Zoomposium with Professor Dr. Daniel Dennett: „A naturalistic view on consciousness”
In dieser neuen Folge unserer „Zoomposium-Reihe“ zum Thema „Bewusstsein“ ist es meinem Kollegen Axel Stöcker vom „Blog der großen Fragen“ und mir gelungen einen der bekanntesten, führenden Vertreter der Philosophie des Geistes Professor Dr. Daniel C. Dennett für ein Interview zu gewinnen.
Er ist ein US-amerikanischer Professor für Philosophie und Direktor des Zentrums für Kognitionswissenschaft an der Tufts University in der Nähe von Boston. Seit fast 60 Jahren beschäftigt er sich mit der Frage nach der Konstitution von Bewusstsein und hat durch seine Arbeit und vielzähligen Publikationen, z. B. Consciousness Explained (1991), Kinds of Minds (1996), Von den Bakterien zu Bach – und zurück: Die Evolution des Geistes (2018) und I’ve been thinking (2023) einen sehr großen Einfluss auf die Philosophie des Geistes und den wissenschaftlichen Diskurs gehabt.
Dennett kann als „Urvater“ des naturalistischen Monismus-Ansatzes zur Beschreibung des Phänomens „Bewusstsein“ bezeichnet werden. Der Auslöser für sein Konzept kann in der Ablehnung des Cartesischen Dualismus gesehen werden. Bereits sein Doktorvater in Oxford Gilbert Ryle hatte schon in seinem Buch „The Concept of Mind“ (1949) den Cartesischen Dualismus als ein Beispiel für einen Kategorienfehler erklärt. Dennett benutzt diese Hypothese ebenfalls als Basis in all seinen Theorien zur Bildung von inhaltsproduzierenden Merkmale von Bewusstsein. In seiner ursprünglichen Dissertation „Content and Consciousness“ (1965), hat er z. B. das Problem zur Erklärung des Bewusstseins in die Notwendigkeit einer „Theorie des Inhalts“ und eine „Theorie des Bewusstseins“ zerlegt.
Später hat Dennett dann in „Consciousness explained“ (1991) versucht diese Trennung von „Content and Consciousness“ wieder als „einheitliche Theorie“ zusammenzufassen. In seiner „Theorie des Bewusstseins“ geht er meines Erachtens von einem radikalen Funktionalismus (Teleofunktionalismus) aus, der auch über die oft benutzte „Computer-Metapher“ des Computationalismus hinausgeht. Bewusstsein wird hier nur noch als „Benutzeroberfläche“ einer „sequentiellen, virtuellen Maschine“, die „ineffizient“ auf der evolutionären, „parallelen Hardware“ des Gehirns implementiert ist, angesehen. (Consciousness Explained. Back Bay Books, New York, Boston, London 1991, S. 218.)
Auf diesem philosophischen Konzept des vermeintlichen naturalistischen Monismus basieren momentan die meisten Ansätze zur Aufklärung des Phänomens „Bewusstsein“ im Forschungsbereich der kognitiven Neurowissenschaften, die versuchen mentale Zustände auf physische Zustände zu reduzieren. Im Bereich der Philosophie des Geistes hat dieses Konzept eher zu einem eliminativen Materialismus geführt, der davon ausgeht, dass nur eine „Heterophänomeologie“ möglich wäre, in der die „Erste-Person-Perspektive des Bewusstseins“ überhaupt nicht existieren würde. Das „Ich/Selbst“ nur ein „konstruktivistisches Selbstmodell“ (Metzinger) des Gehirns als „geistige Multimedia-Show“ (Damasio) oder „Cartesisches Theater“ (Dennett) sei.
Aus meiner bescheidenen Sicht führt dieses Konzept zur „Theorie des Bewusstseins“ allerdings wieder nur in eine neue Form des Dualismus und eine hiermit verbundene Sackgasse, wie ich es in meinem Wikipedia-Eintrag „Neurozentrismus“ bereits darzustellen versucht habe. Aber ich freue mich sehr, dass Herr Professor Dennett die Zeit gefunden hat einmal seine Position zu diesem Thema darzulegen und unsere Fragen zu beantworten.
