios überall dort, wo feldtheoretische Beschreibungen erfolgreich sind, und das ist in der gesamten klassischen Physik und der Quantenfeldtheorie der Fall – nur nicht in der nicht-relativistischen Quantentheorie, auf die dann gerne zur Rechtfertigung strukturenrealistischer Ansätze referiert wird.
Ich könnte hier noch weitermachen – aber mir scheint das fürs Erste genug, um zu zeigen, dass der Relationen-Begriff sehr kompliziert zu sein scheint, es sei denn, es gelänge, ihn auf etwas sehr Einfaches zu reduzieren, aber Sie wissen, dass die Reduktionsstrategie ja scheitert, weil man irgendwann an einen Punkt kommt, wo weitere Reduktionen keinen Erkenntnisgewinn mehr versprechen, was am Ende dann eine ziemlich subjektive Betrachtung ist. Letztlich ist doch der Strukturenrealismus auch nichts anderes als eine reduzierte Gegenstandontologie, mit der Relation als Gegenstand. Die Wissenschaften haben nun aber doch schon Jahrtausende zugebracht, die „richtige“ Gegenstandsontologie (per Reduktion) zu finden und sind dabei erfolglos geblieben, vor allem die Physik ist mit Glanz und Gloria gescheitert, selbst mit phantasievollen ontologischen Strukturen (zum Beispiel der Stringtheorie) kommt sie nicht zu Potte.
Was hilft es da, noch eine weitere reduzierte Ontologie in den Fokus zu nehmen, ich denke die Gefahr ist groß, dass dies so endet wie bisher mit allen Neuerungen, die irgendwie mit Strukturen zu tun haben – es sind nicht wirklich Neuerungen. Mein Pessimismus gründet auch auf der Erkenntnis, dass formale Systeme und damit auch formale Beschreibungen einer Ontologie nicht wahrheitsfähig sind (die Mathematik also nicht hilft), und dass keine Theorie, in der die Ontologie der Welt auf funktionale und nicht-funktionale Entitäten reduziert wird, nachweisbar konsistent ist (Gödel). Ich glaube, man muss hier einen ganz anderen Ansatz wählen wenn man weiterkommen will ( keine Angst – keinen transzendenten ! ), und kann diesen Ansatz auch gerne einmal vorstellen. Aber zunächst würde ich gerne Ihre sehr geschätzte Antwort zu Vorstehendem wissen, zu der Kernaussage: die Reduktion der Welt auf Strukturen unterscheidet sich nicht sehr von den bisherigen gescheiterten Reduktionsversuchen der Naturphilosophie und Naturwissenschaften. Dieses Konzept wird bald keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorholen.
Es grüßt Sie herzlich
B.J.S.
Lieber Dr. Bernd-Jürgen Stein,
vielen Dank für Ihr Interesse und Ihren bemerkenswerten Kommentar, auf den ich im Folgenden gerne ein wenig detaillierter eingehen möchte, wenn es gestattet ist.
Wir hatten ja bereits schon einmal Kontakt über FB, aber ich finde dort auch nicht den richtigen Ort für einen tiefergehenden Gedankenaustausch. Daher bin ich Ihnen für Ihren Kommentar sehr dankbar.
Ihren Eindruck, dass der „Strukturenrealismus so eine Art Hilfsmittel oder Instrument ist, den Dualismus von Geist und Materie endlich loszuwerden (zu überwinden), und dem Materialismus und Reduktionismus auf eine sichere Grundlage zu stellen“, kann ich absolut bestätigen. Allerdings mit dem kleinen Korrektiv, dass es bei meinem Projekt eher hauptsächlich um die Erkenntnistheorie und hier insbesondere um die Beschreibungsmöglichkeiten zur Konstitution des „phänomenalen Bewusstseins“, also in der „Ersten-Person-Perspektive“ geht. Mit den Beschreibungsmöglichkeiten für eine Neue Metaphysik der Physik habe ich mich ehrlich gesagt noch nicht eingehender beschäftigt. Ich denke, aber dass dies auch ein interessantes Projekt darstellen könnte. In dem Essay, auf den Sie referieren, wird der Strukturenrealismus gerne als Argument der „nicht-relativistischen Quantentheorie“ verwendet. Wenn ich hier auch noch einmal aus meinem Text zitieren darf:
„Die Vorzüge eines ontischen Strukturenrealismuses versucht er an dem Beispiel „Loch-Argumentes in der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie“ zu belegen. Die Unterdeterminierung der Theorie wird hier als „Mannifaltigkeitssubstanzialismus“ (vgl. in diesem Zusammenhang z. B. Lyre, 2007, S. 238 ; Carrier, 2009, S. 206) im Falle allgemein kovarianter Theorien als eine „starke Form des Indeterminismus“ (Carrier, 2009, s. 207) beschrieben. Soll heißen, der ontische Strukturenrealismus lässt diese Unschärfe in der Theorie nicht nur zu, sondern erzeugt sie geradezu als inhärente Struktur. Hierin liegt gerade die Stärke des ontischen Strukturenrealismus, dass er keines transzendentalen „externalistischen“ Bezugspunktes bedarf, sondern sich zur neuen Metaphysik generiert, oder in den Worten eines der gegenwärtigen Hauptvertreter:
„The new metaphysics of nature distinguishes itself from the older essays in speculative metaphysics by being close to science: metaphysical claims are based on scientific theories. Consequently, the metaphysical claims about nature are as hypothetical as our scientific theories: there is no more certainty to be gained in metaphysics than here is in science. In other words, scientific knowledge claims are fallible and meta-physics, insofar as it draws on those claims, is as fallible as science.“ (Esfeld „The Modal Nature of Structures in Ontic Structural Realism“ (2009), S. 341)
Aber nun lieber zu Ihren Einwänden.
