Zoomposium with Professor Dr. Daniel Dennett: „A naturalistic view on consciousness”
In dieser neuen Folge unserer „Zoomposium-Reihe“ zum Thema „Bewusstsein“ ist es meinem Kollegen Axel Stöcker vom „Blog der großen Fragen“ und mir gelungen einen der bekanntesten, führenden Vertreter der Philosophie des Geistes Professor Dr. Daniel C. Dennett für ein Interview zu gewinnen.
Er ist ein US-amerikanischer Professor für Philosophie und Direktor des Zentrums für Kognitionswissenschaft an der Tufts University in der Nähe von Boston. Seit fast 60 Jahren beschäftigt er sich mit der Frage nach der Konstitution von Bewusstsein und hat durch seine Arbeit und vielzähligen Publikationen, z. B. Consciousness Explained (1991), Kinds of Minds (1996), Von den Bakterien zu Bach – und zurück: Die Evolution des Geistes (2018) und I’ve been thinking (2023) einen sehr großen Einfluss auf die Philosophie des Geistes und den wissenschaftlichen Diskurs gehabt.
Dennett kann als „Urvater“ des naturalistischen Monismus-Ansatzes zur Beschreibung des Phänomens „Bewusstsein“ bezeichnet werden. Der Auslöser für sein Konzept kann in der Ablehnung des Cartesischen Dualismus gesehen werden. Bereits sein Doktorvater in Oxford Gilbert Ryle hatte schon in seinem Buch „The Concept of Mind“ (1949) den Cartesischen Dualismus als ein Beispiel für einen Kategorienfehler erklärt. Dennett benutzt diese Hypothese ebenfalls als Basis in all seinen Theorien zur Bildung von inhaltsproduzierenden Merkmale von Bewusstsein. In seiner ursprünglichen Dissertation „Content and Consciousness“ (1965), hat er z. B. das Problem zur Erklärung des Bewusstseins in die Notwendigkeit einer „Theorie des Inhalts“ und eine „Theorie des Bewusstseins“ zerlegt.
Später hat Dennett dann in „Consciousness explained“ (1991) versucht diese Trennung von „Content and Consciousness“ wieder als „einheitliche Theorie“ zusammenzufassen. In seiner „Theorie des Bewusstseins“ geht er meines Erachtens von einem radikalen Funktionalismus (Teleofunktionalismus) aus, der auch über die oft benutzte „Computer-Metapher“ des Computationalismus hinausgeht. Bewusstsein wird hier nur noch als „Benutzeroberfläche“ einer „sequentiellen, virtuellen Maschine“, die „ineffizient“ auf der evolutionären, „parallelen Hardware“ des Gehirns implementiert ist, angesehen. (Consciousness Explained. Back Bay Books, New York, Boston, London 1991, S. 218.)
Auf diesem philosophischen Konzept des vermeintlichen naturalistischen Monismus basieren momentan die meisten Ansätze zur Aufklärung des Phänomens „Bewusstsein“ im Forschungsbereich der kognitiven Neurowissenschaften, die versuchen mentale Zustände auf physische Zustände zu reduzieren. Im Bereich der Philosophie des Geistes hat dieses Konzept eher zu einem eliminativen Materialismus geführt, der davon ausgeht, dass nur eine „Heterophänomeologie“ möglich wäre, in der die „Erste-Person-Perspektive des Bewusstseins“ überhaupt nicht existieren würde. Das „Ich/Selbst“ nur ein „konstruktivistisches Selbstmodell“ (Metzinger) des Gehirns als „geistige Multimedia-Show“ (Damasio) oder „Cartesisches Theater“ (Dennett) sei.
Aus meiner bescheidenen Sicht führt dieses Konzept zur „Theorie des Bewusstseins“ allerdings wieder nur in eine neue Form des Dualismus und eine hiermit verbundene Sackgasse, wie ich es in meinem Wikipedia-Eintrag „Neurozentrismus“ bereits darzustellen versucht habe. Aber ich freue mich sehr, dass Herr Professor Dennett die Zeit gefunden hat einmal seine Position zu diesem Thema darzulegen und unsere Fragen zu beantworten.
