Am Anfang war der Wasserstoff

Am Anfang war der Wasserstoff

„Am Anfang war der Wasserstoff“ – von der Wasserstofftechnologie

„Dass damit im Wasserstoff alles was jemals entstanden ist und in Zukunft entstehen wird, von Anfang als Möglichkeit enthalten war, ist insofern die bedeutsamste Entdeckung der modernen Naturwissenschaft, als sie jeden von uns, der sich dieser Einsicht nicht gewaltsam verschließen will, zur Anerkennung der Tatsache zwingt, dass diese Welt mit ihrer Geschichte eine Ursache hat, die nicht in ihr selbst liegen kann. Über diese eine, einzige Tatsache hinaus, ist jeder frei zu entscheiden, was er von einer Ursache halten will, die dem für uns aus dem Nichts entstandenen Atom, diesem einfachsten aller Elemente, Entwicklungsmöglichkeiten verliehen hat, die seine eigene Existenz und sein Nachdenken über diese Dinge ebenso einschließt, wie das ganze Universum„. (Hoimar von Ditfurth: „Im Anfang war der Wasserstoff“, 1972, S. 271, Hervorhebungen hinzugefügt)

Das Zitat und der abgewandelte Titel dieses Essays stammt aus dem sehr lesenswerten, populärwissenschaftlichen Buch von Hoimar von Ditfurth „Im Anfang war der Wasserstoff“ von 1972, das ich bereits als Jugendlicher mit großer Begeisterung verschlungen habe. Der „Urvater des deutschen Wissenschaftsjournalismus“ hat in weiser Voraussicht mal wieder Recht gehabt, „Dass damit im Wasserstoff alles was jemals entstanden ist und in Zukunft entstehen wird, von Anfang als Möglichkeit enthalten war, ist insofern die bedeutsamste Entdeckung der modernen Naturwissenschaft,[…]“. Dies klingt erst einmal nur nach einem „wissenschaftlichen Glaubensbekenntnis“.

Aber im Folgenden soll dieses Diktum von 1972 einmal mit Leben gefüllt werden, da das Thema aktueller nicht sein kann. Es ist mir ein persönliches Anliegen in diesem Essay die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Wasserstofftechnologien für eine nachhaltige Energieversorgung und Klimastabilität der Zukunft der Menschheit einmal darzustellen. Insofern schließt dieser Essay nahtlos an meinen vorherigen Text „Von der Donquichotterie – oder dem Kampf gegen/mit Windmühlenräder“ an, da es darum geht nicht nur ständig Probleme zu benennnen, sondern auch konkrete Lösungsvorschläge hierzu anzubieten.

Abstract

Zunächst möchte ich den persönlichen Bezug zu dem Thema einmal herstellen, um die Gründe zur Anfertigung des hier vorliegenden Essays vielleicht ein wenig verständlicher zu machen. Im Anschluss hieran möchte ich die Probleme kurz darstellen, um hieran aber auch immer direkt konkrete Lösungsmöglichkeiten vorzuschlagen. Die Darstellung wird sich aus diesem Grunde ein wenig dialektisch gestalten. Daher kann man, wenn man mag, auch getrost direkt zu den Lösungsmöglichkeiten springen, da die Probleme vielleicht schon hinlänglich bekannt sein mögen.

Persönlicher Bezug zur Thematik

Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich einen Film „Wasserstoff und Brennstoffzelle –Energieversorgung für die Zukunft“ der „FWU – Schule und Unterricht“ von 2003 gemeinsam mit Schüler:innen im Chemieunterricht gesehen habe. Hierin wurden die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des Wasserstoffs in Form von Brennstoffzellen oder Verbrennungsmotoren beschrieben. Es ging hauptsächlich um die Verwendung des Wasserstoffs als Energieträger für die Mobilität der Zukunft.

Diesen Film zeige ich auch heute noch insofern ein DVD-Player noch verfügbar ist. Die medialen Entwicklungen sind aber offensichtlich der Mobilität schon bereits davon gefahren. DVD-Player gibt es immer weniger, dafür hat sich an der Entwicklung unserer Mobilität der Zukunft seit genau 20 Jahren aber immer noch nichts Entscheidendes geändert: „Wir fahren immer noch mit einem Dinosaurier im Tank und reiten immer noch ein totes Pferd.“ Der Verbrennungsmotor von 1860 wird immer noch mit fossilen Energieträgern (Erdöl/-gas) aus Jahrmillionen alten Lagerstätten mit den bekannten Konsequenzen für Mensch und Umwelt benutzt.