Interviewfragen „A naturalistic view on consciousness”:
1. Zu Beginn unserer Zoomposium-Interviews stellen wir meistens eine nicht ganz ernst gemeinte Frage, um einen etwas lockeren Einstieg in die Thematik zu erhalten. Daher zunächst einmal die Frage an Sie:
- In einem Artikel „Brainstorms: Philosophical Essays on Mind and Psychology“ (1981) haben Sie einmal folgendes geschrieben: „The model of decision making I am proposing has the following feature: when we are faced with an important decision, a consideration-generator whose output is to some degree undetermined, produces a series of considerations, some of which may of course be immediately rejected as irrelevant by the agent (consciously or unconsciously).“ (Hervorhebungen hinzugefügt)
- Welche „considerations“ hatte Ihr „consideration-generator“ erzeugt, als Sie unsere Einladung zu diesem Interview erhalten haben. Was es Ihr „freier Wille“, der „Determinismus“ oder keines von beidem?
2. In Ihren zahlreichen Büchern, wie z. B. in „From Bacteria to Bach and Back: The Evolution of Minds“ (2018) oder auch in Ihrem neuesten Buch „I’ve Been Thinking“ (2023), geht es sehr häufig um das Thema „Bewusstsein“. Ihren Ansatz zur Erklärung des „Bewusstseins“ kann man durchaus als eine Position des reinen Naturalismus oder Materialismus beschreiben.
- Könnten Sie uns und den Zuschauern vielleicht zunächst einmal bitte genau Ihre Position zum Thema „Bewusstsein“ erläutern?
3. Bereits Ihr Doktorvater in Oxford Gilbert Ryle hatte ja schon in seinem Buch „The Concept of Mind“ (1949) den Cartesischen Dualismus als ein Beispiel für einen Kategorienfehler erklärt. Sie benutzen diese Hypothese ebenfalls als Basis in all Ihren Theorien zur Bildung von inhaltsproduzierenden Merkmale von Bewusstsein. In Ihrer ursprünglichen Dissertation „Content and Consciousness“ (1965), haben Sie das Problem zur Erklärung des Bewusstseins in die Notwendigkeit einer „Theorie des Inhalts“ und eine „Theorie des Bewusstseins“ zerlegt.
Später haben Sie dann in „Consciousness explained“ (1991) versucht diese Trennung von „Content and Consciousness“ wieder als „einheitliche Theorie“ zusammenzufassen. In Ihrer „Theorie des Bewusstseins“ gehen Sie meines Erachtens von einem radikalen Funktionalismus (Teleofunktionalismus) aus, der auch über die oft benutzte „Computer-Metapher“ des Computationalismus hinausgeht. Bewusstsein wird hier nur noch als „Benutzeroberfläche“ einer „sequentiellen, virtuellen Maschine“, die „ineffizient“ auf der evolutionären, „parallelen Hardware“ des Gehirns implementiert ist, angesehen. (Consciousness Explained. Back Bay Books, New York, Boston, London 1991, S. 218.)
- Ist dies nicht aber auch wieder eine neue Form des Dualismus, die das Bewusstsein in einen „Software-“ und einen „Hardware-Bereich“, in „innen vs. außen“ trennt, auch wenn es parallel verlaufen mag?
4. Sie bezeichnen Ihren Ansatz des „Qualia-Eliminativismus“ und geben zur Begründung, dass Sie eher ein Verifikationist sind, der an empirischen Beweisen zu dem Problem interessiert ist.
- Welche empirischen Beweise aus den kognitiven Neurowissenschaften würden Sie denn konkret anführen, um Ihre Theorie zu bestätigen oder wie könnte aus Ihrer Sicht ein geeignetes Falsifikationsexperiment aussehen, dass die fehlende Existenz von „Qualia“ beweisen würde?
- Kann man es sich hier tatsächlich so einfach machen und im Sinne eines reinen Instrumentalismus das Bewusstsein einfach eliminieren und auf eine rein neurologischen Prozess reduzieren, der „Qualia“ oder die „1. Person Perspektive“ durch einen rein funktionalen Zustand des Gehirns erklärt?
