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Von der Donquichotterie – oder dem Kampf gegen/mit Windmühlenräder
«Als Don Quijote die 30 oder 40 Windmühlen entdeckte, sagte er zu seinem Knappen Sancho: „Das Abenteuer lenkt unsere Schritte besser als wir uns wünschen könnten, denn sieh‘ nur da, mein Freund Sancho Panza, dort warten 30 oder mehr ungeheure Riesen, die ich zur Schlacht herauszufordern gedenke, bis sie alle ihr Leben ausgehaucht haben werden…“
„Welche Riesen?!“, entgegnet Sancho, „diese Erscheinungen sind keine Riesen, sondern Windmühlen!”» (Cervantes, Miguel de. Don Quijote von der Mancha. Kapitel VIII)
Ganz genauso erging es mir auch, als ich mit meiner treuen „Rosinante“ über die „Campo de Criptana“ oder besser gesagt „Campo de medios sociales“ trabte, um gegen die „ungeheuren Riesen der wissenschaftlichen Institutionen“ und gegen den „metaphysischen Stillstand der Windmühlenräder der Wissenschaftstheorie“ auf den „Feldern der Sozialen Medien“ zu kämpfen. Es ging ja schließlich um nichts Geringeres als einen beabsichtigten „Paradigmenwechsel“. Dieser schien mir aber nach all den verbalen „Scharmützeln“ und „Gefechte“ allmählich ein schier aussichtsloses Vorhaben zu werden. Doch die „Schlacht“ ist noch lange nicht geschlagen. Sancho schenkte mir neuen Mut mit seinem wohlwollenden Hinweis; „…diese Erscheinungen sind keine Riesen, sondern Windmühlen!“. Don Quichote hat uns heute immer noch etwas zu sagen. Denn die spätere Rezeption des Werkes von Cervantes und die Symbolik des Kampfes gegen Windmühlen kann aktueller eigentlich gar nicht sein, wie ein Auszug aus Wikipedia beweist:
„Einer häufigen Interpretation zufolge war das 17. Jahrhundert von diesem ausweglosen Kampf des Don Quijote gegen die gnadenlose Maschine fasziniert, weil der rasante technische Fortschritt damals den Machtverlust der Aristokratie vorantrieb. Die lächerliche Auflehnung des Junkers gegen Windmühlen war dafür das ideale Symbol. Tatsächlich wurden seit dem 16. Jahrhundert wegen der zunehmenden Dürre im spanischen Binnenland anstelle von Wassermühlen über 30 Windmühlen in Campo de Criptana errichtet,[19] von denen heute neben einigen Nachbauten noch drei existieren. Das notwendige Know-how für den Bau und Betrieb wurde von Malteserrittern aus dem östlichen Mittelmeerraum mitgebracht.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Don_Quijote#Kampf_gegen_die_Windm%C3%BChlen, Hervorhebungen durch den Redakteur)
Denn in dem folgenden neuen Themenblock meines Weblogs möchte ich mich mal zur Abwechslung ein wenig mit „Windmühlen“, besser gesagt „Windkraftanlagen“ und anderen technologischen Lösungsmöglichkeiten wie zum Beispiel die „Wasserstofftechnologie“ beschäftigen, um meine „Lanze“ für eine nachhaltige Energieversorgung und Klimastabilität der Zukunft „zu brechen“.
Abstract
Der folgende kleine Essay bildet somit eine Überleitung zu einem völlig neuen Themenblock „Klima und Energie“ auf meinem Philosophie- und Wissenschaftsblog, der sich mit den klimatischen und energetischen Herausforderungen für die Zukunft und ihren technologischen Lösungsmöglichkeiten beschäftigen soll. Hierbei soll es ausnahmsweise mal nicht um eine „Neue Metaphysik“ gehen, sondern viel profaner um „Neue Technologien aus Physik und Chemie“, um einmal konkrete Lösungsmöglichkeiten für konkrete Probleme aufzuzeigen.
Auslöser war das momentane Gefühl, dass die Anzahl der Probleme aktuell einem exponentiellen Wachstum gleichkommen. Eine Meldung über die nächste Krise der Menschheit (Pandemien, Krieg, Klima,…) jagt die nächste. Alle diese Schwarzmalereien, Untergangsszenarien, ebenso wie eine scheinbar kollektive Lust am Pessimismus wollten Don Quichote und Sancho Panza irgendwie nicht frohlocken lassen und hätten eher einem „Ritter von der traurigen Gestalt“ zu Gesichte gestanden. Doch ich beschloss, dass ich mich damit nicht zufrieden geben wollte und werde, denn „Diese Erscheinungen sind keine Riesen, sondern Windmühlen!”.
