Die Metamathematik – ist doch metalogisch?!?
– eine Vertonung der Ontologie der Mathematik oder Metalogik –
Das Intro
„Zwei mal drei macht vier
Widdewiddewitt und drei macht neune
Ich mach‘ mir die Welt
Widdewidde wie sie mir gefällt!“
(„Hej Pippi Langstrumpf“-Lied von Henning Wehland)
Ins Lied hören und zum Thema zurückkommen:
https://www.youtube.com/watch?v=lPOdvUUw6dc
Pippi Langstrumpf ist in dieser Hinsicht natürlich wesentlicher freier als der übrige Rest der „mathematischen Welt“. Im folgenden Essay möchte ich der „Logik der Mathematik“ in Form der „Metalogik“ einmal genauer auf den Grund gehen. Nachdem ich nun versucht habe, mal einen Blick hinter oder vor die Physik in Form der „Metaphysik“zu werfen, wäre jetzt nun mal eine Grundlagenbetrachtung der Mathematik als „Metamathematik“ fällig. In diesem Zusammenhang werde ich natürlich auch auf die bekannte „Grundlagenkrise der Mathematik“ eingehen. Also, es gibt wohl genügend zu ergründen ;-).
Die Grundlage meines Essyas stellt hauptsächlich die Abhandlung von Matthias Neuber „Mathematik und Ontologie – Der lange Weg zum ‚strukturellen Formalismus‘“ (Article in Zeitschrift für philosophische Forschung · September 2017 DOI: 10.3196/004433017821835614, Quelle: https://www.researchgate.net/publication/319872566) dar, in welcher er die Grundlagenkrise der Mathematik (die bis heute andauert) präzise darstellt und mögliche Auswege hieraus ableitet (nicht nur im mathematischen Sinne).
Apropos, um die Vor-Urteile abzubauen und die Vor-Freude zu steigern, soll es in diesem Essay ausnahmsweise mal nicht um eine stringente Beweisführung mit allerlei Formalismus und Logizismus zur Metamathematik gehen. Sondern ich hoffe, dass Pippi Langstrumpf uns das Ganze einmal mit ihrer Logik vorrechnen wird, damit es nicht zu langweilig und trocken wird:
„Die Leute sind auch dumm. In der Schule lernen sie Plutimikation, aber sich etwas Lustiges ausdenken, das können sie nicht.“ (aus „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren).
Na dann wollen wir uns mal was Lustiges ausdenken ;-).
Die Axiomatik der Metamathematik
„Ävver, ävver, ävver dreimol Null es Null, es Null…“
(De Höhner – En d’r Kayjass Nummer Null 1979)
Ins Lied hören und zum Thema zurückkommen:
https://www.youtube.com/watch?v=4d_iiOcNCyU
Das hat man nicht nur in der „steinahl Schull in der Kayjass Nummer Null“ (Kölsches Volkslied) gewusst, sondern auf derlei Axiomatiken baut nun mal das ganze Theoriegebäude der Mathematik auf. Im Zusammenhang mit meinen anderen Essays zur Wissenschaftstheorie bin ich immer wieder über die verschiedensten Axiome gestoßen, die aufgrund ihrer Unhintergehbarkeit die Basis für die unterschiedlichsten Metatheorien bildeten. So waren zum Beispiel einige der wichtigsten Axiome in der Physik, dass die Materie die Basis für die Phänomene darstellt, die einer Ursache und Wirkung unterliegen und aufgrund einer zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeit als Formel formuliert werden können. Dieser „Handwerkskoffer“ konnte dann in die „Metaphysik-Abteilung“ abgestellt werden.
Eines der wichtigsten „Handwerkszeuge“ der Physiker stellt hierbei natürlich die Mathematik dar. Einige Physiker scherzen daher manchmal, wenn sie von der Mathematik als theoretische Physik sprechen, ebenso wie die Mathematiker, die Physik nur als angewandte Mathematik sehen. Dem ist natürlich nicht so, da die Mathematik normalerweise in den Geisteswissenschaften und die Physik in den Naturwissenschaften verortet ist. Dennoch stellt sich auch an den ambitionierten Mathematiker die Frage, wo denn seines „Pudels Kern“ ist oder besser gesagt, wo denn die ontologische Basis der Mathematik liegen möge. Und hier darf man wohl „dreimol“ raten, es kommt fast immer zur Antwort: in der Logik. Also, wäre hätte es gedacht, es geht um das „Denken“ in seiner „reinsten Form“. Dann stellt sich aber wiederum die nächste Frage, wodurch sich denn diese Logik legitimieren könne, wenn sie doch auch nur wieder ausgedacht ist, oder gibt es hierzu auch ein Naturgesetz der allgemeinen „Logik-per-se“, als „transzendentale Logik-an-sich“.
Derlei Fragen trieben mich nicht nur beim Singen der Lieder um und begab mich auf eine Suche nach der „Basis der Mathematik“, die man dann wohl auch als „Ontologie der Mathematik“ bezeichnen könnte. Um mich hierbei aber nicht zu „verrechnen“, hatte ich mir Hilfe bei Matthias Neuber und seinem Aufsatz „Mathematik und Ontologie – Der lange Weg zum ‚strukturellen Formalismus‘“ geholt. Professor Neuber war mir schon einmal in einem meiner vorherigen Essay „Von der Physik zur Metaphysik – auf zum Strukturenrealismus“ sehr hilfreich gewesen. Nun kann ja jetzt nichts mehr schief gehen, wenn wir also der Sache mit der Logik in der Mathematik mal auf den „Grund“ gehen.