Zu Einwand a): Zunächst einmal müsste ich hier vorwegschicken, dass es „den Strukturenrealismus“ gar nicht gibt. Es gibt ebenso – wie in der modernen Physik – ganz viele unterschiedliche Strömungen mit unterschiedlichen Ansätzen. Darauf hatte ich Ihnen ja bereits schon einmal geantwortet. Ich kann es aber an dieser Stelle noch einmal wiederholen:
„Aber kommen wir lieber zu Ihrem Hinweis zum Strukturenrealismus (SR). Hier gibt es ebenso, wie in der Physik, die unterschiedlichsten Ausrichtungen und Strömungen. Daher bezieht sich Ihr Hinweis „Der Strukturen-Realismus muss scheitern, weil von Relationen ohne Relata zu sprechen keinen Sinn macht,“ auch nur auf eine Form des ontischen Strukturenrealismus (OSR), wie ihn zum Beispiel Ladyman/Ross in „Every Thing Must Go: Metaphysics Naturalized“ von 2009 beschrieben haben. Der Vollständigkeit halber seien aber hier noch der epistemische Strukurenrealismus (ESR) nach Worrall oder der moderate, nicht-eliminative SR (mSR) nach Esfeld/Lam zu nennen.“
Aber konkret zu Ihren Fragen. Ich finde schon, dass die Mathematik in der Physik, aber auch in der Erkenntnistheorie weiterhilft. Nicht, weil ich der Mathematik einen ontologischen Status zuschreiben würde, sondern lediglich weil sie gut zur Beschreibung von Phänomen in Form von Theorien geeignet ist. Klar, die Theorien müssen dann an der Empirie standhalten, sonst sind es auch nur „Wolkenkuckucksheime“, wie die von Ihnen erwähnte Stringtheorie.
Die Metaphysik der Relationen würde ich als „selbst-referentielles Netzwerk von Beziehungen“ beschreiben wollen. Allerdings gehe ich nicht soweit – wie der eliminative, ontische Strukturenrealismus“, den Ladyman/French vorschlagen, mit dem Ziel die Relata zu eliminieren. Relationen ohne Relata machen aus meiner Sicht auch nicht viel Sinn, weil dann der Boden des wissenschaftlichen Realismus irgendwann einmal pfutsch ist.
Leider befürchte ich, dass an Ihrer Vermutung, dass die Relationen schon von anfang da sind und nicht erst entstehen müssen, etwas dran sein könnte. Und nein, ich möchte hiermit keinem Panpsychismus oder Panphysikalismus frönen, sondern ich halte die „Metaphysik der Relationen“ für eine basale Eigenschaft im Universum. Von mir aus nennen Sie es naiv, aber es ist doch vielleicht einmal eine neue Chance nach 2500 Jahren Naturphilosophie und Naturwissenschaft von der entitätsbasierten Metaphysik los zu kommen und mal was Neues zu probieren. Wenn es nicht klappt, haben wir es wenigstens mal versucht und nicht nach der Devise des Weiterso gehandelt, um das abgedroschene Einstein-Zitat zu bemühen: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Zu b): Da wären wir auch schon bei der neuen Denkweise. Ich würde Ihre Frage mit einer Gegenfrage beantworten wollen. Wozu bedarf es unbedingt eines dualistischen „Unterschiedes“? Wenn es doch um Relationen geht und ihre strukturale Beschreibung, dann kann ich sie doch auch als polykontexturales Netz der Beziehungen darstellen. Gotthard Günther hat dies mit seiner transklassischen, mehrwertigen Logik einmal aufgezeigt, dass es durchaus auch ein „tertium, quadrum datur“ geben kann. Wir versuchen dies nur zu vermeiden, um mit Hilfe des Reduktionismus die Komplexität zu vereinfachen und handhabbarer zu machen. Wohl gemerkt, dies soll ja nicht als ein neues Paradigma für alle Bereiche der Physik Anwendung finden. Man kommt ja schließlich bei der Bewegung von Objekten auf der schiefen Bahn ja auch noch weiterhin mit der Newtonschen Mechanik aus und braucht hierfür keine Quantentheorie oder geschqweige denn Strukturenrealismus. Aber für Phänomene wie den vermeintlichen „Welle-Teilchen-“ oder „Geist-Körper“-Dualismus wäre es vielleicht einen Versuch wert.
Zu c): Die „Abstände“ im „im raumzeitlichen Kontext“ hinsichtlich der Zeitachse sind tatsächlich ein Problem im momentanen Strukturenrealismus, da die zeitliche Komponente sehr häufig ausgeblendet wird. Ein positives Beispiel, wo dies nicht der Fall ist, wäre die „temporo-spatial theory of consciousness“ von Georg Northoff, wo de prozessualen Charakter bei der Konstitution von Bewusstsein einer besondere Bedeutung zu gemessen wird. In der Physik ist mir nur die Prozessphilosophie von Alfred N. Whitehead bekannt, die ja leider immer noch einer entsprechenden Würdigung in der Metaphysik der modernen Physik harrt. Ich denke, dass hier auch noch einiges zu erwarten wäre, wenn man dieses Thema einmal systematisch aufgreifen würde. Mit Whitehead und seiner Metaphysik wollte ich mich auch noch eingehender beschäftigen.