Im Film konnte man allerdings damals schon anhand von Beispielen durchaus erkennen, dass die technologischen Lösungen für eine alternative Mobilität der Zukunft schon längst vorhanden und auch technisch ausgereift waren. Dort fuhren bereits Autos, Busse und Schiffe und Flugzeuge flogen mit Wasserstoff in Verbrennungsmotoren oder es gab sogar schon Prototypen für Elektromotoren mit „Brennstoffzellen, die sogar auch schon funktionierten. Auf meine Frage an die Schüler:innen nach dem Film, warum wir diese Technologien denn nicht einfach nutzen würden, gab es meistens keine sinnvollen Antworten und ehrlich gesagt mir viel hierzu auch kein sinnvoller Grund ein. Die einzige Begründung, die uns allerdings immer hierzu einfiel, war allein die „Wirtschaftlichkeit“. Wobei die Wirtschaftlichkeit auch so eine Dialektik besitzt, wenn man sie einmal hinsichtlich der Perspektive der Konsumenten (Autobesitzer, Heizungsbetreiber, Reisende,…) oder andersherum mal aus der Perspektive der Produzenten (erdölproduzierende Länder, Petrochemie, Autohersteller,…) betrachten würde. Was bei genauem Hinsehen allerdings wohl eher einem wirtschaftlichen Skandal gleich käme.

Diese scheinbar unumstößlichen „Gesetze der Martwirtschaft“ konnten und wollten mir aber an dieser Stelle irgendwie nicht einleuchten. Man kam sich schon manchmal wie das traurige Beispiel des „Rufers in der Wüste“ vor. In Anbetracht aber der heutigen großen Herausforderungen hinsichtlich der sich immer stärker verschärfenden Klimaveränderungen und der immer weiter steigenden Nachfrage nach Energieträgern ist dies aber erst Recht nicht mehr zu akzeptieren, da die Folgekosten dieser verfehlten Energiekonzepte heute noch eingepreist werden müssen.

Aus diesem Grunde ist es mir auch ein persönliches Anliegen die Anwendungsmöglichkeiten der Wasserstofftechnologien für eine nachhaltige Energieversorgung und Klimastabilität der Zukunft der Menschheit noch einmal deutlich aufzuzeigen, auch auf die Gefahr hin hiermit wieder auf wenig Resonanz zu treffen. Aber wie in dem bereits erwähnten Beispiel mit Äsops Fröschen im Milchtopf ist die einzige Hoffnung, die bleibt, sich „seinem Schicksal nicht hinzugeben, sondern sich abzustrampeln“. Also will ich mal wieder ein wenig abstrampeln ;-).

Problem: „Maschinen laufen nicht von alleine!“

Das Perpetuum Mobile wird leider auch weiterhin nicht gebaut werden können, da es schlicht dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik oder einfach dem „1. Hauptsatz des gesunden Menschverstandes: von nix kommt nix“ gänzlich widerspricht. Daher war es schon immer eine Frage, wo kommt die Energie für Mobilität, Wärme und Produktion her. Lange, um genauer zu sein zu lange, haben wir es wie immer mit unseren „linearen Problemlösestrategien“ versucht dieses Problem zu lösen. Um ein Zitat zur Erläuterung aus meinem älteren Essay Das System braucht neue Strukturen zu verwenden:

„Das Beispiel weist alle Eigenschaften einer linearen Problemlösestrategie auf, da man ausgehend von dem Problem A (fehlende Energie) auf linearem Wege nach einer Technik oder einer Strategie B (Atomenergie) gesucht hat, die zu einer Lösung C (unerschöpfliche Energieversorgung) führen sollte. Hierbei hat man aber nicht in Betracht gezogen, dass bei einer solch simplifizierten, linearen Lösung für das Problem A über die Strategie B wiederum neue Probleme A1 bis An („Polytelie„) generiert werden (wie z. B. die Wiederaufbereitung oder Lagerung des Atommülls, die Folgekosten, die Umweltverschmutzung, die Risiken, etc. pp).“

