Ein Blick durch die materialistische Monismus-Brille

Ein Blick durch die materialistische Monismus-Brille

Ein Blick durch die materialistische Monismus-Brille

Wer die Dinge immer durch seine eigene Brille (muss noch nicht mal die „rosarote“ sein) sieht, der verliert irgendwann einmal den Blick für das große Ganze mit all seinen Facetten aus den Augen. Oder kulturtechnisch moderner ausgedrückt: Wer immer in seiner „Filter-Bubble“ oder „Echo-Kammer“ sitzt, muss sich nicht wundern, wenn er irgendwann einmal durch seine eigenen Feedback-Loops in einer Parallelwelt des „digitalen Tribalismus“ (https://www.deutschlandfunkkultur.de/filterblasen-echokammern-co-filtern-als-kulturtechnik.976.de.html?dram:article_id=433306) aufwacht (wenn das überhaupt noch geht, aber dann bin ich schon beim „Traum“-Thema des Artikels).

Damit so etwas aber tunlichst vermieden werden kann, habe ich meinen für seinen unerschütterlichen Positivismus geschätzten Kollegen von unserem philosophischen „Zoomposium“ (seine Worterfindung) Christian Bührig einmal gebeten, einen Blick durch seine „materialistische Monismus-Brille“ auf unsere zuvor häufig geführte „Bewusstsein-Debatte“ zu werfen. Dies hat er mit dem unten veröffentlichten Gastbeitrag dann auch freundlicherweise gemacht. Wobei hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden sollte, dass sein eigentlicher Interessenschwerpunkt ganz woanders, nämlich bei der „einheitlichen Feldtheorie“ und „den Autoren der Physik“ liegt. Umso mehr freut es mich, dass er zu diesem Thema seinen Standpunkt einmal verdeutlicht hat.

Dabei musste ich natürlich auch billigend in Kauf nehmen, dass mein „schönes Wissenschaftsgebäude“, was ich vorher im „Der Paradigmenwechsel“ vom „Monismus vs. Dualismus“-Dualismus sanieren wollte, jetzt erst mal wieder eine neuen, hübschen „Außenanstrich“ (liegt vielleicht doch an der Tönung der Brille 😉 bekommt. Aber werfen Sie doch lieber einmal einen ungefärbten Blick auf den Artikel und entscheiden Sie dann selbst.

Gastbeitrag von Christian Bührig von dem wissenschaftlichen Blog Akademie Olympia:

„Gedanken zur Bewusstseins-Debatte“

20. Juni 2021 ~ cbuphilblog ~

In der Diskussion über das Leib-Seele-Problem und dem Erleben von Qualia, gerät der materialistische (also monistische) Denker leicht in den Verdacht, einen Dualismus zu denken, obwohl er dies verneinen würde. Eine mögliche Ursache ist, dass er sich immer wieder bei der Sprechweise, Bewusstsein „entstünde“ im Gehirn, ertappen lässt. Das Wort „entstehen“ kann also ein Indiz dafür sein, der Denker würde eigentlich einen Glauben an eine besondere Entität in der Welt haben, analog dem Elan Vital. Aber dann ist sein Denken nicht mehr monistisch, eine weitere Entität muss in die Ontologie aufgenommen sein: Materie und das besagte Bewusstsein.

Tatsächlich geben gerade die philosophisch bedeutsamen Wurzeln der Phänomenologie Anlass, sich Mühe geben zu müssen, nicht mit kartesischem „einzig sicheren Ausgangspunkt“ bei einem Ich (und den Bedingungen, welche a priori dem Erkennen vorausgehen) eine ontologische Entität im Sinne von Descartes denken zu müssen. Es ist eben auch zu Bedenken, dass in Kreisen wie der Esoterik oder anderen Glaubenssystemen diese naheliegende Interpretation als Garant für die Auffassung der Existenz jener ontologischen Instanz gern ins Gefecht geschickt wird, es sei faktisch unbezweifelbar, wie schon Descartes gewusst habe.

Wenn wir die Phänomenologie aber erst einmal nur als Erkenntnistheorie begreifen und dem ICH keine ontologische Eigenständigkeit zubilligen, so würde schließlich auch derjenige, der sich auf die Phänomene konzentriert, zwar so etwas wie das Erleben der Süße von Honig als „real“ zur Kenntnis nehmen, aber nicht auf die Idee kommen, aus diesem Phänomen eine „Existenz“ einer geistigen Repräsentation der Süße zu postulieren.

Traum

Wichtig ist aus meiner Sicht, hierbei immer zu erwähnen, dass es beim bewussten Erleben nicht auf äußere Reize ankommt, da bewusstes Erleben im Traum ohne Außenreize in das Bewusstsein kommt. Insbesondere dieses Argument wird einen Descartes aus der Bahn geworfen haben. Tatsächlich wird es in den Meditationen auch kurz erwähnt, doch dann setzt er als potentiellen Erzeuger dieser schwierigen Wahrnehmung kurzerhand einen Dämon, der etwas zu unserer Täuschung tun könnte.

Moderne Theorien zu den Traumaktivitäten setzen als Ersatz-Stimulus ein Spontanaktivität an. Aber das mag aus meiner Sicht nicht besonders überzeugend sein, denn in der Praxis ist auch der Traum kein wildes Springen von Erlebnis zu Erlebnis, wie es der Zufallscharakter des Wortes „Spontanität“ nahelegt. Die Praxis des Traums ist doch zumeist, dass wir für eine erstaunlich lange Zeit einem Film mit wenigen Brüchen beiwohnen, in welchem die Orte, die Personen und die Gespräche sich durchaus sinnhaft entwickeln. Nur nach dem Erwachen können wir uns an Brüche erinnern, an spontane Wechsel der Orte oder an Treffen mit Verstorbenen, was uns dann etwas verdutzt fragen lässt, warum solche Situationen im Traum keinen Widerspruch des beiwohnenden Ichs erzeugt haben.

In Kafkas „Der Prozess“ gibt es Szenen, die vermuten lassen, dass Kafka einen Traum erzählt, wenn beispielsweise ohne besonderes Aufbegehren die Unsinnigkeit akzeptiert wird, dass Personen aus einem Schrank kommen. So etwas ist aber wiederum typisch für das Erleben im Traum. Kafkas Interesse konnte sein, eine männliche Unsicherheit im frühen Mannesalter zu thematisieren, denn die bedrückende, unbekannte Anklage, vor die er gestellt wird, und der Mangel an Details zu der Anklage, soll insbesondere von Meinungen von Frauen über ihn abhängig sein.

Traum als Erwartungsfilm

Eine gute Erklärung für das Thema Traum könnte sein, dass es sich bei unserem Gehirn in der Evolution primär um ein Rechenwerkzeug handelt, welches permanent die Erwartung für die nächsten Sekunden berechnet. Diese Erwartung wird dann immer von den Sinnesorganen im Wachzustand korrigiert. Im Traum erleben wir dieses Berechnen der Erwartungen in seiner Gesamtheit als Produktion eines Erwartungsfilms, welcher auch im Wachzustand die ganze Zeit mitläuft, im Traum aber sozusagen im Leerlauf beobachtet werden kann. Das wäre der evolutionäre Ansatzpunkt, der hier vorgestellt werden soll.

Traum als Produktion eines Erwartungsfilms ist auch fundamentaler Teil des Wachzustands.

Es muss zu dieser Perspektive auf das Problem Traum mit Auswirkungen auf den Wachzustand bemerkt werden, dass diese Perspektive auch gestattet, viele psychische Besonderheiten wie das Hören von Stimmen oder Sehen von Verstorbenen über diese Erwartungs-Film-Produktion zu erklären, welche im gesunden Zustand und ohne bewusstseinsbeeinflussende Substanzen regulär in einen nicht wahrnehmbaren Hintergrund gehalten wird.

„Spontanaktivität von Neuronen“ seien also keine gute Idee, vielmehr sollte das, was als Spontanaktivität aktuell im Gespräch ist, als Prognose-Berechnungs-Prozess angesehen werden, deren Aktivität dann kein sinnleeres Rauschen ist.

Spontanaktivität ist kein sinnleeres Rauschen, sondern der Prognose-Berechnungs-Prozess selbst.

Vergleich mit Diskussion über Welle-Teilchen-Dualismus

Doch alle diese Anmerkungen sollen die eingangs diskutierte Frage nur von verschiedenen Seiten beleuchten: Offenbart das Sprechen vom bewussten Erleben in der Tiefe schon einen Dualismus, den der Denker sich selbst nicht eingesteht?

Ich hatte eine ähnliche Erfahrung in der Physik gemacht, indem ich (mit Popper) aufzeigte, dass die orthodoxen Blicke auf die Wellenmechanik zwar von einem Welle-Teilchen-Dualismus spricht, dabei aber ontologisch nur dem Teilchen Existenz zugesprochen wird. Die Natur der Welle wird ontologisch nicht ernst genommen, sie wird eher als Unkenntnis über den Aufenthaltsort begriffen. Wobei die Wellenfunktion von Schrödinger benutzt werden kann, um die Wahrscheinlichkeit des Antreffens bei einer Messung an einem bestimmten Ort berechnen zu können.

In der Chemie kennen wir diesen Sachverhalt als Orbitale. Einige Physiker wagen sich dann aber doch tiefer in den Welle-Teilchen-Dualismus hinein, um am Ende Aussagen zu treffen wie: vor der Messung würde das Elektron real auch gar nicht an einem Ort um den Kern sein können. Beispielsweise spricht für diese Existenz in Möglichkeiten, dass bei einem Wasserstoffatom ein „umherfliegendes“ Elektron rein mechanisch betrachtet das geforderte Maß an Stabilität eines Atoms gefährdet. Aber mit dem „Trick“, das Elektron eine „verschmierte“ Existenz in Möglichkeiten zuzusprechen, wäre das Problem gelöst.

Vor diesem Hintergrund begann ich mich für eine reine Feldtheorie auszusprechen, also dem Teilchenmodell den Rücken zu kehren, was auch im Sinne Schrödingers und des späten Einstein war. Von „Kennern“ der orthodoxen Quantentheorie schlug mir dann jedoch entgegen, dass diese Abkehr nichts Besonderes sei, da die postulierte „Verschmiertheit“ eines Elektrons auch bei Bohr und / oder Heisenberg ja ein Zeichen dafür sei, dass man eben den Welle-Teilchen-Dualismus ernst nehme, also insbesondere damit vom Teilchen nicht wirklich etwas übrig bliebe. Man wollte damit aber nicht meiner Interpretation folgen, dass eine reine Feldtheorie eine richtige Stoßrichtung sei, sondern mich davon überzeugen, dass die moderne Physik eben ein Zwitterwesen aus Feld und Teilchen aufgedeckt habe, welches für den Laien als neue Ontologie eben nicht zu begreifen sei. Es sei nur durch Blick in die Schönheit der Mathematik und der Formeln zu erkennen, wie es Heisenberg beispielsweise ausdrücken würde, wenn man seine fundamentalen Einsichten in die Unschärfe auf Quantenebene folgen würde.

Mit dem Reden von einer „verschmierten“ Existenz in Möglichkeiten täuscht sich die orthodoxe Quantentheorie selbst darüber hinweg, eben doch an eine Teilchen-Ontologie zu glauben, behaupte ich weiterhin. Spätestens dadurch, dass die Objekte in den Formeln eben nicht reine Felder sind, sondern eben die Orte und Impulse von Teilchen beschreiben.

Heisenberg: Die Sprache ist das Problem

In der Tradition Heisenbergs kommt dann auch immer das philosophische Ausweichargument ins Spiel, dass die Sprache an unseren traditionellen Mitteln und insbesondere Grenzen des Denkens gebunden sei und dass man eigentlich für Quantenphänomene eine eigene Sprache, eine Quantenrealitäts-Sprache, bräuchte. Dass dies einem einfachen Herrn B. aus K. nicht einleuchte, dass solle ihn nicht trotzig und kritisch machen, das beweise nur, dass die Probleme nur von Experten der Physik verstanden und durchdrungen werden können.

Diese Argumente halte ich leider für eine wissenschaftstheoretische Immunisierungen. Sie missachten, dass beispielsweise ein Schrödinger und ein Einstein ebenfalls diesen distinguierten Argumentationen nicht viel Gewicht gaben. Auch Popper schlug sich auf die Seite der beiden Skeptiker („Die Quantentheorie und das Schisma der Physik“). Schrödinger nennt die Seite der Skeptiker an der orthodoxen Interpretation die „Optimisten“, zu denen er sich selbst zählt.