Zu d): Ihren Hinweis auf das „paradigmatische[n] Konzept des „Feldes““ und seine Beziehung zum Struktrenrealismus habe ich lustigerweise auch schon häufiger mit meinem Blogger-Freund Christian Bührig von „Akademie Olympia“ (https://cbuphilblog.wordpress.com/) diskutiert. Sie finden auf seiner sehr lesenswerten Seite auch sehr viele Hinweise zur Feldtheorie. Wir sind mittlerweile überein gekommen, dass man ein Feld auch mit einer Struktur vergleichen kann. Der Unterschied liegt allein der Beschreibungsebene. Daher weiß ich gar nicht woher der Konkurrenzgedanken zwischen der „Feldtheorie“ und dem „Strukturenrealismus“ eigentlich stammt, weil es doch enfach nur zwei Sichtweisen auf das gleiche Problem mit ähnlichen Lösungsvorschlägen sind. Ich würde daher wieder einmal die ontologische Struktur von Strahlung auch nicht in den Entitäten suchen, sondern eher den Fokus auf den zugrundeliegenden, strukturalen Prozess verschieben wollen.
Daher hoffe ich, dass aus dem zuvor geschriebenen meine Ablehnung Ihres Standpunktes, dass die „Strukturenrealismus auch nichts anderes als eine reduzierte Gegenstandontologie, mit der Relation als Gegenstand,“ deutlich gewordenen ist, da es mir nicht um einen Austausch der „Gegenstandontologie“ besonders nicht im reduktiven Sinne geht, sondern um einen holistischen Ansatz im Sinne der Duhem-Quine-These, mit dem Unterschied die Perspektive von den „Gegenständen“ hin zum strukturalen Prozess zu verlegen.
Andersherum unterstütze ich Ihren Hinweis, dass „formale Beschreibungen einer Ontologie nicht wahrheitsfähig sind (die Mathematik also nicht hilft), und dass keine Theorie, in der die Ontologie der Welt auf funktionale und nicht-funktionale Entitäten reduziert wird, nachweisbar konsistent ist (Gödel),“ selbstverständlich da ohne einen Abgleich an der empirischen Realität das Ganze doch ins „Transzendentale“ rutschen könnte. Northoff hat dieses Verfahren als „concept-fact iterativity“ bezeichnet und im Bereich der kognitiven Neurowissenschaften erfolgreich anwenden können. Also insofern, wird das „Konzept“ vielleicht keine „Hunde hinter dem Ofen“, aber vielleicht Wissenschaftler aus Ihren Laboren hervorlocken können, hoffe ich ;-).
Jetzt bin ich aber „gespannt wie Flitzebogen“ auf Ihr „Konzept“ zur Lösung der Probleme. Also lassen Sie doch bitte gerne etwas von sich lesen oder hören.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und
herzliche Grüße zurück
Dirk Boucsein
Lieber Dirk Boucsein,
vielen herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort zu meinem Beitrag zum Strukturenrealismus, und für die große Mühe, die Sie sich geben, auf meine etwas schnell dahingeschriebenen Einwände so ausführlich zu antworten. Das verlangt, dass ich mir nun mal etwas mehr Mühe bei einer Erwiderung gebe.
Es ist ja keineswegs so, dass ich ein „Gegner“ des Strukturenrealismus bin, kein Gegner gegen keine seiner Spielarten. Ich halte ihn aber für ungeeignet, Probleme wie die des Leib-Seele-Problems anzugehen. Natürlich kann man die damit verbundenen philosophischen Implikationen und Problematiken von allen Seiten beleuchten, und wie alles im Leben – und in der Philosophie erst recht – zeigt jede beleuchtete Seite dem Betrachter etwas „Richtiges“. Es fehlt aber das, was den Bruch zum Bestehenden darstellt, die andere Perspektive, ein neues Verständnis (der Realität). Das möchte ich hier einmal begründen, mit dem Hintergedanken, dass, wenn man das Bestehende kritisch sehen kann, man für Neues offener ist.
Ich habe ja in meinem Beitrag nur ein paar von mir unverstandene Aspekte des Begriffs „Relation“ beschrieben, um zu zeigen, dass der Begriff selbst schon viele unbeantwortete Fragen aufwirft, und er sich durch mangelnde Bestimmtheit auszeichnet.
Aber zunächst gebietet es der Respekt, auf Ihre Argumente konkret einzugehen:
a) Mathematik: Sie schreiben: „Ich finde schon, dass die Mathematik in der Physik, aber auch in der Erkenntnistheorie weiterhilft (auch) … weil sie gut zur Beschreibung von Phänomen in Form von Theorien geeignet ist.“ Natürlich hilft die Mathematik weiter, sie eine starke Lupe auf das was gegeben ist und was geschieht (oder geschehen könnte?), das Problem ist, dass die mathematische Sprache verstanden (übersetzt) werden muss. Was sagt uns die Mathematik über die Welt? Das ist eine Frage, die die Physik beantworten muss, aber nicht kann, und wo die Philosophie gefragt ist (s. unten).