Das gleiche Problemsetting“ hat sich bei den „Karbons“ (kohlenstoffhaltigen Energieträgern, wie Kohle, Erdöl/-gas) leider wiederholt. Wir brauchten einen „billigen Energieträger“, der zunächst einmal in ausreichendem Maße vorhanden war, um unseren Bedarf an Energie für die Industrialisierungswelle des 19. Jahrhunderts und unsere steigenden Bedürfnisse nach Mobilität, Wärme und Waren zu befriedigen. Die Problematiken der „Wiederaufbereitung oder Lagerung des «Karbonmülls CO2», die Folgekosten, die Umweltverschmutzung, die Risiken“ hat sich hier leider auf fatale Weise wiederholt. Die Gründe für derlei Kurzsichtigkeit des vermeintlich „billigen Rohstoffs Karbon“ kann man in der angenommenen Wirtschaftlichkeit finden. Die entstehenden Folgekosten (klimabedingte Schäden, wie Überschwemmungen, steigende Meerespiegel, Windschäden, etc. pp.) müssen heute aber noch eingepreist werden. Unter diesem Aspekt erscheint dieser Rohstoff eher unwirtschaftlich und problematisch, nicht zuletzt weil uns der Rohstoff langsam (hoffentlich schneller) ausgeht. Aber es soll ja hier ausdrücklich nicht im Probleme, sondern um Lösungsmöglichkeiten gehen.

Lösungsmöglichkeit: „Am Anfang war der Wasserstoff“

„Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“

Jetzt raten Sie mal aus welchem Jahr dieses Zitat ist. Nein, es ist nicht aus dem Papier der deutschen Bundesregierung Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) vom 10.06.2020. Der Text über die Brennstoffzelle stammt von dem visionären, französischem Schriftsteller Jules Verne aus seinem Buch Die geheimnisvolle Insel aus dem Jahre 1875. Das Prinzip der Brennstoffzelle war damals schon länger bekannt, da es 1838 von dem deutsch-schweizerischen Chemiker und Physiker Christian Friedrich Schönbein bereits entdeckt wurde. Bis heute sind seit der Entdeckung bereits fast 190 Jahre vergangen. Was haben wir eigentlich bisher in der Zwischenzeit gemacht? Wo sind die Brennstoffzellen in Autos und Häusern, die ich 2003 schon im Film sehen konnte?

Aber fangen wir vielleicht erst mal ganz am Anfang mit der Defintion von Wasserstoff als Energieträger an. Wasserstoff ist das einfachste und häufigste Element im Universum. Allerdings findet er sich auf unserer Erde zumeist immer nur in chemisch gebundener Form als Wasser („Wasserstoffoxid“) oder als Kohlenwasserstoffe (Methan, Benzine, Diesel,…). Die Kohlenwasserstoffe fallen aber raus, da sie aufgrund der oben geschilderten Problematik im Zuge einer Dekarbonisierung ersetzt werden müssen.

Hier bietet sich natürlich der Wasserstoff in seiner reinen Form geradezu an. Da als „Wasserstoffmüll“ lediglich wieder Wasser („Wasserstoffoxid“) anfallen würde, der bekanntermaßen keine Folgschäden verursachen würde. Alles steht und fällt mit der Frage, wie der Energieträger Wasserstoff aus seinen chemischen Verbindungen gewonnen werden kann. Als primäre, technische Lösungsmöglichkeit bietet sich hier die Elektrolyse, also die Zersetzung wasserstoffhaltigen Verbundungen mit Hilfe des Stromes an.

Die einzig zu lösende Frage ist, wo kommt der hierzu notwendige Strom her. Wird der Strom konventionell mit Hilfe von Atomkraftwerken, Kohle-/Erdgaskraftwerken erzeugt, ist hierbei nichts gewonnen. Daher wird zur Kenntlichmachung der Wasserstoff mit einer Farbskala versehen. Die Aufteilung in grünen, blauen, türkisen oder grauen Wasserstoff ist hierbei eine Kennzeichnung, wie dieser produziert worden ist und somit in welche Klimabilanz“ er besitzt. Das eigentliche Interesse gilt somit eigentlich hauptsächlich dem grünen Wasserstoff, der mit Hilfe von erneuerbaren, klimapositiven Energiequellen (Wind, Sonne, Wasserkraft,…) produziert worden ist. 