Die Ontologie der Logik – die Metalogik
„Der Mann Aristoteles
War blöd, doch ich erzähl‘ es
Er spielte Philosoph und fragte
Wie Klein Doof: „Warum ist etwas da
Das da vorher noch nicht war?
Hm, das hat bestimmt ’nen Grund“
Vielen Dank für diesen Fund“
(„Die Philosoffen“ Lied von Wise Guys)
Ins Lied hören und zum Thema zurückkommen:
https://www.youtube.com/watch?v=zrMdOSUH9a8
„Warum ist etwas da, Das da vorher noch nicht war?“ Mit dieser Frage startet ein ganzes Projekt der abendländischen Philosophiegeschichte, die schließlich in den „Universalienstreit“ oder „Realismus-Debatte“ mündet. Da es um nichts Geringeres geht als die Frage, ob es eine Realität außerhalb unserer menschlichen Wirklichkeit geben könnte. „Platons Ideenlehre“ ist sozusagen der „Evergreen“ in der „Oldie-Abteilung der Ontologien“. Wenn ich hier aus meinem alten Essay „Der Paradigmenwechsel“ einmal zitieren darf:
„wie mit den mentalen Entitäten (Zahlen,Theorien, Gedanken, Ideen), den Noumena (Kant) umzugehen sei (s. „Die Philosophie des Geistes„). Für Platon hatten diese durch die Allgemeinbegriffe bezeichneten „Ideen“ noch eine eigenständige Existenz unabhängig von den Einzeldingen, daher wird diese Haltung auch gerne als „Begriffsrealismus“ bezeichnet.“
Und damit kommen wir wieder zur Frage der „Ontologie in der Mathematik“ zurück. In der „Ideenlehre Platons“ und im späteren Platonismus werden
„die folgenden Annahmen bezüglich der Beschaffenheit mathematischer Objekte gekennzeichnet. Mathematische Objekte
– sind abstrakt,
– existieren außerhalb von Raum und Zeit,
– verfügen über keinerlei kausale Wirksamkeit.“ (Matthias Neuber „Mathematik und Ontologie – Der lange Weg zum ‚strukturellen Formalismus‘, S. 3)
Die damit implizierte Metamathematik geht folglich von „real existierenden mathematischen Objekten“ aus, die jenseits unserer Vorstellungen eine eigenständige Entität, also einen „eigenständigen, ontologischen Status“ besitzen. Aus diesem Grunde kann der „mathematische Platonismus“ auch als ein „ontologischer Realismus“ bezeichnet werden, da die „Zahlen“ nach Platon zu den „unvergänglichen Ideen“ gehören und folglich keine menschlichen Konstrukte der Logik sind.
Die „mathematischen Objekte“ gehören nach „Platons Idee“ also zum Bereich des Seins („Ontōs on“ griech. ὄντως ὄν = wirklich seiend) und sind insofern mit Hilfe der „Ontolgie“ als Lehre vom Sein zu beschreiben. Folglich stehen sie in einem Gegensatz zu den physischen Objekten („Physis“ von altgriechisch φύσις phýsis = werdend, später das römische „natura“), die dem Bereich des „bloßen Werdens“ zugeschrieben werden und mit Hilfe der Epistemologie entdeckt werden können. Wichtig allerdings für die weitere „Suche nach der Logik in der Mathematik“ bleibt aber noch die Begriffsklärung des „Logos“ selber, da dieser ganz entscheidend für den weiteren Verlauf sein wird.