b) Netzwerk: Und ich stimme mit Ihnen überein, dass die Welt auf dem Grunde allen Seins aus einem „selbst-referentielles Netzwerk von Beziehungen“ bestehen könnte (was immer Sie mit selbst-referentiell meinen). Das kann man durchaus plausibel und stringent behaupten. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, inwieweit das Netzwerk selbst Eigenschaften hat, die sich aus den extensiven Eigenschaften der Bestandteile, ihrer Relationen, summarisch ergeben – oder nicht ergeben. Oder anders gesagt: können die Eigenschaften des Netzwerkes auf die Summe der Eigenschaften ihrer Teile reduziert werden? Falls nicht, hat das zur Folge, dass eine seltsame unverstandene Erscheinung namens Emergenz auftritt, falls ja, stellen die Relationen doch wieder nur Einzelteile dar, nur gesondert genannt Relationen, die dann das übliche physikalische System bilden. Eine andere Seinsart als die des üblichen physikalischen Systems wäre das Beziehungsnetzwerk im letztgenannten Fall jedenfalls nicht, ein wirklicher Holismus generiert weder Emergenz, noch ist er reduzierbar auf Einzelteile. Der Naturalist muss ja erklären, warum der Haufen Atome in meinem Gehirn sich in „Geistform“ über sich selbst erheben kann, sich selbst erkennt, und in der Lage ist, zu sich selbst zu den Satz zu sprechen: „Ah, da bist Du ja, Du Haufen Atome – oh, und noch mehr Haufen gleich mir in anderen Subjekten.“ Diese Fähigkeit eines Haufens von Atomen stellt jede Naturgesetzlichkeit und Kausalität in Frage, die aber benötigt werden, um die beobachtete Emergenz (ich hasse diesen Begriff) aus einem hochkomplexen Beziehungsgefüge zu erklären. Wie sonst, wenn nicht mit Naturgesetzlichkeiten, will ich denn zu einer Erklärung der unglaublichen Fähigkeiten dieses Atomhaufens kommen, mit der Gewissheit, dass die zu erklärenden Fähigkeiten des Atomhaufens selbst offensichtlich die Naturgesetzlichkeiten in Frage stellen. Ich denke eben, dass der Strukturenrealismus aus diesem Dilemma nicht herausführt, da müssen ganz andere Kaliber her.
c) Sie schreiben: „ich halte die „Metaphysik der Relationen“ für eine basale Eigenschaft im Universum. Ja da gehört sie hin, aber wie artikuliert sie sich konkret? Physikalisch und metaphysisch? Sie bleibt ja unverstanden, wenn man dies nicht konkretisiert. Dafür fehlen aber die Begriffe, bzw. die vorhandenen Begriffe sind zu unscharf (auch hierzu s. unten).
Im Übrigen hier nur ein kleiner Hinweis zur Prozessontologe: nicht nur Whitehead hat darüber geschrieben, sondern auch Wolfgang Sohst „Prozessontologie: Ein systematischer Entwurf der Entstehung von Existenz“, MoMo Berlin KonTexte – Philosophische Schriftenreihe, 2009 Naturgesetze – ein sehr lesenswertes Buch mit großem Tiefgang, liefert viele Anregungen (ich weiß nicht, ob noch lieferbar).
Man kann es also drehen und wenden wie man will, für jedes Argument, das für den Strukturenrealismus (in jeder Spielart) vorgebracht wird, gibt es ein Gegenargument – es entsteht so eine Debatte für und wider, wie für jede philosophische Position, am Ende ein Unentschieden. Wer wird darauf bauen ? Man kann darauf alles oder nichts bauen, sowohl eine wissenschaftliche Position zur Überwindung des Leib-Seele-Problems, und anderer Dualismen, als auch für deren Beibehaltung. Man darf doch den (vielleicht eigenwilligen) Anspruch nicht aufgeben, dass Behauptungen über die Ontologie dieser Welt analytisch klar und argumentativ stringent sein müssen, und sich nicht im Ungefähren und „sowohl als auch“ verlieren dürfen, und der Strukturenrealismus hat zuviel von diesem Ungefähren.
Das Dilemma, dass dem Strukturenrealismus die Klarheit fehlt (zuviel Ungefähr hat), hat tiefere Gründe:
Erstens ist man immer versucht (man hat eigentlich keine andere Wahl) als die Ontologie auf dem Grunde allen Seins mit physikalischen Begriffen zu beschreiben. Auch mit Struktur ist letztendlich etwas Physikalisches gemeint. Esfeld zum Beispiel fasst eine Relation als maximal reduzierte physikalische Entität auf (masspoints and distance). Die Physik stellt aber keine Begriffe für eine solche Ontologie zur Verfügung, sie hat ja selbst keine Ontologie. Sie hat keinen klaren Eigenschaftsbegriff (vor der Messung haben Quantenobjekte keine Eigenschaften, nach einer Messung können bestehende verloren gehen), sie hat keinen klaren Wirkungsbegriff (Wirkungsintegral ist metaphysisch unverstanden), sie hat überhaupt keinen klaren Kraftbegriff (Kräfte entstehen aus dem Nichts), sie weiß nicht wie eine Bestimmtheit von Etwas entsteht (Meßprozeß und Wahrscheinlichkeiten), und anderes mehr, und vor allem verfolgt die Physik die Methode der Reduktion: ihre Modellobjekte werden reduziert und idealisiert, sie werden jeder Eigenschaft entkleidet, bis sie nur noch die notwendigen Eigenschaften haben, mit denen sie die ihnen zugedachte Rolle in einem Funktionalismus gerade noch erfüllen können. Ich denke nicht, dass mit dieser Methode eine Ontologie erkannt werden kann. Ein Beispiel: man kann erkennen, dass sich die Objekte im Planetensystem, die um die Sonne kreisen, wie Massenpunkte verhalten, man kann erkennen, dass sich Elektronen um einen Atomkern herum wie ein „punktförmige Objekte ohne Ort“ verhalten – nun zu meinen, dass Massenpunkte und Elektronen die in der Realität vorhandene Ontologie darstellen, ist doch abstrus. Unsere Erde ist kein Massenpunkt, warum soll die Realität bei Elektronen anders sein (ach falsch, es sind ja Wellen!). Man kann also mit den Methoden der Physik zwar Aspekte der Ontologie herausfinden, aber nicht die Ontologie selbst. Man kann die Kraftwirkungen, die ontologische Entitäten aufeinander ausüben, erkennen (sogar sehr sehr gut), aber nicht die Entitäten selbst. Der ontische Strukturenrealist behauptet aber, die Welt bestünde aus definierten Entitäten, genannt Strukturen, aber alle seine Begründungen fußen auf den ontisch-unscharfen und rein operational begründeten Begriffen der Physik, und ihren – ebenfalls für operationale Zwecke – weitestgehend idealisierten und reduzierten fundamentalen Entitäten. Ein Ideengebäude, das auf dem Begriffs- und Methodenapparat der Physik aufbaut, ist auf Treibsand errichtet. Lassen wir als Philosophen besser die Finger von der Physik (solange wir mit unseren Behauptungen nicht in Widerspruch zu ihr geraten).
Aber auf was kann man noch bauen, wenn man sich der Ontologie dieser Welt nähern will – wenn hierzu schon die (ansonsten operational sehr erfolgreichen) Begriffe versagen? Ich meine, man kann die Mathematik in den Fokus nehmen. Sie sollte uns etwas über die Wirklichkeit sagen – aber was? Auch hier darf man sich nicht auf die Physik verlassen, sie hat größte Probleme, die allgemeinen Gleichungen ihrer Theorien (den formalen Kern ihrer Theorien) zu verstehen: denn was ist E und B in den Maxwell-Gleichungen (metaphysisch unverstandene Felder), was ist Y in der Schrödingergleichung (eine sogenannte Wellenfunktion). Wenn schon die Physik trotz hervorragend funktionierender instrumenteller Anwendung ihrer Mathematik nicht dahinterkommt, was ihre Mathematik über die Ontologie dieser Welt aussagt, wie soll ein armseliger Philosoph wie ich dann das Licht der Erkenntnis erblicken.
Die Antwort lautet: sich endlich frei machen von fremden (physikalischen) Theorien und eigenständig denken. Ich frage Sie: blickt nicht die Philosophie auf die Physik wie das Karnickel auf die Schlange. Die Physik sagt etwas und die Philosophie sagt: oh wie schön. Als grundlegende Wissenschaft kann sich die Philosophie nur behaupten, wenn sie sich nicht weiter auf fremde Theorien stützt, sondern eigenständig Begriffe, Ideen und Konzepte ins Spiel bringt – und keine reduzierten physikalische Modelle zum ontologischen Grund der Welt erklärt, die genauso gut auch aus der Modellküche der Physik stammen könnten. Wir sind doch nicht bessere Physiker.
Ich bin jetzt am Ende etwas überheblich und apodiktisch geworden, das ist überhaupt nicht meine Art, aber im Überschwang der Ideen kommt man mal in so einen Diktus. In Wirklichkeit sind das alles nur Vorschläge zur Diskussion und ich hoffe auf heftigen Widerspruch. Ich verspreche Ihnen auch, dass ich einen philosophischen Weg zur Überwindung der beschriebenen Probleme aufzeigen werde, aber der erste Schritt dazu ist eben, die derzeit beschrittenen Wege als Sackgasse zu qualifizieren, um dann den eigenen Weg als Alternative besser emporzuheben. Es wird nur ein paar Tage dauern, da ich beruflich derzeit sehr angespannt. Aber Versprechen werden gehalten.
Es grüßt Sie herzlich
B.J.Stein
Lieber Dr. Stein,
herzlichen Dank und großen Respekt für Ihre sehr ausführliche und profunde Antwort, die ich aus meiner Sicht daher auch entsprechend würdigen möchte. Ich möchte dies aber aufgrund der Tiefe und Breite Ihrer bemerkenswerten Ausführungen lieber als Zusammenfassung gestalten und vielleicht auf eine andere Form der Korrespondenz verweisen, aber dazu mehr am Ende.