Interviewfragen „A naturalistic view on consciousness”:
1. Zu Beginn unserer Zoomposium-Interviews stellen wir meistens eine nicht ganz ernst gemeinte Frage, um einen etwas lockeren Einstieg in die Thematik zu erhalten. Daher zunächst einmal die Frage an Sie:
- In einem Artikel „Brainstorms: Philosophical Essays on Mind and Psychology“ (1981) haben Sie einmal folgendes geschrieben: „The model of decision making I am proposing has the following feature: when we are faced with an important decision, a consideration-generator whose output is to some degree undetermined, produces a series of considerations, some of which may of course be immediately rejected as irrelevant by the agent (consciously or unconsciously).“ (Hervorhebungen hinzugefügt)
- Welche „considerations“ hatte Ihr „consideration-generator“ erzeugt, als Sie unsere Einladung zu diesem Interview erhalten haben. Was es Ihr „freier Wille“, der „Determinismus“ oder keines von beidem?
2. In Ihren zahlreichen Büchern, wie z. B. in „From Bacteria to Bach and Back: The Evolution of Minds“ (2018) oder auch in Ihrem neuesten Buch „I’ve Been Thinking“ (2023), geht es sehr häufig um das Thema „Bewusstsein“. Ihren Ansatz zur Erklärung des „Bewusstseins“ kann man durchaus als eine Position des reinen Naturalismus oder Materialismus beschreiben.
- Könnten Sie uns und den Zuschauern vielleicht zunächst einmal bitte genau Ihre Position zum Thema „Bewusstsein“ erläutern?
3. Bereits Ihr Doktorvater in Oxford Gilbert Ryle hatte ja schon in seinem Buch „The Concept of Mind“ (1949) den Cartesischen Dualismus als ein Beispiel für einen Kategorienfehler erklärt. Sie benutzen diese Hypothese ebenfalls als Basis in all Ihren Theorien zur Bildung von inhaltsproduzierenden Merkmale von Bewusstsein. In Ihrer ursprünglichen Dissertation „Content and Consciousness“ (1965), haben Sie das Problem zur Erklärung des Bewusstseins in die Notwendigkeit einer „Theorie des Inhalts“ und eine „Theorie des Bewusstseins“ zerlegt.
Später haben Sie dann in „Consciousness explained“ (1991) versucht diese Trennung von „Content and Consciousness“ wieder als „einheitliche Theorie“ zusammenzufassen. In Ihrer „Theorie des Bewusstseins“ gehen Sie meines Erachtens von einem radikalen Funktionalismus (Teleofunktionalismus) aus, der auch über die oft benutzte „Computer-Metapher“ des Computationalismus hinausgeht. Bewusstsein wird hier nur noch als „Benutzeroberfläche“ einer „sequentiellen, virtuellen Maschine“, die „ineffizient“ auf der evolutionären, „parallelen Hardware“ des Gehirns implementiert ist, angesehen. (Consciousness Explained. Back Bay Books, New York, Boston, London 1991, S. 218.)
- Ist dies nicht aber auch wieder eine neue Form des Dualismus, die das Bewusstsein in einen „Software-“ und einen „Hardware-Bereich“, in „innen vs. außen“ trennt, auch wenn es parallel verlaufen mag?
4. Sie bezeichnen Ihren Ansatz des „Qualia-Eliminativismus“ und geben zur Begründung, dass Sie eher ein Verifikationist sind, der an empirischen Beweisen zu dem Problem interessiert ist.
- Welche empirischen Beweise aus den kognitiven Neurowissenschaften würden Sie denn konkret anführen, um Ihre Theorie zu bestätigen oder wie könnte aus Ihrer Sicht ein geeignetes Falsifikationsexperiment aussehen, dass die fehlende Existenz von „Qualia“ beweisen würde?
- Kann man es sich hier tatsächlich so einfach machen und im Sinne eines reinen Instrumentalismus das Bewusstsein einfach eliminieren und auf eine rein neurologischen Prozess reduzieren, der „Qualia“ oder die „1. Person Perspektive“ durch einen rein funktionalen Zustand des Gehirns erklärt?
- Ist aus Ihrer Sicht das „Ich“ nur eine Art „Taschenspielertrick“, eine „User-Illusion“ des Gehirns, um mit der Umwelt besser klar zu kommen?
5. In Kapitel 5 von „Consciousness Explained“ beschreiben Sie Ihr Modell der „multiplen Entwürfe des Bewusstsein“, bei dem „all varieties of perception—indeed all varieties of thought or mental activity—are accomplished in the brain by parallel, multitrack processes of interpretation and elaboration of sensory inputs. Information entering the nervous system is under continuous ‚editorial revision.'“ (p. 111) […] „These yield, over the course of time, something rather like a narrative stream or sequence, which can be thought of as subject to continual editing by many processes distributed around the brain, …“ (p. 135). (Hervorhebungen hinzugefügt)
- Bedeutet dieses ständige Erstellen von „multiple drafts model of consciousness “, bei dem sogar „parallele, mehrspurige Prozesse der Interpretation und Ausarbeitung von Sinneseindrücken, Informationen, die in das Nervensystem gelangen und auch noch durch ständige ‚redaktionelle Überarbeitung‘ verändert werden müssen nicht einen erheblichen Energieaufwand für das Gehirn, der weder energetisch nocht zeitlich zu sinnvoll ist?