- Ist aus Ihrer Sicht das „Ich“ nur eine Art „Taschenspielertrick“, eine „User-Illusion“ des Gehirns, um mit der Umwelt besser klar zu kommen?
5. In Kapitel 5 von „Consciousness Explained“ beschreiben Sie Ihr Modell der „multiplen Entwürfe des Bewusstsein“, bei dem „all varieties of perception—indeed all varieties of thought or mental activity—are accomplished in the brain by parallel, multitrack processes of interpretation and elaboration of sensory inputs. Information entering the nervous system is under continuous ‚editorial revision.'“ (p. 111) […] „These yield, over the course of time, something rather like a narrative stream or sequence, which can be thought of as subject to continual editing by many processes distributed around the brain, …“ (p. 135). (Hervorhebungen hinzugefügt)
- Bedeutet dieses ständige Erstellen von „multiple drafts model of consciousness “, bei dem sogar „parallele, mehrspurige Prozesse der Interpretation und Ausarbeitung von Sinneseindrücken, Informationen, die in das Nervensystem gelangen und auch noch durch ständige ‚redaktionelle Überarbeitung‘ verändert werden müssen nicht einen erheblichen Energieaufwand für das Gehirn, der weder energetisch nocht zeitlich zu sinnvoll ist?
- Karl Friston hat mit seinem empirisch gut belegten Konzept der „free energy principle“ für die Arbeitsweise des Gehirns doch eigentlich bewiesen, dass das Gehirn dies im Sinne der „Homöostase“ vermieden würde. Warum könnte man das „Bewusstsein“ denn dann nicht sogar im Gegenteil im Sinne einer „Homöodynamik“ als einen dynamischen Prozess der Kopplung von „Körper – Gehirn“ („embodiment“) oder „Umwelt – Gehirn“ („embededdness“) vielleicht im Sinne eines Strukturenrealismus selber vermuten?
4. Ihre Haltung zum Realismus wird daher häufig mit einem Instrumentalismus und einer Theorie der „realen Muster“ in Verbindung gebracht. Sie würden zwischen „Illata“ (echte theoretische Entitäten) und „Abstrakta“ (berechnungsgebundene Entitäten oder logische Konstrukten) unterscheiden. Diese funktionale Unterscheidung benutzen Sie ja auch zur Erklärung von „Intentionalität“, die uns als „denkende Wesen“ auszeichnet. Sie sagen: „Ein Wesen hat dann intentionale Zustände, wenn sein Verhalten mit einer intentionalen Einstellung vorausgesagt werden kann. Menschen sind in diesem Sinne intentionale Systeme – aber auch Schachcomputer haben diesen Status.“
- Insofern haben Sie auch schon häufiger darauf hingewiesen, dass Sie im Sinne einer „multiplen Realisierbarkeit“ auch anthropomorphe, künstliche Systeme, wie z. B. eine starke, allgemeine künstliche Intelligenz (AGI) für durchaus möglich halten.
- Wo sehen Sie hier die konkreten Möglichkeiten einer Realisierbarkeit oder auch von Gefahren?
- Könnte uns vielleicht auch eine „neuroscience inspired AI“ oder einer „cognitive computational neuroscience“ im Gegenteil helfen, um uns oder unsere kognitiven Leistungen besser zu verstehen?
Wir bedanken uns ausdrücklich bei Ihnen, Herr Professor Dennett, dass Sie sich die Zeit für unser Interview nehmen möchten, um unsere möglichen Fragen zu beantworten.
Das vollständige Interview ist in englischer Sprache auf unserem Youtube-Kanal „Zoomposium“ unter folgendem Link zu sehen:
© Dirk Boucsein (philosophies.de), Axel Stöcker (die-grossen-fragen.com)






https://orcid.org/0009-0008-6932-2717
Das ist ja historisch – ein Zoomposium mit Daniel Dannett!