Der altgriechische Ausdruck logos (λόγος lógos) bezeichnet nämlich nicht nur den korrekten Gebrauch von Sprache (Buchstaben, Wörtern, Sätzen, Syntax und Semantik), sondern bedeutet bei Platon auch gleichzeitig die „Darstellung“ oder „Erklärung“ eines Sachverhaltes, der mit Hilfe der Wörter dem Seienden korrekt und wahrhaftig zugeordnet wird. Der Wahrheitswert einer Aussage wird folglich an der korrekten Zuordnung gemessen. Jetzt setzt Platon noch einen drauf und erklärt ganz im Sinne seiner Ideenlehre den „Logos“ selbst zum „Träger der Wahrheit“ und damit war die „Idee“ der „philosophisch-mathematischen Disziplin der Logik“ in der Welt. Die Logik ist fortan nicht mehr nur sprachgebunden, sondern kann auch philosophisch-mathematisch bewiesen werden:
„Gerade weil die im Logos gelegene Wahrheit nicht die des bloßen Vernehmens, (noein), ist, kein bloßes Erscheinenlassen von Sein, sondern immer Sein in eine Hinsicht stellt, ihm etwas zuerkennt und zuspricht, ist nicht das Wort (onoma), sondern der Logos der Träger der Wahrheit (und freilich auch der Unwahrheit). Daraus folgt dann mit Notwendigkeit, daß diesem Beziehungsgefüge, in das der Logos die Sachen aufgliedert und eben damit auslegt, die Ausgesagtheit und damit die Sprachgebundenheit ganz sekundär ist. >Sprache/Platon, >Sprache und Denken/Platon.“ (Gadamer I, Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010, Quelle: https://www.philosophie-wissenschaft-kontroversen.de/details.php?id=860639&a=a&autor=Platon&vorname=&thema=Logos)
Puh, bei soviel Logik fragt man sich nun zurecht, was das Ganze denn nun eigentlich mit der Mathematik zu tun hat. Die „Anschlussverbindung“ bildet der weitere „Fahrplan“. Denn mit dem Konzept des mathematischen Platonismus ist die „Weichenstellung“ für einen rein ontischen Zugang zur Mathematik gelegt und die „naturalistische Mathematikauffasung“ kommt damit auf das epistemische „Nebengleis“, da die praktische Anwendbarkeit nun zur Nebensache wird.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt taucht nun aber wieder das alte Problem mit dem „Ding-an-sich“ auf: „Wie können wir – als konkrete vergängliche Wesen – die im platonischen ‚Ideenhimmel‘ verorteten abstrakten Entitäten der Mathematik überhaupt erfassen?“ (Matthias Neuber, ebd, S. 5). Denn Platons tolles Konzept des „selbständigen Logos“ drohte, selbst nach Kants letzten Versuch „die Ideen“ in seiner „transzendentalen Logik“ zu retten, zu scheitern. Die Hilfe eilt nun aus dem mathematischen Lager selber herbei. Das ehrgeizige Projekt wollte man nun mit Hilfe der Mathematik als logizistisches Programm, also mit Hilfe der Logik selber stützen.
Logizismus
„But then they sent me away to teach me how to be sensible
Logical, oh, responsible, practical
Then they showed me a world where I could be so dependable
Oh, clinical, oh, intellectual, cynical“
(„The Logical Song“ von Supertramp)
Ins Lied hören und zum Thema zurückkommen:
https://www.youtube.com/watch?v=kln_bIndDJg
Ein beredtes – oder besser gesagt berechnetes – Beispiel für die Rettung des „platonischen Logos“ stellt der Logizismus oder das logizistische Programm dar, das von Gottlob Frege Ende des 19. Jahrhunderts formuliert wurde. Es besagt, „dass sich die Mathematik auf die Logik zurückführen lässt“.
„Im Groben lässt sich der Logizismus in zwei Teilpositionen aufspalten:
Alle mathematischen Wahrheiten müssen sich anhand von Definitionen mit strikten Beweisen auf eine fest umgrenzte Anzahl von Axiomen zurückführen lassen.
Bei diesen Axiomen selbst muss es sich um evidente logische Wahrheiten handeln, d. h., sie dürfen nach Freges Worten „eines Beweises weder fähig noch bedürftig“ sein.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Logizismus)
Also, es sollen folglich nur die Axiome aufgestellt werden, die „nach Freges Worten „eines Beweises weder fähig noch bedürftig“ sein.“ sollen. Na dann mal her mit den „evidenten logischen Wahrheiten“, lieber Herr Frege.
Doch dieses sehr ambitionierte Ziel hatte ja noch nicht einmal im axiomatischen eng begrenzten Raum der Mathematik geklappt, wie „das von Bertrand Russell und Ernst Zermelo entdeckte Paradoxon der „naiven Mengenlehre“ bewiesen hat. Russell publizierte dieses Paradoxon 1903 und daher trägt es bis heute seinen Namen“: „Russellsche Antinomie“.
Die Russellsche Antinomie geht davon aus, dass „das Zulassen aller denkbaren Zusammenfassungen als Mengen zu Widersprüchen“ führen kann. Um das zu verhindern hatte Betrand Russell eine „Axiomatisierung der Mengenlehre“ als reduktionistische Lösung ausdrücklich ohne mathematische Symbolik vorgeschlagen. Das logizistische Kalkül zielt folglich darauf ab alle mathematischen Konzepte und Objekte mit Hilfe einer rein logischen Terminologie zu definieren und aufgrund dieser Definitionen die mathematischen Theoreme aus den „dahinterliegenden“ logischen Prinzipien abzuleiten.
Und da ist sie wieder unsere altbewährte „Münchhausen-Strategie“, sich selber am Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen. Was interessiert einen die „vertrackte Realität da draußen“, wenn man sich, mit Hilfe der korrespondierenden „Pippi-Langstrumpf-Strategie“ „die Welt, wie sie einem gefällt“, einfach selber macht. Denn wie Ernst Cassirer in seinem Buch „Das Erkenntnisproblem“ (1950) dargestellt hat, gehört das logizistische Programm von Frege und Russell zu einem revisionistischen Projekt, das die Existenz eigenständiger „logischer Objekte“ als „Begriffsrealismus“ ganz im Sinne Platons wieder einführen möchte.
Doch wie Kurt Gödel später mit seinen „Unvollständigkeitssätzen“ bewiesen hat, gehört die „Russellsche Antinomie“ (leider) zu einer unhintergehbaren Ontologie der Logik . Oder wie die deutsche Indie-Rock-Band „Madsen“ in ihrem „Unvollständigkeitssatz“ bewiesen haben: „Goodbye Logik – Alles kommt anders als geplant“ ;-).
Intuitionismus
„Kein Plan, keine Strategie
Keine Tricks, keine Philosophie
Keine Ahnung was mit uns passiert
Sag mir, wo bin ich hier?
Keine Idee, keine Mathematik
Keine Gewohnheit und kein Prinzip
Ich weiß nicht wer du bist und wie du heißt
Doch ich will, dass du bleibst
Goodbye Logik
Alles kommt anders als geplant“
(„Goodbye Logik“ Lied von Madsen)
Ins Lied hören und zum Thema zurückkommen:
https://www.youtube.com/watch?v=A0TsMm1cL68
„Alles kommt anders als geplant“, und so kam es auch, dass sich eine „Gegenbewegung“ in der Metamathematik zum logizistischen Programm entwickelte, welche den ontologischen Status der Mathematik und im Speziellen der Logik in Frage stellte. Der sogenannte „Intuitionismus“, der von dem Mathematiker Luitzen E. J. Brouwer begründet wurde, geht von einer dezidiert „antirealistischen Ontologie“ der Mathematik aus. Es wird zeitgleich wie in der Philosophiegeschichte der Subjektbegriff in die Metamathematik eingeführt, da der Intuitionismus die mathematischen Objekte als mentale Konstruktionen des mathematischen Subjektes betrachtet; „Goodbye Ideenhimmel!“:
„I hope I have made clear that intuitionism on the one hand subtilizes logic, on the other hand denounces logic as a source of truth. Further that intuitionistic mathematics is inner architecture, and that research in the foundations of mathematics is inner inquiry.“ (Matthias Neuber, ebd, S. 8)
Nach Brouwers Ansicht „unterläuft“ sein intuitionistischer Ansatz „die Logik als Ganzes“ oder gar die Logik als „Quelle der Wahrheit“. Ihm geht es mehr um die „innere Architektur“ oder um „die Erforschung der Grundlagen der Mathematik [als] innere Forschung“.
Wie jetzt? Bisher war doch immer die Logik die Grundlage der Mathematik und die Quelle der Wahrheit. Was soll denn bitte schön an Intuition als „innere Forschung“ wahrhaftiger sein? Dieses „dekonstruktivistische Programm“ macht insofern selbst vor dem „heiligen Gral“ des Logizismus nicht halt, dass nun die Logik „als vormals unumstrittene Basis mathematischer Deduktionen entthront“ wird und „der Anspruch einer außermathematischen ontologischen Fundierung aufgegeben“ wird. Die „Konstruktion der Logik“ soll selber als „innere Architektur“ oder „anthropozentrischer Perspektivismus“ („Der Mensch ist das Maß aller Dinge“: Protagoras) offen gelegt und damit hinterfragbar werden:
„Die Grundidee des intuitionistischen Programms hat der Brouwer-Schüler Arend Heyting besonders konzise wie folgt zusammengefasst: „In the study of mental mathematical constructions ‚to exist‘ must be synonymous with ‚to be constructed‘.“13“ (Matthias Neuber, ebd, S. 7)
Konkret kann dies an dem „Unendlichkeitsproblem“ untersucht werden. Grundsätzlich, also axiomatisch, gilt ja in der „Logik der Mathematik“, dass zu jeder natürlichen Zahl ein Nachfolger existiert. Hhhhmh, dann müsste es ja auch „logischerweise“ einen Nachfolger zu „Unendlich“ geben. Nur dann macht „Unendlich“ als nicht abzuschließende Menge keinen Sinn mehr, da dies aufgrund des „Prinzip des ausgeschlossenen Dritten“ („tertium non datur“) nicht logisch ist. An dieser Stelle hat man folglich zwei Möglichkeiten (oder vielleicht doch drei ;-):
1) Man lehnt den Intutionismus, genau wie den Platonismus, als „revisionistisches Konzept“ grundsätzlich ab, weil er der Logik des „tertium non datur“ zuwiderläuft.
2) Man akzeptiert die von dem Intuitionismus vorgeschlagene, „konstruierte Lösung“, dass es „kategorisch zwischen dem ‚aktual Unendlichen‘ als abgeschlossener Gesamtheit und dem ‚potentiell Unendlichen‘ als der bloßen Möglichkeit des unbegrenzten Fortschreitens“ zu unterscheiden gilt.
3) Man akzeptiert das „terium datur“, da die klassische Logik in einer mehrwertigen Logik widerspruchsfrei aufgehen kann.
Den Punkt 3) möchte ich an späterer Stelle in einer strukturenrealistischen Konzeption noch einmal aufgreifen.
Doch zumnächst einmal sei hier kurz der Rettungsversuch über den Formalismus skizziert.
