Das Kardinal-Prinzip der Natur

Gastbeitrag von Dipl. Ing. Jürgen Uphoff: „Das Kardinal-Prinzip der Natur? Dialektische Phänomenologie der Materie – Versuch einer Grundlegung“

Gastbeitrag von Dipl. Ing. Jürgen Uphoff: „Das Kardinal-Prinzip der Natur? Dialektische Phänomenologie der Materie – Versuch einer Grundlegung“

Der Autor Jürgen Uphoff des hier vorliegenden Essays hatte bereits vor Kurzem einen Gastbeitrag „Die Quantentheorie – Methodische Kritik“ auf meiner Seite veröffentlicht. Hier kommt nun die „Fortsetzungsgeschichte“, die vielleicht auch durch die rege und gehaltvolle Diskussion in den Kommentarbereichen von Bernds Essay „Das Ding an sich“ angeregt worden ist.

Jürgen versucht aus meiner Sicht dieses Problem mit dem „Ding-an-sich“ nochmal aus einer ganz anderen Perspektive zu beleuchten, deren Methodik er als „Dialektische Phänomenologie der Materie“ bezeichnet und meines Erachtens eine „Synthese aus Ontologie und Epistemologie“ anstrebt. Hierbei beabsichtigt er den Begriffen „Materie“ und „Bewusstsein“ eine Neudefinition zu geben, die er mit Hilfe der Hegelschen Dialektik herleiten möchte. Nach meiner bescheidenen Meinung gelingt hierbei nicht die Überwindung des vermeintlichen Dualismus, die ich auch schon häufiger in alten Essays (z. B. „Der Paradigmenwechsel – oder die Sanierung des dualistischen Wissenschaftsgebäudes“) erwähnt hatte.

Aber das war von Jürgen wahrscheinlich auch gar nicht intendiert, da es ihm wahrscheinlich eher um eine neue Form des Monismus für den Materialismus geht. Aber bevor ich hier zuviel „hineinorakele“, soll Jürgen besser zu Worte kommen und seine Idee vorstellen. Über einen ebenso regen Kommentaraustausch oder positive, wie negative Rückmeldungen würden der Autor und ich sich sehr freuen.

Das Kardinal-Prinzip der Natur?Dialektische Phänomenologie der Materie – Versuch einer Grundlegung

Schlüsselbegriffe

Materie / Bewusstsein, Sein / Seiendes, Kausalität / Randbedingung, Gleichgewicht / Ungleichgewicht, Spannungszustand / Wechselwirkung, Logik / Dialektik, Widerspruch / Synthese, Zufall / Notwendigkeit, Reproduktion / Emergenz.

Einleitung

Wir nehmen mit unseren nach außen gerichteten Sinnen eine äußere Welt wahr, die wir in unserem wissenschaftlichen Bewusstsein (im Folgenden nur Bewusstsein) zunächst als chaotische Mannigfaltigkeit registrieren, die aber dann schließlich in einer Theorie geistig reproduziert werden kann.

Der aktive Teil des Bewusstseins, der Verstand, wird durch diese chaotische Datenfülle angeregt, sie zu bearbeiten, zB. aufgrund seiner angeborenen Tendenz zur Musterbildung, oder einer Einteilung in Klassen nach dem Kriterium der Ähnlichkeit etc. Allgemein sieht es so aus:

Der menschliche Reproduktions- & Wahrnehmungsapparat verfügt über eine reproduzierende & vergleichende Beobachtungsgabe.

Der menschliche Verstand versucht das, was er wahrnimmt, in einer konsistenten Theorie zu verstehen und in der Regel mathematisch formalisiert abzubilden.

Die menschliche Vernunft versucht die Theorie zu interpretieren, um eine Ontologie zu konstruieren, die die objektive Realität abbilden soll.

Aufgabe der philosophischen Reflexion ist es, herauszufinden, ob der universellen Evolution auch ein universelles Prinzip zugrunde liegt, wie es abgeleitet und begründet werde kann. Ein grundlegendes Prinzip verdient auch eine prinzipielle Begründung! Dabei orientiere ich mich im Allgemeinen an den Resultaten der Naturwissenschaften, was jegliche transzendenten Erklärungs- oder Begründungsmuster ausschließen soll und den Fokus allein auf jene Entitäten der Natur richtet, die physikalisch abgedeckt sind. Im Konkreten wähle ich den Prozessmechanismus von chemischen Reaktionen als Mustervorlage weil ich vermute, dass dieses chemische Prozess-Muster eine konkrete Erscheinungsform des allgemein-universellen Grundmusters darstellt und experimentell gut zugänglich ist.

Ein chemisches System reagiert dann, wenn es durch einen inneren oder äußeren Einfluss dazu angeregt wird unter der Bedingung, dass reaktionsfähige Materie vorhanden ist, die Anregung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, also stark genug ist und das Endprodukt stabiler ist, also ein Energie-Gradient vorliegt.

Als Beispiel diene eine der einfachsten chemischen Reaktionen, die Verbrennung von Ruß zB. bei einem Kaminbrand. Die Verbrennung ist grundsätzlich eine chemische Reaktion mit dem Sauerstoff »O2«, konkret hier mit Ruß, chemisch: Kohlenstoff »C«, der zu Kohlendioxid »CO2« oxidiert wird. Die Reaktionsgleichung sieht wie folgt aus:

C + O2 => CO2 + ΔH ΔH: Reaktionsenthalpie, eine Energieform

Das Freiwerden der Enthalpie ΔH weist darauf hin, dass das Reaktionsprodukt CO2 weniger Energie enthält, als die Summe der Ausgangsstoffe C und O2 – mithin einen stabileren Zustand einnimmt, sodass die Reaktion sofort spontan einsetzen müsste, sobald Kohlenstoff mit dem Luftsauerstoff in Berührung kommt, da natürliche Systeme stets auf den stabilsten Zustand evolvieren. Wir wissen aber, dass sich permanent Ruß mit Luft-Sauerstoff im Kamin befindet, trotzdem fackelt nicht permanent der Kamin ab! Das liegt daran, dass das System C + O2 selbst schon eine gewisse Stabilität, oder umgekehrt eine chemische Trägheit hat und diesen Zustand nicht ohne Zwang verlassen kann; es bedarf eines Anstoßes, einer Aktivierungsenergie EAkt., in Falle der Verbrennung einer Zündenergie EZünd, die die Zündtemperatur vom Kohlenstoff überschreitet bis zur Verbrennungstemperatur und dann geht die Post ab: alte chemische Bindungen werden aufgerissen, neue müssen entsprechend den veränderten Bedingungen angepasst und etabliert werden; das System reagiert auf den invasiven Eingriff mit einer strukturellen Anpassung mit entsprechend neuen Eigenschaften.

Der gesamte 3 phasige Prozess kann in einem Energie-Diagramm anschaulich dargestellt werden:

Das Kardinal-Prinzip der Natur

Meine Hypothese

Aus dem chemischen Reaktionsprofil lässt sich ablesen, dass es hier ein Muster von drei Phasen gibt, das stets durchlaufen wird, wenn so etwas wie ein chemischer Prozess stattfindet – in unterschiedlicher Länge und Intensität.

Phase A: System im stabilen Gleichgewicht = Ausgangs- Zustand.

Phase B (1. Negation): Eine Störung bzw. Anregung bringt das System aus dem Gleichgewicht und erzeugt einen instabilen Ungleichgewichts-Zustand der Störungsverarbeitung.

Phase C (2. Negation): Die Synthese führt über strukturelle Anpassung erneut in ein stabiles Gleichgewicht durchaus mit neuen Eigenschaften und höherer Komplexität.

Dieses konkrete chemische Muster lässt sich durchaus auf das Allgemeine übertragen: Entstehung, Entwicklung und Bewegung im allgemeinsten Sinn sind dann grundsätzlich Resultate widersprüchlicher materialer diploider Verschmelzungsprozesse. Dabei stellt sich heraus, dass das Vorhandensein eines Substrates zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist, dass das Wesentliche, die treibende Kraft nicht eine besondere Substanz oder Eigenschaft ist, sondern eine Relation: es muss ein Anderes, einen Widerspruch, einen Unterschied geben, der eine Spannung zwischen den zwei Zuständen erzeugt und erst diese befähigt zu einer Wechselwirkung; das „Essenzielle“ wird nicht durch eine „Substanz“, sondern durch eine bestimmte Wechselwirkung in Form einer Relation, Struktur, Beziehung, Kommunikation oä. zwischen unterschiedlichen Zuständen repräsentiert:

Wesentlich ist die Erzeugung eines Gradienten, das Verlassen des Gleichgewichtszustandes.

Es ist egal, w a s den Gradienten erzeugt, essentiell ist, d a s s er erzeugt wird.

Beispiele.

In der Thermodynamik sorgt ein Temperatur-Gradient zwischen zwei Zuständen (zB. Fluide) für Prozess-Bewegung (Wärmekraftmaschinen, Kühlschränke); der Höhenunterschied eines Stausees erzeugt den elektrischen Strom; unterschiedliche Einkommen erzeugen sozialen Unfrieden und ein ausgebrannter (= aus dem Gleichgewicht gekommener) Stern kollabiert und explodiert. Diesen völlig unterschiedlichen Beispielen liegt ein Gemeinsames zugrunde: der Gradient und infolgedessen Bewegung, die Fähigkeit der Wechselwirkung & Veränderbarkeit, die Prozesshaftigkeit.

Voraussetzungen, Klärung, Definitionen, Verhältnis M/B

Wenn etwas wahrgenommen wird, können wir davon ausgehen, dass auch etwas existiert, das wahrgenommen werden kann: die objektive Realität, die wir jetzt mit dem Begriff der Materie (als Summe aller Objekte und Strahlung) repräsentieren.

Als erstes soll geklärt werden, in welchem Verhältnis das erkennende Bewusstsein (Subjekt) zum Gegenstand der Erkenntnis (Objekt) steht: auf der einen Seite die Natur bzw. die objektive Realität mit ihren realen Objekten, die Materie – auf der anderen das subjektive menschliche Bewusstsein, das sie abzubilden versucht.

Das ist die Haltung des philosophischen naiven Realismus mit klarer Subjekt-Objekt-Trennung: es existiert eine objektive Realität außerhalb des menschlichen Bewusstseins, die tendenziell von diesem erkannt werden kann. Diese Haltung spiegelt die Situation wider, wie wir sie als tatsächlich wahrnehmen. Sie ist die adäquate Entscheidung über den Zustand der Ausgangs-situation des erkennenden Bewusstseins. Hier schon Kritiken zB. aus der Quantenmechanik, anzubringen, wäre tautologisch.

Die vorerst nur vorläufigen Begriffs-Definitionen legen wir wie folgt fest:

Definition Materie

Materie ist eine philosophische Kategorie zur Bezeichnung des außerhalb des menschlichen Bewusstseins existierenden Seienden.

