der Absurdismus

Gastbeitrag Max Rosenbaum: „Der Absurdismus oder wie die Philosophie des Absurden unser Leben vereinfachen kann“

Gastbeitrag Max Rosenbaum: „Der Absurdismus oder wie die Philosophie des Absurden unser Leben vereinfachen kann“

Manchmal sind die Social Media ja doch zu etwas nützlich. Man lernt einfach schneller neue Leute kennen, mit denen man gleiche Interessen teilen kann. Genauso ist es mir auch mit Max Rosenbaum ergangen, den ich über Social Media kennengelernt habe. Dabei haben wir festgestellt, dass wir nicht nur die gleiche Vorliebe für philosophische Themen gemeinsam haben, sondern dass wir beide auch einen philosophischen Blog betreiben.

Max ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Autor, Redner und betreibt seit 2014 einen sehr erfolgreichen Philosophie Blog „denkatorium“, auf dem er sich viel mit philosophischen Themen der neuen Medienwirklichkeit, den Auswirkungen von KI oder ganz allgemein mit den Themen aus dem Alltag, über die es sich lohnt einmal nachzudenken.

Daraus war dann ruckzuck die gemeinsame Idee entstanden in einem Joint Venture mal über etwas gemeinsam nachzudenken und zusammen gegen die vermeintlichen „Windmühlenräder“ der „Schönen, Neuen (Medien)-Welt“ zu pusten. Die Philosophie und philosophische Themen fristen in ihrem Ursprungs-„Land der Dichter und Denker ja leider aus unerfindlichen Gründen immer noch ein Nischendasein. Wahlweise gilt sie als schwerverständlich und zu verkopft oder zu wenig lebens- und alltagstauglich. Das dem nicht so sein muss ist das Ziel, wie wir beide festgestellt haben, unserer Philosophiebloge.

Aus diesem Grunde haben wir uns mal in einer Zoom-Schalte ausgetauscht und an gemeinsamen Projekten gefeilt, um diesen Missstand ein wenig ändern zu helfen. Die thematische Ausrichtung unserer Philosophiebloge ist doch ein wenig verschieden. Eine gemeinsame Schnittstelle haben wir beide aber im Bereich der Medientheorie. Als „kleinen Gruß aus der Küche“ möchten wir Ihnen hier schon einmal ein paar „Schmeckhäppchen“ aus dem Medienarchiv des befreundeten Blogs kredenzen, um Ihnen Geschmack auf noch mehr zu machen.

Daher hier schon einmal ein Essay von Max zum Absurdismus oder die Philosophie des Absurden (kannte ich bisher auch noch nicht ;-). Ich hatte mich zwar schon einmal mit der „Dialektik der Aufklärungen“ oder der „Informationsgesellschaft 2.0 – Wir informieren uns zu Tode“ beschäftigt, aber das Absurde als Form der Weltbegegnung war mir hierbei noch nicht untergekommen. Wie wir beide aber im Gespräch festgestellt haben, dass unsere Ansätze in den Texten gar nicht soweit auseinander liegen.

Vielleicht kann man dieser Absurdität in der Welt auch nur über dem Absurden und nicht über dem Realen begegnen. Vielleicht sollte man es einfach mal mit Karl Valentin, dem Großmeister des Absurden halten: „Jedes Ding hat drei Seiten. Eine positive, eine negative und eine komische.“ Aber bevor es hier zu absurd wird, soll Max das doch lieber mal erklären:

Der Absurdismus oder wie die Philosophie des Absurden unser Leben vereinfachen kann

Der Absurdismus oder die Philosophie des Absurden ist vielen weitaus weniger bekannt. Dafür kennt man eher den Existentialismus oder den Namen Albert Camus.

Gerade solche Nischen der Philosophie können ungeheuer interessant sein, wie bspw. das der Kyniker oder in diesem Fall der Philosophie des Absurden.

Auch wenn der Absurdismus eine, man könnte sagen, weiterentwickelte Form von Existentialismus und Nihilismus darstellt, möchte dennoch zuerst auf diesen mit einem Beitrag eingehen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden dann weitere Artikel (wie Existentialismus, Nihilismus, Skeptizismus usw.) folgen, damit ein runderes Bild entsteht.

