Kernfusion als Energiequelle - Die Sonne auf Erden

Zoomposium mit Prof. Dr. Thomas Klinger: „Die Sonne auf Erden – Kernfusion als Energiequelle“

Zoomposium mit Prof. Dr. Thomas Klinger: „Die Sonne auf Erden – Kernfusion als Energiequelle

Informationen zur Person und seinen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten

In einem weiteren sehr spannenden Interview aus unserem Zoomposium-ThemenblogEnergie und Klima“ sprechen wir diesmal mit dem sehr bekannten deutschen Physiker Thomas Klinger , der seit 2001 „Wissenschaftliches Mitglied“ der Max-Planck-Gesellschaft und Direktor des Bereiches „Stellarator-Dynamik und -Transport“ am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik am Standort Greifswald ist. Dort leitet er das sehr erfolgreiche Projekt „Wendelstein 7-X“:

Wendelstein 7-X (W7-X) ist eine Experimentieranlage zur Erforschung der Kernfusionstechnik, die in Greifswald vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) betrieben wird. Die Hauptkomponente ist ein Stellarator. Mit W7-X sollen die physikalischen und technischen Grundlagen untersucht sowie die prinzipielle Kraftwerkstauglichkeit von Kernfusionsreaktoren des Stellarator-Typs demonstriert werden; für eine nennenswerte Freisetzung von Fusionsenergie ist diese Anlage nicht vorgesehen. Andere Forschungsanlagen wie der im Bau befindliche ITER arbeiten nach dem Tokamak-Prinzip. Für welches Reaktorkonzept man sich bei einem zukünftig eventuell realisierbaren Fusionsleistungsreaktor entscheiden wird, ist zurzeit noch nicht abzusehen.

Kernstück der Anlage ist ein torusförmiger Magnetfeldkäfig mit einem Radius von 5,5 Metern, der das 100 Millionen Grad heiße Plasma einschließt. Dieser Käfig besteht aus einem Kranz von 50 supraleitenden, etwa 3,5 Meter hohen Magnetspulen aus NiobTitan. Die Masse des eingeschlossenen Plasmas beträgt nur 5 bis 30 Milligramm, die sich auf ein Volumen von etwa 30 Kubikmetern verteilen.[1] Die Anlage ist neben dem Large Helical Device in Japan die weltweit größte Forschungsanlage vom Typ Stellarator.

In der Anlage wurde Ende 2015 das erste Helium-Plasma[2], Anfang 2016 das erste Wasserstoff-Plasma erzeugt.[3] Um ein flexibles Experimentieren zu ermöglichen, verwendet Wendelstein 7-X im Gegensatz zu ITER und den für die Zukunft geplanten Kernfusionsreaktoren kein Gemisch aus Deuterium und radioaktivem Tritium, sondern in der ersten Experimentphase ein Plasma aus reinem gewöhnlichem Wasserstoff, so dass keine Neutronen freigesetzt werden. Später soll ein Protium-Deuterium-Gemisch verwendet werden, das dann zu Helium-3 oder Tritium fusioniert. Allerdings ist bei den geplanten Temperaturen und Dichten die Fusionsrate sehr gering, so dass nur wenige Neutronen freigesetzt werden. Die Aktivierung der Reaktormaterialien ist dadurch im Vergleich mit zukünftigen Leistungsreaktoren sehr gering. Das Experiment Wendelstein 7-X soll in erster Linie die Einschlusseigenschaften eines optimierten Stellarators sowie dessen Dauerbetriebsfähigkeit untersuchen.[4](https://de.wikipedia.org/wiki/Wendelstein_7-X)

Seit dem 13.12.2022 ist der wissenschaftlichen Durchbruch  eines Teams von Wissenschaftlern in der staatlichen Forschungseinrichtung National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien in vielen Medien publiziert worden:

„Es gelang eine Fusionsenergie von 3,15 Megajoule (MJ) aus einem mit Deuterium und Tritium gefüllten Pellet freizusetzen, was 154 Prozent der verbrauchten Energie von 2,05 MJ des Laserpulses, der die Explosion ausgelöst hat, entspricht.“ (https://www.ilt.fraunhofer.de/de/presse/pressemitteilungen/2022/12-13-durchbruch-fusionsforschung.html)

Auch in einem meiner vorangegangenen Essays „Die Sonne auf Erden“ – von der Kernfusionstechnologie“ hatte ich mich bereits mit den Vor- und Nachteilen und den technologischen Möglichkeiten der Kernfusion im Allgemeinen beschäftigt. So war es jetzt einmal an der Zeit uns die Informationen aus erster Hand bei einem ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet zu holen. Daher hatte es mich besonders gefreut, dass Herr Klinger sich zu diesem Interview bereit erklärt hatte, um uns einmal „Rede und Antwort“ zum momentanen „state of art“ der Kernfusionstechnologie zu stehen. Daher hier schon einmal die dazugehörigen Interviewfragen.