Definition Bewusstsein

Bewusstsein ist eine philosophische Kategorie zur Bezeichnung der kognitiven menschlichen Instanz, deren Verstandestätigkeit tendenziell in der Lage ist, die Materie und ihre Bewegungs- & Erscheinungsformen in Theorien abzubilden.

Diese beiden Seins-Bereiche der materiellen Ontologie & ideellen Epistemologie sind zunächst (analytisch) sauber auseinander zu halten und ihr Verhältnis ist zu bestimmen.

Verhältnis Materie / Bewusstsein

Materie & Bewusstsein stellen sich in dieser Situation zunächst als Verhältnis von wahrnehmbaren Objekten und deren kognitiver Repräsentation als Bewusstseins-Inhalte dar; erst im aktiven mentalen Verarbeitungsprozess der Daten bestimmen sich Bewusstseinsinhalte & repräsentierte Materiesymbole und -begriffe wechselseitig.

Das zunächst rudimentäre Bewusstsein sieht sich mit einer unübersehbaren Mannigfaltigkeit konfrontiert, die als sinnliche Wahrnehmung durch die wahrnehmenden Sinne dem Bewusstsein als Bewusstseins-Inhalte vorliegen. Dieser vorerst chaotische empirische Datenbestand „affiziert“ den Verstand des Bewusstseins, dieser reagiert zunächst nur rein phänomenologisch mit dem, was ihm von Natur aus mitgegeben wurde: Musterbildung, Klassifizierung aufgrund wahrnehmbarer Merkmale, Neugier, etc.; schließlich setzt eine systematische Erkenntnis-Tätigkeit ein, dergestalt, dass sich in der Auseinandersetzung im Bewusstsein selbst sukzessive ein differenziertes Erkenntnis-Instrumentarium, Methodenvielfalt sowie umfassende Fertigkeiten und Fähigkeiten entwickeln während sich auf der anderen Seite langsam die wundersame Verwandlung des Daten-Chaos in Strukturen einer Theorie zeigt.

Das Kardinal-Prinzip der Natur                Außenwelt <=> Sinne, Wahrnehmung < => menschliches Bewusstsein, Erkenntnisapparat

Dialektik des sich entwickelnden Wissens/Bewusstseins und der sich entwickelnden Fertigkeiten/Fähigkeiten

Das Schaubild verdeutlicht die Situation: durch den sinnlichen Datenstrom bzw. Datenbestand der Wahrnehmung initiiert, entstehen im allgemeinen menschlichen wissenschaftlichen Bewusstsein zwei Wachstumsprozesse, die sich wechselseitig modellieren; der eine erzeugt aus den Sinnesdaten eine strukturierte Theorie, der andere erzeugt kumulative Kompetenz.

Die sinnliche Wahrnehmung allein reicht für eine hinreichend sichere Erkenntnis nicht aus, weil wir nicht mal sicher entscheiden und wissen können, ob, wie weit und in welcher Weise sie eingeschränkt ist oder wie nahe sie an der tatsächlichen Realität ist. Man liegt sicher nicht daneben, wenn man davon ausgeht, dass sie einschränkt und filtert. Eine weitere Einschränkung findet durch die „algorithmische Kompression“, dem mathematischen Formalismus statt, bei dem „Marginalien“ unter den Tisch fallen.

Und die sinnliche Wahrnehmung ist zudem nicht zuverlässig, denn am realen Bewusstsein hängen auch meist unbewusste menschliche Projektionen: Bedürfnisse, Wünsche und Prägungen, die die Objektivität der Daten & Theorien „verwässern“, zu verfehlten Interpretationen führen und im Laufe der Theorien-Entwicklung erkannt und korrigiert werden müssen: die Geschichte der Naturforschung ist auch eine Geschichte der Rücknahme dieser Projektionen und damit einer Objektivierung der Theorien.

Wenn wir streng objektiv vorgehen wollen, dann stellt sich die Frage nach dem voraussetzungslosen, aber eben nicht konsequenzlosen Anfangszustand und es ergeben sich (außer der Asymmetrie) folgende zwei Probleme:

  1. Wenn wir allgemein nach dem Grund oder Ursache eines Ereignisses fragen, wenden wir den Kausalsatz an; damit wenden wir an, was eigentlich entwickelt werden sollte und das führt uns in den Zirkelschluss: wir setzen voraus, was begründet werden soll.
  1. Außerdem bringt der Kausalsatz uns in eine unendliche Regression, denn wir können unendlich oft die Ursprungs-Frage stellen und kommen zu keinem finalen Ergebnis. Das Problem der Letztbegründung wird durch das Münchhausen-Syndrom karikiert: Man kann sich nicht selbst an den Haaren aus einer Situation ziehen! Übersetzt: Man kann keinen Sachverhalt bzw. keine Aussage durch sich selbst begründen, wie schon Aristoteles bemerkte.

Entweder startet ein grundlegender Werdungsprozess aus einem voraussetzungslosen Anfang (wie immer der auch aussieht), oder er ist schon ewig existent, was auf das Gleiche hinausläuft. Die Ewigkeit als zeitliche Unendlichkeit wie auch die räumliche Unendlichkeit sind schwer (be-) greifbar, weshalb nur der voraussetzungslose Anfang zu betrachten übrig bleibt und wenn der nicht zu ermitteln ist, muss er postuliert werden! Gleiches gilt für den Kausalsatz.

Der Ultimative Anfangszustand

Das Kardinal-Prinzip der NaturDas Kardinal-Prinzip der NaturEinen absolut homogenen und isotropen Zustand (wie Hegel’s reines Sein) als Postulat zu setzen, ist mE. eine nicht zulässige Vor-Auswahl und schon rein statistisch extrem unwahrscheinlich – verglichen mit den unendlich vielen Möglichkeiten „inhomogener & anisotroper“ Zustände: es gibt unendlich viele Möglichkeiten eines inhomogenen Zustandes, aber nur ein einziger ist ein vollkommen rein homogener & isotroper, er ist der unwahrscheinliche Sonderfall aller möglichen Zustände.

(Hegels reines Sein ist eben die höchste Begriffs-Abstraktion: bar jeder Eigenschaft (außer der der nackten Existenz), steril und komplett impotent: es erzeugt nichts, weil kein Gradient da ist, weshalb Hegel ja auch die negative Begriffsbestimmung (das Nicht-Sein) braucht.)

Wenn wir aber nach der ontologischen Entstehung und dem Zustand der Materie fragen, ist der reine Zustand eine Idealisierung; realistischer und umfänglicher ist ein bestimmter Grad (n) an „Kontamination“, an Inhomogenität & Anisotropie und Hegels System ergäbe sich bei n = 0.

Bei n > 0 existieren lokale Fluktuationen: Ansammlungen, Unregelmäßigkeiten, Keime der Bewegung mit zunächst schwacher Virulenz. Da es ein geschlossenes einheitliches System ist, Das Kardinal-Prinzip der Naturkönnen Impulse nicht abfließen, sondern Das Kardinal-Prinzip der Naturverursachen etwas. Es entstehen Rückkopplungs-Prozesse, bei denen Größen auf sich selbst rückwirken und Interferenz-Prozesse, bei denen sich Bewegungen überlagern, Interferenzen bilden und sich aufschaukeln können, die die Fluktuationen durch Selbstverstärkung anwachsen lassen. Erreichen diese Prozesse einen bestimmten quantitativen Schwellenwert, bilden sie die Fähigkeit der Orts-Bewegung & Wechselwirkung, die zu Interaktion und Anregung und damit systemverändernd zu Evolution führt.

Der voraussetzungslose Anfangszustand ist also gekennzeichnet durch die Einheit & die Zusammengehörigkeit zweier strukturloser polarer Zustandsphasen: der homogenen und nicht-homogenen, eine Einheit von Unordnung & Ordnung, Chaos & Kosmos (oder mit Hegel: von reinem Sein und dem, was nicht das reine Sein ist, das Nicht-Sein).

In einer Axiomatik könnte das erste Axiom dann wie folgt lauten.

Axiom 1 (Postulat).

Es sei der Anfangszustand der Materie (M0) gesetzt als Einheit des Seins,

als intrinsische Zusammengehörigkeit eines homogenen Zustands (M0+)

und seiner Negation, der Fluktuation (M0)

M0 = (M0+, M0)

Axiom 1 definiert den Anfangszustand, legt die ganzheitliche systemisch-widersprüchliche Perspektive fest und fordert bei Problemstellung die Beachtung der coincidentia oppositorum und gilt nicht nur für den ultimativen Anfang, sondern entsprechend für jeden Anfang eines Prozesses, der freilich definiert werden muss.

Ist eine der Fluktuationen geeignet, irgendeinen Gradienten zu erzeugen, startet ein systemverändernder Prozess; das kann dadurch passieren, dass die Interferenz einer Fluktuation einen Schwellenwert überschreitet, die als Störung oder Anregung des Systems aufgefasst werden kann. Das System wird durch diesen Spannungszustand angeregt und destabilisiert (negiert) und es reagiert auf diese Anregung mit einer turbulenten instabilen Zwischenphase, in der es sich durch Neuorientierung an die veränderten Bedingungen strukturell anpasst. Dementsprechend könnte das zweite Axiom dann lauten:

Axiom 2 (1. Negation)

Kommt es unter oder anhand der Wirkung der Negation (Fluktuation)

zu einer Eigenschaft, die geeignet ist, einen Gradienten zu erzeugen

und damit das Gleichgewicht-System nach Axiom 1 zu stören bzw. anzuregen,

wird das System aus dem Gleichgewicht in ein Un-Gleichgewicht getrie-

ben und nimmt einen instabilen Zwischenzustand der Neu-Orientierung

& -ausrichtung an.

Axiom 2 stellt den Zusammenhang zwischen Ausgangszustand und seiner Negation, der Fluktuation, her und fragt nach dem Gradienten als der Ursache der Instabilität bzw. Veränderung.

Diese Orientierungsphasen im turbulenten Chaos können extrem kurz oder länger ausfallen, je nach Intensität und Komplexität. Bei diesen Prozessen der Negation eines Zustandes wird Energie transferiert, die in der energiereichen und deshalb instabilen Zwischenphase organisiert werden muss. Das geschieht durch Umlagerung und struktureller Neu-Orientierung und führt uns zu

Axiom 3. (2. Negation)

Es sei M die Synthese, das Seiende, als Resultat der Wechselwirkung,

in der der Gradient des aktivierten instabilen Systems durch abermalige Ne-

gation (NdN) aufgelöst und in einen neuen stabilen Gleichgewichts-Zu-

stand mit möglicher veränderter Komplexität und synergetischen neuen

Eigenschaften getrieben wird.

Axiom 3 ist die Negation der ersten Negation (NdN) und definiert einen Zustand als resultierende Synthese der vorangegangenen invasiven Störung bzw. Anregung; das involviert zugleich, dass die Synthese prinzipiell die beiden Bestimmungen seiner Konstituenten in sich trägt. Die Synthese ist der relative Abschluss dieser triadischen Basis-Dynamik der Dialektik.