- Karl Friston hat mit seinem empirisch gut belegten Konzept der „free energy principle“ für die Arbeitsweise des Gehirns doch eigentlich bewiesen, dass das Gehirn dies im Sinne der „Homöostase“ vermieden würde. Warum könnte man das „Bewusstsein“ denn dann nicht sogar im Gegenteil im Sinne einer „Homöodynamik“ als einen dynamischen Prozess der Kopplung von „Körper – Gehirn“ („embodiment“) oder „Umwelt – Gehirn“ („embededdness“) vielleicht im Sinne eines Strukturenrealismus selber vermuten?
4. Ihre Haltung zum Realismus wird daher häufig mit einem Instrumentalismus und einer Theorie der „realen Muster“ in Verbindung gebracht. Sie würden zwischen „Illata“ (echte theoretische Entitäten) und „Abstrakta“ (berechnungsgebundene Entitäten oder logische Konstrukten) unterscheiden. Diese funktionale Unterscheidung benutzen Sie ja auch zur Erklärung von „Intentionalität“, die uns als „denkende Wesen“ auszeichnet. Sie sagen: „Ein Wesen hat dann intentionale Zustände, wenn sein Verhalten mit einer intentionalen Einstellung vorausgesagt werden kann. Menschen sind in diesem Sinne intentionale Systeme – aber auch Schachcomputer haben diesen Status.“
- Insofern haben Sie auch schon häufiger darauf hingewiesen, dass Sie im Sinne einer „multiplen Realisierbarkeit“ auch anthropomorphe, künstliche Systeme, wie z. B. eine starke, allgemeine künstliche Intelligenz (AGI) für durchaus möglich halten.
- Wo sehen Sie hier die konkreten Möglichkeiten einer Realisierbarkeit oder auch von Gefahren?
- Könnte uns vielleicht auch eine „neuroscience inspired AI“ oder einer „cognitive computational neuroscience“ im Gegenteil helfen, um uns oder unsere kognitiven Leistungen besser zu verstehen?
Wir bedanken uns ausdrücklich bei Ihnen, Herr Professor Dennett, dass Sie sich die Zeit für unser Interview nehmen möchten, um unsere möglichen Fragen zu beantworten.
Das vollständige Interview ist in englischer Sprache auf unserem Youtube-Kanal „Zoomposium“ unter folgendem Link zu sehen:
© Dirk Boucsein (philosophies.de), Axel Stöcker (die-grossen-fragen.com)
Das ist ja historisch – ein Zoomposium mit Daniel Dannett!
Und ja – es ist wirklich eine spannende Frage, wo die Farben, Klänge, Gerüche usw. sich befinden. Im Gehirn sind sie nicht. Ich glaube, die realistische Sichtweise ist letztlich die beste: Die Farben, Klänge, Gerüche sind „da draußen“ in der Welt – und unser Gehirn ist die Maxhine, die uns die Welt genauso, in diesen Farben, Klängen, Gerüchen erscheinen lässt. Es würde uns die Welt auch ganz anders erscheinen lassen, wenn sich das in der Evolution als günstiger erwiesen hätte.
Lieber Torsten,
vielen Dank für Deinen sehr freundlichen Kommentar.
Ja, wir haben uns auch sehr gefreut, dass uns tatsächlich der große Daniel Dennett die große Freude und Ehre eines Interviews zu Teil werden gelassen hat.
Und ja, die spannende Frage bleibt auch weiterhin nach Professor Dennetts „Elimination der Qualia“ bestehen. Man kann die Qualia gerne, wie er es macht als „Cartesisches Theater“ oder „Illsuion“ oder „Taschenspielertrick“ abtun und die „1. Person Perspektive“ mit dem Verweis auf eine reine „Heterohänomenologie“ ausblenden. Es hilft meines Erachtens aber nichts, da es mal wieder reiner Reduktionismus ist und das eigene Erleben als subjektiv desavouiert.
Auch unsere Nachfragen haben da nicht weiter geholfen. Dan Dennett ist nun mal Dan Dennett. Ich habe großen Repekt vor seinem Lebenswerk aber man müsste dennoch hier noch einiges einmal kritisch hinterfragen dürfen.
