Konstruktivismus vs. Realismus

„Konstruktivismus vs. Realismus“ – Hätten Sie lieber die rote oder die blaue Pille?“

„Konstruktivismus vs. Realismus – Hätten Sie lieber die rote oder die blaue Pille?“

„Das ist deine letzte Chance. Danach gibt es kein Zurück. Nimm die blaue Pille: Die Geschichte endet, du wachst in deinem Bett auf und glaubst, was du auch immer glauben willst. Nimm die rote Pille: Du bleibst hier im Wunderland und ich werde dir zeigen, wie tief das Kaninchenloch reicht.“ (Filmzitat von „Morpheus“ aus „Matrix 1“, https://www.kino.de/artikel/matrix-zitate–2mxxg8x6jc)

Abstract

Der folgende Essay ist eigentlich schon länger geplant gewesen und stammt aus der Reihe „Wie viel Konstruktion enthält die Wirklichkeit?“, die ich bereits mit dem älteren Text „Realisten vs. Nominalisten – oder der alte Dualismus „Denken vs. Sprache“ eingeleitet hatte. Im Folgenden möchte ich meinem Versprechen einlösen und versuchen die noch fehlende, grundlegende Lücke zum Verhältnis von „Konstruktivismus vs. Realismus“ in Bezug auf unser „Bewusstsein“ zu schließen.

Bevor ich Ihnen aber die „blaue oder rote Pille“ zur „Bewusstseinserweiterung“ aus dem Film „Matrix“ anbieten kann, benötige ich zunächst einmal ein paar grundlegende „Arzneimittel“. Was das Ganze mit dem Film „Matrix“ auf sich hat, wird sich im Folgenden hoffentlich erschließen. Aber zunächst müssten Sie mir, wie aus einem anderen thematisch ähnlichen Film „Alice im Wunderland“, zunächst einmal in das besagte „Kaninchenloch“ folgen, damit die Trennung zwischen „Konstruktivismus vs. Realismus“ sichtbarer wird. Also möchte ich Ihnen den Plan unserer bevorstehenden Reise in das „Wunderland“ erst einmal offenlegen: „Folge dem weißen Kaninchen!“ (Filmzitat von „Neo“ aus „Matrix 1“)

Wir starten mit dem Arzneimittel „Sprache“, bei dem es hier zunächst einmal um eine klare Begriffsdefinition geht, was „Bewusstsein“ überhaupt erst ist. Ohne diese sprachliche Klärung der Begriffe werde ich nur an Ihnen vorbeischreiben und wir werden keine gemeinsamen „Sinnfelder“ (Markus Gabriel) erzeugen können. Als nächstes Arzneimittel wird natürlich das „Denken“ benötigt. Hier ist allerdings nicht das Allgemeine, sondern im Speziellen die „Philosophie des Geistes“ gemeint. Das „Geist“ und „Denken“ nicht unbedingt dasselbe sein müssen, soll hier noch einmal herausgearbeitet werden. Zum Schluss soll noch das Arzneimittel „Wissen“ Verwendung finden, daher benötigen wir natürlich eine Unterstützung durch die Wissenschaft. Um den „konstruierten Kaninchenbau“ ein wenig mit der „Realität“ abzugleichen, sind empirische Daten der kognitiven Neurowissenschaften vielleicht ganz hilfreich.

Aber bevor Sie mit mir die Reise in den „Kaninchenbau“ starten, um „Morpheus Frage“ nach der „roten oder blauen Pille“ zu entscheiden, wollen wir doch zuerst einmal wissen, welche Wahlmöglichkeiten uns da für unser „Bewusstsein“ angeboten werden. Also beginnen wir zunächst einmal mit dem Lesen des „Beipackzettels“, der für die Einnahme der „roten oder blauen Pille“ beigelegt ist. Danach untersuchen wir den Beipackzettel für das Arzneimittel „Sprache“ um eine genauere Definition des Begriffs „Bewusstsein“ zu erhalten.

 

Beipackzettel für die „rote und blaue Pille“: Konstruktivismus vs. Realismus

Name des Arzneimittels: „rote Pille“ vs. „blaue Pille“

Stoff- und Indikationsgruppe der Arznei: materielle vs. ideelle oder strukturelle Inhaltsstoffe

Anwendungsgebiete „rote Pille“:Realismus“ = aus der „ewigen Illusion“ zu erwachen und die „Realität“ zu erkennen.

Anwendungsgebiete „blaue Pille: „Konstruktivismus“ = mit der Erkenntnis weiterleben, dass die „Wirklichkeit“ konstruiert ist.

Wechselwirkungen „rote Pille“: Studien zeigen eine Erhöhung der Wirkung im Zusammenhang mit dem Naturalismus, der zu Syptomen des „wissenschaftlichen Realismus“ führen kann. Die Symptome des wissenschaftliche Realismus erkennt man daran, dass er versucht die bestmöglichen Erklärungen für Phänomene zur Annäherung an die Realität zu finden.