Formalismus
„Minus P-Halbe plusminus die Wurzel aus, P-Halbe ins Quadrat minus Q
X ist minus P-Halbe plusminus die Wurzel aus, P-Halbe ins Quadrat minus Q
Minus P-Halbe plusminus die Wurzel aus, P-Halbe ins Quadrat minus Q
X ist minus P-Halbe plusminus die Wurzel aus, P-Halbe ins Quadrat minus Q“
(„p-q-Formel von DorFuchs)
Ins Lied hören und zum Thema zurückkommen:
https://www.youtube.com/watch?v=tRblwTsX6hQ
Die 1882 publizierten Vorlesungen über „Neuere Geometrie“ von Moritz Pasch und David Hilberts „Grundlagen der Geometrie“ von 1899 sind natürlich auch wieder als metamathematische Gegenreaktion auf Brouwer als „anti-intuitionistisches Projekt“ zu sehen, da sie allein auf die „logisch-deduktive Analyse der zwischen den jeweils etablierten Begriffen bestehenden Relationen“ aufbauen. Das sogenannte „Hilbert-Programm“, das Hilbert in den 1920er Jahren auf der Grundlage einer Beweistheorie (bzw. Metamathematik) als Rettungsversuch unternimmt, um die klassische Mathematik gegen die intuitionistischen Kritik zu ‚retten‘, basiert weiterhin auf der klassischen Logik. Das von dem Intuitionismus in Frage gestellte „tertium non datur“ sollte auf alle Fälle erhalten bleiben:
„Dieses Tertium non datur dem Mathematiker zu nehmen, wäre etwa, wie wenn man dem Astronomen das Fernrohr oder dem Boxer den Gebrauch der Fäuste untersagen wollte.“ (Matthias Neuber, ebd, S. 11)
Hilberts Programm zielte folglich auf eine „Axiomatisierung und vollständige logische Formalisierung der gesamten klassischen Mathematik“ ab. Dies hört sich nicht nur nach dem „Wiener Kreis“ an, der einen sprachgeleiteten, rationalen Formalismus in Form der „Beobachtungssprache“ anstrebte, sondern dies ist das mathematische Pendant hierzu. Es ging um nichts Geringeres als um „Widerspruchsfreiheit“ in der klassischen Mathematik mit Hilfe von „finiten Methoden“. Kurt Gödel hatte aber bereits „im Rahmen seiner beiden 1931 vorgelegten Unvollständigkeitssätze“ gezeigt, dass der „finitistische Ansatz Hilberts sich bereits auf der elementaren Ebene eines axiomatisierten Systems wie der „Peano-Arithmetik“ nicht zur Durchführung bringen“ lässt. Pfffh, da war schon wieder die Luft aus dem Ballon mit der Aufschrift: „Widerspruchsfreiheit axiomatisierter Systeme mit finiten Methoden“.
Die Strategie des Formalismus für die Lösung des Problems der Widerspruchsfreiheit bestand also meines Erachtens darin, dass er nur noch „Operationen mit mathematischen Symbolen“ zugelassen hat und hierdurch vermeintlich keine „wie auch immer geartete ontologische Verpflichtung“ eingehen musste. Hups, da ist sie wieder unsere „Pippi-Langstrumpf-Strategie“: „Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt!“
Also: „Schluss mit den Widersprüchen!“ Oder anders ausgedrückt: „Wenn die Axiomatik nur widerspruchsfrei genug ist, klappt es auch mit der Logik“. Paul Bernays hat es einmal folgendermaßen ausgedrückt:
„[A]n axiom system is regarded not as a system of statements about a subject matter but as a system of conditions for what might be called a relational structure […] [On] this interpretation of axiomatics […] logical reasoning on the basis of the axioms is used not merely as a means of assisting intuition in the study of spatial figures; rather logical dependencies are considered for their own sake, and it is insisted that in reasoning we should rely only on those properties of a figure that either are explicitly assumed or follow logically from the assumptions and axioms. (Matthias Neuber, ebd, S. 11)
Na, wenn das nicht auch schon wieder nach der altbewährten „Münchhausen-Strategie“ klingt. Der Formalismus macht sich hier natürlich auch einen „schlanken Fuß“, da er weder eine „reduktive Zurückführung auf die Logik“ beansprucht, noch auf irgendeine „realistische Ontologie“ festgelegt ist, sondern sich einfach nur hinter einer Transkription als Axiomatik von Relationen in Form eines „Begriffsystem uninterpretierter Kalküle“ oder „impliziten Definition durch Axiome“ (Schlick/Hilbert) versteckt.
Der Haken ist nur, dass es „keinerlei Bezug auf eine außerhalb des mathematischen Begriffssystems verortete Realität“ mehr gibt. Sorry, aber was nützt dieses Konzept dann? Wenn man schon einen Fuß in eine rein strukturalistische Betrachtung gesetzt hat, dann kann man doch auch direkt einen Strukturenrealismus verwenden, der wenigstens einen Bezug zur Realität besitzt, so Neubers Meinung, der ich mich ausdrücklich anschließen möchte. Also dann vielleicht doch ein „tertium datur“ in einer mehrwertigen Logik, die auf einem Strukturenrealismus basiert?
Strukturenrealismus
Metaphysics, it comes and it goes
Yeah, metaphysics, it comes and it goes
But the content’s in the structure,
And the structure it just grows and grows
So if you wanna have the very best of both worlds
Yeah if you wanna have the very best of both worlds
Come on and give structural realism a whirl.