Und ja – es ist wirklich eine spannende Frage, wo die Farben, Klänge, Gerüche usw. sich befinden. Im Gehirn sind sie nicht. Ich glaube, die realistische Sichtweise ist letztlich die beste: Die Farben, Klänge, Gerüche sind „da draußen“ in der Welt – und unser Gehirn ist die Maxhine, die uns die Welt genauso, in diesen Farben, Klängen, Gerüchen erscheinen lässt. Es würde uns die Welt auch ganz anders erscheinen lassen, wenn sich das in der Evolution als günstiger erwiesen hätte.
Lieber Torsten,
vielen Dank für Deinen sehr freundlichen Kommentar.
Ja, wir haben uns auch sehr gefreut, dass uns tatsächlich der große Daniel Dennett die große Freude und Ehre eines Interviews zu Teil werden gelassen hat.
Und ja, die spannende Frage bleibt auch weiterhin nach Professor Dennetts „Elimination der Qualia“ bestehen. Man kann die Qualia gerne, wie er es macht als „Cartesisches Theater“ oder „Illsuion“ oder „Taschenspielertrick“ abtun und die „1. Person Perspektive“ mit dem Verweis auf eine reine „Heterohänomenologie“ ausblenden. Es hilft meines Erachtens aber nichts, da es mal wieder reiner Reduktionismus ist und das eigene Erleben als subjektiv desavouiert.
Auch unsere Nachfragen haben da nicht weiter geholfen. Dan Dennett ist nun mal Dan Dennett. Ich habe großen Repekt vor seinem Lebenswerk aber man müsste dennoch hier noch einiges einmal kritisch hinterfragen dürfen.
Daher gebe ich Dir absolut Recht, wenn Du schreibst „Im Gehirn sind sie [Farben, Klänge, Gerüche usw.] nicht. Ich glaube, die realistische Sichtweise ist letztlich die beste: Die Farben, Klänge, Gerüche sind „da draußen“ in der Welt – und unser Gehirn ist die Maxhine, die uns die Welt genauso, in diesen Farben, Klängen, Gerüchen erscheinen lässt.“ Für mich sind diese Qualitäten ebenfalls im Sinne eines wissenschaftlichen Realismus vorhanden und müssen nicht erst aufwändig im Gehirn rekonstruiert werden. Das macht aus energetischer Sicht auch schon keinen Sinn. Ich würde nur noch einen konsequenteren weiteren Schritt gehen und das Gehirn nicht als „Maschine“ sehen, die epiphänomenologisch diese Farben, Klängen, Gerüchen erst erscheinen lassen muss. Da braucht meines Erachtens nichts erscheinen, da der Mensch als Gesamtkörper schon mit seiner Umwelt im Sinne eines embededdness struktural gekoppelt ist.
Aber das wird leider noch ein wenig dauern, bis sich hier der besagte Paradigmenwechsel irgendwann einmal durchgesetzt haben wird. Schön, dass Du hier auch weiterhin am Ball bleibst.
Liebe Grüße
Dirk
Ein hochinteressantes Zoomposium mit Professor Dr. Daniel Dennett! Die Einblicke in seine Sicht auf das Bewusstsein und sein naturalistischer Monismus-Ansatz sind faszinierend. Seine Ablehnung des Cartesischen Dualismus und sein Einsatz für eine einheitliche Theorie des Bewusstseins werfen tiefgreifende Fragen auf. Die Diskussion über Qualia-Eliminativismus und die Existenz der ersten Person Perspektive im Kontext der Neurowissenschaften gibt viel Stoff zum Nachdenken. Freue mich auf weitere spannende Erkenntnisse aus diesem faszinierenden Bereich der Philosophie des Geistes! 🧠🌐
Lieber Bewusstseins Kaiser,
vielen Dank für Ihren sehr freundlichen Kommentar und positive Rückmeldung.
Ja, für uns war es auch eine große Ehre und Feude mit Dan Dennett einmal über sein philosophisches Konzept zur Konstitution von Bewusstsein zu plaudern. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass er noch ein wenig mehr auf unsere Kritikpunkte eingegangen wäre, wie z. B. auf den latenten neuen Dualismus in seinem Neurozentrismus oder den energetischen Aspekt hinsichtlich des „free energy principles“.