Wenn ich also das Ganze noch einmal kurz (ich hoffe, ich schaffe das diesmal,-) auch unter der wissenschaftsgeschichtlichen Perspektive zusammenfassen darf. Seit ungefähr 2500 Jahren, mit Leukipp und Demokrit als Begründer des Atomismus, dominiert im abendländischem Denken, die Vorstellung, dass alles in der Natur auf kleinere, materielle Bausteine rückführbar und reduzierbar ist. Dieses Paradigma aus dem sich die späteren philosophischen Konzepte des Materialismus und Physikalismus ableiten lassen, ist bis heute auch sehr erfolgreich und fruchtbar und soll für Teilbereiche der Naturwissenschaften gar nicht in Frage gestellt werden. Für einen vermeintlichen „objektiven Realismus“, auf den sich die Naturwissenschaften gerne beziehen, also eine prima Ausgangslage. Wäre da nicht die blöde Sache das Denken selber und hier insbesondere das phänomenale Bewusstsein des „Forschersubjekts“ in den Griff zu bekommen und auf den Materialismus und Physikalismus wieder zurückzuführen und zu reduzieren. Es mag bis heute irgendwie nicht gelingen das vermeintliche Problem des „Leib-Seele“-/“Geist-Körper“-Dualismus zu lösen und ich befürchte es wird auch weitere 2500 Jahre später immer noch nicht gelingen. Den Grund hierfür sehe ich einfach in dem Konstruktionsfehler, da es sich meines Erachtens eher um ein „Pseudo-Problem“ handelt. Alle bis heute üblichen „Lösungsansätze“ versuchen das Problem entweder dualistisch oder monistisch zu erfassen. Daher gehört auch das von Ihnen erwähnte Phänomen der „Emergenz“ in diese Reihe der Lösungsversuche, da hier der „Geist“ als Epiphänomen aus der „Box der Materie“ springen soll. Allen Ansätzen gemein ist aber der Versuch zunächst einmal das „schwierige Problem des Bewusstseins“ mit Hilfe einer entitätsbasierten Metaphysik in den Griff zu bekommen, also den Geist vom Körper zu trennen, um ihn dann in einer umfassenderen Theorie wieder in Verbindung zu setzen. Das war der Grund dafür das Ganze vielleicht einmal andersherum zu denken und eher von einer struktural-prozessualen Metaphysik auszugehen, um das Ganze erst gar nicht zu trennen um es dann wieder zusammenzufügen. Dass das Ganze nicht „nur“ Metaphysik ist, sondern sich auch empirisch nachweisen lässt, ist mittlerweile durch zahlreiche Studien der kognitiven Neurowissenschaften belegbar.
In wiefern der Strukturenrealismus für die Physik eine neuen Lösungsansatz darstellen könnte, kann ich nicht beurteilen. Aber Herr Prof. Dr. Holger Lyre, einer der bekanntesten deutschen Vertreter des Strukturenrealismus, den wir bereits zu diesem Thema interviewen durften, hat den Strukurenrealismus zum Beispiel für die Erstellung neuer „Eichtheorien“ oder für die Lösung des Problems der „Quanten-Identität und Ununterscheidbarkeit“ als Mitautor in dem Buch „Philosophie der Quantenphysik“ (2014, ISBN: 978-3-642-37789-1) erfolgreich anwenden können. Ob dies nun der Anfang eines neuen Paradigmas für die Physik ist oder wie Sie eher vermuten bereits das Ende einer „Modewelle“ sei, kann ich ebenfalls noch nicht prognostizieren. Ich werde aber vielleicht die Gelegenheit haben zwei Fachleute aus dem Bereich der Teilchenphysik, Herrn Prof. Dr. Thomas Naumann, den Leiter am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Zeuthen und den ehemaligen Mitarbeiter Dr. Ilja Bohnet vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Berlin zu diesem Thema befragen zu können. Beide haben zusammen ein sehr lesenswertes, populärwissenschaftliches Buch „Das rätselhafte Universum: Die fundamentalen Fragen der modernen Wissenschaft“ (2022, ISBN: 3440173461) geschrieben, worin sie sich auch mit den „Bausteinen der Welt“ beschäftigen.
Vielen Dank auch für Ihren Lesetipp zu Wolfgang Sohst „Prozessontologie“, den ich mir auch mal genauer anschauen werde.
Aber bevor ich jetzt auch wieder zu sehr vom „Hölzken auf’s Stöcksken“ komme, wollte ich Ihnen noch vorschlagen, dass wir unsere Unterhaltung vielleicht auch einmal gerne in unserer „Zoomposium-Tafelrunde“ fortsetzen könnten, da dies einfacher und weniger zeitaufwändig ist als Texte verfassen ist. Wir (3 weitere, wissenschaftlich und philosophisch, interessierte Menschen) treffen uns ca. alle 14 Tage zu einem gemeinsamen Gedankenaustausch in einer lockeren, ungezwungenen Runde via Zoom und laden hierzu auch gerne Gäste ein. Ich würde gerne einmal einen „Physiker-Abend“ machen und Sie hierzu sehr gerne einladen, natürlich nur wenn Sie Zeit und Lust haben.
Falls Sie Interesse haben, schreiben Sie mir doch einfach eine Email an @Philo Sophies.de">info@Philo Sophies.de. Die Details können wir dann noch abklären.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und
herzliche Grüße zurück
Dirk Boucsein
Lieber A. A. F.,
vielen Dank für die Konkretisierung Ihrer Frage, die ich versuchen möchte zu beantworten. Das ist in der gebotenen Kürze allerdings nicht ganz so einfach, aber wenn ich ein paar Punkte hierzu anmerken darf.
Vorab, ja ich denke tatsächlich, dass die modernen Natur- und Geisteswissenschaften (NW/GW) tatsächlich eine Neue Metaphysik dringender denn je benötigen. Die Begründung hierfür sehe ich in den „Sackgassen“ gegeben, aus denen sich die NW/GW nicht ohne eine neue umfassende Wissenschaftstheorie heraus bewegen werden können. Lassen Sie mich hierfür ein paar Beispiele zu den Sackgassen nennen. In der Quantenphysik ist der vermeintliche „Teilchen-Welle“-Dualismus bis heute nicht abschließend gelöst. Besonders der „Problemkreis der Individualität in der Quantentheorie“ harrt weiterhin auf eine plausible Lösung. In der Philosophie des Geistes und den kognitiven Neurowissenschaften sieht es auch nicht besser aus. Seit Descartes propagiertem „Leib-Seele“-Dualismus, moderner dem vermeintlichen „Geist-Materie“- oder noch aktueller dem verkappten „Gehirn-Umwelt“-Dualismus tritt der Erkenntisgewinn auf der Stelle.