(„Structural Realism Blues “: Words and music by Professor John Worrall/Alex Voorhoeve and performed by Critique of Pure Rhythm)
Ins Lied hören und zum Thema zurückkommen:
Um die Vorzüge eines strukturenrealistischen Ansatzes als „very best of both worlds“ in diesem metamathematischen Zusammenhang aber besser zu verstehen, muss zunächst einmal der „mathematische Strukturalismus“ als eine metalogische Weiterentwicklung des Ausgangsproblems erläutert werden. Der mathematische Strukturalismus sieht sich nämlich laut einem seiner Hauptvertreter Stewart Shapiro als die ideengeschichtliche Fortsetzung „als ein Korollar zu den Entwicklungem im Kontext des Formalismus“, allerdings mit dem Vorteil mehr Anküpfungspunkte für eine Ontologie auch außerhalb der Mathematik zu bieten.
Allerdings muss hier zunächst einmal terminologisch sauber zwischen den Begriffen „Struktur“ und „System“ differenziert werden. Neuber bezieht sich bei der Definition der Begriffe auf Shapiro und schlägt für den Begriff „System“ vor, dass es sich „um Anordnungen von Objekten handelt, die in bestimmten Relationen zueinander stehen“ und die „Struktur aufzufassen als die abstrakte Form eines Systems, in welcher nur die gegenseitigen Beziehungen der Objekte, nicht aber ihre ‚intrinsischen‘ Eigenschaften eine Rolle spielen.“ Oder in Shapiro plakativen Worten ausgedrückt: „[M]athematics is the science of structure.“ (Neuber, ebd. S. 15) Da hört sich nicht nur schon, wie eine Form des ontischen Strukturenrealismus an, sondern kann auch als solcher gelten, denn:
„Michael Resnik, ein anderer Hauptrepräsentant des Strukturalismus, präzisiert:
In mathematics, I claim, we do not have objects with an ‚internal‘ composition arranged in structures, we have only structures. The objects of mathematics,hat is, the entities which our mathematical constants and quantifiers denote, are structureless points or positions in structures. As positions in structures, they have no identity or features outside a structure.“ (Neuber, ebd. S. 15)
Es geht nur noch um die Relation und nicht um die intrinsischen Eigenschaften der Relata, wie er an dem Beispiel der Zahl 7 erläutert, die nur noch ausschließlich durch ihre relationalen Beziehung in der „arithmetischen Struktur“ zu ihren Vorgänger und Nachfolger 6 und 8 individuiert wird und nicht durch irgendeine „intrinsische, ihr ‚an sich‘ zukommende Eigenschaften, wie dies etwa im Platonismus (bzw. Pythagoreismus) vorgesehen ist“. Das „kantische Ding-an-sich“ im „platonischen Ideenhimmel“ wird zu einem relationalen Gefüge in der Struktur eingedampft. Hierbei muss man dann logischerweise irgendwann einmal zwischen „zwei Spielarten des mathematischen Strukturalismus unterschieden werden, dem in re-Strukturalismus und dem ante rem-Strukturalismus“, da die Relata ja doch irgendwie eine Rolle zu spielen haben, damit dies nicht zu einer „Luftnummer“ wird.
Der „re-Strukturalismus“ (z. B. Geoffrey Hellman) setzt die mathematische Strukturen mit den Systemen, „welche sie jeweils exemplifizieren bzw. instanziieren“ gleich. Mathematische Objekte oder deren jeweilige zugrundeliegenden Strukturen besitzen folglich „keinen eigenständigen ontologischen Status“ mehr. Das „mathematische Gebäude“ stützt sich selber nur noch über die „Systeme als Träger“. Ohne diese würde es in sich zusammenfallen, also ein „structuralism without structures“ (Hellman 1996).
Der „ante rem-Strukturalismus“ (z. B. Stewart Shapiro) ist im Gegensatz hierzu eher „ontologisch affirmativ“. Er lässt durchaus mathematische Objekte als ontologisch relevante Relata zu, die durch die mathematischen Strukturen zuvor erst gebildet werden, d. h. sie wären auch ohne Systeme, die sie exemplifizieren oder instanziieren existent. „Kurz: Bei mathematischen Strukturen handelt es sich um die eigenständige ontologische Basis – und ‚Ermöglichungsinstanz‘ – mathematischer Einzelgegenstände.“ (Neuber, ebd. S. 16)
An dieser Stelle wäre man nun letztendlich dann auch bei dem erwähnten ontischen Strukturenrealismus (OSR) à la Ladyman/French angelangt, der ebenfalls in Form einer eliminativen und nicht-eliminativen Variante in Bezug auf die Relata diskutiert wird (s. „Der Paradigmenwechsel“).
Der Haken an diesem metalogischen Konzept ist allerdings wieder seine metaphysische Letztbegründung möchte man nicht wieder das Geschmäckle eines Platonismus in Form von Strukturen als „erste metaphysische Prinzipien“ bekommen. Shapiro versucht dies natürlich ausdrücklich zu vermeiden, in dem er zum Beispiel „das platonistische Konzept der ‚Ideen‘ (bzw. ‚Universalien‘) durch das moderne Konzept der ‚types‘ ersetzt.“ Dieser Versuch stellt allerdings auch nicht mehr als eine „quasi-platonistische Ontologisierung“ des Konzeptes der „types“ dar, also eigentlich nur des „Kaisers neue Kleider“.