Formal lässt sich dieses Grundprinzip der materiellen Bewegung wie folgt wiedergeben:

Das Kardinal-Prinzip der Natur

Der Index “0” bedeutet, dass es sich um die Anfangsbedingungen handelt, die postuliert werden, während „M“ ohne Index als Funktion (f) seiner Konstituenten die tatsächliche prinzipiell erfassbare Existenz der Materie repräsentiert, symbolisiert die Wechselwirkung der Komponenten, aus der durch Synergieprozesse mögliche neue System-Eigenschaften „E“ hervorgehen.

Das Kardinal-Prinzip der Natur

Da ja erst eine Störung das System aus dem Gleichgewicht bringt, lässt sich daraus folgern, dass ein Gleichgewicht ein bevorzugter Zustand ist, den das System nicht ohne Zwang verlässt und den es entsprechend der Anpassung „automatisch“ wieder einnimmt; während die erste Negation, die Fluktuation, etwas Kontingentes, Zufälliges an sich hat, sieht es bei der 2. Negation, der Synthese, nach einem Zwang zum Gleichgewicht, nach etwas Gesetzmäßigem, Notwendigem, aus – vor Allem, weil sich rein logisch unendlich viele mögliche Ungleichgewicht-Zustände geradezu aufdrängen.

Das konkrete Seiende M hat nun die 2. Bestimmung der Zeitlichkeit, des Gegenwärtigen an sich (das Sein hatte nur eine einzige, die der Existenz): es hat definitiv eine Ursache (der Widerspruch im Sein, Axiom 2), kann selbst zur Ursache werden, wenn es zur Wechselwirkung angeregt wird und ist damit evolvierfähig (Axiom 3) und hat – mind. der Möglichkeit nach – ein Ende. Alle Materiestücke lassen sich als Teilmenge des Seienden auffassen.

Das Produkt ist also das Resultat der zufälligen Störung und der gesetzmäßigen Verarbeitung derselben, dergestalt, dass das System energetisch gezwungen wird, durch eine erneute Negation einen Qualitätsumschlag, eine Anpassung der Struktur vorzunehmen, eigene Anteile umzulagern, fremde Anteile zu integrieren & zu konservieren; die Synthese selbst erscheint mit neuer synergetischer Eigenschaft E ausgestattet – als konkretes Seiendes (M).

Die Axiome 2 & 3 sind demnach auch keine hypothetischen Postulate mehr, sondern ergeben sich aus dem Axiom 1 und der Annahme einer einsetzenden Dynamik. Mir ist bewusst, dass diese – wahrscheinlich prinzipiell weder zu verifizierende noch zu falsifizierende – ultimative Anfangsverteilung der Protagonisten immer noch recht unbestimmt ist. Das hätte nur dann eklatante Konsequenzen, wenn ein durchgängiger strammer Determinismus vertreten würde und das Resultat der kosmischen Evolution in der A-Verteilung schon codiert vorläge.

Konsequenzen – Charakterisierung der Materie

Das in die Zeit getretene Seiende lässt sich nun der Totalität der Materie M zuordnen, so wie Materie als Teilmenge des Seienden definiert werden kann. Nach dem vorstehend Ausgeführten lässt sich „Materie“ nun durch folgende Grundsätze (die auch als Grundsätze der materialistischen Anschauung gelten können) charakterisieren:

  1. Ontologisch handelt es sich bei der Totalität der Materie um eine zusammengehörige Einheit kontrastierender Eigenschaften mit einem gemeinsamen Singularitäten-nahen Ursprung. Ihre Phänomene sind grundsätzlich Resultate mindestens diploider Verschmelzungsprozesse dialektisch-synthetischer Natur und deshalb prinzipiell mit einer Doppel-Bestimmung behaftet.
  1. Das treibende Moment eines materialen Prozesses ist der intrinsische Widerspruchs-Charakter, der durch Mechanismen der Negation seine eigene Dynamik erzeugt.
  1. Dieser Negation liegt ein Qualitätsumschlag zugrunde, der sich einstellt, wenn quantitative Änderungen einen system-spezifischen Schwellenwert überschreiten: bei der ersten Negation ist es die durch Zufall entstehende Wechselwirkung und Vertreibung aus dem Gleichgewicht, bei der zweiten (NdN) die gesetzmäßige Rückkehr des Gleichgewichts (wie energetische Verhältnisse es erzwingen) auf erweiterter Stufenleiter, da die Komplexität des Systems zunehmen kann.
  1. Durch die Unabhängigkeit von externen Quellen erweist sich die Materie als autopoietisch (selbsterzeugend & -organisierend), selbstreferentiell (selbstbezogen) und autonom (eigengesetzlich), wie die Nichtlineare Physik sie beschreibt (Systemtheorie).
  1. Strukturale Grundeinheit im Netz der Wechselwirkungen ist das Kausalitäts-Prinzip, das zu jedem Ereignis und Zustand ein auslösend wirkendes Ereignis (Ursache) fordert. Axiom 1 & 3 beziehen sich auf Zustände, Axiom 2 bezieht sich auf die Dynamik, die sie verbindet.
  1. Da die Materie sich in ihrer widersprüchlichen Selbstbewegung aus einem Singularitäten-nahen in einen hochkomplexen Zustand entwickelt hat, bildet sie dementsprechend eine zusammengehörige intrinsische Einheit.
  1. Die Bedingungen, die zu einem Widerspruch führen (zB. zufällig auftretende Fluktuationen oder Störungen von außerhalb eines Systems) sind eher kontingenter (zufälliger) Art, aber die Tendenz zum Gleichgewicht wird energetisch erzwungen, was bedeutet, dass wir im Naturgeschehen ebenfalls eine Einheit von Zufall & Notwendigkeit haben, was die enorme Vielfältigkeit & Vielgestaltigkeit der Materie plausibler macht.

Epistemologisch zwingt die Dialektik zu einer Ganzheitsbetrachtung und die Dinge aus ihrem immanenten widersprüchlichen Verhalten, aus ihrem Gradienten unter bestimmten Randbedingungen heraus zu verstehen. Versteht man den Gradienten, versteht man den Vorgang.

Dialektik ist von der Art, die auf eine einseitige Aussage antwortet: ja stimmt, da ist aber noch der andere Aspekt hinzuzufügen … eine skeptische Methode, die ihre eigene Lösung findet.

Anmerkung zum Verhältnis Dialektik und klassische Logik.

Unter der klassischen Logik versteht man ein logisches System, das die Aussagen-, die Prädikatenlogik erster oder höherer Stufe sowie im Allgemeinen den (logischen) Identitätsbegriff enthält. Eine erste Axiomatisierung eines solchen Systems hat Gottlob Frege in seiner Begriffsschrift (1879) entwickelt.

Die klassische Logik ist durch genau zwei Eigenschaften gekennzeichnet:

Jede Aussage hat nur einen einzigen von genau zwei Wahrheitswerten, meist falsch und wahr (Prinzip der Zweiwertigkeit/Bivalenzprinzip).

Der Wahrheitswert jeder zusammengesetzten Aussage ist eindeutig durch die Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen bestimmt (Prinzip der Extensionalität).“

So steht’s in Wikipedia! Hiernach sollte klar sein:

Die klassische eindimensionale Logik ist ein Regelwerk des folgerichtigen Denkens und keine Erkenntnismethode, die uns Auskunft über die tatsächliche Realität gibt.

Sie ist starrer Natur und fokussiert auf einen Zeit-Punkt, macht sozusagen eine Momentaufnahme und behauptet dann zu Recht die Unvereinbarkeit bestimmter Aussagen.

Beispiel:

Das Kardinal-Prinzip der NaturA und Nicht-A:A ist zugleich Nicht-A“

zB. „die Rose ist rot und zugleich nicht rot.“)

(Die logische Negation wird idR. mit der Verwendung von „ist nicht …“ gebildet, nicht mit „blau“.)

denn es gilt:

Das Kardinal-Prinzip der Naturnicht (A und Nicht-A): „A und Nicht-A können nicht zugleich wahr sein

(die Rose kann nicht zugleich rot und nicht rot sein).

In der klassischen Logik der Aussagen (in Subjekt-Objekt-Relationen) geht es um „sichere Wahrheit dieser Aussagen“, da ist der Widerspruch ein apodiktischer: das Wort „nicht“ hat die Bedeutung apodiktisch etwas zum Verschwinden zu bringen, auszuschließen.

In der Dialektik geht es um adäquate, korrelierte Abbildung von Tatsachen und man spricht davon, dass bipolare Systeme sich selbst identisch und zugleich nicht identisch sind, da sie grundsätzlich aus einem Gradienten hervorgehen und den Widerspruch, die Tendenz bzw. die Möglichkeit zur Änderung, immanent in sich tragen.

Beim dialektischen Widerspruch handelt es sich nicht um die rigorose Entfernung eines Teils eines Systems, aber der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch wird nicht verletzt, sondern behält auch in der Dialektik seine Gültigkeit. Falsche Aussagen sind auch in der Dialektik falsch!

Das Kardinal-Prinzip der NaturDie Dialektik kann als eine 3-dimensionale Methodik und als das „Prinzip der Materie“ schlechthin aufgefasst werden; sie ist wesentlich dynamischer Natur, ein Prinzip des Werdens.

Die e i n e Dimension stellen die zwei Pole dar, die z w e i t e den vorwärtstreibenden Widerspruch unter gegebenen Bedingungen und die d r i t t e kennzeichnet die unterschiedlichen Ebenen der Aufwärtsentwicklung (Synthesen) zu höherer Komplexität.

Sie fokussiert nicht starr auf einen Zeitpunkt, sondern betrachtet das raumzeitliche zusammenhängende komplexe Ganze als permanente Bewegung & Veränderung: steter Wechsel von Gleichgewichts- & Ungleichgewichts-Zuständen infolge ihrer eigenen Widersprüchlichkeit. In der Dialektik hat das Wort „nicht“ keinen vernichtenden Charakter oder keine ausschließende Funktion: in der Identität von Sein und Nicht-Sein repräsentiert es das, was über ein (analytisch betrachtet) isoliertes Sein hinausgeht und zu ihm in Opposition, im Widerspruch steht; es macht den Unterschied, das Anders-Sein, das aber dennoch zum Sein dazugehört und, wenn es virulent wird, dieses in seiner absoluten Bedeutung negiert und in letzter Konsequenz verändert und entwickelt.

In der gedanklichen Reproduktion natürlicher Verhältnisse verbietet die klassische Logik als Denkregel einen Widerspruch, in der Dialektik dient der die Bewegung erzeugende Widerspruch geradezu als Existenz-Bedingung der Materie, weil sonst die Eigendynamik eines Systems nicht beschrieben und verstanden werden kann. Hier finde ich allerdings den Begriff „Gradient“ angebrachter, da er auch in den Naturwissenschaften und der Mathematik gebräuchlich ist.

Bezug zum derzeitigen physikalischen Sachstand

M.E. unterstützt die Entwicklung des physikalischen Weltbildes die Plausibilität obiger Ausführungen:

Die Entwicklung einer Theorie erfolgt stets über einen eigenen zB. experimentellen Widerspruch, oder einen Widerspruch der Vorgängerin (zB. der Widerspruch zwischen Mechanik und Elektrodynamik, dessen Lösung zur SRT führte oder die „anormale“ Perihel-Bewegung des Merkur in der Newtonschen Mechanik, die in der ART erledigt wurde).

Das Aktivierungsprinzip findet sich manifest im chemischen Formalismus wieder, aber auch im Grundgesetz der Mechanik, wenn erst die Trägheit überwunden werden muss, um ein Kfz in Bewegung zu bringen.

Dass Gleichgewichtskonzept ist Thema der Thermodynamik, auch weitab vom Gleichgewicht (Ilya Prigogine).

Thematisch beherrscht die Quantenmechanik die elektrodynamischen Quantenfelder, kennt aber die Gravitation nicht – die Relativitätstheorie beherrscht die Gravitation und ihre räumliche Struktur, kennt aber keine Quanten; die Vereinigung dieser beiden Grundlagen-Theorien verbindet die quantenhafte poröse Struktur des materiellen Raumes mit der Verteilung der aus ihm gebildeten Materie-Objekte (als eine Interpretations-Variante). Die Wechselwirkung der Quantenobjekte (Moleküle und kleiner) ist elektrodynamischer Art, die großräumigen kosmischen Strukturen Sache der Gravitation.

Dann wäre der beschriebene ultimative Anfangszustand von der Art einer „quantisierten Riemann‘schen Mannigfaltigkeit,“ die die Möglichkeit der Materie-Produktion in sich selbst trägt. Als Inhomogenitäten erweisen sich Quantenfeld-Prozesse, Fluktuationen, Dichteschwankungen, Impulse, Interferenzen, etc.

Zusätzlich bestätigen die Nichtlinearen Theorien (System- & Chaos-Theorie, ua.) die Fähigkeit der Materie zur Selbstorganisation gerade auch im Hinblick auf Asymmetrien; sie sind es, die ein System letztendlich in einen innovativen Prozess führen.

Die philosophische Konsequenz

Der Vorteil der Dialektik liegt mE. wegen des System- & Einheitsgebotes bei ihrer relativen Geschlossenheit mit implementierter Eigen-Dynamik in Form Gradienten-induzierter Bewegungs- & Prozessfähigkeit auf der Hand. Sie ist die adäquate, weil plausibelste Methode einer zu re-konstruierenden Ontologie. Die dialektische Auffassung der Widersprüchlichkeit als Prozess-Treiber ist ausnahmslos in allen dynamischen Bereichen & Systemen zu finden, von der physikalischen bis in die psychologisch-mentale Ebene.

Obige Ausführungen dienen ebenfalls als Begründung und Charakterisierung eines Materialismus, dessen Maxime u.a. besteht darin, das Natur & Kosmos existieren, weil die Materie in sich widersprüchlich und zur Gradientenbildung & Wechselwirkung befähigt ist; diese Materie schafft ihre eigene Realität und die Beschaffenheit der Realität ist eine Funktion der Materie so, wie die Bedingungen der Realität die Bewegungsform der Materie (mit-) bestimmen.

Der Unterschied zwischen einer dialektischen und einer nicht-dialektischen Perspektive ist u.a. folgender: es lässt sich historisch-genealogisch zeigen, dass in der Bewertung/Beurteilung hins. in Rede stehender Themen von Nicht-Dialektikern oft einseitig verabsolutiert wird: entweder freier Wille oder nicht, entweder vererbt oder sozialisiert, entweder Teilchen oder Welle, entweder Raum oder Materie, etc.. Das „entweder … oder“ wird in der Dialektik ersetzt durch eine „sowohl … alsauch“-Konstruktion, die aus dem 1. Axiom folgt und dementsprechend eine Ganzheitsbetrachtung erfordert. Beim Thema „Teilchen oder Welle“ tritt dann kein separierender Dualismus auf (den es in einer Einheitlichkeit garnicht geben kann), sondern die vereinigende Dialektik: Quanten sind dann eine Einheit von Teilchen- & Wellen-Eigenschaften. Wenn man noch hinzunimmt, dass der elektrodynamische Feld-Charakter der Materie in den Tiefen des Mikrokosmos über den Teilchencharakter überwiegt und Elektronen dann eben nicht mehr als ponderable Kügelchen aufgefasst werden können, sondern als elastische Mikro-Felder (ähnlich dem Wellenpaket Schrödingers), hätten wir ein paar Deutungsprobleme weniger. Allerdings müsste es sich in einer Forderung der Modifikation der Schrödinger-Gleichung manifestieren, ähnlich wie D. Bohm es vorgeschlagen hat.

Der Kosmos, um zum anderen Weltpol zu kommen, in dem wir leben, ist o.a. Ausführungen nach mit hoher Wahrscheinlichkeit das Resultat eines Ereignisses in einem übergeordneten System, das wiederum Teil eines überübergeordneten Systems ist, usw. bis zum beschriebenen (genauer: postulierten) Ultimativen Anfangszustand, der freilich noch unverstanden ist.

Das und die Einheit der Welt ergibt sich folgerichtig aus der Allgemeinen Relativitätstheorie, dass der Kosmos zwar nicht in einer Singularität (denn sie ist lediglich eine mathematische Fiktion), aber nahe einer Singularität (Bojowald) entstanden ist und vermutlich als Photonen-Feld extrem komprimiert war (dieser Bereich der Singularität liegt nicht mehr im Definitionsbereich der ART, womit eine Gültigkeitsgrenze definiert wird).

Laut kosmologischer Theorie sind durch die Expansion resp. Abkühlung der Photonen nacheinander an bestimmten Schwellenwerten zunächst die Fundamentalteilchen (Quarks etc.) dann die Elementarteilchen (Protonen, Neutronen, Elektronen) „ausgefroren“, welche sich zum Atom des kosmisch-chemischen Primär-Stoffs, dem Wasserstoff, konstituieren (alle anderen 91 natürlichen chemischen Elemente sind formal Vielfache und Abkömmlinge des Wasserstoffs mit ein paar zusätzlichen Neutronen für die Stabilität).

Die Objekte des Kosmos – Galaxien, Sterne, Planeten, Menschen – die aus diesen Atomen bestehen, sind demnach keine Objekte, die einem Raum hinzugefügt (woher auch?), sondern aus der Raum-Materie des Kosmos von diesem selbst gebildet werden. Sie bewegen sich nicht in einem räumlichen Behälter, sie sind der Behälter incl. Inhalt selbst; sie pflanzen sich physikalisch fort wie Licht im elektrodynamischen Feld (ist es ja doch auch verdichtetes „stehendes Licht“ (Sallhofer), was nicht wirklich verwundert, da sie doch das Resultat von Initial-Fluktuationen des Anfangszustandes sind.

Diese mittlerweile im Prinzip unbestrittene Tatsache zwingt uns die einheitliche Sichtweise geradezu auf!

Materie in Form der ponderablen Masse kann somit als hochverdichteter Raum mit immer höherer Komplexität gedeutet werden – der Mensch ist hochverdichtete und hochorganisierte kosmische Materie; wir sind der verdichtete kosmische Raum selbst und die Einheit und Zusammengehörigkeit der kosmischen Materie ist physikalisch real.

Einsteins Feldgleichung Das Kardinal-Prinzip der Naturkann rein formal wie folgt gedeutet werden:

(Rμν: Ricchi-Krümmungs-Tensor, gμν: metrischer Tensor; R: Ricchi-(Krümmungs-) Skalar; (beinhaltet die) Gravit.-Konstante); Tμν: Materie-Tensor (repräsentiert alle Materieformen (Teilchen & nicht-gravitativen Felder)

a.) Setzt man den Materietensor Tμν = 0 (entfernt theoretisch alle Materie aus dem Kosmos), ergibt sich: . Es existiert also immer noch so etwas wie ein metrisches Feld unabhängig von Materie (s. Vakuumlösungen der ART).

b.) Setzt man das metrische Feld gμν = 0 (entfernt theoretisch alle Trägheitskräfte), ergibt sich: . Es bleibt die Materie, freilich ohne Schwerkraft.

Das kann bedeuten: die Riemannsche Mannigfaltigkeit in der ART ist möglicherweise die große Klammer innerhalb der sie sich sowohl als kontinuierliches metrisches Feld (der „Raum“) alsauch als diskrete Objekte (massebehaftete ponderable Materie) manifestiert, geklammert von den Extremen a) und b).

Einen Sinn lässt sich freilich nicht finden (das ist Sache des Menschen, wenn er einen braucht).

Es ist ein permanentes Kommen & Gehen, Entstehen & Vergehen, nichts hat Bestand, wenn wir der Expansionstheorie und dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik glauben dürfen. Doch bevor unser Kosmos durch unendliche Verdünnung oder Wärmetod ein Schattendasein im Hades fristet, wird er in sein übergeordnetes (oder ein untergeordnetes) System übergehen – doch das ist spekulativ, wenn auch nicht unwahrscheinlich.

Damit halte ich im Resultat die Frage „Sind materieller Kosmos und menschlicher Geist inkompatibel?“ für beantwortet und es ist absolut faszinierend, wozu die Materie in der Lage ist, wenn sie in ihrer Phänomenologie das Stadium der extrem komplexen Organisation eines Gehirns (nicht nur des Menschen) erreicht hat.

Das bedeutet letztendlich aber auch, dass „transzendente Kräfte, Gott & Seele“ nicht wirklich Bestandteil der Wirklichkeit sein können, wohl aber das „mentale Denken als Bewegungsform des Gehirns“.

Und wenn wir Menschen oder fremde Aliens über den Kosmos, seine Entstehung und Struktur, nachdenken, ist es – ganz unesoterisch – so, als würde der Kosmos sich durch sein eigenes Erzeugnis über sich selbst klarzuwerden versuchen. Was das zu bedeuten hat, ist das eigentliche Geheimnis und noch ein Mysterium. Und da wir in dieser Hinsicht mit Sicherheit nicht das Endprodukt der kosmischen Entwicklung sind, wäre es aus meiner Sicht extrem spannend, zu erfahren, wie der nächste Sprung der Evolution, der sich bestimmt schon längst irgendwo im Kosmos ereignet hat, aussehen könnte …

Einleitung: Dirk Boucsein, Text: Jürgen Uphoff

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Heinz Luediger
Heinz Luediger
13 Tage zuvor

Hallo Jürgen,

Meine Kritik, vorläufig en gros:

eine mit Verlaub unkritische ‚Theorie‘, die das Wollen in 68er-Manier über das Denken stellt und entsprechend den materialistisch-postmodernen (d.h. desolaten) Status Quo der Wissenschaft feiert. Aus der ‘Theorie‘ fließt Absolut nichts und schon gar nicht ist sie erhellend, richtungsweisend oder anwendbar. ‚Hegel‘ und ‚Phänomenologie‘ stehen auf dem Etikett, drin ist alles von Marx bis Deleuze.