Wechselwirkungen „blaue Pille“: durch Einnahme von kognitionshaltigen Präparaten aus den Neurowissenschaften kann es zu Formen des „biologischen Konstruktivismus“ kommen. Diese Form von Konstruktivismus geht in ihrer Symptomatik davon aus, dass alle Erkenntnise zur Wirklichkeit unserer Welt nur durch die „Biologie“ unseres Gehirns konstruiert werde.

Nebenwirkungen „rote Pille“: bei einer „Überdosierung“ kann es zu extremen „Realitätsverzerrungen“, wie dem „naiven Realismus“, kommen. Die Symptome äußern sich in der Gleichsetzung von Wahrnehmung und Realität, die dazu führt die Ergebnisse nicht kritisch im Sinne der Falsifikation zu überprüfen.

Nebenwirkungen „blaue Pille“: hochdosiert kann der Konstruktivismus extreme Formen als „radikaler Konstruktivismus“ annehmen, die zu einer „Wirklichkeitsentfremdung“ führen können. In der Symptomatik wird die Wahrnehmung überhöht, da die Realität immer nur als eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung gesehen wird. Damit wird eine objektive Wirklichkeit unmöglich.

 

Arzneimittel „Sprache“: Definition des Begriffes „Bewusstsein“

Auf dem „Beipackzettel“ für „Bewusstsein“ steht als Auszug aus den „Anwendungsgebiete in der Sprache“:

Bewusstsein (abgeleitet von dem mittelhochdeutschen Wort bewissen im Sinne von „Wissen über etwas habend“,[1] lateinisch conscientia „Mitwissen“ und altgriechisch συνείδησις syneídēsis „Miterscheinung“, „Mitbild“, „Mitwissen“, συναίσθησις synaísthēsis „Mitwahrnehmung“, „Mitempfindung“ und φρόνησις phrónēsis von φρονεῖν phroneín „bei Sinnen sein, denken“) ist im weitesten Sinne die Summe der mentalen Prozesse Empfindung (primärer Sinneseindruck), Wahrnehmung (Informationsgewinnung und innere „Abbildung“) sowie Erleben (emotionale und kognitive Reaktion). Eine allgemein gültige Definition des Begriffes ist aufgrund seines unterschiedlichen Gebrauchs mit verschiedenen Bedeutungen schwer möglich. Die naturwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich mit definierbaren Eigenschaften bewussten Erlebens.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein)

Diese sprachliche Grundlegung für den BegriffBewusstsein“ ist meines Erachtens sehr wichtig, da leider die ursprüngliche Bedeutung von „conscientia” als „Mitwissen“, „Mitwahrnehmung“ und „Mitempfindung“ verloren gegangen ist, dieser strukturelle Aspekt aber sehr wichtig ist. Der Fokus hat sich zumindest seit Descartes dualistisch-metaphysische Trennung in „res cogitans“ vs. „res extensa“ eindeutig auf Seiten der „res cogitans“ verschoben, da das „Bewusstsein“ als rein kognitiver Prozess im Sinne des „Neurozentrismus“ nur im Gehirn verortet wird und die „res extensa“ (Körper „embodiment“, Umwelt „embededdness“) „außen vor“ sind. Seitdem wird verzweifelt nach einem „neuronalen Korrelat des Bewusstseins“ („neuronal correlation of consciousness“ NCC) als „heiligen Gral“ gesucht, ohne ihn zu finden oder jemals finden zu werden.

Wir suchen also bereits am „Eingang“ zu unserem „Kaninchenbau“ aus meiner Sicht an der falschen Stelle für das Phänomen „Bewusstsein“, da wir entweder auf materieller Basis nach entsprechenden Korrelaten im Gehirn forschen (kognitive Neurowissenschaften) oder auf ideeller Basis dieses logisch-deduktiv aus den Konzepten ableiten wollen (Philosophie des Geistes). Der prozessuale Charakter des Phänomens „Bewusstsein“ gerät hierbei aber in beiden Fällen außer Acht, da Bewusstsein meines Erachtens weder materieller noch ideller, sondern struktureller Natur ist, wie ich schon des Häufigeren (wahrscheinlich schon zu häufig in den Augen mancher Leidtragenden) erwähnt habe (s. Archiv „Erkenntnistheorie“). Dazu aber mehr beim Arzneimittel „Denken“ und „Wissen“.