Um diese erneute „Platonisierung“ zu vermeiden, schlägt Neuber vor „the very best of both worlds“ aus dem ante-rem-Strukturalismus Shapiros mit dem klasssischen (Hilbertschen) Formalismus zu vereinen:
„und zwar derart, dass die Frage nach dem ontologischen Status mathematischer Objekte von vornherein unter dem Gesichtspunkt des Anwendungsproblems ins Visier genommen wird? Die resultierende mathematikphilosophische Position könnte man mit der Bezeichnung ‚struktureller Formalismus‘ versehen.“ (Neuber, ebd. S. 18)
Dies kommt dem Anliegen gleich dem Hellmanschen „re-Strukturalismus“ wieder etwas mehr „Fleisch in die Töpfe“ zu geben, um nicht wieder die mathematischen Strukturen auf die exemplifizierenden, mathematischen Systeme zu reduzieren.
Das Hauptmotiv Neubers für eine derartige Fusion kann man aber in dem Versuch der Rettung des wissenschaftlichen Realismus sehen, da der Formalismus durch den Strukturalismus eine „Erdung“ erhält, da man hierdurch einen „liberaleren, eher pragmatisch-empirisch motivierten Zugang“ auf die Anwendungsprobleme auch außerhalb der Mathematik erhalten könnte.
Haskell Curry verfolgt ihm zufolge in „Outlines of a Formalist Philosophy of Mathematics“ (1958) bereits ein ähnliches Konzept, bei dem Curry „im Hinblick auf formale mathematische Systeme ganz grundsätzlich zwischen „truth“ und „applicability“ unterscheidet. Es geht darum, dass „mathematisierte wissenschaftliche Theorien nur innerhalb bereichsspezifischer, durch empirische Modelle gesetzter Grenzen gelten“. Aufgrund dieses „Konzeptes der Interpretation“ könnte man eine Beantwortung nach der Frage „der ontologischen Verpflichtung auf bestimmte mathematische Strukturen“ erreichen.
Sorry, aber da muss ich Neuber zum ersten Mal widersprechen, da dies in meinen Ohren einfach nach der alten „Duhem-Rey-Kontroverse“ zwischen Instrumentalismus und Mathematismus, zugunsten des Instrumentalismus klingt. Matthias Neuber hatte hierzu auch bereits einen sehr lesenswerten Essay „Braucht die Theoretische Physik den religiösen Glauben? Neo-Scholastik und Positivismus in der Dritten Republik“, den ich in meinem alten Essay „Von der Physik zur Metaphysik – auf zum Strukturenrealismus“ bereits diskutiert habe.
Hier wie dort würde ich ebenfalls wieder eine etwas elegantere Lösung des Dualismus “Instrumentalismus vs. Mathematismus“ durch einen moderaten, nicht-eliminativen Strukturenrealismus, wie ihn zum Beispiel Michael Esfeld in seinem Buch „Philosophie der Physik“ (2012) beschreibt, vorschlagen. Esfeld versucht hier ebenfalls eine holistische Lösung für die Frage nach der Metaphysik der Physik zu finden. Diesen Lösungsansatz würde ich gerne als Frage nach Metalogik für eine Metamathematik der Mathematik übertragen.
Soll konkret heißen, die mehrwertige Logik, zum Beispiel eines Gotthard Günthers, als „dritten Weg“ des „tertium datur“ für einen strukturenrealistischen Formalismus fruchtbar und anwendbar zu machen. Natürlich stellt dies auch kein „Schweizer Universalmesser“ dar. Ich halte es aber für eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Logik, um komplexe Probleme, wie die Konstitution von Bewusstsein, die Konstruktion von KI, chaotische Systeme, etc. besser mathematisch und formal beschreiben zu können. Und natürlich steckt hier auch wieder eine „Pippi-Langstrumpf“-Strategie meinerseits dahinter. Aber ich bin dann hier mal raus und setze die Segel an meiner „Hoppetosse“ und schippere nach „Takatukaland“ :-).
(c) Dirk Boucsein
Hallo Dirk,
danke für diese schnelle Lieferung des angekündigten Beitrags zur Rolle der Mathematik in Bezug auf eine Ontologie! Und wie immer äußerst amüsant verpackt! Chapeau!
Meine Ambitionen gehen dahin, das Kontinuums-„Gewebe der Wirklichkeit“ im Sinne Einsteins allgemeiner RT als nicht-euklidischen Raum ontologisch begreifen zu wollen. Dies nur noch einmal so hier festgehalten. Ob da Münchhausen mit dem Zopf winkt, oder man sich die Welt so macht, wie sie mir gefällt, nehme ich gern als Warnung mit.