Hegel hingegen: „Nur das Ganze ist die Wahrheit“! Aber nichts fürchtet der materialistische Monismus mehr als das Ganze, weil er es prinzipiell nicht abbilden kann. Eher spricht er Einhörnern Existenz zu, als sich um Kontext, Kohärenz und Sinn zu sorgen.

Heinz

Jürgen
Jürgen
13 Tage zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz,
es ist mir offensichtlich nicht gelungen, die Dialektik etwas populärer zu machen … Deinem Verriss kann ich aber nicht entnehmen, warum nicht. Kannst du etwas Näheres dazu sagen?

Heinz Luediger
Heinz Luediger
4 Tage zuvor
Reply to  Jürgen

Hallo Jürgen,

leicht verspätet…

Ich sehe Deinen Beitrag als R e c h t f e r t i g u n g des wissenschaftlichen Status Quo (bzw. der sich ständig verschärfenden Widersprüchlichkeit der Moderne allgemein). Das ist legitim, philosophisch aber weder überzeugend noch sehr interessant:

…weil Du im Titel und in der Herleitung Begriffe/Autoritäten aufrufst (Dialektik, Phänomenologie, Hegel), die für das Gegenteil einer materiell-prozessualen Interpretation der Dialektik stehen, in die Dein Beitrag aber letztlich mündet. Platons Dialektik besteht in der Entwicklung eines Gesprächsgegenstands zwischen zwei Personen im Dialog. Hegels Dialektik beschreibt die Entwicklung von Begriffen im Kontext der Seins/Nichts Identität mit der Randbedingung der Aufhebung. Die besagt, daß Wissen kumulativ, nicht episodisch-revolutionär ist. In Hegels Selbstbewegung des Wissens bewegt sich außer Begriffen und Einsichten gar nichts. Phänomenologie, schließlich, ist die philosophische Strömung, die den Erkenntnisfortschritt aus den unmittelbaren Erscheinungen herleitet. Dieses Prinzip erscheint bei Dir invertiert, insofern als das episodisch-revolutionäre Entwicklungsprinzip der Materie, das Du unterstellst, erst zu den Erscheinungen führt. 

…weil Deine ‚Dialektik‘ im postmodernen „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ operiert und damit zutiefst unkritisch gegen sich selbst ist. Die existenzielle Krise des Westens hat ihren Ursprung sozusagen in Pipi Langstrumpf.

…weil Deine Axiomatik alles andere als voraussetzungsfrei ist. Schon in Deinem ersten Axiom taucht ein halbes Dutzend erklärungsbedürftiger Begriffe auf: Anfangszustand, Materie, Einheit, Homogenität, Zusammengehörigkeit, Fluktuation. Warum steht der Materie statt Fluktuation nicht das Feld gegenüber, das Universum, Gaia, Donald Duck oder der Geist (mind)? Und in den folgenden Axiomen treten unvermittelt weitere Begriffe hinzu (Eigenschaft, Gradient, etc.), so daß sich insgesamt mehr Fragen als Antworten ergeben. Alles verschwindet in mildtätiger Komplexität.

Daher meine Fundamentalkritik: Zeige mir Deine Axiomatik und ich sage Dir was Du beweisen willst! (petitio principii)

Gruß,
Heinz

P.S. Nachdem, wie Du vorschlägst, der Sinn (der m.E. in der Struktur des Denkens liegt, d.h. in den Sinnen) bestenfalls optional ist („für den der ihn braucht“), bin ich aus einer solchen sinn-losen Diskussion raus.

Jürgen
Jürgen
4 Tage zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz,
dein zweiter Kommentar ist etwas gehaltvoller, du schreibst:

P.S. Nachdem, wie Du vorschlägst, der Sinn (der m.E. in der Struktur des Denkens liegt, d.h. in den Sinnen) bestenfalls optional ist („für den der ihn braucht“), bin ich aus einer solchen sinn-losen Diskussion raus.“

Das ist schade! Vor Allem, weil du dir selbst von hinten ins Bein schießt. Du interpretierst die meisten meiner Aussagen falsch und ziehst dann den Schwanz ein, weil dir deine eigenen Schlussfolgerungen nicht gefallen, statt mal nachzufragen.

zB.: Der fehlende „Sinn“ oder die fehlende „Sinnhaftigkeit“ bezieht sich auf die Ereignisse in der Natur, nicht auf eine Diskussion darüber.

zB.: Mein Beitrag ist keineR e c h t f e r t i g u n g des wissenschaftlichen Status Quo (bzw. der sich ständig verschärfenden Widersprüchlichkeit der Moderne allgemein!
Er ist der Versuch, eine dialektische Sichtweise zu begründen, weil sie in der wissenschaftlichen Philosophie völlig unterrepräsentiert ist!

zB. schreibst du: „…weil Du im Titel und in der Herleitung Begriffe/Autoritäten aufrufst (Dialektik, Phänomenologie, Hegel), die für das Gegenteil einer materiell-prozessualen Interpretation der Dialektik stehen, in die Dein Beitrag aber letztlich mündet.“

Mein Beitrag mündet in:
Damit halte ich im Resultat die Frage „Sind materieller Kosmos und menschlicher Geist inkompatibel?“ für beantwortet und es ist absolut faszinierend, wozu die Materie in der Lage ist, wenn sie in ihrer Phänomenologie das Stadium der extrem komplexen Organisation eines Gehirns (nicht nur des Menschen) erreicht hat. Das bedeutet letztendlich aber auch, dass „transzendente Kräfte, Gott & Seele“ nicht wirklich Bestandteil der Wirklichkeit sein können, wohl aber das „mentale Denken als Bewegungsform des Gehirns“.
Materialistischer kann man gar nicht sein, finde ich.

zB.: Der Begriff „Phänomenologie“ bezeichnet in Hegels Titel die „Lehre von den Erscheinungsformen des Geistes“! Dagegen setze ich die reale „Phänomenologie der Materie“, wie sie von der Wissenschaft beschrieben wird.

zB. schreibst du: „…weil Deine ‚Dialektik‘ im postmodernen „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ operiert und damit zutiefst unkritisch gegen sich selbst ist. Die existenzielle Krise des Westens hat ihren Ursprung sozusagen in Pipi Langstrumpf.“
Das ist keine Kritik mehr, sondern verkennende Abwertung!

Heinz! Du hast offensichtlich einen scharfen Verstand, der aber leider durch deinen aggressiven Unterton verwässert und unglaubwürdig wirkt. Sollte ich dich irgendwann gekränkt haben, so war das ganz sicher nicht meine Absicht. Warum versuchst du nicht erstmal zu verstehen und nennst dann ganz kooperativ & sachlich die deiner Meinung nach kritischen Punkte?

LG/Jürgen

Bernd Stein
Bernd Stein
5 Tage zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Also Heinz, übertreib hier mal nicht. „Nur das Ganze ist die Wahrheit“, das ist ein Floskel, denn das Ganze gibt es nicht, es sei denn als Gegensatz zum Einzelnen, und dann ist es nicht mehr das Ganze, sondern nur noch Teil. Also begebe Dich in die Niederungen des Diskurses und ziege, das Du analytisch klar und stringent argumentieren kannst.
Grüße Bernd

Bernd Stein
Bernd Stein
5 Tage zuvor

Hallo Jürgen,

zuächst großen Respekt für Deinen Beitrag! Eine so konzentrierte und vereinheitlichte Darstellung von dem, was unter äußerer (geistunabhängiger) Welt aus naturwissenschaftlicher Sicht verstanden werden kann, ist wohl selten zu finden (bin allerdings nicht sehr belesen).

Du schilderst Deine Sicht auf die Welt, und die geht ins Grundsätzliche und ich denke, das muss auch so sein, und ich finde das sehr gut. Das ist eine naturwissenschaftliche Sicht, mit Vielem bin ich einverstanden, mit Manchem und mit einigem Wesentlichen nicht.

Mit Deiner Sicht, dass die Welt nur bipolar verstanden werden kann, bin ich voll und ganz auf Deiner Seite.

Man muss da aber aufpassen. Bipolarität kann man auch falsch verstehen, das falsche Verständnis führt dann zu Widersprüchen (Das was ist, läßt sich dann nicht mehr logisch beschreiben). Ein Beispiel: Einheit und Gesamtheit ist keine Bipolarität, wenn sich Gesamtheit auf die Summe vom Einheiten reduzieren lässt. Erst Einheit und Ganzheit sind bipolare Entitäten, wenn Ganzheit keine individuierbaren Einheiten mehr enthält (Einzelnes und Nicht-Einzelnes sind dialektische Gegensätze).

Physikalisches Beispiel: wohlbestimmte Teilchen und verschränkte Teilchen. Das ist eine physikalische Bipolarität, aber die ist nun mal naturwissenschaftlich nicht verstanden. Man muss also als Naturwissenschaftler aufpassen, wenn man Bipolarität in der Form dialektischer Gegensätze zur Grundlage der Welt erklärt. Ich bin voll bei Dir, wenn Du sagst, es gibt eine Dialektik in der Natur, die die Grundlage aller Dynamik ist. Aber das ist eine Dialektik, die erklärt werden muss, und das schafft die Naturwissenschaft – wie ich meine – nicht. Insofern sind zum Beispiel der Welle-Teilchen-Dualismus keine dialektischen Gegensätze, dieser Dualismus lässt sich nicht so erklären oder einbinden in das Weltbild, wie Du es darstellst.

Von daher übe ich auch Kritik, aber natürlich nicht an der Gesamtschau, die Du wunderbar zeichnest.

Aber – natülich sidn wir hier, um konstruktive Kritik zu übene – diese Zeichnung ist eine Sicht, die das Realitätsverständnis des Naturwissenschaftlers nicht in Frage stellt. Aus diesem Verständnis heraus, kann man die Welt so sehen, wie Du schreibst. Aber man könnte, aus diesem Verständnis der Natur, und der Dialektik in der Natur, auch bestimmte Probleme bekommen, die unüberwindbar sind. Das könne wir gerne in der weiteren Diskussion herausarbeiten.

Zum Beispiel am Begriff des Gradienten, etwas, was Du als physikalische Gegebenheit postuliert. Es gibt Gegenstände, die sind da, aber die bilden einzeln und als Gesamtheiten nie einen Gradienten aus, die aber – wie gesagt – massenweise vorhanden sind, mit einer Dynamik, die nicht durch Gradienten hervorgerufen wird. Was ist die Grundlage deren Dynamik? Und worin besteht die Dialektik dieser Materieform? Gemeint ist die Strahlung, die den Kosmos ausfüllt und uns erst das Überleben ermöglicht hat (die uns zu einem Wechselwirkungspartner mit dem Rest des Universums macht). Ein seltsames Medium, das sich – obwohl wir damit wechselwirken – jeder ontologischen Erkenntnis entzieht. Diese Dynamik, die eine andere als die Gradientendynamik ist, darfst Du zum Beispiel aus der Gesamtschau nicht ausblenden.Ich finde Sie aber dort nicht.