Problem: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“ – oder wohin mit all den Restabfällen

Bei der Produktion von Waren fallen aber auch immer Abfälle an, die unter hohem Kosten- und Energieaufwand entsorgt werden müssen. Wenn man den Produktionsweg aber einmal unter dem Aspekt der circular economy als ein „cradle to cradle“ betrachtet, hat man nur noch weitgehend geschlossene Produktionskreisläufe, die den Abfall eher wieder als neuen Rohstoff betrachten. Damit hätte man wieder eine Win-Win-Situation, da die „Abfälle“ als Energieträger gesehen werden können, um aus ihnen wieder neue kostengünstige, klimaneutrale Energie zu gewinnen.

Lösungsmöglichkeit: „Strom aus dem Nichts“ – oder wie aus Abfällen Energie wird

Es gibt hierzu mittlerweile auch bereits vielversprechende Projekte den Wasserstoff zum Beispiel mit Hilfe einer bakteriellen Zersetzung (dunkle Fermentation) ohne großen Energieaufwand aus biologischen Abfällen oder Abwässern zu gewinnen. Hierzu hatten wir auch bereits ein sehr informatives und aufschlussreiches Interview mit Prof. Dr.-Ing. Christof Wetter führen können, der uns zum Beispiel von seinen vielversprechenden Projekten BioTechH2, Hytech und BioRest berichtete.

Hierbei wird in einem zweistufigen Verfahren aus biologischen Reststoffen, besser gesagt wertvollen Rohstoffen mit Hilfe von zwei hintereinander geschalteten Fermentatoren zunächst „grüner Wasserstoff“ und dann Biomethangas gewonnen. Das Verfahren ist bereits über die Laborstufe hinaus ausgetestet. Die Effizienz bei stärke- oder zuckerhaltigen Substraten lag bei 50 Vol. % Wasserstoffausbeute in den Gärgasen oder anders ausgedrückt bei 90 bis 160 Liter reinen Wasserstoff auf 1 kg eingsetzte Trockenmasse an Substrat.

Herr Wetter prognostizierte für dieses vielversprechende Verfahren der allerdings nur 1 % Anteil an der Gesamtproduktion an Wasserstoff. Dafür kann diese Technik im Unterschied zur Photovoltaik (s. u.) ganzjährig betrieben werden und führt zudem zu einer bereits erwähnten „Win-Win-Situation“, da hierbei Energie „aus dem Nichts (Abwässer-/fällen)“ gewonnen werden kann und diese gleichzeitig einer biologischen Aufbereitung unterzogen werden können. Die oben genannten Projekte sind aus dem Halbtechnikum heraus und warten nun auf „Joint Ventures“ aus der Industrie.

Problem: Wo Energie ist, ist keine Industrie und wo Industrie ist, ist keine Energie!

Die Energie, wie zum Beispiel die Sonnenenergie ist auf der Erde ungleichmäßig verteilt. Es gibt bekanntermaßen Regionen, wo die Sonne ganzjährig im Überschuss Energie liefert. Diese Teile der Erde werden aber meist in südlicheren Kontinenten verortet, wie zum Beispiel Afrika oder Südamerika. Diese Regionen sind allerdings meist mit einem infrastrukturellen Mangel an Industrie versehen. Andersherum gibt es bekanntermaßen Regionen, wo die Sonne ganzjährig eher im Mangel Energie liefert. Diese Teile der Erde werden aber meist in den nördlicheren Kontinenten verortet, wie zum Beispiel Europa oder Nordamerika. Diese Regionen sind allerdings meist mit einem infrastrukturellen Überschuss an Industrie versehen. Um beide Teile nun wieder zusammenzufügen, wäre ein Energietransfer in den Norden und eine Industrietransfer in den Süden eigentlich ganz sinnvoll. Doch an dieser Stelle hakt es auch schon seit geraumer Zeit.

Lösungsmöglichkeit: Die Sonne im Tank– oder wie der Berg zum Propheten kommt

Eine Möglichkeit dieses „Nord-Süd-Gefälle“ an „Energie vs. Industrie“ zu überwinden, stellt zum Beispiel das 2009 gegründete Projekt Desertec“-Foundation dar, das aus TREC (Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation) hervorgegangen ist. Das TREC-Projekt wurde bereits ebenfalls 2003 durch die Initiative des „Club of Rome, des Hamburger Klimaschutz-Fonds und des Jordanischen Nationalen Energieforschungszentrums (NERC) gegründet.