Anmerken mag ich vorerst ich nur zum Thema Platon etwas, auch wenn ich deine Quellen noch lesen müsste:
Platon kann leicht missverstanden werden. Eine Ontologie der Zahl mag noch bei Pythagoras eine Rolle gespielt haben, aber der war auch eher ein Sektenführer (aus meiner Sicht). Heraklit hielt Pythagoras für einen Schwätzer und Platon war wohl von der Schule Heraklits am stärksten beeinflusst. Im Sinne von Heraklit wandelte Platon dann also auf den Spuren der Erforschung des „logos“. Auch die Lehre vom „logos“ kann man leicht missverstehen. Nach meiner Lesart zielt Heraklit wie der Sokrates des Platon darauf ab, bei Streitfällen im Bereich Politik, Ethik, Ästhetik (und ggf. mehr) das menschliche Meinen abzuwerten und eine Wahrheit zu postulieren, die vom Meinen unabhängig sei. Diese Wahrheit zu finden, das sei ein schwieriges Geschäft. Dabei wird eben gerade nicht eine göttliche Sphäre angesprochen, mit „logos“ wird eher ein naturalistischer Weg bestritten, denn es soll sich sozusagen um die Wahrheit handeln, die in die Natur hineingeschrieben ist.
Insofern sind auch Ausdeutungen wohl eher Missverständnisse, dem Platon viel Wahrheitssuche in den Wörtern oder der Sprache anzudichten. Wenn, dann sind das immer Ergründungsversuche, dem „logos“ weiter auf die Spur zu kommen. Das wäre zumindest meine Arbeitshypothese. Und ich bin überzeugt, ein vorsichtiges Lesen von Gadamer, den du zitierst, enthüllt auch diese Hermeneutik, um Platon zu verstehen. (Leider ist meine Lektüre Gadamers schon wieder etliche Jahre her, aber er hatte mich sehr beeindruckt.)
LG, Christian
Hallo Dirk,
das ist natürlich ein unnachahmlicher Beitrag zur Ontologie des Seins, so schön geschrieben, dass ich in einer Hamburger Stehkneipe beim Lesen alles um mich herum vergessen habe.
Diese Ontologie umfasst auch abstrakte Gegenstände wie Zahlen und die Relationen zwischen ihnen. Von der Philosophie der abstrakten Gegenstände habe ich so gut wie keine Ahnung. Aber mit dem Begriff der Relationen habe ich mich befasst, zum Beispiel mit der Frage, ob physikalische Relationen außerhalb von Raum und Zeit denkbar sind (Antwort: ich glaube nicht). Nun gibt es auch Relationen zwischen Abstrakta, das sind Objekte mit einem anderen Realstatus als die physikalischen Objekte, und ich glaube, der Strukturenrealist muss sagen, ob er sich nur die Strukturen der äußeren gegenständliche Welt bezieht, oder ob er die Strukturen betrachtet, die von a l l e n Gegenständen, physikalischen und abstrakten, gebildet werden. Das Wort „Realismus“ läßt ja ahnen, dass die physikalische Realität gemeint ist, hier bin ich aber nicht sicher. Wer behauptet, Mathematik ist Struktur, muss sagen, welche Struktur er meint, die zwischen den mathematischen Symbolen (2+2=4), oder den Symbolen und dem, was sie repräsentieren oder beschreiben (4 als vier mal etwas Einziges).
Aber es geht ja um noch tiefere Strukturen, nämlich welche Ordnung sie ermöglicht, und da kann man über die Logik, die Relationen und die ens per se ganz schnell noch tiefer gehen – bis ganz unten hin, auf dem Grunde allen Seins, wenn es da überhaupt etwas gibt, was zu erkennen ist, dann gibt es dort als Erstes und Unhintergehbares den Unterschied. Alles anderes manifestiert sich als unterschiedliche Unterschiede, also differenziert sich auf in Art und Grad, aber tiefer kann man wohl nicht gehen. Die Welt ist dann wohl entstanden, als es den ersten Unterschied gab, den zwischen Möglichem und Wirklichem.
Ich denke, man kriegt diesen „Unterschied“ mit dem Logos semantisch und ontologisch zu fassen und zwar n u r mit ihm. Unterschied und Logos zusammen bilden die Fundamente der gegenständlichen und nicht-gegenständlichen Welt, behaupte ich jetzt man ungeniert in blinder Naivität ohne weitere Kenntnis der Zusammenhänge. Weizäcker hat versucht die theoretische Physik auf die Ure 0 und 1 zu gründen, eine digitale Alternative, aber er brauchte die Zeit als vorgängige Entität, und damit macht das aus meiner Sicht keinen Sinn. Aber die Zeit ist auch nur eine Anordnung von Unterschieden (unterschiedliche zeitliche Abstände), so wie der Raum (unterschiedliche räumliche Abstände), also schon eine Konkretisierung von Unterschieden, also schon ein höheres Muster.
Unterschied hat übrigens den Nicht-Unterschied als dialektisches Gegenüber, das ist die Strukturlosigkeit (dafür gibt es ein anders Wort: das NICHTS).
Na ja jetzt drifte ich in metaphyische Grauzonen ab und ich hör jetzt mal auf. Aber immerhin können wir uns über Fundamentalitäten unterhalten, so wie die alten Griechen, und wäre Platon anwesend könnten wir ihm sagen, so klug wie Du sind wir schon lange, aber viel klüger auch wieder nicht.
Grüße Bernd
Hallo Dirk,
kurze Frage: ist die Mathematik ein Instrument oder hat sie eine Ontologie?