Grüße Bernd

Jürgen
Jürgen
5 Tage zuvor
Reply to  Bernd Stein

Hallo Bernd,

vielen Dank für deine konstruktive Kritik.

Du schreibst:
Man muss da aber aufpassen. Bipolarität kann man auch falsch verstehen, das falsche Verständnis führt dann zu Widersprüchen (Das was ist, läßt sich dann nicht mehr logisch beschreiben). Ein Beispiel: Einheit und Gesamtheit ist keine Bipolarität, wenn sich Gesamtheit auf die Summe vom Einheiten reduzieren lässt. Erst Einheit und Ganzheit sind bipolare Entitäten, wenn Ganzheit keine individuierbaren Einheiten mehr enthält (Einzelnes und Nicht-Einzelnes sind dialektische Gegensätze).

Ein valider Einwand! Nach welchem Kriterium sind Entitäten dialektische Bipolaritäten? Ich bin mir nicht sicher, ob man das a priori bestimmen kann. Sie ergeben sich aus der Biographie des Prozesses.
Aber mal sehen, ob ich es verstanden habe. Beispiel: Doppelspalt im Single-Modus (nur je 1 Teilchen zu einem Zeitpunkt); nach hinreichend vielen Durchgängen entsteht das Interferenzmuster; ein Punkt ist die Einheit, alle Punkte in der Anordnung (Ordnungsparameter) sind die Gesamtheit, sind das Muster, das sich aber nicht auf die Summe der Einheiten reduzieren lässt: nach deiner Definition bipolar. Ein Versuch ganz ohne Spalten ergäbe eine rein zufällige Verteilung der Aufschlagpunkte (kein Ordnungsparameter), wo das Ganze nicht mehr ist als die Summe seiner Teile: nicht bipolar. Insofern kann ein und dasselbe Paar (hier: Einheit & Gesamtheit) sowohl bipolar alsauch nicht bipolar (also keine dialektische Komponente) sein.
Vielleicht kann man allgemein sagen, dass ein dialektisches Paar dann vorliegt, wenn es einen parametrisierten Bezug zwischen ihnen gibt.

Aber das ist eine Dialektik, die erklärt werden muss, und das schafft die Naturwissenschaft – wie ich meine – nicht. Insofern sind zum Beispiel der Welle-Teilchen-Dualismus keine dialektischen Gegensätze, dieser Dualismus lässt sich nicht so erklären oder einbinden in das Weltbild, wie Du es darstellst.

Richtig, das ist auch die Aufgabe der Philosophie. Aber wenn die Natur grundsätzlich dialektisch funktioniert, dann haben Quanten grundsätzlich die Doppelbestimmung an sich, sowohl Welle alsauch Teilchen zu sein – dann sind sie ein dialektisches Paar. Das sind sie per sé – auch makroskopisch, eben weil sie aus Feldern bestehen, die auch Teilchencharakter zeigen, nur unterdrückt die Dekohärenz den Feldcharakter einer Kanonenkugel.
Der Dualismus ergibt sich doch nur aus der Unzulänglichkeit der Schrödinger-Gleichung – daraus, dass zwischen Schrödinger und von-Neumann, zwischen unitär und nicht-unitär, zwischen Wahrscheinlichkeit und Sicherheit  der Heisenberg-Cut gelegt und krass getrennt wird. Ich denke, dass, wenn an einer Stelle in einer Theorie ein Dualismus auftaucht, mit der Theorie an der Stelle etwas nicht stimmen kann (wie beim Unendlichkeitszeichen)! Ein Dualismus widerspricht dem Einheitsgedanken.

Aber man könnte, aus diesem Verständnis der Natur, und der Dialektik in der Natur, auch bestimmte Probleme bekommen, die unüberwindbar sind. Das könne wir gerne in der weiteren Diskussion herausarbeiten.

Daran hätte ich schon Interesse!

Zum Beispiel am Begriff des Gradienten, etwas, was Du als physikalische Gegebenheit postuliert. Es gibt Gegenstände, die sind da, aber die bilden einzeln und als Gesamtheiten nie einen Gradienten aus, die aber – wie gesagt – massenweise vorhanden sind, mit einer Dynamik, die nicht durch Gradienten hervorgerufen wird. Was ist die Grundlage deren Dynamik?

Da triffst du einen wunden Punkt! Mit dem Begriff war ich auch nicht ganz im Reinen!

Von daher übe ich auch Kritik,
Und das ganz hervorragend!

LG/Jürgen

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
4 Tage zuvor
Reply to  Jürgen

Hallo Jürgen,

Hegel verwendet statt des Begriffs Bipolarität den Begriff Gegensatz, und bezeichnet diesen als logische Bestimmung des Wesens einer Sache. Isolierten Gegenständen kommt keine Bestimmung zu, sie sind immer nur im Verhältnis zu ihrem Gegensatz bestimmt.

In der Physik sind meso- und makroskopischen Gegenstände wohlbestimmt (auch in ihrem Verhältnis zu einem Gegensatz), aber die atomaren und subatomaren Gegenstände sind nicht wohlbestimmt. Auf keinen Fall sind Quantenobjekte wohlbestimmt, weder an sich, noch im Verhältnis zu irgendeinem Gegensatz. Den Begriff Bipolarität kann man daher keinesfalls auf Quantenobjekte anwenden, erst Recht nicht auf die, denen man Wellen- und Teilcheneigenschaften zuordnen kann. Teilchen und Wellen sind lediglich unterschiedliche und keine gegensätzlichen Gegenstandskategorien, und die Zuordnung von Wellen- und Teilcheneigenschaften zur Wesensbestimmung, je nach Umgebung, ist ein Kategorienfehler. Wie ich schon sagte: die Physik kann die Welt nicht konsistent beschreiben. Daher ist die rein naturwissenschaftliche Weltsicht mit vielen Problemen behaftet, und gerät an vielen Stellen in Erklärungsnot.

Ich glaube, dass in der Physik die Bipolarität der abstrakte Begriff für ein Verhältnis (Relation) ist, aber nicht jede Relation ist bipolar, daher ist der Begriff Bipolarität genauso wie der Begriff „Gegensatz“ nicht auf alle physikalischen Systeme anwendbar, erst recht nicht auf komplexe Systeme.

ich denke, nicht die Bipolarität bestimmt das Sein, sondern die Relation, also das was die Gegensätze verbindet, im Verein mit den Gegensätzen (als Zweiheit in der Einheit). Das bildet die Grundstruktur. Aber auch das ist angreifbar, weil das physikalische Feld darin keinen Platz hat – es sei denn, das Feld ist nur der Begriff für die physikalische Verschränkung (entanglement) genau dieser Grundstruktur.

Grüße Bernd

Jürgen
Jürgen
3 Tage zuvor

Hallo Bernd,

„Den Begriff Bipolarität kann man daher keinesfalls auf Quantenobjekte anwenden,“

Warum nicht? Wenn wir davon ausgehen, dass die Natur dialektisch arbeitet – und da scheinen wir uns ja einig zu sein – dann haben Quantenobjekte diese Doppelbestimmung von Teilchen & Wellencharakter intrinsisch an sich. Das ist ja auch experimentell Fakt. Es ist nur die Frage der Interpretation, ob Dualismus oder Dialektik. (Bohr fühlte sich zum Dualismus genötigt, weil er zwischen Mikro-Quanten- und Makrosystem unterschied, was in einer einheitlichen Theorie inkonsistent ist). Wenn man noch den Hinweis hinzunimmt, dass der Feldcharakter mit abnehmendem Radius  der Objekte gegenüber dem Teilchencharakter zunimmt, dann verlieren die Quanten auch ihre Mysteriösität und ihr Verhalten wird plausibler!
Was spricht gegen diese Überlegung?

Teilchen und Wellen sind lediglich unterschiedliche und keine gegensätzlichen Gegenstandskategorien, und die Zuordnung von Wellen- und Teilcheneigenschaften zur Wesensbestimmung, je nach Umgebung, ist ein Kategorienfehler.“

Mag sein, aber man stellt diese Eigenschaften aber nunmal fest! Wir haben einen bestimmten Zustand vor der Messung (Schrödinger-Gleichung, Wellencharakter) und einen davon unterschiedlichen Zustand nach der Messung (von-Neumann, Teilchencharakter). Analog im real life vor und nach einer Wechselwirkung.

Die Dialektik fordert aber den organischen Zusammenhang, der wird von der KI nicht geleistet; also muss ein Formalismus her, der genau das tut: das wird annähernd von Bohm geleistet.

Ich finde, an diesem Beispiel wird klar, wie fruchtbar es sein kann, zusätzlich mit übergeordneten philosophischen Prinzipien zu arbeiten: Physik & Mathematik versagen hier, weil anhand von Rechnungen & Resultaten nicht zwischen KI, DBB und VWI entschieden werden kann, welche Theorie uns ein korrektes Abbild der Wirklichkeit verschafft. Das dialektische Prinzip fordert nun einen Formalismus, der den gesamten Vorgang konsistent & transparent beschreibt und man sollte mE. der DBB mehr Beachtung schenken oder auch nicht aufhören, nach der Vervollständigung oder Revision der Schrödinger-Gleichung zu suchen.
Oder findest du den derzeitigen Zustand philosophisch befriedigend?

„ich denke, nicht die Bipolarität bestimmt das Sein, sondern die Relation, also das was die Gegensätze verbindet, im Verein mit den Gegensätzen (als Zweiheit in der Einheit).“

Da stimmen wir eigentlich überein; das Essentielle ist die Beziehung zwischen den Objekten, sind nicht die Objekte selbst; sie sind notwendig, aber nicht hinreichend. Und hier hat der Begriff „Gradient“ doch seine Relevanz und behält seine Schlüsselfunktion: solange es zwischen Systemen und Objekten keinen graduellen Unterschied gibt (Gleichgewicht herrscht), solange passiert auch nichts, erst wenn eine Störung/Anregung das System aus dem Gleichgewicht bringt (einen Gradienten etabliert), geht’s weiter. Der Gleichgewichts-Zustand scheint ein Attraktor zu sein, auf den hin Systeme evolvieren.

LG/Jürgen

Dirk! Warum löst die Dialektik das Dualismus-Problem angeblich nicht?

Dirk Boucsein
Dirk Boucsein
23 Stunden zuvor
Reply to  Jürgen

Hi Jürgen,

sorry, dass ich mich erst jetzt melde, aber ich habe momentan beruflich sehr viel „um die Ohren“.

Ich weiß jetzt allerdings nicht genau, worauf Du Dich mit Deiner Frage beziehst, auf einen bestimmten Essay oder im Allgemeinen?

Um nur ganz kurz zu antworten, wenn die Frage in eine allgemeine, methodische Richtuing läuft. Weil die Dialektik aus meiner Sicht den Dualismus nicht überwindet, sondern nutzt; selbst wenn sie im Hegelschen Sinne eine Synthese anstrebt.

Wenn ich dies in ein Bild bringen darf. Meines Erachtens arbeitet die dialektische Methodik, wie eine „Papierschere“, die immer an den „dualistischen Kanten“ „schnippselt“, um sie dann wieder neu „zusammenzukleben“.