Die Ablehnung des Cartesischen Dualismus ist ja eigentlich schon status quo, man sollte nur aus meiner Sicht den alten Dualismus nicht wieder durch einen neuen Dualismus ersetzen, da eine „einheitliche Theorie“ wie sie der vermeintliche naturalistische Monismus anbietet eigentlich immer noch im alten dualistischen „Pseudo-Problem“ „Leib vs. Körper“, „Geist vs. Materie“, „Bewusstsein vs. Gehirn“ verhaftet bleibt.
Aber Sie haben absolut Recht, dass die „Diskussion über Qualia-Eliminativismus und die Existenz der ersten Person Perspektive im Kontext der Neurowissenschaften gibt viel Stoff zum Nachdenken“ gibt. Wir beabsichtigen auch in nächster Zeit vielleicht mal eine Zoom-Veranstaltung über dieses Thema zu veranstalten und würden uns freuen, wenn Sie hieran auch teilnehmen könnten. Wenn Sie meinen Newsletter abonnieren, wären Sie hierüber jederzeit informiert.
Ansonsten freue ich mich auch „weitere spannende Erkenntnisse aus diesem faszinierenden Bereich der Philosophie des Geistes“. Ich kann Sie an dieser Stelle auch schon einmal darauf hinweisen, dass in nächster Zeit noch ein Interview mit Konrad Körding und Walter von Lucadou auf unserem Youtube-Kanal erscheinen wird. Ein Interview mit Wanja Wiese und Mark Solms ist schon in der Planung.
Vielen Dank für Ihr Interesse und
viele Grüße
Dirk Boucsein
Daniel Dennett war Leiter eines Teams am MIT, das Anfang der 1990er Jahre ‚COG’ entwickelte, in der Absicht einen wenigstens rudimentär bewussten Roboter zu erzeugen. An grenzenlosem Optimismus scheint es Dan jedenfalls nie gefehlt zu haben…
Gruß,
Heinz Luedige
Dear S. M. M.,
thank you for your remarkable comment, which I can only agree with.
I also don’t understand why these “robust governance frameworks” are taking so long to materialize. In the US, I can perhaps understand it, as we are now experiencing a “tech”tonic shift towards “techocracy,” with the “tech tycoons” now in power.
Europe is, as always, too hesitant in this regard, as we are dependent on technological developments in the US and the Far East. So once again, nothing is happening and time is running out, just like in the satirical film “Don’t Look Up” (2021). But we have both already made a start, and it is always important to think positively.
Thank you very much for your interest and best regards
Philo
Ein Gespräch mit dem advocatus diaboli des materialistischen Monismus, Glückwunsch. Ich halte es für geboten, einen gedanklichen Ansatz als eine hypothetische Konzeption nicht von vornherein zu verwerfen, sondern auf formale und inhaltliche Konsistenz hin durchzuspielen, und das tut Dennett. Ob sie sich vernünftigerweise halten läßt, kann erst am Ende, wenn überhaupt, entschieden werden. So viel Pluralismus muß sein. In diesem Sinn muß ein Konzept in einem theoretischen Ganzen abgeschlossen werden und metatheoretisch überprüft werden. Inkonsistenz führt zum Verwerfen der Theorie, immanente Konsistenz macht die Theorie zu einem gleichberechtigten Mitbewerber um die beste Konzeptualisierung.
Ich möchte hier nicht auf die unbefriedigenden erkenntnistheoretischen Aspekte eines positivistischen Monismus rekurrieren, von höchstem Interesse sind jedoch die neuralgischen Punkte, an denen sich die unterschiedlichen Ansätze reiben; wo sich das Pro und Kontra besonders klar zur Geltung bringt. Und trotz der gelegentlich polemischen Worte ist durchaus fraglich, ob man Dennett ins Lager der Hardcorematerialisten stecken kann. Ich würde es nicht tun, möchte ihm eher in seinem Naturalismus folgen.
Ein neuralgischer Punkt führt immer wieder zur Auseinandersetzung mit dem cartesischen Dualismus, wobei man fairerweise von den historisch bedingten metaphysischen Konnotationen abstrahieren sollte. Man macht es sich aber zu einfach, in einer emanzipierten gottlosen Welt jegliche Metaphysik zu leugnen; wenn es nichts unabhängig Immaterielles gibt, ist das noch kein Verdikt gegen einen Dualismus, und ich halte es auch nicht für sinnvoll, sich auf einen epistemischen Dualismus zu beschränken. Da sind wir aber mitten in der Debatte um diese zwei grundsätzlich unterschiedlichen Ansätze.
Dennett ist ja richtig auf den Unterschied einer „Theorie des Inhalts“ und einer „Theorie des Bewußtseins“ gekommen, ich habe das an anderem Ort die Doppelbedeutung von Bewußtheit, insbesondere Selbstbewußtheit*, und Bewußtsein, Repräsentation des Seins genannt, man fragt sich, warum er diesen Unterschied wieder eingestampft hat, vermutlich, um den Monismus zu retten, eine ideologisch, nicht sachlich begründete Manipulation. Bleibt man bei diesem Unterschied, tritt der sprachliche Aspekt des Bewußtseins als gedachtes, repräsentiertes Sein hervor. Das ist ein Materialismus, der dem Dualismus nicht widerspricht, sondern ihn ausdrücklich einschließt. Es ist sogar eine Trilogie: das (unmittelbare) Sein, die phänomenologische Spur dieses Seins in der Gesamtheit seiner Auswirkungen auf anderes Sein, insbesondere in der Wahrnehmung eines Organismus, die teilweise als Bewußtheit sich überträgt, und schließlich die sinnvolle Interpretation der Bewußtheit als außenweltliches bzw objektives Sein, das im Bewußtsein repräsentiert wird. Man könnte vom Ding-an-sich, dem Ding-für-anderes und dem Ding-an-und-für-sich, genauer dem Ding im An-sich-sein, dem Ding in seiner Relationalität zu anderem und schließlich der gedachten Einheit beider im Bewußtsein sprechen. Das wird noch komplexer, wenn man den „Organismus mit Bewußtsein“ als Subjekt-Objekt sieht.
Dieser Dualismus ergibt sich auch, was von den positivistischen Materialisten doch erstaunlicherweise unerkannt bleibt, bei Entscheidungsprozessen. Auch hier muß man unterscheiden zwischen objektiven Entscheidungsabläufen und subjektiven. Schon in einer rein materiellen Welt kann es Zufall, irreduzible Verzweigungen geben, die die Vorstellung eines absoluten Determinismus widerlegen, aber nur eine marginale Einschränkung des Determinismus darstellen. Auch der Esel zwischen zwei Heuhaufen steht vor einem Entscheidungsproblem, er hat keine Probleme, es zu lösen, er bekäme nur welche, wenn er intelligent wäre, so intelligent, ohne Grund sich nicht entscheiden zu wollen und darum zu verhungern. Solch eine voluntaristische Entscheidung (des Esels) kann man rein materialistisch erklären. Wie aber soll das gehen bei Entscheidungen, die nicht voluntaristisch oder gar erratisch, sondern inhaltlich, von sinnstiftenden Konstruktionen abhängen? Dazu müßte man eine autonome Ebene der Sinnstiftung leugnen. Das würde aber Bewußtsein überflüssig machen, zu einem unplausiblen Epiphänomen. Dann gibt es nur die Illusion von Subjektivität. Dann ist allerdings auch die Behauptung, man könne etwas erkennen, obsolet. Damit hat der Positivismus die Dualisten entmystifiziert, aber sich zugleich selbst auch die Intelligibilität entzogen.
Eine der entscheidenden Leistungen des menschlichen Geistes ist die Unterscheidung zwischen phänomenalen und objektiven Tatsachen. Würde ich nur den wahrgenommenen input als Information verarbeiten, gäbe es kein Bewußtsein, wäre die Informationsverarbeitung nur eine bestenfalls objektiv determinierte Transformation. Für ein intelligentes Handeln in der Welt ist jedoch notwendig, daß ich nicht auf input reagiere, sondern auf das, was dem input zugrundeliegt. Dazu muß ich die erscheinende Welt so interpretieren, daß ich auf die seiende Welt reagieren kann. Anders formuliert in der klassischen Sprache der Philosophie, ich muß Erscheinung und Wesen unterscheiden. Ich nehme immer gerne das Paradigma des schräg im Wasser stehenden, über die Wasseroberfläche hinausragenden Stockes. Ich sehe den Stock richtig als geknickt, aber ich weiß, das ist seine Erscheinung, tatsächlich ist er kerzengerade. Das „wissen“ auch Vögel, die unter der Wasseroberfläche schwimmende Fische im Sturzflug fangen. Freilich kann man sagen, daß das nicht durch ein Bewußtsein vermittelt ist, sondern durch erfolgreiche lernende Anpassung. Dafür reicht die reine Informationsverarbeitung aus. Das ist aber nur bei solch einfachen Basisanpassungen der Fall. Vielleicht kann man sogar noch das Täuschen des Eichhörnchens beim Verstecken von Nahrungsvorräten so einfach, ohne Bewußtsein evolutionsbiologisch erklären. Das erklärt aber nicht die exponentielle Entwicklung „kognitiver“ Fähigkeiten, insbesondere mit der tierischen und schließlich menschlichen Sprachentwicklung. Und selbst, wenn wir hier einen fließenden Übergang von objektiven in autonom subjektabhängige Prozesse haben, gibt es einen Bereich, wo die rein objektive Beschreibung (aus der dritten-Person-Perspektive) unangemessen wird.
Dennett hat selbstverständlich recht, daß es keinen Substanzdualismus gibt, der sich unterscheidbar verorten ließe. Ich halte es auch nicht für notwendig, für die Qualia ein autonomes Bewußtsein zu beanspruchen (das betrifft vor allem die Bewußtheit). Aber was ist mit einem mathematischen Beweis? Es ist doch albern, das als einen materialistisch erklärbaren Anpassungsprozeß auszugeben, welche sinnliche Wahrnehmung wird denn da als Information verarbeitet? Man sage jetzt nicht: soweit sind wir noch nicht. Es führt kein Weg von einer funktionalen Anpassung zu einer funktionalen Sinngebung.
* In philosophischer Hinsicht, die hier in dieser Debatte nicht unterschlagen werden darf, halte ich die Unterscheidung von Präsenzbewußtheit und reflexivem Bewußtsein für unabdingbar, und damit eine differenzierende Begriffsbildung von Bewußtheit und Bewußtsein keineswegs für haarspalterisch, sondern für eine notwendige Korrektur des umgangssprachlich mehrdeutigen „Bewußtseins“. Das führt auch zu dem ungewöhnlichen Begriff der Selbstbewußtheit, die mehr ist als das „reine Erleben“ neuronaler Vorgänge, wie das hier im Forum aus positivistischer Sicht vertreten wird, sondern schon eine kognitive Verarbeitung, allerdings primär eine unbewußte Verarbeitung, also eine unbewußte Selbstorganisation, keine bewußte Sinngebung. Wird der Vorgang bewußt, erkennt sich der Akteur als sinnstiftendes Subjekt. Bewußtsein ist die auf der Bewußtheit aufbauende reflektierende Selbstorganisation, die aus einem Spiegelbild ein Abbild zu machen versucht. Gibt es dieses Bewußtsein, ist alle Bewußtheit schon bewußtseinseiende, also als Abbild verstandene Bewußtheit.
Dear Jeremy.,
You are asking exactly the right question, which Daniel also asks in his 1995 book “Darwin’s Dangerous Idea”: “What actually is intentionality and how could it evolve from bacteria to humans?”
Therefore, Andreas‘ answer to the problem is too short-sighted: “Mr. Dennett never understood it until his end: There will never be AGI, as a construction that functions only on the basis of causal relations can NEVER yield intentionality.” If I may briefly explain this here.
Andreas argument rest on an essentialization of intentionality – as if it were some ontological “secret attribute” of life that machines could never have. That’s precisely what Dennett’s Dangerous Idea challenges.