Dennoch erkenne ich an, dass die Sprache ein Hindernis ist. So sagte auch Schrödinger, dass das Sprechen von Teilchen (er möchte von einer Ontologie der Teilchen zugunsten eines Feldes weg) häufig einen physikalischen Sachverhalt viel einfacher erklären lässt, als dies mit Wellenpaketen, welche sich so verhalten, als ob es sich um Teilchen handeln würde (weil ihre Struktur als abgegrenztes Form in einem Kontinuum erhalten bleibt), möglich wäre.

Unter diesem Blickwinkel will ich also durchaus eine Lanze für Neurowissenschaftler und naturalistische Philosophen brechen, wenn diese beim Thema Bewusstsein auf die klassische Sprache zurückfallen, obwohl sie eine Erklärung im Sinn haben, welche eine Begleiterscheinung der physikalischen Prozesse meint.

Messlatte: Wie hältst du es mit der Emergenz?

Es sei nun auf eine Strategie Poppers verwiesen, welche mit der Falsifikation verwandt ist: Welche Argumente würden uns überzeugen, dass jemand nicht an einen Dualismus denkt, wenn er davon spricht, dass Bewusstsein bei den Gehirnaktivitäten „entsteht“?

Die Antwort wird uns nicht leicht fallen, da uns die Indizien so sehr ins Auge stechen. Sie gleicht in etwa einem peniblen Physiker, der alle anderen Physiker angreift, wenn diese von einer Gravitationskraft sprechen, obwohl die Lehre der Physik ist, dass wir es mit Raumzeits- bzw. Gravitationsfeld-Unterschiede tun haben.

Es bliebe aus meiner Sicht immer zu fragen, wie der kritisierte Denker oder Wissenschaftler zum Problem der Emergenz des Bewusstseins steht. Hier kann man feststellen, dass analog zum Thema Leben die philosophische Ontologie vermutet wird, dass Bewusstsein und Leben irgendwie schon in der Welt und der Materien sein müssen, beispielsweise als Panpsychismus. Oder ob erwartet wird, dass ein Roboter mit KI (s)eine spezielle Form von Bewusstsein ganz automatisch per Emergenz bekommen wird, sobald eine bestimmte Komplexitätsstufe und die richtigen KI-Lernstrategien zur Anwendung kommen.

Fazit

Ich mag noch abschließend damit vergleichen, dass ich Leben nicht als emergentes Phänomen betrachte, weil ich es reduktionistisch so weit entzaubert sehe, dass wir es mit autopoiesischen Kreislaufprozessen zu tun haben, welche sich evolutiv immer besser stabilisiert haben. Die Jahrmillionen des „Überlebens“ von sehr stabilen, chemischen Kreisläufen lassen uns heute staunend zurück, wie das „jemals möglich gewesen sein konnte“. Aber die Erfolgsstrategien der Evolution sind zwar nicht gut rekonstruierbar, vorwärtsgerichtet jedoch außergewöhnlich effizient!

Daran anschließend denke ich aktuell über das Phänomen „Bewusstsein“: Es wird vermutlich nicht eine Frage von der hinreichenden Rechenleistung sein, der richtigen KI-Lernstrategie oder den richtigen künstlichen Neuronen. Was die Natur mit viel Verschleiß von Test-Lebewesen über Jahrmillionen zur Reife brachte, das wird der Mensch nicht durch einfaches Hinschauen und Nachbauen als emergentes Phänomen erzwingen können, befürchte ich. Die Evolution ging über Leichen, um uns Bewusstsein zu ermöglichen.

Was die Natur mit viel Verschleiß an Test-Lebewesen über Jahrmillionen zur Reife brachte, das wird der Mensch nicht durch einfaches Hinschauen und Nachbauen als emergentes Phänomen erzwingen können. Die Evolution ging über Leichen.

Damit bleibt Bewusstsein ein Ausnahmezustand in der Natur, welchen die Evolution mit vielen tierischen Opfern für uns erfunden hat.

Auch hier wieder ein schönes Beispiel für einen Sprachgebrauch, welcher nicht zu einem Angriff benutzt werden darf! Wenn ich davon spreche, dass „die Evolution“ etwas für uns erschaffen hat, dann kann man ruhig die Waffen wieder einstecken: Mitnichten würde ich „die Evolution“ als eine handelnde Instanz denken. Es ist eine erlaubte Form der Sprache, ein Problemfeld auch ab und zu mit einfacher Sprache zu umkreisen.

Popper war im Übrigen in dieser Hinsicht ein philosophischer Nestbeschmutzer, denn er mahne seine Kollegen an, sich von schwierigen Sätzen zu distanzieren. Der kritische Diskurs hat vor allem dann einen Erfolg, wenn die verwendete Sprache möglichst klar und einfach ist.

Ein Blick auf KI und die Evolution von Qualia

Der Aufsatz hat also kein Happy End. Es wird das Entstehen von Bewusstsein nicht erklärt. Mit Verweis auf den Traum soll aber angedacht werden, dass die Natur uns viele Erlebnisinhalte auch generieren lässt, ohne dass es dafür einen externen Reiz gibt. Weil wir diesen autonomen Prozess brauchen, um im wachen Zustand Erwartungen die nächste Sekunde zu berechnen. Die realen Wahrnehmungen schwimmen auf diesem Fluss der Erwartungen mit, welche ganz ohne externe Reize wahrnehmbar sein würden.

Es wird damit also etwas als Voraussetzung für Erfahrungen betrachtet und hat damit Ähnlichkeit mit der Kernaussage Kants. Aus einer technischen Perspektive würde dies bedeuten, dass eine künstliche Intelligenz ganz unabhängig von den Umweltreizen, die der Roboter verarbeiten soll, zuerst eine Software benötigt, welche Qualia schon realisiert hat, sozusagen „Qualia-Module“. Diese Module müssten schon eine volle Ausprägung haben, beispielsweise für das Qualia der Süße. Dann könnte ein relativ beliebiger Umweltreiz dieses Modul aktivieren.

In der Evolution würde man freilich nicht von einer vollständig sinnfreien Zuordnung zu einem Qualia sprechen, hier hat sich das Qualia-Modul sozusagen per Co-Evolution mit dem Umweltreiz selbständig entwickelt. Die reale Existenz des Umweltreizes bedingt den Fortbestand und weitere Optimierungen des Qualia-Moduls. Unnötige Qualia-Module sterben aus. Schlechte Zuordnungen zu Qualia-Modulen sterben aus.

Die Natur musste im Prinzip also nur einmalig den Sprung geschafft haben, ein einziges Qualia-Modul selektiert zu haben. Dieses Erfolgsmodell konnte dann in die diversen Ausprägungen leicht abgewandelt werden. Die wichtigste Aufgabe der Qualia-Module: Kleine Unterschiede übertrieben anders ins Bewusstsein zu heben, wenn dies beim Überleben einen Vorteil bringt. Einfaches Beispiel sei das Sehen von Farben bei relativ geringen Unterscheiden der elektromagnetischen Wellenlängen.

Die Natur musste im Prinzip also nur einmalig den Sprung geschafft haben, ein einziges Qualia-Modul selektiert zu haben.

Auch wird mit diesem Blickwinkel dem Versuch eine Absage erteilt, etwas zu erklären, dessen bloße Existenz wir anthropozentrisch nur bestaunen können. Analog zum Staunen über Leben auf der Erde. Analsog zum Leben sei es eine technische Verstiegenheit, wenn eine künstliche Schaffung von Bewusstsein für möglich erklärt wird.

Dennoch muss zumindest der Natur zugestanden werden, diese unwahrscheinliche Emergenz erzeugt zu haben, die wir anthropozentrisch als Fakt zur Kenntnis nehmen müssen. Eine Emergenz, welche real Bewusstsein entstehen lässt, ohne dass damit mit Descartes dem emergenten Zustand eine eigene ontologische Existenz angedichtet werden soll.

Willensfreiheit?

Es bleibt im Sinne des Leib-Seele-Problems offen, ob dieses emergente Bewusstsein eine Potenz hat, der Natur sogar einen Freiheitsgrad abzuringen, indem es mithilfe von Befehlen an die Muskulatur dem Verlauf der Natur eine persönliche Wendung gibt.

Ich persönlich bin beim Thema Willensfreiheit Optimist. Ich traue der Evolution zu, dem Bewusstsein auch diesen freien Willen zugänglich gemacht zu haben.

Wie? Verstoß gegen Kausalität durch einen freien Willen?

Nun, nur wie im Fall eines deterministischen Chaos eine Potenz des neuronalen Gewitters, bei Schwellenwerten einen Zustand zu finden, welcher einem Attraktorenfeld doch einen Vorrang geben lässt. Die Natur hatte Millionen von Jahren Zeit, dieses Kunststück zu üben, Kopf oder Zahl bei einer Münze fallen zu lassen, wenn die Münze gerade auf dem Rand steht.

© Text „Gedanken zur Bewusstseins-Debatte“: Christian Bührig

© Einleitung: philosophies.de

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Philipp
Philipp
3 Jahre zuvor

Ich nehme nachfolgend Stellung zu Dirks Kommentar auf Christians Beitrag: “Du erwähntest in Deiner Einleitung bereits, dass der “materialistische (also monistische) Denker leicht in den Verdacht, einen Dualismus zu denken” gerät. Meine Frage geht genau wie in unserem Zoomposium dahin, ob es dann nicht schon ein Dualismus wäre, wenn man nur zwischen den vermeintlichen Alternativen “Monismus vs. Dualismus” wählen kann.”

Wenn ich dies rein von der philosophischen Ebene betrachte, so ergeben sich aus meiner Perspektive bereits mehrere Widersprüche.

Wenn 1. die Annahme besteht dass das Bewusstsein als innere Repräsentation der Welt existiert und 2. dieses identisch mit der neuronalen Aktivität des Gehirns sei, so wird das Bewusstsein, gemäß der Identitätstheorie des Materialismus/Physikalismus und ihren Unterformen, im Gehirn lokalisiert.

Von der philosophischen Seite ergeben sich so zwei Widersprüche:

Es bleibt ein latenter Dualismus bestehen (siehe Peter Hacker und Maxwell Bennett – Philosophical Foundations of Neuroscience)
Ein Materialismus/Physikalismus ist so für mich im engeren Sinne nicht denkbar. Denn wenn man davon ausgeht, dass unser komplettes phänomenales Erleben eine Repräsentation der Außenwelt im Gehirn sei, so verfällt man, ohne es zu merken, sogar nicht nur in einen latenten Dualismus, sondern in einen Idealismus.

Den zweiten Punkt hat Thomas Fuchs u.a. in seinem Buch “Das Gehirn – Ein Beziehungsorgan” schön formuliert.

“Freilich ist Descartes’ dualistische Ontologie heute längst auf dem Rückzug. Der Mate­ rialismus löst das Problem, das durch die Spaltung zwischen der sinnlich wahrgenommenen Welt und dem wissenschaftlich konzipierten Universum entsteht, indem er nur noch Letz­ terem ontologische Realität zuspricht. In einem Punkt jedoch knüpfen die Verfechter des modernen Naturalismus noch immer an Descartes und den nachfolgenden Idealismus an: Auch für sie ist die wahrgenommene Welt nur subjektive Erscheinung, nämlich eine Reihe von „Vorstellungen“ oder „Repräsentationen“ als inneren Stellvertretern der äußeren Welt. Diese idealistische Konzeption der Wahrnehmung übernimmt die Neurobiologie, so heftig sie ansonsten den Dualismus bekämpft. Es genügt ihr, den Begriff der Repräsentation materi­ alistisch umzudeuten, nämlich zur Bezeichnung derjenigen neuronalen Prozesse, die den sub­ jektiven Bildern der Außenwelt zu Grunde liegen sollen. Durch spezifische Erregungsmuster oder Datenstrukturen spiegelt das Gehirn die Strukturen der Außenwelt wider. Wie sich zeigt, passen die idealistische Innenwelt des Bewusstseins und die neurobiologische Innenwelt des Gehirns überraschend gut zueinander: Denn sowohl aus idealistischer als auch aus materia­ listischer Sicht hat das Subjekt keinen wirklichen Anteil an der Welt. Die Verknüpfung beider Traditionen wird durch die Erkenntnistheorie des Neurokonstruktivismus hergestellt.”

Zitat aus: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/zpm/psychatrie/fuchs/Hirnwelt_Lebenswelt.pdf

Christians Position ist mir nach unseren Diskussionsrunden natürlich wohl bekannt (und umgekehrt Christian auch meine). Nach wie vor erscheint mir seine Ansicht aber dualistisch. Hier würde sicherlich Thomas Kuhn mit der Inkommensurabilität von verschiedenen Paradigmen/Frameworks zu Worte kommen.

Gruß,

Philipp