Aus diesem Grunde muss sie zwingendermaßen reduktionistisch arbeiten. Für Phänomene in der Quantentheorie, aber auch in der Bewusstseinsforschung halte ich einen holistischen Ansatz für zielführender, wie er zum Beispiel in der transklassichen Logik von Gotthard Günther der „Polykontexturalität“ und der damit verbundenen Kenogrammatik verwendet wird.

Um dies wieder in ein Bild zu bringen. Wir brauchen ein „Neues Denken“, das gleich einem „Bällchenjongleur“ mehrere Bälle gleichzeitig werfen und berechnen kann, da es um eine „Prozessontologie“ und nicht um statischen Relationen geht.

Ich weiß nicht, ob das Deine Frage beantwortet und ich weiß auch nicht, ob das so in aller Kürze rübergekommen ist, was ich sagen wollte. Wenn ich wieder ein bisschen mehr Zeit habe, spiele ich natürlich wieder weiter mit. Ob mit „Papierschere“ oder „Bällchen“ ist mir gleich ;-). Von mir aus auch nochmal bei einem Treffen in Münster.

Liebe Grüße
Dirk

Bernd Stein
Bernd Stein
21 Stunden zuvor
Reply to  Jürgen

Hi Jürgen,

Du schreibst:

„… dann haben Quantenobjekte diese Doppelbestimmung von Teilchen & Wellencharakter intrinsisch an sich. Das ist ja auch experimentell Fakt.“
 
„… aber man stellt diese Eigenschaften aber nunmal fest! Wir haben einen bestimmten Zustand vor der Messung (Schrödinger-Gleichung, Wellencharakter) und einen davon unterschiedlichen Zustand nach der Messung (von-Neumann, Teilchencharakter). Analog im real life vor und nach einer Wechselwirkung.“
 
Beides ist nicht richtig. Quantenobjekte haben diese Bestimmung intrinsisch nicht und es gibt auch keinen experimentellen Nachweis dafür. Die Quantentheorie verweist nicht darauf, wie die Objekte sind, sondern wie sie in Experimenten erscheinen, und da propagieren Quantenobjekte scheinbar einmal wie ein Teilchen und ein andermal wie Wellen, aber dass sie Teilchen wären oder manchmal Wellen ist lediglich eine aus der Not geborene Deutung der Mathematik und der experimentellen Ergebnisse (Schein vor Sein). De Broglie hat in seiner Dissertation überhaupt keine ontologische Deutung gegeben, sondern er hat in einem einzigen Satz gesagt, dass man wegen p =h/lamda Teilchen Wellen zuordnen könnte, und hat aus dieser Idee dann über 20 Seiten eine erfolgreiche instrumentelle Anwendung dieser Idee dargelegt. Das war schon genial. Weil das so gut funktioniert hat, haben dann andere Physiker spekuliert, dass Quantenobjekte auch Wellen- und Teilchencharakter haben müssten. Es ist aber ein einfach nicht wegzutilgender Irrtum in der Physik, dass wenn ein Modell gut funktioniert, die idealisierten Modelobjekte dann den real agierenden Objekten gleich oder ähnlich sein müßten. Das muss überhaupt nicht der Fall sein – überhaupt nicht!

Quantenobjekte sind vor der Messung nicht in einem bestimmten Zustand, nur wenn sie in einem Eigenzustand des jeweiligen Messoperators sind, sind sie in einem definierten Zustand bezügl. der jeweiligen Messgröße. Im Allgemeinen sind Quantenobjekte nicht in einem definierten Zustand, man kann den Eigenschaftsbegriff und die klassische Logik bei der Beschreibung von Quantenobjekten nur eingeschränkt anwenden. Der Substanzbegriff ist in Frage gestellt. Ein Teilchen ist auch immer eine Idealisierung und es hat als dialektische Gegenüber auch nicht ein raumfüllendes Etwas (was soll das denn sein?), sondern als Teil eben das Ganze, physikalisch gesehen eigentlich den verschränkten Zustand aller Teilchen.

Dass hier Dinge kritisch zu sehen sind, schmälert Deinen Verdienst nicht, eine einheitliche Gesamtschau des physikalischen Realitätsverständnisses dargestellt zu haben. Es ist aber die Sicht des Naturwissenschaftlers, die von Dir dargestellt wird. Diese Sicht ist mit philosophischen Argumenten sehr leicht anzugreifen. Es ist eigentlich Aufgabe der Philosophie dies zu tun, sie ist aber der Physik ergeben und kritisiert nicht. Die Realität ist ganz sicher nicht so beschaffen, wie Du sie darstellst.

In unserem Alltag bespielsweise gibt es in der Realität Gegenstände und deren Beziehungen einerseits, aber andererseits auch eine gewaltige Potentialität. Diese Potentialität wird von der Physik komplett ignoriert, sie kommt im wissenschaftlichen Realismus nicht vor. Viele Physiker behaupten, es gäbe Naturgesetze und eine Kausalität, die das reale Geschehen gesetzmässig regeln würde. Man kann das aber auch ganz anders sehen, nämlich so, dass die Naturgesetze nicht regeln, sondern nur die Beliebigkeit des Geschehens eingrenzen auf das, was möglich ist, und aus diesem Grund zusammen mit den physikalischen Umgebungsbedingungen für jeden Gegenstand ein definierte Potentialität herstellen, die den Rahmen für das Geschehen setzt, konkret Naturgesetze und physikalische Tatsachen begrenzen die Möglichkeiten des Geschehens, am Ende immer auf eine einzige Möglichkeit. Es gibt nicht eine kausale Wirkung von einem Gegenstand auf einen anderen, sondern der Rest des Universums schafft eine letzte Möglichkeit für das was lokal geschieht. Man kann also sagen, die naturwissenschaftliche Sicht ist eine sehr eingeschränkte Sicht auf die Realität, denn dass Naturgesetze und physikalische Tatsachen so etwas wie Möglichkeiten schaffen oder eingrenzen, ist der Physik so fern wie der Glaube des Atheisten an den lieben Gott – in unseren Alltag gehen wir aber wie selbstverständlich mit diesem Umstand um.

Es gibt da ganz viele Kritikpunkte, es ist aber nicht wichtig, die einzeln aufzuführen. Dein Beitrag ist aus meiner Sicht wichtig, denn er zeigt, dass man – wenn man sich als Philosoph auf die physikalischen Theorien stützt -, durchaus zu einer umfassenden Bestätigung der aus dem Denkrahmen der zeitgenössischen Physik folgenden Weltsicht kommen kann, vielleicht sogar muss. Oder anders ausgedrückt: wenn man zu einer Lösung der Probleme kommen will, die diese Weltsicht mit sich bringt, darf man sich nicht auf fremde Theorien stützen, sondern muss konsequent „von außen“ kritisieren. Man kann die philosophischen Probleme, die die Quantentheorie aufwirft, nicht mit den Begriffen und Methoden lösen, die die Physik bereitstellt. Ich glaube gar, man kann sich nicht gemeinsam mit den Physikern lösen. Das ich auch der Grund, warum ich in Deinem vorherigen Beitrag einer Diskussion der quantenphysikalischen Probleme ausgewichen bin. Man kann nur als Außenstehender eine Lösung finden.
 
Was ist gut an Deinem Beitrag finde ist der Verweis auf den Gradienten in Nicht-Gleichgewichtssystemen. Du postulierst, dass es diesen einfach gibt. Das ist auch richtig, Es gibt ihn einfach, und keiner weiss, woher er kommt. Er ist universell, er entspricht der Tatsache, dass alle Systeme von sich aus einem Zustand minimaler potentieller Energie zustreben, und dafür ist keine Ursache bekannt – das Geheimnis des Kosmos, der fundamentale Antrieb allen Geschehens:

Es ist immer nur eines möglich, nämlich die Abnahme der potentiellen Energie bis ein Zustand erreicht ist, in dem alles stillsteht, auch die Zeit.

Viele Grüße
Bernd

Jürgen
Jürgen
3 Stunden zuvor
Reply to  Bernd Stein

Hallo Bernd,

Du schreibst:
Beides ist nicht richtig. Quantenobjekte haben diese Bestimmung intrinsisch nicht und es gibt auch keinen experimentellen Nachweis dafür. Die Quantentheorie verweist nicht darauf, wie die Objekte sind, sondern wie sie in Experimenten erscheinen, …

Wenn das so wäre, dürftest du genausowenig behaupten, „dass Quantenobjekte diese Bestimmung intrinsisch nicht haben.“

Der dialektische Standpunkt ist als wissenschaftstheoretischer Grundsatz verbindlich, wenn wir uns dazu bekennen (was der Fall ist, bin mir bei dir aber nicht sicher); das bedeutet, dass wir davon auszugehen haben, dass die Entitäten eine Doppelbestimmung haben bzw. die Wechselwirkung/Messung nur dann zustande kommt, wenn ein stabiler Zustand/Gleichgewicht gestört und verlassen wird und ein neuer eingenommen wird.

Methodisch heißt das, dass wir den Boden der KI verlassen, weil sie undialektisch arbeitet!

Die Interpretationen der Kopenhagener sind:
„1. Aufhebung des Kausalsatzes wegen Indeterminismus (s. 6.)
2. Aufhebung der klassischen Objektivierung – „Verbandelung“ mit dem Messprozess.
3. Einführung des statistischen Charakters einzelner Teilchen
4. Aufhebung des klassischen Substanzbegriffes durch Einführung der Komplementarität
5. Interferenz von Wahrscheinlichkeiten
6. Ergänzung durch eine zweite Gleichung für den irreversiblen, „indeterministischen“ Teil des Messprozesses erforderlich; „Kollaps“ der ψ-Fkt. (v. Neumann-Postulat“

Ich bin nicht bereit;  diese Interpretation zu akzeptieren!

Es ist aber ein einfach nicht wegzutilgender Irrtum in der Physik, dass wenn ein Modell gut funktioniert, die idealisierten Modelobjekte dann den real agierenden Objekten gleich oder ähnlich sein müßten. Das muss überhaupt nicht der Fall sein – überhaupt nicht!“

Was willst du damit sagen? Dass eine physikalische Theorie philosophisch nichts hergibt?… oder nicht funktioniert? Dass die Resultate unverlässlich sind?
Man kann sicher nicht von einer logischen Gewissheit ausgehen, aber von einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, wenn die Resultate hinreichend korrelieren. Wenn nicht, würden wir immer noch Faustkeile verwenden …

Quantenobjekte sind vor der Messung nicht in einem bestimmten Zustand, nur wenn sie in einem Eigenzustand des jeweiligen Messoperators sind, sind sie in einem definierten Zustand bezügl. der jeweiligen Messgröße.“

Das behauptet die KI! Und das ist nur eine Interpretation!