Das Desertec-Konzept verfolgt das ehrgeizige Ziel die Energieversorgung Europas mit „grünen Wasserstoff“ durch den Ausbau von Sonnenwärmekraftwerken, auch Concentrated Solar Power (CSP)-Plants genannt, in Europa, dem Nahe Osten bzw. Nord-Afrika (EU-MENA) sicherzustellen. Die Studien des „Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin (DLR)“, die „MED-CSP“[MED-CSP Study, Numerical data, Ecobalance, Summary] und der TRANS-CSP kamen zu dem Ergebnis „das solarthermische Kraftwerke auf einem Gebiet von weniger als 0,3 % der Wüstenfläche des Nahen Ostens und Nordafrikas genügend elektrische Energie und entsalztes Wasser für den steigenden Bedarf dieser Länder sowie für Europa erzeugen können“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Desertec#TREC). Das Verfahren wartet bis zum heutigen Tage allerdings noch auf seine Realisierung. Die Gründe für die bis fehlende Umsetzung werden in den wirtschaftlichen Verhandlungspositionen der betrofffenen Anrainer-Staaten (Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten) gesehen:

„Um bis 2050 zusätzlich zum Eigenbedarf der MENA-Länder eine Exportkapazität von 100 GW aufzubauen, wären staatliche Anschubhilfen nötig, um den Bau der Kraftwerke und Leitungen in der Anfangszeit für private Investoren attraktiv zu machen. Nach Angaben des DLR hätten staatliche Unterstützungen von insgesamt einer einstelligen Euro-Milliardensumme ausgereicht, um die Markteinführung solarthermischer Kraftwerke so weit voranzubringen, dass diese noch vor 2020 ohne weitere Subventionen wettbewerbsfähig mit der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen gewesen wären.“ (Desertec Foundation: Clean Power from Deserts. Memento vom 22. März 2015 im Internet Archive)

Soll heißen, die nationalen Regierungen Europas und seine Energie-Industrien haben noch nicht genug geboten, um dieses Projekt zu realisieren. Es bleibt also scheinbar noch genügend Zeit für einen Verhandlungsspielraum, auch wenn dies aus meiner bescheidenen Sicht ebenfalls wieder nicht einleuchtend ist, da uns die Zeit zur Klimastabilisierung davonläuft. Aber dafür hier schon einmal die technischen Details, die alle schon für die konkrete Umsetzung des Projektes sehr ausgereift sind.

Bei dem Desertec-Projekt sollen mit Hilfe von Pipelines „Mittelmeer-Wasser“ in die ausgezeichneten Gebiete der Sahara gepumpt werden, damit sie dort in Sonnenwärmekraftwerken zur Elektrolyse genutzt werden können. Die zur Elektrolyse notwendige Energie wird in den Sonnenwärmekraftwerken dadurch erzeugt, dass die Sonnenenergie mit Hilfe von Parabolspiegeln“  auf einen Turm in der Mitte des Spiegelfeldes gebündelt werden. Im Turm enstehen Temperaturen bis zu 1300 °C, die dazu genutzt werden entweder ein Thermoöl (> 390 °c) oder überhitzten Wasserdampf (> 500 °C) zu erzeugen. In einem Wärmeüberträgerwird diese Wärmeenergie genutzt um Wasserdampf zu erzeugen, der dann Turbinen antreibt, um hieraus grünen Strom zu gewinnen. Den Strom mittels Hochspannungsleitungen nach Europa zu schicken, wäre allerdings mit hohen Verlusten verbunden. Daher hat man sich dafür entschieden, den in Desertec anfallenden Strom zur Elektrolyse des Mittelmeer-Wassers zu nutzen, um hieraus „grünen Wasserstoff“ zu gewinnen. Der so produzierte Wasserstoff soll dann ebenfalls wieder mit Pipelines nach Europa oder allgmein in die MENA-Länder exportiert werden. Die Kosten- und Leistungsprognose wurde einmal in einem TRANS-CSP-Szenario beziffert. Bis 2050 geht man in dieser besagten Studie bei einer Fläche von 2500 km² von einer Energie-Transferleistung von 700 TWh/Jahr aus.

Das wäre natürlich eine ganz andere Größenordnung hinsichtlich der Versorgung mit „grünem Wasserstoff“. Unabhängig von diesen Projekten ist es aber ein längerfristiges Ziel eine komplette Transformation der Karbonenergieträgern hin zu Wasserstofftechnologien zu erreichen, um nicht nur nur eine Klimaneutralität, sondern eine positive Klimabilanz zu erreichen.