Inhalt

Das Absurde/Der Absurdismus

Albert Camus und der Absurdismus
Albert Camus (1957), Wikipedia

Grundannahme von Albert Camus ist es, dass die Welt oder das Leben etwas Absurdes ist. Das Leben als solches hat keinen Sinn oder besser gesagt, der Sinn des Lebens kann vom Menschen nicht mit dem Verstand erfasst werden. Er ist unerklärbar.

Der Mensch ist jedoch von dem Gedanken besessen, dass es einen Sinn geben müsse und somit will dieser auch an eine Sinnhaftigkeit glauben.

Camus bedient sich dabei des Sisyphos-Mythos. Sisyphos ist dazu verdammt einen Felsen einen Berg hochzurollen, doch jedes Mal, kurz vor dem Gipfel, rollt dieser wieder hinunter und Sisyphos muss von Neuem anfangen den Felsen hochzuschieben. Das macht Sisyphos Tag für Tag, ohne Sinn.

Diese Absurdität kann jeden Menschen in seinem Alltag und Leben erfassen. Es ist die absolute Sinnkrise, wenn man so möchte, die noch über den Nihilismus hinausgeht.

Denn das Streben nach einem “Sinn des Lebens”, in einer sinnleeren Welt ist nun mal vergebens. Nur weil ich nach einem möglichen Sinn trachte, entsteht nicht plötzlich daraus ein Sinn.

Doch diese Sinnlosigkeit ist als solches ziemlich fatal, da sie, wie gesagt, eine tiefe Sinnkrise auslöst.

Jedoch sieht Camus in diesem Dilemma drei verschiedene Auswege:

  • Religion
  • Selbstmord
  • Annahme des Absurden

Folgt man einem religiösen Gedanken, dann bestärkt man die Idee, dass es eine höhere Instanz mit Sinnhaftigkeit gäbe. Man gibt seinem Platz in der Gesellschaft einen Sinn, ebenso der Gemeinschaft und einer potentiellen Nachwelt, also einem leben nach dem Tod.

Es wird ein Sinn erschaffen, von dem man glaubt, dass es der eigentliche Sinn des Lebens sei. Doch Camus sah darin eine Realitätsflucht; er ging sogar noch weiter und verwarf diesen Ausweg als “philosophischen Suizid”.

Damit hat er religionskritisch gar nicht mal so unrecht, denn anstatt weitere Fragen zu stellen, wird die religiöse Idee als Absolutes akzeptiert. Die Philosophie wäre damit abgeschnitten, da alle Antworten auf Fragen im religiösen Glauben lägen und somit ein Außerhalb nicht zulassen.

Selbstmord wäre eine weitere Möglichkeit vor der Sinnlosigkeit zu fliehen, jedoch würde damit das Dilemma nicht aufgelöst werden, sondern es sogar noch in sich selbst bestärken. Somit wurde von ihm diese Option auch abgelehnt.

Die dritte Möglichkeit war dahingehend akzeptabler: Die Annahme des Absurden. In diesem Fall lebt man mit der Erkenntnis, dass dem Leben kein Sinn innewohnt, jedoch ohne zu resignieren oder deswegen in einen depressiven Zustand zu fallen.

„Das Absurde hat nur insofern einen Sinn, als man sich nicht mit ihm abfindet.“

Der Mythos des Sisyphos, Albert Camus

Die wirkliche Leistung des Menschen besteht darin, weiterzuleben. Camus beschrieb dieses philosophische Konzept auch im Essay “Der Mensch in der Revolte”. Das Revoltieren, also Aufbegehren, gegen die Sinnlosigkeit des Lebens.

Durch das Annehmen, jedoch nicht dem Abfinden des Absurden, kann der Mensch sich selbst verwirklichen und somit seine eigentliche Freiheit erlangen. Religiöse oder moralische Zwänge müssten dabei nicht anerkannt werden, da die Realitätsflucht, wie oben beschrieben, durch die Religion, keine wirkliche Option darstellt.

Begrenzte Erkenntnis

Eines der größten Argumente der Philosophie des Absurden, ist die begrenzte Fähigkeit der Erkenntnis des Menschen. Sie ist grundsätzlich begrenzt.

Wir können keine absolute Antwort darauf finden, wie das Leben zu sein hat oder wie wir uns zu verhalten haben. Um uns herum besteht eine Welt, die völlig Irrational ist und die auch keinerlei Interesse am Menschen als solches hat. All unsere Interessen, Wünsche und Gedanken sind dem Universum absolut egal.

Das eigentlich Absurde, also im traditionellen Verständnis, ist der Widerspruch zwischen dem Menschen, der danach trachtet einen Sinn im Leben zu finden und sein Leben danach auszurichten, und der völligen Interessenlosigkeit der äußeren Welt daran.

Eigentlich kommen noch viel mehr Aspekte des Absurden in dieser Philosophie zum Ausdruck. Besonders der Punkt, wenn man sich einmal überlegt wie groß und alt unser Universum ist und wie klein unser Leben im Gegenzug darin erscheint, dann ist es absurd anzunehmen, dass man eine größere Rolle in diesem Universum spielen sollte. Dass man als kleines Lebenslicht auch noch in einer Million Jahre immer noch relevant sein könnte.

Es ist absurd zu denken, dass man als Schauspieler, Musiker, Autor, Büroangestellter usw. auch nur im Ansatz wichtig sein könnte für das interessenlose Universum. Niemand wird sich nach der langen Zeit an uns erinnern, jedoch versuchen wir oftmals (aber nicht immer) unserem Leben einen Sinn zu geben und kreieren einen Sinn und eine Wichtigkeit, die aber gar nicht existiert.

Wenn wir sterben, wenn alle Menschen sterben, dann wird sich niemand an uns erinnern und niemand wird wissen, dass es uns je gegeben hat. Jeglicher Sinn, den wir dem Leben gaben wird nichtig, wird absurd.

Objektiv gesehen kann man jedoch nicht auf einen Sinn des Lebens schließen. Er ist nicht erfassbar oder beweisbar.

Natürlich gibt es auch einige Argumente gegen die Philosophie des Absurden, bspw. die Frage nach der Moral. Denn schaut man sich die Sinnlosigkeit des Lebens an, dann wird auch jegliche Moral sinnlos und dementsprechend wäre es nicht möglich jemandem ein falsches Verhalten vorzuwerfen. Der Mensch stünde somit außerhalb jeglicher Moral und selbst die Gesetze wären hinfällig, weil sie auf nichts basieren würden. Zumindest wenn man diese Philosophie konsequent verfolgt.

Zwar hat sich Camus damit verteidigt, dass einige Tugenden ja schon moralisch wertvoll wären, wie Aufrichtigkeit oder Mut. Dies verstößt jedoch gegen Humes’ Gesetz und darin sehen Kritiker eine widersprüchliche Philosophie. Denn auf der einen Seite ist alles sinnlos, aber auf der anderen Seite werden bestimmte moralische Handlungen doch gewertet.

Eines der am schwerwiegendsten Argumente ist aber der Punkt, dass die Philosophie des Absurden nicht mit der Erziehung von Kindern vereinbar wäre. Wie sollte man Kindern ein positives Lebensziel mitgeben oder Freude am Leben verspüren lassen, wenn man ihnen klar macht, dass das Leben als solches keinerlei Sinn hat?

Denn eigentlich ist dieser Punkt auch schon fast gleichzusetzen mit dem, bei der Religion angeführten, philosophischen Suizid.

Auswege der Philosophie des Absurden

Nun steht man da und hat erfahren, dass das Leben als solches (theoretisch und objektiv) keinen Sinn beinhaltet.

Stellt sich nur die Frage, was macht man nun mit dieser Erkenntnis? Das Konstrukt der Moral ist eigentlich genauso hinfällig, wie alles andere auch.

Doch Camus hat darauf eine ziemlich treffende Antwort, worin man den Existentialismus, der dieser Philosophie innewohnt, erkennen kann. Camus hat die Zuordnung dieser philosophischen Strömung jedoch abgelehnt.

Vorab: Der Kern des Absurden kann auch hierbei nicht überwunden werden. Dieser ist vorhanden und bleibt vorhanden.

Das angesprochene Aufbegehren, also das Revoltieren gegen das Absurde, wird von Camus in seinen Essays “Der Mensch in der Revolte” abgehandelt. Darin kommt er zu dem Schluss, dass der Mensch, trotz aller Widrigkeiten des Lebens dennoch Verantwortung übernehmen kann. Doch nicht nur das. Darin ist es dem Menschen möglich seine eigene Identität zu bestimmen und Freiheit zu erlangen. Hierbei kommt der Existentialismus zum Ausdruck, welcher darauf hinweist, dass man sein Leben eigenständig gestalten soll und es keinerlei Anleitung oder Vorlage gibt, wie ein Leben zu führen ist.

Somit ist es möglich, obgleich der Sinnlosigkeit des Lebens, ein kreatives, intensives und erfülltes Leben zu führen.

Aber es gibt auch weitere Lösungsvorschläge, wie man dieses Problem angehen könnte. Da wäre zum Beispiel die Empfehlung, dass man sich einfach keine Sorgen machen solle über diese Thematik. Zugegeben, das ist sehr einfach gehalten und für den einen oder anderen wahrscheinlich genauso frustrierend, wie die Philosophie des Absurden selbst.

Auch kam die Idee auf, das Absurde einfach zu ignorieren und sein Leben zu leben und zu gestalten. Ebenso simpel und für den einen oder anderen weniger erbaulich, wenn man sich dennoch immer der Sinnlosigkeit gegenüberstehen sieht.

Welche Idee mir jedoch gut gefällt ist die der Ironie. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich selbst nicht ganz ernst nehme und genau so sollte man die Sinnlosigkeit des Lebens nicht so ernst nehmen. Man weiß zwar, dass sie da ist und dass man ihr nicht entkommen kann, dennoch ist es mit der Ironie viel einfacher. Das Leben wird weniger ernst und vor allem nicht depressiv, wie im Nihilismus. Mache ich mir zu viele Gedanken und Sorgen über das Absurde, dann wird das Leben noch viel schwerer und das unnötig.

An sich kann man der Absurdität eben nicht entkommen und es überwinden schon mal gar nicht. Stellt sich eben die Frage, wie man damit umgehen will: ernst, depressiv und sorgenvoll oder doch lieber mit Humor und einer gewissen Leichtigkeit?

Die Sorgen sind in dem Fall genauso bedeutungslos, wie der Humor – aber mit letzterem ist es eben einfacher zu ertragen.

Die Kombination des Absurden

Leben im Absurdismus ist möglich, wenn man es denn versteht

Selbst wenn Camus den Zusammenhang von Existentialismus und der Philosophie des Absurden abstreitet, so ist diese Verbindung nicht ganz von der Hand zu weisen. Einige Kritiker unterstellen ihm sogar, dass er von Sartre “geklaut” hätte. Was mitunter daran liegen mag, dass er anfänglich dem Existentialismus nahestand.

Dennoch möchte ich behaupten, dass der Absurdismus eine natürliche Weiterentwicklung aus mehreren philosophischen Strömungen ist.

Zum einen hat man den Existentialismus, der weniger aussichtslos erscheint, wodurch der Absurdismus jedoch düsterer wirkt. Dennoch nicht so dunkel, wie der Nihilismus, der einfach bei der Aussage des sinnlosen Lebens stehen bleibt. Hier gerät das eigentliche Dilemma in den Vordergrund, dass der Mensch nach einem Sinn des Lebens strebt, es ihn aber nicht gibt oder dieser zumindest außerhalb unserer Erkenntnisfähigkeit liegt.

Man könnte behaupten, dass der Absurdismus so etwas wie ein positiver Nihilismus und ein weitergedachter Existentialismus ist.

Viel wichtiger erscheint mir der Punkt, dass man wie im Existentialismus sein Leben selbst gestaltet, ohne jegliche Anleitung und ohne die fixe Idee, dass man ein Leben wie jeder andere führen müsse. Rollen und Ideale sind dahingehend reine Fiktion und sind nicht mehr wert, als andere Lebensgestaltungen.

Aber um sein Leben selbst zu gestalten, sollte man ehrlich zu sich selbst sein und wissen, was man wirklich will. Es geht nicht darum was andere wollen, egal ob Familie oder Religion, sondern nur man selbst steht dabei als Autor der eigenen Lebensanleitung.

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Philipp
Philipp
3 Tage zuvor

Hallo Max,

dein Artikel ist für mich interessant da ich mich seit ca. meines 12 Lebensjahrs mit dem Nihilismus oder der Absurdität des Lebens beschäftigt und dazu die üblichen philosophischen Autoren (Schopenhauer, Kierkegaard, Hartmann, Mainländer, Cioran, Camus, etc.) gelesen habe. Die Sinnlosigkeit und Absurdität habe ich auch extrem stark erlebt.

Ich bin heute zu der Schlussfolgerung gekommen dass das Leben weder sinnlos (oder absurd) noch sinnvoll ist. „Sinn“ ist aus meiner Sicht etwas phänomenologisches und nichts ontologisches.

Ja, ich kann sagen dass das Leben aus meiner Phänomenologie heraus mehr oder weniger sinnlos und absurd ist. Aber das ist ein Konstrukt eines Menschen (also von mir), nicht was der Welt unabhängig von mir angehört.

Was bleibt? Gewissermaßen „nichts“. Man kann schauen dass man Interessen und Hobbies findet, einen Beruf der einem zumindest ausreichend etwas gibt, etc. Ziel: Leid an der (erlebten) Sinnlosigkeit oder Absurdität verringern oder gar eliminieren. Somit kann man zwar sagen dass man immer noch Nihilist ist, aber nur auf einer abstrakten philosophischen Ebene. Man muss den Nihilismus nicht gleichzeitig phänomenal erleben bzw. man muss nicht stark oder dauerhaft an ihm leiden.

Roswitha Steffens
Roswitha Steffens
2 Tage zuvor
Reply to  Philipp

Ich kann Ihnen in Ihrer Ausführung zustimmen, würde jedoch das Nichts auf eine neue Ebene heben, sodass es der 0 entspricht, mit der ich arbeiten kann, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Philipp
Philipp
1 Tag zuvor

Könnten Sie genauer erklären was Sie damit meinen „dass Nichts auf eine neue Ebene heben“?

Dass Problem (aus meiner heutigen Sicht) der Existentialisten ist dass sie die Phänomenologie (also unser Erleben) als Primär hinstellen. D.h. es gibt häufig keine klare Unterscheidung zwischen Phänomenologie und Ontologie. Deshalb verfallen Sie in blumige (meist rein deskriptive) Beschreibungen. Sie nutzen eine quasi phänomenologische Ontologie.

Ich hatte meine Bachelorthesis über den Nihilismus geschrieben und diesen aus phänomenologischer, psychologischer und neuronaler Perspektive diskutiert. Meine zentrale Aussage in der Thesis war dass die postulierte Absurdidät (oder ein Nihilismus) bezüglich der Welt ein sogenannter phänomenal-ontologischer Fehlschluss sei, also ein einfacher Fehlschluss von dem eigenen Erleben auf die Welt selbst. Wie es zu diesem Fehlschluss kommt habe ich versucht auf den drei genannten Ebenen zu erklären (phänomenologisch, psychologisch, neuronal).

Da aber (wie bereits oben geschrieben) die meisten (oder fast alle?) Existenzialisten die Frage nach der Unterscheidung zwischen Phänomenologie und Ontologie selten interessiert, sie meist mit Phänomenologie beginnen und enden, sind solche Differenzierungen für berühmte Vertreter hier nie von signifikanter Relevanz gewesen. Das ging schon in radikaler Form bei dem „ersten“ Existentialisten Kierkegaard so los bei dem Subjektivität sowie das Subjekt in den Vordergrund gestellt werdne.

Deshalb würde ich auch mit Camus nicht zustimmen dass erlebte Absurdität nicht überwindbar sei. Aber ob man es kann hängt auch von dem individuellen Menschen ab, seiner Persönlichkeit und vielen weiteren Faktoren.

Roswitha Steffens
Roswitha Steffens
1 Tag zuvor
Reply to  Philipp

Ich denke, es geht dem Menschen und damit ja in gewisser Weise auch Ihnen, der sie in seiner Lebensform fest verankert sind, darum, seine Geburt so zu begreifen, dass nichts von ihr abhängig ist, jedoch alles von ihr ausgeht. Gott war für mich dafür ein Hilfsmittel, das es immerhin bis in meine Gegenwart geschafft hat. Ich konnte durch dieses Wort eine Kraft entwickeln, die von 0 ausgeht und mich dennoch in meiner menschlichen Lebensform bestätigt hat. Sie ist unabhängig jeglicher Lebensform, abhängig von einer Energie, die es zu verarbeiten gilt, ohne dass ein Verlust entsteht. Gesichert von Gott, angelegt in Jesus, wird Lebensenergie verfügbar. Damit kann ihr Bewusstsein für eine Lebensform wachsen, die der Menschheit im Umgang mit ihrem Lebenswandel dabei hilft, eine Ressource zu gewinnen, die als Zeit bekannt, ihren Ursprung und damit seine Quelle vermittelt. O verfügt über ein Gedächtnis, das es in seinem Ursprung nur einmal gibt, damit das Herz der Menschheit vergeben kann, was es zu vergeben gilt.

Evolutionsbedingt beginnt der Mensch bei nichts und doch erfüllt sich an ihm ein Werdegang, dem einzig die Gegenwart geschuldet ist, durch die seine Einheit erschöpft, was an Arbeit in ihr steckt und umgesetzt sein will, bevor das Leben sich fortsetzt.

0 = Gott, nichts = vor Gott, alles = Herz, Zeit = Herz – Jesus, Gedächtnis = Zeit + Jesus, Mensch = 0 +/- 1

Ich hoffe, da meine mathematischen Künste nicht zum Besten bestellt sind, ich konnte Ihnen vermitteln, was die »0« für mich als Mensch, Kind meiner Eltern, Frau und Mutter bedeutet, die sich mit der Gegenwart eines Vaters, der ihr alles bedeutet, auseinandersetzen musste. Von ihrem Menschenbild so weit entfernt, wie vom menschenwürdigen Umgang mit sich selbst war die Menschheit für mich einfach nur ein großes Rätsel, das es zu lösen galt.

Dirk
Dirk
1 Tag zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philipp,

vielen Dank für Deinen sehr bemerkenswerten Kommentar, der zum Nachdenken über den „Sinn des Lebens“ anregt.

Wir haben uns zwar schon häufiger über den Nihilismus ausgetauscht, aber in diesem Zusammenhang zum Absurdismus in Max Essay passen meines Erachtens meine Lieblings-Zitate von Foucault ebenfalls sehr gut, daher möchte ich sie nicht vorenthalten:

„Die Welt besteht aus übereinandergelagerten Oberflächen, Archiven oder Schichten. Auch ist die Welt Wissen. Aber die Schichten sind von einem zentralen Riß durchzogen, der auf die eine Seite die sichtbaren Bilder, auf die andere Seite die Lautkurven verteilt: das Sichtbare und das Sagbare innerhalb jeder Schicht, die beiden irreduziblen Formen des Wissens […] Wir sinken ein von Schicht zu Schicht, von Streifen zu Streifen, wir durchqueren die Oberflächen, die Bilder und die Kurven, wir folgen dem Riß, um zu versuchen, ins Innere der Welt zu gelangen: wir suchen, wie Melville sagt, eine zentrale Kammer, in der Furcht, daß dort niemand sein könnte und die Seele der Menschen eine unermeßliche und schreckliche Leere enthüllte […]“ (Gilles Deleuze: „Foucault“ Suhrkamp 1992, S. 170)

Aber auch hier gibt es noch Hoffnung, denn wie er am Schluss schreibt: „Der Diskurs ist nicht das Leben: seine Zeit ist nicht die Eure; in ihm versöhnt Ihr Euch nicht mit dem Tode; es kann durchaus sein, daß Ihr Gott unter dem Gewicht all dessen, was Ihr gesagt habt, getötet habt. Denkt aber nicht, daß Ihr aus all dem, was Ihr sagt, einen Menschen macht, der länger lebt als er.“ (Michel Foucault: „Archäologie des Wissens“, Suhrkamp 1981, S. 301)

In diesem Sinn schöne Grüße aus „Absurdistan“
Dirk