Aus euren Köpfen ist offensichtlich die KI nicht wegzudenken, habe ich den Eindruck…

Die Probleme, die du anführst, sind die Folge der Inkonsistenz der Kopenhagener Interpretation! … sind die Folge einer schlechten Theorie, um es mal ganz deutlich zu sagen! Wir treiben Philosophie, Bernd, nicht Physik! Wir stellen genau diese Interpretation in Frage und suchen eine bessere Alternative! Und die gibt es! Nur weil DBB ein realistisches & glaubhaftes Bild von dem natürlichen Geschehen gibt, muss sie nicht falsch sein! Was ist konkret an DBB auszusetzen?

Die Realität ist ganz sicher nicht so beschaffen, wie Du sie darstellst.“

Mit deinem Agnostizismus weißt du „ganz sicher“, dass die Realität nicht so beschaffen ist, wie ich sie darstelle??? Woher diese plötzliche Sicherheit über die Realität?
Und was konkret stimmt warum nicht?

Diese Sicht ist mit philosophischen Argumenten sehr leicht anzugreifen.“

Nur zu! Darauf bin ich gespannt!! Sollte sich ein eklatanter Denkfehler ergeben, wäre ein erstes Resultat erreicht.

Abgesehen davon gibt es ja nicht nur die Quantenmechanik. Wir könnten genauso gut über die Dialektik der Relativitätstheorien reden – wäre vllt. sogar erstmal sinnvoller.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
8 Stunden zuvor

Wie wäre es mit einem phänomenologischen Ansatz. Ich bin nicht von irgendeiner beliebigen Theorie ausgegangen, sondern von dem, was phänomenologisch zugänglich ist. Und da kann man davon ausgehen, dass unser Gehirn Realität in neuronale Muster transformiert. Machen wir den nächsten Schritt und geht von folgendem aus: das Gehirn kann neuronale Aktivitäten synchronisieren, um den statistischen Eigenschaften seiner Eingaben zu entsprechen. Dies könnte bedeuten, dass das Power-Spektrum des Gehirns sich an das Power-Spektrum der Inputs anpasst, um die Informationsverarbeitung zu optimieren, wie Philipp im Nachbarthema beschrieben hat.

Das bedeutet, dass das Gehirn keine ‚objektiven‘ transzendenten Daten liefert, sondern lediglich phänomenale (die natürlich in einen logischen Zusammenhang mit anderen phänomenalen Daten gebracht werden können).

Andererseits gibt es auch Hinweise darauf, dass die Anpassungsfähigkeit des Gehirns begrenzt ist. Das Power-Spektrum des Gehirns scheint durch intrinsische Eigenschaften, wie z.B. die neuronale Architektur und die neurochemische Modulation, stark beeinflusst zu sein. Diese intrinsischen Eigenschaften könnten die Anpassung an externe Inputs begrenzen. Mit anderen Worten treffen Phänomene immer auf bestimmte kognitive Strukturen, hier in Form theoretischer Überlegungen.

Das Fazit daraus wäre, was wir auf der Mikroskala beobachten, ist die Beobachtung aus unserer gewohnten Makroskala, die wir nach makroskopischen Gesichtspunkten interpretieren. Da die Mikroskala uns verschiedene Interpretationsmöglichkeiten anbietet, stehen wir vor dem Problem einer uneinheitlichen Sichtweise, die sich unserer Logik und unserem Kausaldenken entzieht.

Unser Streben, Ontologien zu entwickeln, wird hier verunmöglicht. Begriffe wie Dualismus und Dialektik ergeben daher als ontologische Begriffe keinen Sinn.
Ob ein Teilchen Welle oder Teilchen ist, ist unerheblich. Wichtig ist nur, dass wir damit arbeiten können.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
7 Stunden zuvor

Eigentlich wollte ich diesen Kommentar gerade alleinstehend veröffentlichen, doch das Argument von Makro- und Mikroskala und die Schwierigkeit ihrer Interpretation paßt eigentlich gut als Anknüpfungspunkt, weil des die Sprachlosigkeit der Neurowissenschaften deutlich macht. Übertrieben: wir verstehen nichts, aber manchmal funktionierts.

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Meine Recherche hat ergeben, daß kein einziger Text von Achim Stephan frei und öffentlich zugänglich ist. Es ist gelinde gesagt enttäuschend, daß mit viel Steuergeld ‚erbrütetes‘ Wissen hinter der Bezahlschranke von teurer Fachliteratur verschwindet. Breite Wissensvermittlung scheint dabei jedenfalls nicht im Mittelpunkt zu stehen.

Deshalb ein notgedrungen allgemeiner Kommentar zum Thema Emergenz:

Emergenz ist das wissenschaftlich legitimierte Wunder der Naturalisten und Reduktionisten. Sie tritt an den kategorialen Nahtstellen der klassischen Naturwissenschaften auf, wenn die ‚Welt‘ bottom-up (inter- oder multidisziplinär) erklärt werden muss. Wenn man aber Wissenschaft im Sinne Hegels versteht:

Die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert, kann allein das wissenschaftliche SYSTEM derselben sein

verschwinden die kategorialen Grenzen in der wissenschaftlichen (perfekten) Metapher und schaffen so ein sprachliches Ganzes. Es geht Hegel offensichtlich nicht um die Inhalte der Wissenschaften, sondern um deren Struktur, d.h. um ihr Verhältnis zueinander. Das Problem der Emergenz entsteht genau dann, wenn man z.B. die wissenschaftliche Metapher „Vogeleltern kümmern sich um ihre Brut“ jenseits ihres wohlbestimmten Sinns zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Theorie macht. Wir können uns sogar ohne Verrenkungen vorstellen, daß Börsenkurse durch atomare Prozesse entstehen, aber nur deshalb, weil atomare und soziologische Prozesse kategorial distinkt (Absolut unwidersprüchlich) sind und deshalb als perfekte Metapher funktionieren. Das ist der Sinn von Hegels: 

Nur das Ganze ist die Wahrheit.

Die wissenschaftliche Metapher überbrückt sprachlich und sinnhaft die notwendige! kategoriale Wissenslücke und erzeugt so zuallererst zusammenhängendes Wissen. ‚Emergenz‘ hingegen ist das selbstgeschaffene Problem derer, die diese Wissenslücke nicht akzeptieren. Sie schafft Komplexität und sichert so nie versiegende ‚wissenschaftliche‘ Arbeit.

Heinz

Heinz Luediger
Heinz Luediger
7 Stunden zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Die Benachrichtigungsfunktion hat mich dazu verleitet ins falsche Thema zu springen. Paßt aber trotzdem ganz gut…

Bernd Stein
Bernd Stein
4 Stunden zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz, was ist Dein Vorschlag, wie man der Wahrheit näher kommen kann?
Grüße
Bernd

Heinz Luediger
Heinz Luediger
1 Stunde zuvor
Reply to  Bernd Stein

Hallo Bernd,

Du kommst mit Deinem Hinweis auf Kants kategorischen Imperativ dem Problem sehr nahe, bist aber noch weit von der Lösung entfernt.

Handle [positiv!] nach einer Maxime, welche zugleich als ein allgemeines Gesetz gelten kann! (Kant)
Was Du nicht willst [negativ!] , daß man Dir tue, das füg‘ auch keinem Anderen zu! (Steinzeitregel)

Beide Regeln haben exakt das gleiche Ziel, aber nur Regel b) ist für das Individuum durchführbar. Beispiel: Ich möchte nicht betrogen werden, also betrüge ich nicht. Nun versuche mal Nicht-Betrügen in positives Recht (z.B. Aktienrecht, siehe Cum-ex) zu übersetzen, denn der kategorische Imperativ betrifft das Wollen, nicht das Nicht-Wollen. Aber das geht nicht, weil sich Nicht-Betrügen nur in einem unendlichen positiven Codex festschreiben ließe. Und je genauer man versucht Nicht-Betrügen in positives Recht zu übersetzen, desto löcheriger wird es, weil es mehr und mehr positive Bestimmungen erfordert. 

Die Steinzeitregel b) beruht sozusagen auf einem Verbot (einer Negation), dem aber eine unaufzählbare Menge von Nicht-Verboten (Nicht-Falschheiten) gegenüber steht. Die positive Regel a), der Algorithmus, hingegen führt zu rechtmäßigem Fehlverhalten, bzw. voll, d.h. wasserdicht ausgeführt, zum Verbot von allem. Positives Recht ist ultimativ Freiheitsentzug.

Der desolate Zustand der modernen Wissenschaften gründet im Übergang von der (nach Regel b)) Nicht-Falschheit des Denkens und Tuns in den (nach Regel a)) Richtigkeits- und Wahrheitsanspruch des Denkens und Tuns. Kurz: das Problem, daß ihr diskutiert hat keine Lösung außer shut-up-and-calculate. Das Problem ist der Positivismus! Logik kann nicht anders als sich in sich selbst verheddern. Aber da rede ich mir wohl den Mund fusselig…

Mein Vorschlag, wie man sich der Nicht-Falschheit (die Wahrheit gibt es nicht!) annähern kann: In der Geschichte zurückgehen und sehen, wo die Wissenschaft falsch abgebogen ist.

Heinz

P.S. Kant ist Teil der Lösung UND des Problems.

Jürgen
Jürgen
25 Minuten zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz.
„Der desolate Zustand der modernen Wissenschaften“
Kannst du mir diesen Satz mal erläutern?

LG/Jürgen

Bernd Stein
Bernd Stein
5 Stunden zuvor

Alles sehr richtig Herr Stegmann, ich bin voll einverstanden, auch damit, dass wir Ontologien nicht erkennen können. Ich bin aber der Meinung dass wir mehr erkennen können, als das, womit wir gut arbeiten können. Unser Verstand kann nämlich auch Transzendentes denken. Die unversellen Werte Kants sind ein Beispiel, das sind Werte, die nicht auf einer von den Menschen oder Gott gemachten Ordnung basieren. Sie unterschätzen also die Fähigkeit des Verstandes, beszüglich des Naturalismus und seiner vermeintlichen Objektivität haben Sie – aus meiner Sicht – völlig Recht.
Grüße
Bernd

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
4 Stunden zuvor
Reply to  Bernd Stein

Lesen Sie vielleicht meinen Beitrag hier zum besseren Verständnis meiner Überlegungen:
https://medium.com/neo-cybernetics/anthropic-relativism-part-3-28a7adb2e373

Jürgen
Jürgen
3 Stunden zuvor

Hallo Wolfgang,

du schreibst:

Und da kann man davon ausgehen, dass unser Gehirn Realität in neuronale Muster transformiert. Machen wir den nächsten Schritt und geht von folgendem aus: das Gehirn kann neuronale Aktivitäten synchronisieren, um den statistischen Eigenschaften seiner Eingaben zu entsprechen.

Soweit ich sehe, ist das ein Zirkel, weil du wissenschaftliche Kenntnisse anwendest (Biologie des Gehirns), um ein Prinzip der wissenschaftlichen Erkenntnis zu begründen.
 
 
Ob ein Teilchen Welle oder Teilchen ist, ist unerheblich. Wichtig ist nur, dass wir damit arbeiten können.

Das ist Einstellungssache. Da gibt es durchaus andere Auffassungen.

LG/Jürgen