Okay, der Strukturenrealismus (SR) ist hierbei nicht der „Weisheit letzter Schluss“, aber zumindest schon einmal eine vielversprechende Alternative, um mal endlich voran zu kommen. Klar, können Sie jetzt entgegnen, was bringt uns denn jetzt der SR irgendwie weiter. Um Ihnen hierzu auch ein paar Beispiele zu nennen, müsste ich allerdings auf bereits vorhandene Essays verweisen, da ich dies in der gebotenen Kürze hier nicht darstellen kann. Also, wenn es Sie interessiert, schauen Sie sich doch mal „Der Paradigmenwechsel – oder die Sanierung des dualistischen Wissenschaftsgebäudes“ (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/) oder „Das System braucht neue Strukturen – nicht nur für/gegen die Künstliche Intelligenz (KI)“
(https://philosophies.de/index.php/2021/08/14/das-system-braucht-neue-strukturen/) oder ein Interview mit Prof. Holger Lyre „„Bewusste Strukturen oder Strukturen für das Bewusstsein?“
(https://philosophies.de/index.php/2022/05/03/strukturen-fuer-das-bewusstsein/) an.
Falls Sie hierzu noch konkrete Fragen haben, werde ich Sie Ihnen gerne beantworten.
Vielen Dank für Ihr Interesse und
viele Grüße
Lieber A. A. F.,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Zu Ihrer Einschätzung: „Meine Wahrnehmung ist eher die, dass das Projekt einer Ontologie insgesamt innerhalb der Philosophie aufgegeben wurde und nur noch in Form von heil- und belanglosen Spekulationen betrieben wird.“
Dies kann ich absolut mit Ihnen teilen. Leider ist die Sache aber noch viel schlimmer. Da nicht nur in der Philosophie das „Projekt einer Ontologie“ aufgegeben wurde, sondern ebenfalls in den Naturwissenschften.
Der von Ihnen angeführte wissenschaftliche Realismus hat sich tatsächlich in seiner „Schutzburg“ Materialismus/Physikalismus eingeschlossen, die Zugbrücken hochgezogen und nicht-erklärbare Dinge, wie z. B. „Bewusstsein in der Ersten-Person-Perspektive“ einfach als irrelevant erklärt.
Okay, auch eine abgewandelte Methode die Metaphysik los zu werden frei nach dem Kinderspiel „Ich sehe nichts, was Du doch siehst!“ Daher ist Ihr Einwand aus meiner Sicht absolut berechtigt hier im Gegenteil von einem „metaphysischen Materialismus“ zu sprechen. Die Auswirkungen, die dieser Ansatz im sozio-kulturellen Raum bewirkt hat, lasse ich an dieser Stelle einfach mal im Raum stehen.
Zu Ihrer Bemerkung „Für den SR wäre der Begriff Physikalismus wahrscheinlich der passendste, um deutlich zu machen, dass auch er aufbaut auf einer materialistischen Interpretation der Natur.“
Das muss man an dieser Stelle leider ein wenig differenzierter sehen. Für den Strukturenrealismus (SR) gibt es ebenso, wie in der Philosophie, die unterschiedlichsten Ausrichtungen und Strömungen. Es gibt z. B. eine Form des ontischen Strukturenrealismus (OSR), wie ihn zum Beispiel Ladyman/Ross in „Every Thing Must Go: Metaphysics Naturalized“ von 2009 beschrieben haben, der tatsächlich noch einen Physikalismus verfolgt. Der Vollständigkeit halber seien aber hier noch der epistemische Strukurenrealismus (ESR) nach Worrall oder der moderate, nicht-eliminative SR (mSR) nach Esfeld/Lam zu nennen. Es geht im ESR oder mSR mehr um ein „Joint Venture“ zwischen Philosophie und Naturwissenschaften. John Worral nennt dieses z. B. „The Best of Both Worlds?“ in seinem gleichnamigen, grundlegenden Buch „Structural Realism: The Best of Both Worlds?“ (1989). Daher finde ich diesen Ansatz ja so spannend, da er beide angeblichen Antipoden GW und NW wieder mit einander verbindet.
Zu Ihrem Einwand: „Und das ist es, dessen Wahrheit ich bestreite. Ich halte den Materialismus und alle seine derivaten Theoreme für falsch.“ -> Mach ich mit!
Zu Ihrer Rückfrage: „Es wäre interessant zu erfahren, wie Sie innerhalb eines SR mit den Themen „Leben“ und „Individuum umgehen.“
Das ist eine sehr gute Frage. Der SR ist eher eine Wissenschaftstheorie, die sich nicht so sehr mit konkreten Fragen z. B. zur Soziologie, Ethik, Politik beschäftigt. Aber, wie Sie schon bemerkten, was hat man von einer Theorie, die in der Praxis nichts nützt. Um hier nur einiges exemplarisch nennen zu können.
Es gibt zum Beispiel sehr vielversprechende Ansätze zu einem neuen Menschenbild besonders in der Psychologie und ihren Therapieansätzen, die strukturenrealistische Konzepte in Form einer Neuropsychatrie berücksichtigen.
Georg Northoff von der The Royal’s Institute of Mental Health Research University of Ottawa hat auf seiner Seite http://www.georgnorthoff.com/neuropsychiatry, in einem Artikel „NEUROPHILOSOPHIE ALS THERAPIE?“ (https://www.hss.de/download/publications/AMZ_87_Homo_Neurobiologicus_04.pdf)oder in seinem Buch „Neuropsychodynamische Psychiatrie“ (2016). Der neuropsychatrische Ansatz wirft eine ganz neue Sicht auf psychische Erkrankungen, wie z. B. Depression und Schizophrenie und dementsprechend auch deren Behandlungsmethoden.
Die Tendenz des neurophilosophischen Ansatzes geht weg von dem Reduktionismus einer physikalistisch-materialistischen Sichtweise der klassischen Psychotherapie mit Hilfe von Psychopharmaka, hin zu einer struktural-holistischen Sichtweise, die eine strukturale Kopplung der Psyche mit ihrem Körper und der Umwelt propagiert. Das wäre doch schon mal ein Fortschritt, wenn man in Zukunft die Psychopharmaka-Verabreichung reduzieren könnte.
Vielen Dank für Ihr Interesse und
viele Grüße
Lieber A. A. F.,
Zu Ihrer These: „dass der Grundfehler des Materialismus folgender ist: Die Verneinung eines aktiven Prinzips in der Welt/Natur.“
Dies trifft aus meiner Sicht den Nagel sehr gut auf den Kopf und ich kann Sie hierin nur bestärken. Die Reduktion von komplexen Vorgängen auf statische, lineare Modelle bestehend aus Einzelteilen macht leider auch den Zusammenhang des Ganzen im Sinne eines mereologischen Fehlschlusses kaputt. Ich hatte dies einmal als Konstruktionsfehler des Reduktionismus, der als wissenschaftlichen Methodik scheinbar als „genetischer Bauplan“ von Forschergeneration zu Forschergeneration weiter gegeben werden scheint, versucht nachzuweisen.
Prozessphilosophien eines Alfred North Whitehead, oder auch aktueller eines Nicholas Rescher, harren weiterhin darauf endlich einmal eine Berücksichtigung auch hinsichtlich der Metaphysik der Naturwissenschaften zu finden. Schade, aber gute Ideen lassen sich nicht einfach aus der Welt schaffen, sie werden sich auch irgendwann einmal durchsetzen.
Zu Ihrem Hinweis: „Der Materialismus ist komplett passivisch konstruiert, und das führt zum Beispiel in der Evolutionstheorie, welche der Kronzeuge des materialistischen Denkens ist, zu absurden Verrenkungen und theoretischen Widersprüchen.“
Das versuche ich momentan zusammen mit einem Ko-Autor Dr. Wolfgang Stegemann in Bezug auf die Evolutionstheorie nachzuweisen. Teil 1 des Joint-Ventures „Leben als autopoietisches System – Versuch einer strukturenrealistischen Aufklärung – Teil 1“ (https://philosophies.de/index.php/2022/06/14/selbstorganisation-von-innen/) ist schon erschienen. Im 2. Teil versuche ich Belege aus der stochastischen Mathematik für einen strukturenrealistische Beschreibung des Modells nachzuliefern. Ob das gelingt, weiß ich allerdings noch nicht ;-).
Mit Ihrem Bekenntnis: „das Leben als aktive Energie als Ausfluss einer noch weit umfassenderen schöpferischen Kraft,“ habe ich überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil, ich bin auch mittlerweile gläubig und nicht religiös geworden, aber das ist eigentlich eher etwas Persönliches oder Privates. Aber im Allgemeinen glaube ich, dass man „Gott“ als Wirkungsprinzip oder Ursache durchaus mit modernen Wissenschaften vereinbaren kann.
Zu Ihrer letzten Anmerkung: „Ein SR, ob epistemisch oder ontologisch gedacht, verlässt dieses passivische Paradigma nicht. Und ein OSR hätte das große Problem, zu erklären, in welcher Form Strukturen denn überhaupt „existieren“. Kommen wir dabei nicht wieder in die Nähe platonischer Ideen?“
Dies sehe ich durchaus anders, da das Elegante an dem Paradigma des SR ja gerade der Ansatz ist, nicht mehr die Entitäten in den Vordergrund zu rücken, sondern vielmehr deren Relationen zu beschreiben. Der eliminative OSR (Ladyman/French) geht sogar soweit, nur noch von Relationen zu sprechen und die Relata ganz zu eliminieren. Soll heißen die Strukturen können auch ohne konkrete Objekte existieren. Einen ähnlichen Ansatz wird übrigens in der Theoretischen Physik unter dem Begriff „Mannigfaltigkeitssubstanzialismus“ im Bezug auf dem Begriff „Raum“ diskutiert, der auch durchaus ohne Objekte auskommen kann. Dies kann ich so nicht unterstützen, daher ziehe ich lieber einen moderaten, nicht-eliminativen mSR von Esfeld/Lam vor. Die Strukturen zur Konstitution von Bewusstsein können übrigens anhand von fMRI-Scans und EEG-Messungen dargestellt und ausgewertet werden. Wichtig hieran ist aber der prozessorale Charakter der empirischen Befunde.
Insofern sehe ich hier durchaus Ansätze zur besagten Prozessphilosophie verwirklicht, da der Fokus nun auf der strukturalen Kopplung als Prozess und nicht mehr auf den Entitäten sei es als physikalische Materie oder platonische Idee liegt.
Viele Grüße