Dennett shows that intentionality is not “hocus-pocus” but an emergent phenomenon, gradually arising from mindless processes – whether through evolution (Darwin) or construction (AI). Just as life emerges from chemical processes, so too can meaning emerge from causal mechanisms.
The crucial point: If one claims that machines can never have intentionality, one must also explain how biological organisms somehow “possess it inherently.” But either intentionality is in principle irreducible (the skyhook view, like Searle’s), in which case even the intentionality of bacteria remains mysterious. Or it is the outcome of gradual, functional processes – and then there’s no fundamental break between nature and technology.
In other words: If humans (and even microbes) have intentionality because it emerged from “stupid sub-processes,” why should that be impossible for machines?
But at this point, Andreas is right again when he writes: “Life cannot be defined or reduced to causal physical or chemical processes. Therefore, attempting to construct AGI on the basis of a machine is misguided.”
However, current AI research is no longer pursuing this misguided approach. The old processor design for AI applications in the form of hardware functionalities at the circuit level (register transfer level synthesis) using standard CMOS logic gates is increasingly being supplemented or perhaps even completely replaced in the future by artificial neural networks (ANN) or “spiking neural networks (SNN)” in the course of “neuromorphic engineering” or “deep learning (DL)” or perhaps be completely replaced in the future.
Attempts are being made to translate the biological neural networks of the brain into spiking neural networks (SNN) using the Hodgkin-Huxley model. This involves simulating the action potentials of neurons and their associations as areas of the brain.
The aim is therefore to biologize the AI paradigm.
Here, too, a gradual “paradigm shift” is emerging, moving away from the purely information-technological-mechanistic, purely data-driven “big data” concept of LLMs toward increasingly information-biological-polycontextural, structure-driven, “biological, brain-based models.”
All in all, these are not very encouraging developments.
Thank you for your interest and best regards
Philo
Dear L.,
thank you for your remarkable comment and interesting question.
I would agree with you that “Consciousness is primary: Awareness.” However, I would like to clarify the term somewhat, as “Awareness” could otherwise be too strongly associated with purely human cognition.
We can extend this perspective further: perception is not a passive reflection of reality but an active process deeply involved in the constitution of consciousness. „Moment-to-moment awareness“ provides the “raw data” on which experience unfolds.
The distinction between mental, neural, or physiological processes is a dualistic construct. From a process-oriented perspective, these aspects are not separate entities but different facets of a holistic unfolding—a process ontology—where perception, cognition, and bodily dynamics co-emerge.
„Illusions“ arise because perception is selective and grants access only to part of reality. „Meta-awareness“ can recognize this selectivity and dissolve illusions. This principle applies beyond human cognition and could inform other conscious systems or AI agents.
Understanding consciousness as a dynamic, self-organizing process that integrates perception and action, rather than as separate outputs of the brain, may offer crucial insights for computational and theoretical models.
Thank you for your interest and
many greetings
Philo
Dear T. K.,
thank you very much for your very interesting and remarkable comment, which I would like to briefly address.
I agree with you on most points, especially that consciousness is not an inner theater, but a processual, self-organizing event.
However, I would fundamentally question the concept of “user illusion.” What we call consciousness is not a functional deception, but simply the first-person perspective itself—the immediate experience of what it is like to be an embodied being (embodiment) in the world (embeddedness).
This perspective is not secondary or epiphenomenal, but rather the expression of a real, dynamic process that has its own ontology. Consciousness is this process – not its representation. This brings emotion and embodiment to the fore: feeling is not an addition to thinking, but rather the way in which the organism regulates its own coherence (nestedness).
The idea of consciousness as a “user interface” between the body and the world is slightly misleading here, as it already presupposes a separation that does not exist at this level. Consciousness is not an interface between an internal model and an external reality, but rather the lived realization of their inseparable connection – it would be a categorical fallacy to think of them as separate.
There is no sharp epistemic divide between consciousness, body, and environment, because the process of consciousness—as a dynamic, embodied coupling—expresses the shared ontology of body and world. In this sense, consciousness is not the surface of a hidden machinery, but rather the bodily-affective self-relation of the world to itself in the mode of experience.
Thank you for your interest and
best regards
Philo