Um etwas zu verbessern, muss man sich nun mal, wie Äsops „Frosch im Milchtopf“, auch ein wenig abstrampeln. Daher möchte ich mit diesem kleinen Essay ein wenig Mut machen, damit nicht immer nur über Krisen und Probleme geredet wird. Ich möchte auch einmal darauf hinweisen, dass schon entsprechende Lösungsmöglichkeiten vorhanden sind, die vielleicht schon stellenweise bekannt sind, aber leider immer noch nicht zur Gänze umgesetzt werden. Doch zunächst wollte Don Quichote mit seiner treuen Rosinante in Richtung „Sonnenaufgang“ reiten.
„Prinzip Hoffnung“ – „Prinzip Verantwortung“
Da Don Quichote nicht beabsichtigte, diese Âventiure alleine zu bestreiten, hatte er sich natürlich ein paar Weggefährten gesucht. Sancho musste diesmal leider ausnahmsweise zu Hause bleiben. Hier kamen ihm aber die guten, alten, deutschen Philosophen Ernst Bloch mit seinem „Prinzip Hoffnung“ und Hans Jonas mit seinem „Prinzip Verantwortung“ des Weges entgegen. In den von Ernst Bloch in den Jahren 1954 – 1959 veröffentlichten Bänden gibt es im Vierten Kapitel „Grundrisse einer besseren Welt“ auch ein Unterkapitel zum Thema „Technische Utopien“. Hierin beschreibt Bloch sein Utopie von einer „Allianztechnik“, die er als Gegenkonzept zu der bisherigen technischen Ausbeutung der Natur durch die Technologien formuliert:
„Das technische Verhältnis zur Natur wiederholt in anderer Weise das bürgerlich-soziale zu den unverstandenen Tendenzen und Inhalten im eigenen Betrieb: hier wie dort kommt die Tätigkeit über das bloße Ausnutzen von Chancen nicht hinaus; hier wie dort wird mit der Materie des Geschehens nicht kommuniziert; (…) Vergewaltigung und Unvermitteltheit bleiben daher in der bürgerlichen Gesellschaft verschwägert; jede Erfindung ist dadurch bestimmt und begrenzt. So erhellt immer wieder: Unsere bisherige Technik steht in der Natur wie eine Besatzungsarmee im Feindesland, und vom Landesinnern weiß sie nichts, die Materie der Sache ist ihr transzendent.“ (Ernst Bloch: „Das Prinzip Hoffnung“, Frankfurt 1973, Bd. II, S. 814, Hervorhebungen durch den Redakteur)
An dieser Stelle wäre vielleicht eine Remineszenz an meinen älteren Essay „Das Technopol – Die Macht der Technologien und die Entmündigung der Gesellschaft“ ganz sinnvoll, da von Neil Postman in seinem gleichnamigen Buch von 1991 eine ähnliche Kritik an den Technologien geäußert wird.
Aber es soll ja in diesem Essay nach wie vor nicht um Kritik, sondern ausnahmesweise mal um Lösungsmöglichkeiten gehen. Bloch schlägt nämlich als Lösung gegen die „Ausbeutung“ und für die „Versöhnung mit der Natur“ vor, dass man die zerstörische „Überlistertechnik“ zu einer „Allianztechnik“ im Einvernehmen mit der Natur umwandelt, die zu einem „mittätigen“ und „befreundeten“ Verhältnis zwischen den Menschen und der Natur führen könne. (Ernst Bloch: „Das Prinzip Hoffnung“, Frankfurt 1973, Bd. II, S. S. 813).
Das hört sich natürlich stark nach „sozialistischer Blümchentapete“ an, ist aber im Kern aus meiner Sicht durchaus richtig, da es nicht mehr um ein „Höher, Weiter, Schneller“ im Sinne eines „max to max“ des „T-Max“ (Technik-Maximierung), sondern eher um nachhaltige Synergien, wie z. B. „Rohstoffkreisläufe“ als „cradle to cradle“ geht.
Diese Kritik an der geringen Konkretheit von „Blochs Utopie“ wurde auch in Hans Jonas‚ 1979 erschinenen Buch „Das Prinzip Verantwortung – Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“ aufgegriffen. Jonas möchte die dringend notwendigen Veränderungen in der Technik nicht als Utopie, sondern als konkrete Ethik, als ein kollektives Handeln verstanden wissen, die sich auch über die zukünftigen Folgen im Sinne einer Risikofolgenabschätzung Gedanken macht. An dem Thema „Atomenergie“ könnte man dieses Konzept der Risikofolgenabschätzung meines Erachtens einmal sehr schön durchdeklinieren. In Anbetracht der drohenden epischen Länge dieses Essays verzichte ich aber an dieser Stelle hierauf und verweise lieber auf Jonas‘, in Anlehnung an Kant neu formulierten, „ethischen Imperativ“, den „ökologischen Imperativ:
„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. Oder negativ ausgedrückt: Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens.“ (Hans Jonas: „Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“, Frankfurt am Main 1979, S. 36, Hervorhebungen durch den Redakteur)
Bei so viel Hoffnung und Verantwortung fragt man sich doch letztenendes, warum wir das eigentlich in den vergangegen 50 bis 70 Jahren nicht hinbekommen haben. Klar könnte man dies wieder im Sinne eines „dualistischen Reduktionismus“ als „Schwarz-Weiß-Sehen“ als das „Wirken von politischen, wirtschaftlichen Mächten“ im Sinne einer „Dialektik der Aufklärungen- Es werde endlich Licht!“ als einen neuen „postfaktischen Narrativ“ erzählen. Aber da dieser Veröffentlichungsort hier den Ansprüchen an einen kritisch-rationalistischen Wissenschaftsblog genügen soll, sehe ich natürlich von derlei „Effekthascherei“ ab und bleibe lieber bei den Fakten, statt im Postfaktischen.
Die Gründe für die diagnostizierte Prokastination der Umsetzung von nachhaltig-hoffnungsvollen und ethisch-verantwortlichen Lösungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Technik sind aus meiner bescheidenen Sicht eher viel profanerer Natur. Es ist wohl eher der „Convenience“ eines „never-change-a-running-systems“-Verhaltens und der hierin innewohnenden „Aufmerksamkeitsökonomie des Gehirns“ geschuldet. Da sitzen wir nun bequem in unseren Kinosesseln und machen lieber ein „Don’t Look Up“, bevor wir aufstehen und etwas an der Weltuntergangsstimmung in den „A-Sozialen Medien“ in unserer „Realen Wirklichkeit“ ändern wollen. Apropos, schon tauchten die ersten „Windmühlenräder“ am Horizont des „Campo de medios sociales“ auf, als sich die Sonne langsam dem „Untergang“ entgegen neigte.
Schluss mit dem täglichen Weltuntergang – Raus aus der ewigen Dauerkrise
Die Überschrift dieses Kapitels bezieht sich auf die zwei gleichnamigen Bücher „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang – Wie wir uns gegen die digitale Vermüllung unserer Gehirne wehren“ (2019) und „Raus aus der ewigen Dauerkrise – Mit dem Denken von morgen die Probleme von heute lösen“ (2021) von der Autorin & Mitgründerin von „Perspective Daily“, Medienpsychologin und Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Maren Urner. In ihren Büchern fordert sie ein:
„Schluss mit dem statischen Denken, hin zum dynamischen Denken. Raus aus dem ewigen Schwarz-Weiß-Kategorisieren, rein in die Unsicherheit der bunten Welt.“ (https://maren-urner.com/, Hervohebungen ergänzt)
Dies kann ich nur mit vollstem Herzen unterstützen, da es doch fast identisch hinsichtlich meinen Forderungen nach einem „Paradigmenwechsel“ der Überwindung eines Dualismus zugunsten einer Polykontexturalität klingt. Und Frau Urner müsste es ja schließlich als Medienpsychologin und Neurowissenschaftlerin genauer wissen. Daher hier noch ein Zitat von ihr:
„Sündenbocksuche, Zynismus und Problemfokussierung sind Bremsklötze. Immer wieder hüpfte sie im Alltag auf die Metaebene der Neurowissenschaften und Psychologie und erkannte die „praktischen Beispiele“ der Studien und Forschung, die sie zuvor zehn Jahre lang selbst mit durchgeführt hatte. Dabei stolperte sie über ein Zitat, das seitdem ihr Leben gut zusammenfasst und das sie nicht müde wird, zu zitieren – auch um sich immer wieder selbst zu motivieren. Vorhang auf für Fazit Nummer 2: „Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen.“ Steve de Shazer, Psychotherapeut und Autor (1985)“ (https://maren-urner.com/, Hervohebungen ergänzt)
Also reden wir im Folgenden doch einfach mal über Lösungen, statt über Probleme.