Daher gebe ich Dir absolut Recht, wenn Du schreibst „Im Gehirn sind sie [Farben, Klänge, Gerüche usw.] nicht. Ich glaube, die realistische Sichtweise ist letztlich die beste: Die Farben, Klänge, Gerüche sind „da draußen“ in der Welt – und unser Gehirn ist die Maxhine, die uns die Welt genauso, in diesen Farben, Klängen, Gerüchen erscheinen lässt.“ Für mich sind diese Qualitäten ebenfalls im Sinne eines wissenschaftlichen Realismus vorhanden und müssen nicht erst aufwändig im Gehirn rekonstruiert werden. Das macht aus energetischer Sicht auch schon keinen Sinn. Ich würde nur noch einen konsequenteren weiteren Schritt gehen und das Gehirn nicht als „Maschine“ sehen, die epiphänomenologisch diese Farben, Klängen, Gerüchen erst erscheinen lassen muss. Da braucht meines Erachtens nichts erscheinen, da der Mensch als Gesamtkörper schon mit seiner Umwelt im Sinne eines embededdness struktural gekoppelt ist.
Aber das wird leider noch ein wenig dauern, bis sich hier der besagte Paradigmenwechsel irgendwann einmal durchgesetzt haben wird. Schön, dass Du hier auch weiterhin am Ball bleibst.
Liebe Grüße
Dirk
Ein hochinteressantes Zoomposium mit Professor Dr. Daniel Dennett! Die Einblicke in seine Sicht auf das Bewusstsein und sein naturalistischer Monismus-Ansatz sind faszinierend. Seine Ablehnung des Cartesischen Dualismus und sein Einsatz für eine einheitliche Theorie des Bewusstseins werfen tiefgreifende Fragen auf. Die Diskussion über Qualia-Eliminativismus und die Existenz der ersten Person Perspektive im Kontext der Neurowissenschaften gibt viel Stoff zum Nachdenken. Freue mich auf weitere spannende Erkenntnisse aus diesem faszinierenden Bereich der Philosophie des Geistes! 🧠🌐
Lieber Bewusstseins Kaiser,
vielen Dank für Ihren sehr freundlichen Kommentar und positive Rückmeldung.
Ja, für uns war es auch eine große Ehre und Feude mit Dan Dennett einmal über sein philosophisches Konzept zur Konstitution von Bewusstsein zu plaudern. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass er noch ein wenig mehr auf unsere Kritikpunkte eingegangen wäre, wie z. B. auf den latenten neuen Dualismus in seinem Neurozentrismus oder den energetischen Aspekt hinsichtlich des „free energy principles“.
Die Ablehnung des Cartesischen Dualismus ist ja eigentlich schon status quo, man sollte nur aus meiner Sicht den alten Dualismus nicht wieder durch einen neuen Dualismus ersetzen, da eine „einheitliche Theorie“ wie sie der vermeintliche naturalistische Monismus anbietet eigentlich immer noch im alten dualistischen „Pseudo-Problem“ „Leib vs. Körper“, „Geist vs. Materie“, „Bewusstsein vs. Gehirn“ verhaftet bleibt.
Aber Sie haben absolut Recht, dass die „Diskussion über Qualia-Eliminativismus und die Existenz der ersten Person Perspektive im Kontext der Neurowissenschaften gibt viel Stoff zum Nachdenken“ gibt. Wir beabsichtigen auch in nächster Zeit vielleicht mal eine Zoom-Veranstaltung über dieses Thema zu veranstalten und würden uns freuen, wenn Sie hieran auch teilnehmen könnten. Wenn Sie meinen Newsletter abonnieren, wären Sie hierüber jederzeit informiert.
Ansonsten freue ich mich auch „weitere spannende Erkenntnisse aus diesem faszinierenden Bereich der Philosophie des Geistes“. Ich kann Sie an dieser Stelle auch schon einmal darauf hinweisen, dass in nächster Zeit noch ein Interview mit Konrad Körding und Walter von Lucadou auf unserem Youtube-Kanal erscheinen wird. Ein Interview mit Wanja Wiese und Mark Solms ist schon in der Planung.
Vielen Dank für Ihr Interesse und
viele Grüße
Dirk Boucsein
Daniel Dennett war Leiter eines Teams am MIT, das Anfang der 1990er Jahre ‚COG’ entwickelte, in der Absicht einen wenigstens rudimentär bewussten Roboter zu erzeugen. An grenzenlosem Optimismus scheint es Dan jedenfalls nie gefehlt zu haben…
Gruß,
Heinz Luedige