Problem: „Wohin mit dem ganzen selbst erzeugten Strom?“

Was im Großen schon geht, müsste doch im Kleinen erst recht klappen. Die „Häuslebesitzer“ mit ihren Photovoltaik (PV)-Anlagen“ auf dem Dach wissen hiervon aber „ein Lied zu singen“, denn „Wohin mit dem ganzen selbst erzeugten Strom?“. Im Sommer gibt es einen Überschuss an Strom von der „Photovoltaik“-Anlage und Wärme von der „Solarthermie“-Anlage. Im Winter ist es genau umgekehrt, hier gibt es dann einen Mangel an Licht und Wärme. Also liegt hier das Problem in der Energiespeicherung.

Lösungsmöglichkeit: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!“

Das gilt nicht nur für „Eingemachtes“ im Keller oder auf der Bank, sondern auch für das „Einmachen“ von Energie. Batterien im Keller zum Energiespeichern sind schon einmal keine schlechte Lösung, für den Überschuss an Energie aus der privaten Stromversorgungsanlage. Das Selbstverbrauchen des eigenen Stroms wäre natürlich noch besser. Das Einspeisen in das Stromnetz seines Stromnetzbetreibers bringt nicht viel, sondern wird mit höchstens 5 – 6 Cent/KWh bei dem Eigenverbrauch wieder vergütet. Das hat sogar noch den absurden Haken, dass man nun Steuern zahlen muss als „Stromproduzent“. Also bleibt nur die Alternative der Energiespeicherung für die Bedarfszeiten, wie z. B. im Winter.

Wasserstoff als vielseitig verwendbarer Energieträger bietet auch hier wieder zahlreiche Lösungsmöglichkeiten an. Man könnte den überschüssigen Strom aus der PV-Anlage zum Beispiel in einem privaten „Elektrolyseur nutzen, um hieraus „grünen Wasserstoff“ zu gewinnen, den man dann in Druckgasbehälter unterirdisch, ähnlich wie bestehende Erdgas-Tanks sammeln könnte. Bei Bedarf kann dann der Wasserstoff wieder in Brennstoffzellen-Stacks für den häuslichen Gebrauch verstromt werden oder in Gastherme wieder zur Warmwasserbereitung oder für die Heizungsanlage genutzt werden.

Dies kann und soll natürlich nur ein kleiner Aus-/Einblick in die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der Wasserstofftechnologien seien. Wichtig ist nur, dass man mal an irgendeiner Stelle anfängt. Und nein, ich würde hier nicht auf die entsprechenden Gesetzesvorgaben zur konkreten Umsetzung warten. Diese Herausforderungen zur Energieversorgung und Klimastabilisierung betreffen jeden einzelnen Menschen, daher ist auch jeder einzelne Mensch eher in der Lage dies in seinem eigenen kleinen Rahmen umzusetzen, als auf den „großen Wurf“ durch die Politik zu warten. „Es gibt keine Chance, also nutzen wir sie!“

 

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Dirk Boucsein
Dirk Boucsein
1 Jahr zuvor

Lieber M.,

vielen Dank für Deinen Kommentar, auf den ich gerne kurz eingehen möchte.

Dein Vorschlag mit dem „Luftdruck als Energiequelle“ funktioniert leider nicht, es sei denn Du meintest hiermit Windkraftanlagen. Luftdruck kann man höchstens als Energieträger benutzen, wie er z. B. in luftdruckbetriebenen Autos (https://de.wikipedia.org/wiki/Druckluftauto) bereits verwendet wird. Diese fahren emissionsfrei allerdings ist wie immer die Frage, wo kommt die Energie her.

Die gleiche Herausforderung stellt sich ebenfalls bei der Herstellung von „grünem Wasserstof“. In dem Essay habe ich aber beschrieben, dass auch Energiequellen wie Sonnenwärmekraftwerk (https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenw%C3%A4rmekraftwerk) wie in „Desertec“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Desertec) oder Abwässer (https://philosophies.de/index.php/2023/11/26/energie-aus-dem-nichts/) hierzu Verwendung finden können. Also der technologischen Möglichkeiten gibt es viele, wir müssen sie nur umsetzen.

Vielen Dank für Dein Interesse und
viele Grüße

Dirk