Von der Donquichotterie – nicht gegen, sondern mit Windmühlen zu kämpfen
Bei meinem „Parforceritt gegen die Windmühlenräder“ bemerkte ich, dass sie keine „Riesen“-Probleme sind, sondern sogar „erste, kleine Lösungen“ für eine nachhaltige Energieversorgung und Klimastabilität der Zukunft darstellen könnten. Windkraftanlagen sind natürlich kein Allheilmittel, sondern machen nur im Verbund mit den anderen erneuerbaren Energiequellen (Wind, Sonne, Erdwärme, Schwerkraft,…) einen Sinn. Klar kommt hier zuerst einmal wieder das bekannte „Sankt-Florian-Prinzip“ („Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an!“) oder die englischsprachige Entsprechung, das „NIMBY“ („Not in my backyard“) zur Wirkung, da sich niemand gerne eine „Windkraftanlage in den Vorgarten stellen lässt“.
Die Mindestabstandsregel von 1000 – 1500 m zu Wohngebieten ist zwar gefallen, aber ein „Zustellen“ der Landschaften mit Windkraftanlagen ist auch nicht geplant. In einem Beschluss des NRW-Landtags vom 25.08.23 ist zwar diese Mindestabstandsregel geändert worden. Aber aus der „Potenzialstudie Windenergie NRW – LANUV-Fachbericht 124“ ist zu entnehmen, dass sie dennoch eingehalten wird. Zudem beträgt die landesweite, für diesen Ausbau nutzbare Fläche sowieseo nur 59.594 ha = 1,7% der Gesamtfläche NRWs. Also alles in allem zunächst mal nur eine „erste, kleine Lösung“. Der „große Wurf“ ist dies natürlich nicht.
Dass es noch viele andere sehr interessante, technologische Lösungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Energieversorgung und Klimastabilität der Zukunft gibt, davon sollen nun meine folgenden Essays handeln.
Also sattelte Don Quichote wieder seine Rosinante und trabte mit seinem treuen Weggefährten Sancho Panza weiter seines Weges.
– Fortsetzung folgt 😉 –
Vielen Dank für Ihren inspirierenden Artikel, der mich sehr erfreut hat. Aber: Wenn ich mich zum Beispiel an einer Tischkante stoße, vergesse ich vor Schmerz kurzzeitig, zu differenzieren. Ebenso verhält es sich mit den großen virulenten Problemenlagen, aus denen sich immer wieder neue Matrizen für „tägliche Weltuntergänge“ entwickeln. Es fehlt dann der Abstand, die kalte Wut schnellt hoch, und Bitterkeit erfasst das Denken, welches zum Beispiel sagt, man dürfe (nach 1945, wie Adorno postulierte) keine Gedichte mehr schreiben. Und jetzt also „positives Denken statt „Negativer Dialektik? Don Quijote ist ohne Sancho Pansa nichts, und umgekehrt. Möglichkeitssinn und responsive Dingwelt-Wahrnehmung reichen sich die Hände (insbesondere) im Schmerz. Entgegen Steve Shazers Meinung bin ich der Ansicht, dass Probleme tatsächlich auch dadurch gelöst werden können, dass man über sie spricht. (Macht das Sinn? Kommentar sonst gerne löschen/Herzliche Grüsse aus Kronshagen)
Lieber Herr Lorenzen,
vielen Dank für Ihre freundliche Rückmeldung und Ihren sehr interessanten Kommentar, auf den ich hier gerne kurz eingehen möchte.
Klar gehört „der Schmerz“ auch zu unseren Daseinsbestimmungen und hat auch seine absolute Berechtigung. Diese Einsicht hatte ich auch bereits in einem meiner allerersten Essays „Die Glückseligkeit – der richtige Weg das Glück zu finden“ einmal als Zitat von Kant eingefügt. An dieser Stelle würde ich es aber gerne noch einmal verwenden, weil es aus meiner Sicht so gut zu dem von Ihnen erwähnten Thematik passt:
„Das „Bewußtsein des Verlassens des gegenwärtigen Zustandes“, nicht „der Prospekt des Eintretens in einen künftigen“, erweckt in uns die „Empfindung des Vergnügens“, welches also die „Aufhebung eines Schmerzes und etwas Negatives“ ist. „Vergnügen ist das Gefühl der Beförderung, Schmerz das eines Hindernisses des Lebens“. Leben ist ein „kontinuierliches Spiel des Antagonismus von beiden“. „Also muß vor jedem Vergnügen der Schmerz vorhergehen; der Schmerz ist immer das erste.“ „Auch kann kein Vergnügen unmittelbar auf das andere folgen; sondern zwischen einem und dem anderen muß sich der Schmerz einfinden.“ „Der Schmerz ist der Stachel der Tätigkeit, und in dieser fühlen wir allererst unser Leben; ohne diesen würde Leblosigkeit eintreten“, ibid. (Immanuel Kant:“Gefühle – Gefühlsphilosophie“ IV 154 f.).
Das von mir in meinem Essay „Von der Donquichotterie“ erwähnte „positive Denken“ als „Prinzip Hoffnung“ war ja ausdrücklich nicht als „Blümchenwiese im Takatukaland“ gemeint. Ich habe den von Ihnen erwähnten Steve Shazer noch nicht gelesen, aber einer seiner Buchtitel von 1994 klingt doch sehr vielversprechend „Worte waren ursprünglich Zauber. Von der Problemsprache zur Lösungssprache“, oder?
Ich würde Ihnen aber auch absolut Recht geben mit Ihrer „Ansicht, dass Probleme tatsächlich auch dadurch gelöst werden können, dass man über sie spricht.“, wie sollte es denn sonst gehen. Man muss die Probleme zunächst einmal offen ansprechen, oder wie der olle Miesepter Kant oben meinte; „Also muß vor jedem Vergnügen der Schmerz vorhergehen; der Schmerz ist immer das erste.“ Ich habe nur momentan das Gefühl, wie ich bereits geschrieben habe, dass wir aus dem „Tal der Schmerzen“ irgendwie nicht mehr rauskommen und eher sogar eine Lust an der „Weltuntergangsstimmung“ entwickeln. Und genau dagegen wollte ich anschreiben. Das scheinen Sie ja auch zu machen, da ich mir Ihre sehr informative Webseite „Plattmensch – Sapere aude“ (https://lornz.de/) ebenfalls einmal angeschaut habe. Besonders Ihren „Pepper-Blog“ fand ich sehr gelungen und sehr spannend.
Vielleicht könnte man mal ein konkretes „Joint Venture“ realisieren, um gemeinsam „Von der Problemsprache zur Lösungssprache“ zu kommen, oder auf Plattdeutsch „Nich lang snacken, man mal anpacken!“ ;-).
In diesem Sinne herzliche Grüße nach Kronshagen ut dem platten mönsterlänsk
Dirk
Moin Herr Boucsein,
velen Dank för de fründlichen Wöör to mien Websiet un to mien Pepper-Blog. „Kührt“, „protet“ oder „snackt“ se dor egentli in‘t Mönsterlänsk? – Nein, was ich eigentlich sagen wollte, vielen Dank für das erhellende Zitat von Kant, den ich bisher nicht als Existenz- bzw. Lebensphilosophen auf dem Zettel hatte, sondern vielmehr als Moralphilosophen, knallharten Aufklärer und Kritiker der reinen Vernunft. Dessen ungeachtet möchte ich Ihr wagemutiges und beinahe artistisches Unterfangen, gegen die „Weltunterganggstimmung“ „anschreiben“ zu wollen, sehr gern unterstützen, auch wenn es mir gelegentlich schwer fällt, Zuversicht zu bewahren. So schildere ich in meiner aktuellen Pepperblog(10)-Ausgabe als Vertreter der Generation X, der obwohl mit Atari, Amiga und Floppy- Disks aufgewachsen ist, ein Gefühl von zunehmder Unsicherheit in der digitalen / KI optimierten/ Welt. „Ich bewege mich über die Bedienoberflächen der digitalen Welt wie ein Wasserläufer über den See. Er wird getragen von der Oberflächenspannung, und ich gehe nicht unter, weil mir bestimmte wiederholbare Programmabläufe unter den Fingern ein Gefühl von (trügerischer) Sicherheit verleihen.“ – Wenn wir uns im weitesten kantischen Sinne als Aufklärer verstehen wollen, wie sollen wir dann (in) mit einer Welt zurecht kommen, die vollends vom Prinzip „Black Box“ beherrscht zu werden scheint? Herzliche Grüße retour, Lornz
Moin, moin (för de vielkürer ;-)) Herr Lorenzen,
jau, jau we hev hier im Mönsterlanske auck so’ne Aperige mit de Spraak. Mine Frouw un ik, wöör auck to so’ne Spraak-Kursus to lörn dat. Avver we man siat, is da auck nix bei rumgekömt. So versuack ick dat wol lievver widder in Hookdütsch;-).
Ja, bei mir stand auch mal ein „VC64“ von Commodore mit Floppy-Disk, schöne Remiszenz an längst vergangene Kindertage. Ja, auch mir wird ab und zu mal ganz schwindelig bei dem „Raketenantrieb“, den wir jetzt in unseren „Kisten“ eingebaut haben. Ich fand Ihren Vergleich mit dem „Wasserläufer auf der Bedienoberfläche“ auch ganz passend. Aber wenn man sich den rasanten Fortschritt in der KI-Entwicklung mal genauer anschaut, hat man schon manchmal den Eindruck bald können die „über’s Wasser laufen“ ;-). Und daher werde ich auch nicht müde im Sinne einer Dörnerschen Risikofolgeabschätzung vor dem „Gefühl von (trügerischer) Sicherheit“ zu warnen.
Daher kann ich Ihnen auch nur Recht geben, wenn Sie auf die Dialektik der Aufklärung hinweisen. Das Prinzip „Black Box“ in der KI-Forschung ist ja gerade das Problem. Man fährt ja auch nicht mit „160 durch eine Nebelbank“. Wir haben noch nicht verstanden, was Bewusstsein überhaupt ist, aber wir experimentieren schon mal mit irgendwas Ähnlichem herum.
Konrad Kording, den wir demnächst auch zu dieser Thematik interviewen wollen hat übrigens zu dieser Thematik zusammen mit Eric Jonas 2017 einen sehr vielsagenden Artikel „Could a Neuroscientist Understand a Microprocessor?“ (https://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1005268) in PLOS Comutational Biology veröffentlicht. In dem Experiment sollten mehrere Neurowissenschaftler die Prozesse in einem sehr einfachen aus 3510 enhancement-mode Transistoren bestehenden Prozessor MOS 6502, der z. B. im Apple I, im Commodore 64 (s. o.) und im Atari Video Game System (VCS) verbaut worden ist, analysieren und Auskunft darüber geben, was dieser „sehr einfache, künstliche Organismus“ in seinem „Logik-Gatter-Netzwerk“ eigentlich macht.
Das Ergebnis ist etwas desillusionierend. Ich habe es einmal aus dem Artikel ins Deutsche übersetzen lassen und möchte es hier nicht vorenthalten:
„Es gibt noch andere Rechensysteme, die Wissenschaftler versuchen, nachzubauen. Ein besonders relevantes System sind künstliche neuronale Netze. Es wird eine Vielzahl von Methoden entwickelt, um herauszufinden, wie sie funktionieren. Dazu gehören Methoden, um die Netze Bilder malen zu lassen [67] und Methoden, um die optimalen Stimuli für verschiedene Bereiche aufzuzeichnen [68]. Während beim Verständnis der Mechanismen und der Architektur von Netzwerken zur Bildklassifizierung Fortschritte erzielt wurden, sind komplexere Systeme noch immer völlig undurchsichtig [69]. Ein wirkliches Verständnis selbst dieser vergleichsweise einfachen, vom Menschen geschaffenen Systeme bleibt daher schwer fassbar, und manchmal überraschen sie uns sogar mit wirklich überraschenden Eigenschaften [70]. Das Gehirn ist eindeutig viel komplizierter, und unsere Schwierigkeiten, Deep Learning zu verstehen, könnten darauf hindeuten, dass das Gehirn schwer zu verstehen ist, wenn es so etwas wie Gradientenabstieg auf eine Kostenfunktion anwendet.“ (https://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1005268, Übersetzt mit DeepL)
„Ein wirkliches Verständnis selbst dieser vergleichsweise einfachen, vom Menschen geschaffenen Systeme bleibt daher schwer fassbar, und manchmal überraschen sie uns sogar mit wirklich überraschenden Eigenschaften […]“. Insofern möchte ich ehrlich gesagt auf derartige „überraschende Eigenschaften“ eigentlich verzichten.
In dissen Sinn leevt Grööt in ’n Noorden
Dirk Boucsein