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Leben als autopoietisches System – Versuch einer strukturenrealistischen Aufklärung – Teil 1
Der Gastbeitrag „Selbstorganisation von innen betrachtet – oder: wie funktioniert Leben“ von Herrn Dr. Wolfgang Stegemann stellt den ersten Teil unseres geplanten Joint-Ventures dar. Das Projekt verfolgt das ehrgeizige Ziel die Selbstorganisation des Lebens zwar als autopoietisches System, aber im Sinne einer Abgrenzung zum „tertium non datur“ der klassischen Systemtheorie (George Spencer-Brown, Niklas Luhmann) als „Differenz“ von „System vs. Umwelt“ oder von „innen vs. außen“ zu betreiben.
Es soll bei diesem Projekt vielmehr um einen Aufklärungsversuch der Selbstorganisation von Leben mit Hilfe eines strukturenrealistischen Ansatzes gehen, der sich explizit nicht auf die dualistische und reduktionistische Differenz von „innen vs. außen“ bezieht, sondern den selbstreferentiellen Prozess der strukturalen Kopplung des Lebens mit seiner Umwelt als Polykontexturalität (Gotthard Günther) zu beschreiben versucht.
Dr. Stegemann gibt hier mit seinem Abstract schon einmal eine mögliche „Innenbetrachtung der Selbstorganisation von Leben“ vor, den ich in meinem weiteren geplanten Essay mit ein wenig Bayes-Netzwerken und Markov-Decken ausgestalten möchte, um den dynamischen, selbstreferentiellen Prozess der „Relationsbildung“ in den Strukturen des Lebens abbilden zu können.
Dann schauen wir mal, wo uns das Projekt hinbringt. „Joint Venture“ steht ja nicht umsonst für „gemeinsames Wagnis„, aber zunächst soll Herr Dr. Stegmann mal etwas wagen:
Gastbeitrag von Herrn Dr. Wolfgang Stegemann: „Selbstorganisation von innen betrachtet – oder: wie funktioniert Leben“
Selbstorganisation von innen betrachtet – oder: wie funktioniert Leben
a. Metastrukturbildung
b. Valenzkopplung
c. adaptiver Randomwalk
c. Adaption und Evolution geschieht in einem Phasenraum durch Versuch und Irrtum. Durch den adaptiven Randomwalk entstehen neue Phänotypen durch Ausnutzung von Möglichkeitsräumen und ändern dadurch auf der anderen Seite durch Rückkopplung die interne Steuerung (ähnlich der ‚konvergenten Rekonstruktion mit Übersteigungen‘ bei Piaget). [3]
Ein weiterer Aspekt kommt noch hinzu: Leben ist subjekthaft. Jedes Leben ist per Definition ‚von Geburt an‘ Subjekt. Es agiert. Seine Subjekthaftigkeit erhält es als System. Sie entsteht weder im einzelnen Baustein noch in der bloßen Summe derselben, sondern ausschließlich als Struktur.Zwischen Subjekt und ICH besteht eine analytische Trennung. Während das Subjekt die Ganzheit ontologisch wie organisch widerspiegelt, bezieht sich das ICH auf die jeweils differenzierteste Stufe der Selbststeuerung, nach außen wie nach innen, beim Menschen also auf das Gehirn und sein Bewusstsein.
In jedem Leben wirken dieselben physikalischen Bausteine nach denselben physikalischen Gesetzen. Und dennoch ist jeder Organismus verschieden, selbst eineiige Zwillinge. Könnte man genau hinsehen, würde man auch bei Einzellern derselben Art individuelle Unterschiede feststellen. Wie kommen diese Unterschiede zustande, wenn dieselben Elemente und Prozesse wirken? Es ist die Struktur, die den Unterschied ausmacht. Und daher kann die Physik nur die Bausteine beschreiben, nicht aber die Struktur. Dafür ist ausschließlich die Biologie zuständig. Sie muss hier ihre eigenen biologischen Naturgesetze formulieren.
Wie hängen die o.g. drei Prinzipien zusammen?
Nehmen wir ganz allgemein z.B. ein zweidimensionales abstraktes Netzwerk mit n Knoten. Erfährt dieses Netz eine Zustandsänderung, so verschieben sich die Knoten und bilden an einer bestimmten Stelle einen Bereich mit einer höherer (Informations-) Dichte. In biologischen Systemen wird diese Dichte genetisch gespeichert und bildet eine metastrukturelle Steuereinheit (aus).
Valenzkopplung bewirkt eine Zustandsänderung durch den notwendigen Energieaustausch, indem das biologische System nach kompatiblen Agenten sucht.
Dieser ‚Suchprozess‚ vollzieht sich durch den beschriebenen adaptiven Randomwalk innerhalb der durch die Valenz sowie die Umweltbedingungen gesetzten Grenzen des Möglichkeitsraumes durch Phasenverschiebung.
Die hier getroffenen Aussagen gelten für alle Evolutionsstufen, also vom Einzeller bis zum Menschen, also von der Proteinsynthese bis zum Bewusstsein. Dort würde man die drei Prinzipien bezeichnen als Bewusstsein und ICH (a), als assoziatives Denken (b) als Grundlage allen Denkens sowie als Lernen (c).
[1] Stegemann, w., Bewusstsein aus Metastrukturen, in: https://philosophies.de/index.php/2022/04/03/bewusstsein-aus-metastrukturen/
[2] Maturana, H.R., Autopoiesis and Cognition: The Realization of the Living, Dordecht 1980.
[3] Piaget,J., Einführung in die genetische Erkenntnistheorie, Frankfurt 1981.
© Dr. Wolfgang Stegemann
© Einleitung: Philo Sophies