Interviewfragen an Prof. Dr. Thomas Klinger: „Die Sonne auf Erden – Kernfusion als Energiequelle“

1. Sehr geehrter Herr Professor Klinger, „Kernfusion als nachhaltige Energiequelle der Zukunft“ ist momentan „in aller Munde“ seit am 13.12.2022 ein Team von Wissenschaftlern in der staatlichen Forschungseinrichtung National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien einen Durchbruch in der Kernfusionstechnologie vermelden konnte.

Im Februar 2023 konnten Sie als Leiter des Bereichs „Stellarator-Dynamik und -Transport“ am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald zusammen mit Ihrem Team auch einen großen Erfolg mit Ihrem „Wendelstein 7x“-Projekt verzeichnen, da es Ihnen gelang bei einem Energieumsatz von 1,3 Gigajoule mit einer momentanen Bestzeit über 8 Minuten eine Plasmaentladung zu erzeugen.

  • Könnten Sie bitte uns und unseren Zuschauerinnen und Zuschauern einmal kurz die Technologie der Kernfusion erläutern und auch die Tragweite dieses möglichen Durchbruchs einordnen.
  • Worin besteht aus Ihrer Sicht die größte Schwierigkeit bei der Entwicklung eines Fusionsreaktors?
  • Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in den unterschiedlichen Ansätzen des Tokamak-, Stellarator– oder Laserfusion-Konzeptes? Ist es möglich jetzt schon eine Präferenz in der Forschungsentwicklung zu setzen?
  • Kann man schon abschätzen, wie lange es noch dauern wird, bis die Kernfusion in einem großtechnischen und flächendeckenden Maßstab zur Energieversorgung der Menschheit in der Zukunft umgesetzt sein wird?

2. In den momentanen Diskursen in den Medien werden immer wieder (un-)berechtigte Bedenken geäußert. Mal wird die Kernfusionstechnologie als zu teuer, technisch nicht realisierbar oder auch zu gefährlich dargestellt, da die Forschung in der Europäischen Union bereits bis Ende der neunziger Jahre nahezu 10 Mrd. Euro verbraucht hat, das Groß-Projekt „ITER“ schon mehrmals aufgrund von technischen Mängeln und Problemen verschoben werden musste und die eventuellen Risiken bei einem GAU eines großtechnischen Kernfusionsreaktors (Tritium-, Fusionsneutronen-Freisetzung) nach momentanen Forschungsstand noch nicht bekannt sind.

  • Welche Argumente hätten Sie, um diese Kritikpunkte zu entkräften?
  • Wie sieht die momentane Energiebilanz aus, wenn man den peripheren Energiebedarf (IT-Bereich, Kühlung, Steuerung,…) der Gesamtanlage mitbetrachtet?
  • Ist eine nachhaltige Energieversorgung längerfristig überhaupt möglich? Wie sieht die aktuelle Versorgungssituation mit Tritium als „Fusionsbrennstoff“ aus, wenn eine der Quellen, die Atomkraftwerke, längerfristig abgeschaltet werden müssen? Oder wäre vielleicht Helium-3 von der Mondoberfläche eine bessere Alternative für eine nachhaltige Energieversorgung?

3. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht in ihren Berechnungen von einer Steigerung des globalen Primärenergieverbrauchs bis 2040 um über ein Viertel (26,8%) des jetzigen Bedarfs aus.

  • Deutschland hat inzwischen vollständig auf konventionelle Kernreaktoren (Kernspaltung) verzichtet. Weltweit sind dagegen 439 Kernreaktoren in Betrieb und 52 im Bau. Wie beurteilen Sie den deutschen Sonderweg? Welche Brückentechnologie favorisieren Sie, um die Energieversorgung bis zur Entwicklung eines serienreifen Fusionsreaktors sicherzustellen?
  • Welche Rolle könnte in diesem Zusammenhang der Kernfusion als quasi unerschöpfliche Energiequelle zukommen?
  • Inwiefern kann die Kernfusion auch einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten und helfen die globale Erwärmung zu begrenzen?

Das Interview ist auf unserem Youtube-Kanal „Zoomposiumunter folgendem Link zu sehen:

https://youtu.be/8bNqFmmXebk

(c) Axel Stöcker (die-grossen-fragen.com) & Dirk Boucsein (philosophies.de)

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

 

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments