Realisten vs. Nominalisten

Realisten vs. Nominalisten – oder der alte Dualismus „Denken vs. Sprache“

Realisten vs. Nominalisten – oder der alte Dualismus Denken vs. Sprache

In der nächsten Reihe möchte ich mich noch einmal einem alten Problem widmen, das sich mit der Frage beschäftigt: „wie viel Konstruktion enthält die Wirklichkeit?“. In dem nun folgenden Essay möchte ich herausstellen, dass diese Frage eigentlich schon viel älter ist, als man vermuten möchte und ihre Ursprünge im Mittelalter liegen, aber dennoch an keinerlei Aktualität eingebüßt hat. Um dies festzustellen, benötigt man noch nicht einmal eine „VR (virtual reality)-Brille“, um der „vermeintlichen Realität ins Auge zu schauen“. Es reicht ein kurzer Blick zurück auf den altbekannten „Universalienstreit“, den ich schon einmal in einem älteren Essay „Der Paradigmenwechsel – oder die Sanierung des dualistischen Wissenschaftsgebäudes“ zu beleuchten versucht habe.

Im Folgenden möchte ich daher dieses altes Thema noch einmal in einem neuen Lichte erscheinen lassen, umso vielleicht einen kleinen Beitrag zur Überwindung des vermeintlichen Dualismus der „Realisten vs. Nominalisten“ zu leisten. Mir war nämlich nicht nur in den zahlreichen Beiträgen in dem Kommentarbereich auf meiner Seite (für den ich mich noch einmal an dieser Stelle ausdrücklich bedanken möchte), sondern auch in den Beiträgen auf Social Media aufgefallen, dass es in den Diskursen sehr häufig um die richtige Auslegung der Bedeutung eines Begriffes ging.

Dies ist zunächst einmal keine besonders spektakuläre Beobachtung, geschweige denn Erkenntnis, da die Unzulänglichkeit des Sprachgebrauchs hinlänglich bekannt ist und dies nicht nur in Feuilletonisten- oder Linguistenkreisen. So hatte sich auch bereits die moderne Philosophie in Gestalt des Erkenntnistheoretikers und Philosophen Markus Gabriel ins einem Buch „Warum es die Welt nicht gibt“ in seiner Kritik einer „Sinnfelder“-Ontologie mit dieser Problematik beschäftigt.

Ludwig Wittgenstein hatte diesen „Ersten Gödelschen Unvollständigkeitssatz“ bereits auf den Zusammenhang von Sprache und Denken in dem oft zitierten Satz Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. zusammengefasst. Was nicht so oft zitiert wird, ist der interessante Einleitungssatz zu dem Zitat aus Wittgensteins These 5. 6 in der Logisch-philosophischen Abhandlung:

„um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müßten wir beide Seiten dieser Grenze
denken können (wir müßten also denken können, was sich nicht denken läßt).
Die Grenze wird also nur in der Sprache gezogen werden können und was jenseits
der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.

Ob das alles Unsinn sein wird, muss sich noch herausstellen. Denn das damit von Wittgenstein begründete philosophische Konzept wird nicht umsonst Analytische Sprachphilosophie und dem Logischen Positivismus zugerechnet. Der damit in die Welt gestellte Dualismus von Denken vs. Sprache“ oder Realisten vs. Nominalisten“ schien damit unüberückbar zu sein und wirkt heute in der vermeintlichen Dichotomie von Realismus vs. Konstruktivismus“ fort.

Ich möchte diese Reihe mit einem Blick zurück auf den Universalienstreit im Mittelalter“ beginnen. Aber anstelle in meine Archive zu blicken, sei hier der Verweis auf die zusammengefasste Form gestattet, die ich als Artikel auf der sehr lesenswerten Seite Museum für Europäische Philosophie“ von Klaus Fürst veröffentlicht habe. Daher hier der Link:

Realisten vs. Nominalisten: der Universalienstreit im Mittelalter

 

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
2 Monate zuvor

Lieber Dirk,
du hast meinen Kommentar sicher schon erwartet. Aber wenn ich den Namen Markus Gabriel lese, juckts mir in den Fingern.
Markus Gabriels „Neuer Realismus“ versucht, den traditionellen Gegensatz zwischen Realismus und Antirealismus zu überwinden.
Er argumentiert für eine „Sinnfeldontologie“, wonach alles, was existiert, in bestimmten Kontexten oder „Sinnfeldern“ existiert. Er erkennt an, dass unsere Erkenntnis kontextabhängig und perspektivisch ist. Gleichzeitig spricht Gabriel von universellen humanistischen Werten.
Dies steht im Widerspruch zu seinem epistemischen Relativismus.
Es ist es schwierig zu verstehen, wie man gleichzeitig einen epistemischen Relativismus und universalistische Werte vertreten kann.
Wenn alle Erkenntnis relativ ist, wie können dann bestimmte Werte universell sein?
Gabriel könnte argumentieren, dass die Universalität dieser Werte selbst ein „Sinnfeld“ darstellt. Das wäre dann aber pure Tautologie.
Oder er könnte behaupten, dass diese Werte, obwohl relativ, in allen relevanten menschlichen Kontexten Gültigkeit besitzen. Das wäre dann mindestens ein Widerspruch.
Hier wird ganz offensichtlich eine erkenntnistheoretische Position ethisch manipuliert und damit ideologisch gerechtfertigt.

Wenn er vom Gehirn als (sechsten) Sinn spricht, dürften sich übrigens bei Neurowissenschaftlern die Haare kräuseln.
Und das verkauft er als ‚bedeutendste philosophische Wende‘ seit Platon.

Kurz noch zu Wittgenstein: Man muss vielleicht einen Unterschied machen zwischen Denken und Sprache: wenn ich etwa denke (was das auch immer ganz genau sein soll), ich muss etwas essen, dann gilt das auch, wenn ich es nicht sprachlich formulieren kann. Wenn ich aber denke, ich möchte ein bestimmtes Gericht essen, verbinde ich diesen Gedanken mit Sprache (nämlich der Bezeichnung einer bestimmten Speise). Und das kann ich nur innerhalb der sprachlichen Möglichkeiten. Alles, was jenseits dieser Möglichkeiten liegt, lässt sich weder sprachlich noch erkenntnistheoretisch ergründen.
Das heißt aber, es gibt keinen Dualismus zwischen Sprache und Denken, denn beide sind von vornherein nicht kommensurabel.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
2 Monate zuvor
Reply to  Philo Sophies

Hallo Dirk,

ich kritisiere nicht den epistemischen Relativismus von Gabriel, sondern nur den Widerspruch zu seinem Universalismus der Ethik. Das ist für mich wissenschaftstheoretisch völlig unsauber. Was im übrigen nicht heißt, dass man sich trotz subjektiver Epistemologie nicht auf gemeinsame Werte einigen könnte, allerdings nicht in kolonialistischer Weise (siehe z.B. Edward Said oder Gayatri Spivak).

Ich vertrete im übrigen keine 2-Welten-Theorie, vielleicht hätte ich dies ausführlicher und verständlicher fomulieren müssen (was leider nicht zu meinen Stärken gehört). Ich hatte die Welt 1 nur zur Veranschaulichung genannt, die es aber so nicht gibt. Wir müssten die epistemische Perspektive der Natur einnehmen, was aber nicht möglich ist.

Wenn ich sage, Sprache und Denken sind inkommensurabel, dann meine ich das nicht inhaltlich, sondern begrifflich. Mir ist klar, dass Sprache und Denken auf der kognitiven Ebene eine Einheit ist. Erweitert man Denken, umfasst es mehr als Sprache.

Mit der Sapir-Whorf-Hypothese habe ich mich witzigerweise vor einigen Wochen auseinander gesetzt, als ich mehrere Artikel verfasst habe, die per Plan nach und nach auf medium.com automatisch erscheinen, ich weiß nur nicht mehr wann.

Ja, ich warte auf dein Go für ein gemeinsames Bier in Münster.

Bis dahin und viele Grüße

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
2 Monate zuvor

Hallo Dirk,
gerne möchte ich Deinen kurzen Beitrag kommentieren, mit dem Hinweis, dass der Streit zwischen Realisten und Konstruktivisten durch die Quantenphysik eigentlich zugunsten der Konstruktivisten entschieden wurde. Außerhalb des Wissenschaftsbetriebs herrscht zwar überwiegend noch der naive Realismus vor. Aber innerhalb ist längst klar, dass der Realismus, der intrinsische Eigenschaften konstatiert, ausgeträumt ist – dies nicht nur, weil die Konstruktivisten wegen den Erkenntnissen der Physik die besseren Argumente haben, sondern auch weil die Welt eben nicht aus Gegenständen mit Eigenschaften besteht, sondern aus Gegenständen und Relationen, Eigenschaften also nur aus den Relationen abgeleitete beschreibende Begriffe sind. Hier spielt also einiges zusammen, aber was das Ganze dann mit Denken versus Sprache zu tun haben soll -als Gegenüberstellung oder gar als Gegensatz, das verstehe ich nicht. Da schweigst Du
über Deine Voraussetzungen, die ich nicht erkenne. Kannst Du mir da nachhelfen ?
Grüße
Bernd

Dirk
Dirk
2 Monate zuvor

Hallo Bernd,

vielen Dank für Deinen Kommentar und für das Hinzufügen Deiner physikalistischen Perspektive.

Das könnte ich zum Beispiel gar nicht beurteilen, ob das stimmt, was Du schreibst, „dass der Streit zwischen Realisten und Konstruktivisten durch die Quantenphysik eigentlich zugunsten der Konstruktivisten entschieden wurde.“ Ich ging bislang eher vom Gegenteil aus, dass die „Quantenphysik“ trotz ihres abstrakten und formalistischen Charakters dennoch immer ein Anspruch auf einen wissenschaftlichen Realismus vertreten hat, die sich gegenüber einem nominalistischen Konstruktivismus verwehrt hat.

Klar gab und gibt es hier auch ein großes Deungsungsspektrum wie bestimmte Begriffe, wie z. B. „Felder“, „Raum“, „Zeit“, oder „Möglichkeiten“ 😉 etc. eindeutig definiert werden können. Aber in dem zur Zeit herrschenden Instrumentalismus schien dies aus meiner bescheidenen Sicht keine allzu groß Rolle gespielt haben. Oder täusche ich mich hier?

Du schreibst, „dass der Realismus, der intrinsische Eigenschaften konstatiert, ausgeträumt ist – dies nicht nur, weil die Konstruktivisten wegen den Erkenntnissen der Physik die besseren Argumente haben, sondern auch weil die Welt eben nicht aus Gegenständen mit Eigenschaften besteht, sondern aus Gegenständen und Relationen, Eigenschaften also nur aus den Relationen abgeleitete beschreibende Begriffe sind.“

Wenn dem so wäre, ist dies dann nicht eine Zuwendung der Physik zum Antirealismus, „dass die Welt an sich, zumal in ihren zugrundeliegenden Strukturen und Gesetzmäßigkeiten, den menschlichen Sinnen nicht unmittelbar zugänglich scheint.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Realismus_(Philosophie)#Wissenschaftlicher_Realismus), die eine Abkehr der empiristischen Naturwissenschaft hin zu einer logischen Naturphilosophie bedeuten würde? Klar, bei so stark antiempirischen Theorien, wie die „Stringtheorie“, mag die Theorieunterbestimmtheit durch Evidenzen diesem Argument wohl Recht geben.

Auch klar, dass kein Wissenschaftler heute noch ernsthaft von einem naiven Realismus ausgehen kann. Aber wie wär’s denn mal mit einem „Neuen Realismus“ in Form des schon so oft vorgeschlagenen Strukturenrealismus? Wenn Du nämlich davon ausgehst, dass „die Welt eben nicht aus Gegenständen mit Eigenschaften besteht, sondern aus Gegenständen und Relationen, Eigenschaften also nur aus den Relationen abgeleitete beschreibende Begriffe sind.“ argumentierst Du ganz im Sinne eines Strukturenrealismus, worauf ich Dich schon des Häufigeren hingewiesen habe.

Und was das „Ganze dann mit Denken versus Sprache zu tun haben soll -als Gegenüberstellung oder gar als Gegensatz, das verstehe ich nicht. Da schweigst Du über Deine Voraussetzungen, die ich nicht erkenne.“ möchte ich Dir gerne etwas antworten, dazu muss ich allerdings aus meinem oft erwähnten, alten Essay „Der Der Paradigmenwechsel – oder die Sanierung des dualistischen Wissenschaftsgebäudes“ zitieren, auf den ich mich in meinem neuen Paper bezogen habe:

„Aus diesem Ansatz entstand bereits in der Frühscholastik des Mittelalters die „Dualismus-Kontroverse“, die auch als „Universalienstreit“ bekannt ist. Die konträren Lager in dieser Realismus-Debatte bestanden auf der einen Seite aus den Universalienrealisten oder kurz Realisten (Thomas von Aquin/Anselm von Canterbury) und auf der anderen Seite standen die Nominalisten/Konzeptualisten (Roscelin von Compiègne/William von Ockham). Der Dualismus bestand nun darin, dass für die Realisten die Universalien (Ideen im Sinne Platons) als Ding an sich real waren, wo hingegen die Nominalisten und Konzeptualisten auf die Vermittlung der sprachlichen Logik oder sinnlichen Erfahrung für die Erkenntnis dieser Universalien bestand. Bereits hier bildet sich der große Riss im Boden des Wissenschaftsgebäudes, der sich über die folgenden Jahrhunderte in Folge des Universalienstreites in weiteren Formen des Dualismus fortsetzt.“ (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/#Zweite_Baustelle_%E2%80%9Edie_tragenden_Bauteile%E2%80%9C_Epistemologie_%E2%80%93_die_Erkenntnislehre)

Daran erkennt man, dass dieser Dualismus zwischen „Realismus vs. Konstruktivismus“ schon viel älter ist. Nur mit dem Unterschied, dass man es früher der Unzulänglichkeit der Sprache oder der korrekten Deutung der Begriffe geschuldet hat. Meines Erachtens hat sich hieran aber bis heute nichts wirklich geändert.

Vielleicht können wir das auch mal ausdiskutieren, wenn Du Dein Vorhaben mal realisierst und hier in Münster mal vorbeischaust.

Liebe Grüße
Dirk

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Dirk

Hallo Dirk,

vielen Dank für Deine ausführliche Replik – auf meine schnell dahingeworfenen Thesen. Ich will einmal weiter ausführen und hoffe es wird nicht zu lang:

Aus was die Welt besteht (oder zusammenhält, ihre gegenständliche Ontologie) ist Thema der Physik und Philosophie seit Jahrtausenden, und tatsächlich spiegeln sich im Universalienstreit zwei unterschiedliche Ansichten darüber wider.

Ich meine aber, dass man auf der Grundlage der klassische Feldphysik und der Quantentheorien eine Entscheidung zugunsten des Konstruktivismus herbeiführen kann. Denn diese Theorien, die ja universell gültig und unbestritten sind, sagen uns, durch die Mathematik und durch die empirische Adäquatheit der Theorien:

a)       alles, was wir über die Ontologie dieser Welt wissen, wissen wir aus Beobachtungen von wechselwirkenden Gegenständen und deren Beschreibung. Ohne Ww gibt es kein sinnvollen Sprechen über etwas.

b)      Zur Beschreibung der physikalischen Ontologien nutzen wir Begriffe, zum Beispiel den Begriff der Masse als Eigenschaft von Gegenständen, die andere gleichartige anziehen, den Eigenschaftsbegriff der Ladung, um Anziehung und Abstoßung zu beschreiben, und den Eigenschaftsbegriff der Stangeness, um besonderes Zerfallsverhalten zu kennzeichnen .

Das sind alles Eigenschaftsbegriffe, die aus Beobachtungen entstanden sind, Masse z.B. aus der Beobachtung, dass die Beschleunigung eines Gegenstandes der einwirkenden Kraft proportional ist, den Proportionalfaktor hat Newton Masse genannt. Er hat den Begriff „konstruiert“, es gab ihn vorher nicht, genauso wie der Begriff der Eigenschaft „Strangeness“konstruiert ist – es gab ihn vor 100 Jahren noch nicht. Bestimmte Leute haben diese Begriffe konstruiert und angewendet, und siehe da, damit konnte man gut arbeiten. Der instrumentelle Erfolg hat dazu geführt, dass man sich auf diese Begriffe als passend für Beschreibungen des Beobachteten geeinigt hat. Alles ist Konstruktion und Konvention.

Alle physikalischen Eigenschaften der Ontologie dieser Welt sind aus Beobachtungen und aus der Deutung der Mathematik heraus entstandene Begriffe. Schon aus diesem Grund kann man sagen, alles was sinnvoll über Eigenschaften der fundamentalen Ontologien gesagt werden kann, erfolgt mit konstruierten Begriffen. Erst als sich diese als höchst nützlich erwiesen haben, entstand der Eindruck, sie müssten wahr sein, nämlich die Ontologie dieser Welt beschreiben, wie sie tatsächlich ist. Unter pragmatischen Gesichtspunkten war und ist das auch die effektivste Sprache, so zu tun, als hätten die Gegenstände diese Eigenschaften von sich aus, so als wären diese Eigenschaften nicht aus der Beobachtung von Wechselwirkung konstruiert, sondern sie würden die wahre Natur der Gegenstände widerspiegeln. Ich hab auch nichts dagegen, das so zu machen, wenn man sich immer vergegenwärtigt, dass sie – wie jede Sprache – nur sehr nützliche Konstruktionen sind. Also Facit: In diesem Sinne sind sie nicht „wahr“, sondern „konstruiert“.

Ob sie die „Wahrheit“ beschreiben, ist offen, ist nicht entscheidbar. Es ist aber vorgekommen, dass man Dingen eine Wahrheit zugeordnet hat, die sich später als Unwahrheit herausgestellt hat (z.B. der Äther dem physikalischen Feld).

Weil die Eigenschaftsbegriffe so gut funktionierten, ist man in der klassischen Physik davon ausgegangen (man hat die Mathematik so interpretiert, und dies zu Recht), dass die physikalischen Theorien darauf referieren, wie die Dinge sind, also ihre intrinsische Beschaffenheit oder mindestens Aspekte ihrer natürlichen Beschaffenheit beschreiben. Dann war man sehr erstaunt, das dies in der Quantenphysik plötzlich anders war.

Die Mathematik der Quantenphysik sagt ganz klar: ich beschreibe die Dinge nicht wie sie sind.

Es ist in der modernen Physik unbestritten, dass die Mathematik der Quantenphysik, ihre Deutung, und das darauf aufbauende Theoriengebäude die Gegenstände nicht b e s c h r e i b t, wie sie sind, sondern nur das beschreibt, was man unter Wechselwirkungen beobachten kann. Sie sagt uns: Ihr könnt nicht wissen, wie die Ontologie ist, denn sie zeigt sich nur unter Ww, und dies mal so und mal so: mal als wäre sie eine Welle, mal als wäre sie ein Teilchen, mal ist sie ein Teilchen mit Wellencharakter, mal ist sie eine Welle mit Teilchencharakter – und nun – man muss es mal zur Kenntnis nehmen – ist es aus ist es mit der Zuordnung von passenden Begriffen, es gibt keine begriffliche Konstruktion mehr, mit der eine logische und konsistente Beschreibung möglich ist, es ist nichts da, null komma nix da. Der Konstruktivist ist (zunächst) ratlos.

Was ist jetzt ein realistischer Standpunkt? Meine Meinung: Es gibt gar keinen sinnvollen Standpunkt mehr, außer dem, das man konstruiert und konstruiert, bis man passende Begriffe gefunden hat. Kurzum: der konstruktivistische Standpunkt ist als einziger übriggeblieben. Der Konstruktivist leugnet ja nicht, dass es eine Welt unabhängig von unserem Bewusstsein gibt, er sagt nur: man komme mir nicht mit einer Wahrheit über diese Welt, der wir irgendwie näher kommen, so als gäbe es eine Wahrheit an sich, unabhängig von uns. Alles war wir über Wahrheiten sagen können ist, dass wir so tun können als gäbe es sie, immer bewußt, dass das, was wir sprachökonomisch als „wahr“ bezeichnen, mit der nächsten Beobachtung schon in sich zusammenfallen kann. Das ist meine Meinung eines „Konstruktivisten“, der natürlich auch Nominalist ist. Dass es eine Wahrheit außerhalb von uns gibt, haben uns die eingeredet, die über uns Macht ausüben wollen (im Mittelalter kam das Sein von Gott und das Wissen darüber von seinen Stellvertretern auf Erden).

Dieser sich einer äußeren Wahrheit unterwerfende Realismus ist schwer auszurotten. Das Problem des derzeitigen Realisten ist gar nicht mal so so sehr seine Unterwürfigkeit unter die, die die Wahrheit wissen, sondern dass der Eigenschaftsbegriff, der gut funktioniert hat, und um den im Universalienstreit ein Jahrtausend lang gerungen wurde, sich bei Quantenobjekten als untauglich für eine passende Beschreibungs-Konstruktion erwiesen hat, er wurde schließlich gerade von der Physik schwer maltraitiert: In der Realitätsvorstellung der Physik gibt es klassische Gegenstände mit bestimmten Eigenschaften, Quantenobjekte mit unbestimmten Eigenschaften, Zustände mit unvollständig definierten Eigenschaften, und klassische physikalische Felder ohne Eigenschaften, Kräfte (Beziehungen) entstehen aus intrinsischen Eigenschaften wie Masse oder Ladung, wobei Masse und Ladung damit auch als „kausale“ Eigenschaften herhalten müssen, es gibt dann noch Eigenschaften dieser kausalen Eigenschaften – bei all dem weiß niemand, wie denn die Gegenstände zu ihren (intrinsischen) Eigenschaften gekommen sind. Von den Physiker(innen)n wird der Eigenschaftsbegriff aber weiter verwendet, so als müsste die gegenständliche Ontologie auf Teufel komm raus doch irgendwelche intrinisichen Eigenschaften haben, was am Ende dazu führt, dass es eben eine Ontologie ist, die „anders“ ist als das was wir im Alltag kennen.

Der Realist weigert sich zu konstruieren, er verweigert sich dem Sinnvollen: nämlich nach geeigneten begrifflichen Konstruktionen zu suchen, die eine logische und konsistente Beschreibung ermöglichen, er hat im Auge, die Welt müsse irgendwie von sich aus beschaffen sein, und der Gedanke, dass wir nur das erkennen können, was sich unter Ww zeigt (bei klassischen Gegenständen unter Lichteinwirkung, bei Quantenobekten) beeinträchtigt nicht die Idee, wir wären bei allen Beobachtungen nur der unabhängig urteilende Zuschauer. Die Verweigerung anzuerkennen, dass wir die Wahrheit nicht zu Gesicht kriegen, weil jede Wahrheit instrumentalistisch konstruiert ist, führt dazu, dass wir die philosophischen Probleme der Quantenphysik (Messproblem, Messkorrelationen, Interferenzen beim Doppelspaltversuch) nicht loswerden. Im Grunde ist der heutige Realist ein Realitätsverweigerer (mal etwas polemisch gesagt).

Dabei könnte alles so einfach sein. Auf was Du ja immer hingewiesen hast: sinnvoll ist die Annahme, dass die Welt nicht aus Gegenständen mit Eigenschaften besteht, sondern aus Relata und Relationen, diese als Einheit, und der nützliche Eigenschaftsbegriff lässt sich auf spezifische Relationen zurückführen, er ist also gar nicht fundamental, fundamental ist der Begriff der „Wirkung“ (besondere Art der Relation).

Aus dem Zusammenspiel aller Gegenstände, aus dem Netzwerk an Beziehungen. ist die Konstruktion passender Begriffe zur Beschreibung der Ontologie möglich, zum Beispiel durch Begriffe wie Potentialität, Gesamtheit an Möglichkeiten, Potenz, insbesondere durch Begriffe, die Modales beschreiben. Warum sollen Quantenobjekte nicht als Störungen in einem Beziehungsgeflecht beschrieben werden können, oder dadurch, dass man ihnen statt Eigenschaften Möglichkeiten für einen Ort oder ein Verhalten zuordnet. Man gewinnt dadurch das man die Welt aus Gegenständen und ihren Beziehungen beschreibt, einfach mehr Möglichkeiten einer Beschreibung, ich hab das ja auch schon in einer anderen Arbeit im Detail ausgeführt,

Der Strukturenrealismus ist aber, so meine ich, keine wirkliche Antwort. Das deshalb, weil der Begriff der „Struktur“ so allgemein ist, dass man alles und nichts darunter verstehen kann. Man muss schon sehr genau sagen, was man unter einer „Beziehung“ versteht, wenn man die Ontologie dieser Welt sinnvoll beschreiben will. Zu sagen: die Ontologie dieser Welt sind „Strukturen“ scheint mir wie eine Floskel und bringt uns keinen Deut weiter.

Ist jetzt etwas lang geworden, aber mit allgemeinen Thesen wird man nicht verstanden, und die Konkretisierung ist nicht mit ein paar Worten gemacht, Schließlich ringen die Wissenschaftler(innen) in der Quantenphysik seit 100 Jahren um die richtigen Worte und finden sie nicht. Ich hoffe ich ernte vehementen Widerspruch, denn gängig sind die vorstehenden Überlegungen nicht.

Ich melde mich bei Dir in Kürze, weil ich mir noch ein paar Gedanken zum physikalischen Feld gemacht habe (der unverstandenen paradigmatischen Grundlage des Physikgebäudes) und auch noch aus anderen Gründen.

Bis dahin viele Grüße
Bernd

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor

Hallo Bernd,

folgende Aussage von dir ist nicht nachvollziehbar:

Der Strukturenrealismus ist aber, so meine ich, keine wirkliche Antwort. Das deshalb, weil der Begriff der „Struktur“ so allgemein ist, dass man alles und nichts darunter verstehen kann. Man muss schon sehr genau sagen, was man unter einer „Beziehung“ versteht, wenn man die Ontologie dieser Welt sinnvoll beschreiben will. Zu sagen: die Ontologie dieser Welt sind „Strukturen“ scheint mir wie eine Floskel und bringt uns keinen Deut weiter.

Ich habe mehrere Bücher zum OSR im Schrank stehen und zig Paper zum OSR gelesen. Ich kenne keinen Philosophen der beim OSR bei „Strukturen“ stehen bleibt. Im Gegenteil, sie zerlegen den Begriff der Struktur philosophisch alle weiter.

Ich habe daher keine Ahnung wovon du redest bzw. auf welchen Strukturenrealismus oder welche Autoren du dich mit dieser Aussage beziehst.

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philip,
ich lese gerade Deinen kritischen Beitrag – dann sage uns doch einfach, was unter einer Struktur konkret (ontologisch, metaphysisch) zu verstehen ist. Ich bin gespannt. Vielleicht lerne ich ja was dazu
Grüße Bernd.

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor

Wie schon zuvor geschrieben empfehle ich zwei Bücher für den Einstieg:

James Ladyman et al – Every Thing Must Go
Steven French – The Struture of the World

Beide Autoren haben jeweils ein ganzes Buch damit gefüllt aus ihrer Sicht zu erklären was sie unter einer Struktur für die Philosophie der Physik verstehen. Keiner bleibt bei dem Begriff der „Struktur“ stehen ohne über zig Kapitel hinweg den Begriff in Details zu zerlegen.

Gruß,
Philipp

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Philipp

Hi Details,
in dem ganzen Blog hier geht es um Strukturalismus und Strukturen-realismus, und ich habe dazu ja auch einen Beitrag im Blog verfasst. Der Begriff ist dennoch so unklar geblieben, dass immer wieder darüber irgendwas geschrieben wird. Auch Du hast keinen klaren Begriff davon, sonst hättest Du mir diesen ja mitgeteilt. Ich kann jedenfalls nicht sehen, was mit Strukturenrealismus gemeint ist. Dass die reale Welt strukturiert ist, ist ja trivial. Ob die physikalischen Theorien das Strukturelle beschreiben statt das Einzelne, scheint mir in gewissen Sinne richtig, aber eben nur in dem Sinne, dass die von den Theorien postulierten Kräfte empirisch adäquater sind als die von den Theorien posulierten Einzelentitäten. Aber in welchem Verhältnis stehen Kräfte zu Relationen ? was hat ein Feld mit einer Struktur zu tun. Ist die Beschreibung der Welt durch die Quantenfeldtehorie eine Beschreibung ihrer Struktur? Kannst Du darüber etwas sagen?
Grüße Bernd

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Auch Du hast keinen klaren Begriff davon, sonst hättest Du mir diesen ja mitgeteilt.“

Das ist Unsinn.

Ich habe in einer Diskussion mit dir nie versucht den OSR innerhalb der Physik zu verteidigen. Es macht keinen Sinn das über Blogkommentare zu versuchen. Dafür müsste man einen Artikel schreiben. Und auch ein Artikel kann maximal ein oder zwei Aspekte aufgreifen und diese erklären oder verteidigen, mehr nicht.

Mir ging es nur um deine Aussage dass die Vertreter des OSR nicht erklären würden was eine Struktur sei. Wenn du so etwas schreibst hast du offensichtlich deren Paper und Bücher nicht oder nicht in Ruhe gelesen. Du kannst natürlich anderer Meinung sein bzw. andere ontologische Ansichten vertreten, aber wenn du solche platten Aussagen beispielsweise in einem philosophischen Paper für ein Journal tätigen würdest, dann würde dein Paper sofort rausgeworfen werden, oder aber die Gutachter würden, sofern es überhaupt in den Reviewprozess geht, dich danach zerlegen.

Gruß,
Philipp

philipp
philipp
1 Monat zuvor

Hallo Bernd,

ich verstehe einen Punkt in deinem Beitrag nicht.

Du schreibst dass die Konstruktivisten die besseren Argumente haben, erklärst dann aber direkt darauf in einem realistischen Modus wie die Welt „eigentlich“ ontologisch beschaffen sei. Das ist doch ein Widerspruch. Wieso ist deine Beschreibung der Welt auf einmal realistisch und nicht konstruktivistisch?

Das klingt so als wolle man anderen Leuten realistische Interpretationen der Welt/Ontologie mit konstruktivistischen Argumenten unter dem Boden wegziehen, während man darauf selbst realistische Deutungen als Gegenmodell nachschiebt.

Philipp

Heinz Lüdiger
Heinz Lüdiger
1 Monat zuvor

Hallo Dirk,

die Kontrahenten des Universalienstreits waren sich gar nicht so uneins bezüglich der Universalien selbst, eher verlief die Trennlinie zwischen denen, die an ihre Offenbarung/Enthüllung glaubten und denen, die sie für Abstraktionen hielten. D.h. es ging wesentlich um den Primat von Universalien bzw. Partikularien. Ob das als Dualismus verstanden werden kann, scheint mir fraglich. Ich habe vor einigen Jahren zu diesem Thema den Beitrag „Von Universalien und Partikularien“ auf philosophie.ch veröffentlicht.

Übrigens: Gut zweihundert Jahre nach dem Ende des Universalienstreits (wegen beidseitig absurder Axiomatik und Wortakrobatik) wurde das Problem von Nikolaus von Cues (Cusanus) auf höherer Ebene gelöst. Seine wichtigsten Prämissen bzw.Theorien sind:

-Einführung des Nichtwissens in die Debatte als positives Bestimmungsstück (docta ignorantia, non aliud)
-Ausschaltung des ‚tertium non datur‘, d.h des universellen Geltungsanspruchs Aristotelischer Logik
-Zusammenfall der realen (nicht der logischen!) Widersprüche (coincidentia oppositorum)
-Trinitätslehre als Beispiel der Einheit realer Widersprüche (Einheitsanspruch des Wissens)

Cusanus ist wegen seiner theologischen Diktion keine einfache Kost, aber als Ursprung neuzeitlicher Philosophie absolut der Mühe wert.

Gruß,

Heinz

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Heinz Lüdiger

Hallo Wolfgang,

Du schreibst: “ Markus Gabriels „Neuer Realismus“ versucht, den traditionellen Gegensatz zwischen Realismus und Antirealismus zu überwinden. Gleichzeitig spricht Gabriel von universellen humanistischen Werten.“

Warum soll das inkonsistent sein? Wenn ich als Konstrukivist (und Kantianer) die Welt an sich nicht erkennen kann, aber mir so handhabbar machen kann, dass es keinen Unterschied mehr zwischen realistischer und konstruktivistischer Handhabung gibt – dann sollte doch die Voraussetzungen gelten, die kohärenter, logischer und verständlicher ist. Die Argumentation, dass es schlicht und ergreifend keine unergründliche Wahrheit gibt, vor der ich mich – wie der Realist – ständig rechtfertigen muss, ist doch viel eingängiger.

Und humanistische Werte sind genauso konstruiert wie alle anderen Begriffe auch, mit der ich die Welt beschreibe, statt universell kann man sagen, sie gilt für jeden Menschen, jedenfalls nicht für materielle Sinnfeld Universum, darauf scheint der Wertebegriff nicht zu passen. Also wozu soll es gut sein, das  Wort „universalistisch“ realistisch zu bewerten und wieder zu einer Rechtfertigung gezwungen zu sein.

Grüsse Bernd

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Hallo Heinz,

ich bin auch der Meinung, dass der Universalienstreit nur deshalb zustandekommt, weil eine Partei unbedingt die Existenz des Absoluten und Unerreichbaren postuliert, um daraus einen Machanspruch abzuleiten.Am Ende müssen sich doch Universalisten und Nominalisten auf eine sprachliche Handhabung einigen, das heißt es muss eine Konvention über die Semantik der Begriffe geben, damit die Welt handhabbar wird.Es ist doch Blösinn, sich vorher zu streiten, wie man zu den Begriffen kommt.

Der Realist ist in Wirklichkeit ein Illusionist. Er glaubt, er könne der Wahrheit immer mehr zu Leibe rücken, ohne dass dies Rückwirkung auf ihn selbst hätte. Das ist die größte Illusion, der er erliegt. Es gibt keine Wahrheit, die sich durch menschliches Streben offenbart, alles was sich offenbart ist relativ. Wer das Absulute benötigt, und das tut (mindestens im moralischen Bereich) jeder, muss es für sich selbst individuell und unhinterfragbar setzen, nach dem Motto: das gilt für mich, Punkt, Ende, Aus.

Sonst endet man als Relationalist und wird dann verrückt
.
Grüße
Bernd

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Lieber Bernd,
wenn es epistemisch verschiedene Welten gibt, jede Entität (Individuum, Gruppe, Gesellschaft, Volk etc.) ihre eigene epistemische Welt hat, dann hat sie auch ihre eigenen ethischen Werte.
Das heißt nicht, dass man sich nicht auf gemeinsame Werte einigen kann, allerdings nicht in kolonialistischer Weise, wie dies das Abendland seit Jahrhunderten tut und meint, diese Werte seien göttlich oder sonst wie transzendent.
Daraus folgt, dass jede universalistische Idee zumindest naiv oder überheblich ist.

Im Gegensatz zu anderen Autoren (Vacariu, Gabriel) setze ich überigens den epistemischen Relativismus nicht als gegeben, sondern leite ihn induktiv her, und zwar auf zweierlei Arten:
1. aus der prinzipiellen Verschiedenheit von Entitäten (Mensch, Photon)
2. aus der Tatsache, dass wir die Welt (mit unserem Gehirn, Organismus) epistemisch transformieren und damit amodale Muster erzeugen.

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor

Hi,
verstehe ich. Allerdings: Kolonialismus ist kein Spezifikum des Abendlandes.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Ich meinte epistemischen und daraus ethischen Kolonialismus, und der ist spezifisch für das Abendland der Neuzeit. Wenn etwa Frau Baerbrock in die Mongolei reist und dort für eine feministische Außenpolitik werben will, dann muss man es der Gutmütigkeit der Mongolen zugute halten, wenn sie dies nicht als Versuch eines kulturellen Kolonialismus ansehen. Aber dies wäre ein ganz eigenes Thema.

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor

Hi Wolfgng,
was ist an einem kulturellen Kolonialismus schlecht, wenn bestimmte Machthaber daran erinnert werden, dass die die Frau gegenüber dem Mann nicht minderwertig ist. Das wird von den Machthabern durchgängig in ganz Asien praktiziert (durch Gesetzgebung und Praxis), selbst in Japan, Südkorea und Taiwan ist dies der Fall, in Afganistan und den Islamischen Ländern sowieso – eine tiefe kulturelle Verankerung der Vorrechtstellung des Mannes, die bis heute durch keinen technischen Fortschritt beseitigt wurde, im Westen immerhin als Problem angegangen wird. Frau Baerbrock kommt ja nicht in Begleitung von Soldaten. Was das kulturelle Gut „Bescheidung von Frauen“ angebetrifft, ist es mit meiner Tolerazn dann endgültig am Ende. Dem linksinterlektuellen Narrativ, man müsse andere Kulturen tolerieren, hört bei bestimmten universalen Grundsätzen auf. Die Mongolen sind gerne auch eingeladen, an unserer westlichen Kultur Kritik zu üben, wir hören ihnen zu. Es geht um Kritik auf Augenhöhe, das Wort kultureller Kolonialismus haben die in die Welt gesetzt, die von der eigenen Ausbeutung und Unterdrückung dadurch ablenken wollen, dass die Bösen sind immer die anderen sind (der Westen). Das ist kein gesellschaftskritischer oder ideologischer Kommentar, sondern einer aus Lebenserfahrung.
Grüße
Bernd

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Bevor es jetzt in Richtung Stammtisch abrutscht, sollten wir es besser beenden.

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Hallo Wolfgang,

im Nachgang zu meinem vorherigen Kommentar hier noch ein paar weitere kritische Anmerkungen: In diesem Beitrag von Dirk geht es um die Fragen, die im Universalienstreit aufgeworfen wurden, in ihrer Relevanz zum Strukturenrealismus. Was mir nun auffällt in den Beiträgen ist, dass dieses Thema in den Kommentaren sehr theoretisch und voraussetzungsvoll, und mit Begriffen behandelt wird, die alles mögliche bedeuten. Ich bin nach dem Lesen der Kommentare so schlau oder dumm, wie ich zuvor war. Marcus Gabriel ist vielleicht Realist (ein anderer als üblich), vielleicht Antirealist, vielleicht Konstruktivist, vielleicht ein nur verkappter Universalist (ich habe übrigens alle popolärwissenschaftlichen Bücher von ihm gelesen, und auch zweimal persönlich mit ihm diskutiert) – was hat dies mit der Fragestellung zu tun? Hier wird mit Schablonen um sich geworfen, statt inhaltlich argumentiert. Jeder hat seine eigene epistemische Welt – ja was soll das heißen? Dass jeder seinen eigenen Strukturenrealismus hat ? Dass verschiedene epistemische Welten statt in Korrelation in Korrespondenz zueinander stehen? Jeder, der hier diskutiert, hat von den Begriffen ein anderes Verständnis, resultierend aus unausgesprochenen Voraussetzungen und anderem Verständnis des Kontextes, und präsentiert dies als dahingeworfene Wahrheit.

So wie ich kulturellen Kolonialismus ganz anders verstehe als Du, verstehe ich das Wort Ontologie und epitemische Welten auch ganz anders. Wenn Unterschiede bestehen, müssen diese doch zuerst einmal geklärt werden, bevor man zum eigentlichen Thema kommen kann. Für mich entstehen epistemische Welten konstruktivistisch, wie enstehen sie für Dich? Keine Ahnung. Für mich ist der Begriff der „Struktur“ in der Realität ein so allgemeiner Begriff, dass er für alles oder nichts stehen kann. Denken wir strukturiert? Oder gehören Denkstrukturen nicht zum Strukturenrealsmus? ich kann mit dem Begriff „Struktur“ nichts anfangen, wenn über Realität und Struktur gesprochen werden soll, muss zunächst geklärt werden, was gemeint ist: was zum Beispiel ist am Strukturenrealismus real? Im Alltag berücksichtigen wir bei Planungen auch die Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Gehören Möglichkeiten auch zu dieser Realität? Ist die modale Welt auch eine von unserem Denken produzierte strukturierte Welt, oder werden Möglichkeiten von physikalischen Tatsachen geschaffen, uns sind vielleicht eine ganz andere Entität – ja, gehören sie überhaupt zur Realität (epistemisch oder nicht) oder ganz zum Strukturenrealismus dazu?

Mit ungeklärten Begriffen und Statements kommen wir hier weiter (ich jedenfalls nicht), auch nicht mit Verweis auf agelsächsiche Vordenker oder auf darauf, dass schlechte Philosophie praktiziert wird, die es bekanntlicherweise nicht gibt. Sonst passiert uns bei jedem Begriff genau das, was mit kultureller Kolonisation passiert ist – jeder sieht das anders, keiner sagt es dem andern, jeder macht in seiner Welt weiter.

Grüße
Bernd

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Heinz Lüdiger

Hi Dirk,

Du schreibst: „Und diese Sichtweise ist plausibel, denn wir erleben ja bei genauerem Hinsehen die Wirklichkeit um uns herum nicht wie ein Fernsehprogramm, das uns von außen vorgespielt wird, sondern wir sind in jedem einzelnen Moment immer schon inmitten von Sinnzusammenhängen, in und zu denen wir uns ununterbrochen verhalten. Diese tiefe Einsicht in die Erkenntnissituation des Menschen führt geradewegs zum Realismus. Zum Neuem Realismus, wie Gabriel ihn programmatisch nennt.“

Sage uns, warum soll das zum Realismus a la Gabriel führen ? Ich kann das nicht sehen. Der Realismus von Gabriel, seine Sinnfelder, sind benannte Erscheinungen, die etwas gemeinsam haben, aber das Gemeinsame wird vom Subjekt konstruiert. Ich denke, Gabriel ist Konstruktivist, und er wird in der Literatur auch so gesehen, oder sehe ich das falsch?

Grüße Bernd

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Die „Sinnfeldontologie“ von Markus Gabriel oder die „epistemologically different worlds (EDWs)“ Metaphysik von Gabriel Vacariu funktioniert anders.

Beide nehmen die Trennung zwischen Epistemologie und Ontologie nicht mehr vor bzw. negieren diese. Damit stehen sie also schon in einem extremem Gegensatz zur ansonsten typisch westlichen Philosophie. Die Trennung zwischen Ontologie und Epistemologie ist in deren Ansicht falsch bzw. sinnlos.

Es gibt daher nur verschiedene epistemsiche Welten (Vacariu) die in Korrespondenz (nicht Korrelation!) zueinander stehen, oder eben Sinnfelder (Gabriel).

Aber es gibt nicht die eine Welt, d.h. die vermeintlich eigentliche oder reale Ontologie. Es ist daher sinnlos die eigentlich reale Ontologie hinter epistemisch verschiedenen Welten erfassen zu wollen, so deren Ansicht.

Sie sind daher KEINE Konstruktivisten. Alles klar soweit? Vermutlich nicht – da es so schnell und einfach kaum zu erklären ist; ich empfehle deren Literatur zu lesen…

Bernd Stein
Bernd Stein
1 Monat zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philip,

was Du schreibtst ist doch längst geklärt. Das es keine reale Ontologie gibt, habe ich doch bestätigt, das Sprechen über die epistemichen Welten erfolgt mit einvernehmlich konstruierten Begriffen. Diejenigen, die diese Begriffe kontruieren, ohne eine reale Ontologie vorauszusetzen, habe ich Kontruktivisten genannt – nene Sie meinetwagen anders. Aber es ist eine Tatsache, das alle Teilnehmer am sprachlichen Geschehen aus pragmatischen Gründen so tun, als gäbe es diese wahre Welt, weil das Sprechen darüber dann besonders effektiv ist. Die Realisten glauben dann, alle sprechen über die Realität, wie sie ist, die Konstruktivisten darüber wie man sie sehen soll, um sie gut zu handhaben. So wie ich dies hier beschreibe, ist es in der Physik (Lehre und Forschung) Praxis – genau so! Phyisker sind mal Realisten mal Konstruktivisten, wie es gerade paßt.

Auch Marcus Gabriel benutzt die gleichen Begriffe zur Beschreibung seiner Sinnfelder, wie die Physik. Für ihn gibt es keine Welt an sich, eine Welt, die irgendwie beschaffen ist. Seine Sinnfelder sind pragmaitsch motivierte konstruierte Beschreibungen einer Aussenwelt, Beschreibungen, die der Handhabung dienen, und keine Beschreibungen einer außerhalb unseres Bewußtseins liegenden absoluten Wahrheit (nur Beschreibungen relativer Wahrheiten).

Wenn Du das anders siehst, dann sag es und begründe es – wenn Du es kannst – mit eigenen Worten.

Grüße Bernd.

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor
Reply to  Bernd Stein

Hi Bernd,

du hast mal wieder gar nichts verstanden – aber meinst alles zu verstehen. Siehe nachfolgend.

was Du schreibtst ist doch längst geklärt. Das es keine reale Ontologie gibt, habe ich doch bestätigt, das Sprechen über die epistemichen Welten erfolgt mit einvernehmlich konstruierten Begriffen. Diejenigen, die diese Begriffe kontruieren, ohne eine reale Ontologie vorauszusetzen, habe ich Kontruktivisten genannt – nene Sie meinetwagen anders. Aber es ist eine Tatsache, das alle Teilnehmer am sprachlichen Geschehen aus pragmatischen Gründen so tun, als gäbe es diese wahre Welt, weil das Sprechen darüber dann besonders effektiv ist. Die Realisten glauben dann, alle sprechen über die Realität, wie sie ist, die Konstruktivisten darüber wie man sie sehen soll, um sie gut zu handhaben. „

Was du schreibst hat nichts mit der Metaphysik von Gabriel Vacariu (oder der fast identischen von Markus Gabriel) zutun. Du setzt immer noch eine Trennung zwischen Ontologie und Epistemologie voraus; du denkst im Paradigma der westlichen Philosophie. Das macht Vacariu nicht; wie ich schon angenommen habe – du hast wieder nicht verstanden worüber du sprichst.

Ich habe weder Zeit noch Lust dir die Philosophie eines anderen Philosophen zu erklären oder gar zu verteidgen, was erwartest du hier eigentlich, zumal das gar nichts mit dem Thema zutun hat?

Du hast oben eine Frage gestellt und ich habe dir deine Frage beantwortet, mehr nicht.
Vacariu hat alle seine Bücher frei im Internet als PDF publiziert, und viele seiner Paper findest du auch frei verfügbar.

Gruß,
Philipp

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor
Reply to  Philipp

Noch eine Ergänzung um dir mal einen Tipp zu geben:

Die Frage „sind Sie Realist oder Konstruktivist?“ setzt doch eine Trennung zwischen Epistemologie und Ontologie voraus. Ansonsten hätte die Frage gar keinen Sinn.

Bei Vacariu würde diese Frage keinen Sinn machen, er würde eventuell antworten „weder noch“.

Warum erwähne ich im Zusammenhang mit deiner Frage lieber Vacariu statt Markus Gabriel? Ich weiß gar nicht ob Markus Gabriel noch philosophisch publiziert oder ob er nur noch populärphilosophische Bücher schreibt.

Vacarius EDWs Metaphysik poppte bereits 2005 oder so auf. Er beschreibt und erklärt seine Philosophie sehr klar ohne viel philosophisches Geschwurbel. Man versteht ihn daher gut und er ist sehr angenehm zu lesen. Ich empfehle sein Buch „illusions of human thinking“ falls du Interesse hast.

Heinz Lüdiger
Heinz Lüdiger
1 Monat zuvor

Die Diskussion verläuft wie immer: jeder tapeziert sein Lieblingssinnfeld so, wie er es mag und findet die Tapeten in anderen Sinnfeldern inakzeptabel. DAS IST KONSTRUKTIVISMUS! Markus Gabriel ist ein ‚dekonstruktiver=poststrukturalistischer Konstruktivist. Er findet alle Tapeten schön, weil es kein Wahrheitskriterium für Sinnfelder gibt. 

Gegen Gabriel (aber mit vielen anderen) bin ich der Meinung, dass der Idealismus (antik oder modern) den Aussenweltskeptizismus erübrigt, weil seine Sinnfelder durch die De-selktionsmühle des Ganzen=der-Welt gegangen sind. D.h. Idealisten sind keine Konstruktivisten, denn legitime Sinnfelder können uns, ihrer Meinung nach, als Absolut unwidersprüchlich nur zu-fallen; es gibt keine Methode der Herleitung bzw. der Konstruktion! Nachdem aber Wissenschaft heute zentraler Teil des kapitalistisch-sozialistischen Einheitsprojekts ist, kann man nicht auf einen solchen (seltenen) Zu-fall warten. Das zwang die Philosophie aus dem Elfenbeinturm des Denkens in die Bastelkeller komplexer ‚Wissenschaften‘. 

Markus Gabriel hat einfaches Spiel: um den abgehalfterten Poststrukturalismus (die Dekonstruktion) realistisch aufzupeppen, braucht er ja nur den Sinnfeld-Basteleien Realität zuschreiben. Sein wahres Gesicht zeigt sich nur, wenn er poststrukturalistische Basiswahrheiten (die der ‚kulturschaffenden‘ Eliten) als universalistisch verkauft und dem zuwiderlaufende Strömungen als Irrtümer ausgrenzt.

Und der Erfolg gibt ihm Recht! Die vorhanden Bemühungen, der Philosophie wieder einen ausser- und überwissenschaftlichen Status zu verleihen, werden durch die zunehmende Dekonstruktion der Begriffe DURCH überbordende Konstruktion von denen sabotiert, die ihn betreiben. Wir befinden uns in der Endphase des Projekts Turmbau-zu-Babel 2.0 – die Sprache trägt nicht mehr…

Sorry Dirk, diese Plattform trägt im Namen ein ‚s‘ zuviel.

Gruß,

Heinz

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor
Reply to  Heinz Lüdiger

Die Diskussion verläuft wie immer: jeder tapeziert sein Lieblingssinnfeld so, wie er es mag und findet die Tapeten in anderen Sinnfeldern inakzeptabel. „

Stimmt doch gar nicht. Ich habe nur auf eine Frage von Bernd geantwortet und eine platte Aussage von ihm kritisiert, worauf er mich versucht in Diskussionen reinzuziehen. Ich bin nicht eingestiegen. 🙂

Philipp
Philipp
1 Monat zuvor
Reply to  Philipp

PS: ich verstehe den Zusammenhang zwischen Idealismus und EDWs (Vacariu) bzw. Sinnfeldern (Gabriel) nicht…

Der Idealismus ist doch wieder etwas ganz anderes bzw. gehört einem anderen Framework an.

Heinz Lüdiger
Heinz Lüdiger
1 Monat zuvor
Reply to  Philipp

„Der Idealismus gehört einem anderen Framework an..“

GENAU!

Heinz