Kommen wir nun lieber wieder zurück zur „Sprache“. Der Begriff „Bewusstsein“ ist nämlich immer noch nicht eindeutig definiert. Daher hier noch einmal ein etwas ausgedehnterer Versuch:

„Es erschwert viele Diskussionen, dass Bewusstsein grundsätzlich zwei Bedeutungen hat.[4] Die erste ist, dass wir überhaupt etwas wahrnehmen und nicht bewusstlos sind. Die zweite, dass wir etwas bewusst wahrnehmen oder tun, also darüber nachdenken beim Wahrnehmen bzw. Tun. Weiterhin ist Bewusstsein keine binäre Eigenschaft, die man hat oder nicht hat. Es gibt Abstufungen, je nach Definition. Michio Kaku definiert es so: „Bewusstsein ist der Prozess, unter Verwendung zahlreicher Rückkopplungsschleifen bezüglich verschiedener Parameter (z. B. Temperatur, Raum, Zeit und in Relation zueinander) ein Modell der Welt zu erschaffen, um ein Ziel zu erreichen.“ Er unterscheidet 4 Stufen des Bewusstseins, von Pflanzen bis zum Menschen – abhängig von der von Stufe 0 bis Stufe 3 exponentiell ansteigenden Zahl der Rückkopplungsschleifen.[5]

Man unterscheidet heute in der Philosophie und Naturwissenschaft verschiedene Aspekte und Entwicklungsstufen:

1. Bewusstsein als „belebt-sein“ oder als „beseelt-sein“ […].

2. Bei Bewusstsein sein: Hier ist der wachbewusste Zustand von Lebewesen gemeint, der sich unter anderem vom Schlafzustand, der Bewusstlosigkeit und anderen Bewusstseinszuständen abgrenzt. […]

3. Bewusstsein als phänomenales Bewusstsein: Ein Lebewesen, das phänomenales Bewusstsein besitzt, nimmt nicht nur Reize auf, sondern erlebt sie auch. […]

4. Zugriffsbewusstsein: Ein Lebewesen, das Zugriffsbewusstsein besitzt, hat Kontrolle über seine Gedanken, kann Entscheidungen treffen und koordiniert handeln.

5. Bewusstsein als gedankliches Bewusstsein: Ein Lebewesen, das gedankliches Bewusstsein besitzt, hat Gedanken. […]

6. Bewusstsein des Selbst: Selbstbewusstsein in diesem Sinne haben Lebewesen, die nicht nur phänomenales und gedankliches Bewusstsein haben, sondern auch wissen, dass sie ein solches Bewusstsein haben.

7. Individualitätsbewusstsein besitzt, wer sich seiner selbst und darüber hinaus seiner Einzigartigkeit als Lebewesen bewusst ist und die Andersartigkeit anderer Lebewesen wahrnimmt. […]

Die Verwendung des Begriffes Bewusstsein ist in der Regel auf eine dieser Bedeutungen und damit auf eine Eingrenzung angewiesen. Auch drücken sich in den verschiedenen Verwendungsweisen oft unterschiedliche Weltanschauungen aus. Eine Studie vom August 2024 zählt etwa 200 unterschiedliche Erklärungsansätze für den Begriff.[6]“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein, Hervorhebungen hinzugefügt)

Keine Angst, die „200 unterschiedliche Erklärungsansätze für den Begriff“ werden wir hier nicht weiter verfolgen, sondern uns nur auf einen begrenzten Ausschnitt. Für die Wahl zwischen der „roten und blauen Pille“ reicht vielleicht die vorgeschlagene Definition für „Bewusstsein“ von Michio Kaku aus seinem Buch Die Physik des Bewusstseins – Über die Zukunft des Geistes“ (2014) und die Eingrenzung auf „3. Bewusstsein als phänomenales Bewusstsein“ aus.

Die Gründe für diesen Fokus möchte ich Ihnen aber gerne transparent machen. Kakus‘ Defintion hat aus meines Erachtens nämlich den Vorteil, dass sie einen naturalistischen Ansatz hat, aber auch strukturenrealistische Elemente (z. B. „Rückkopplungsschleifen“) aufweist. Die Begrenzung auf das „phänomenale Bewusstsein“ lässt sich hierdurch begründen, dass die „basaleren Stufen“ des Bewusstseins vielleicht zu trivial und die „elaborierten Stufen“ vielleicht zu komplex sind. Wichtig ist mir aber herausszustellen, dass alle Stufen des Bewusstseins lebender Organismen/Organoide (Xenobots) wichtig sind und „keine binäre Eigenschaft, die man hat oder nicht hat. Es gibt Abstufungen, je nach Definition.“ (s. o.)

Ich weiß nicht, ob Sie nun bereits in der Lage sind zwischen der Einnahme der „blauen oder roten Pille“ zu wählen. Oder ob nicht vielleicht nicht noch einmal auf den „Beipackzettel“ für das Arzneimittel „Denken“ schauen sollten, bevor wir uns für eine „Einnahme“ entscheiden?

 

Arzneimittel „Denken“: „Bewusstsein“ in der „Philosophie des Geistes“

Die Philosophie des Geistes nimmt schon aufgrund ihres Namens die herausragende Stellung unter den Arzneimitteln ein, weil sie ja als eigentümliches Anwendungsgebiet das Nachdenken über das „Denken“ besitzt und somit als „homöopathische Urtinktur“ für das Phänomen „Bewusstsein“ bezeichnet werden könnte. Aber ebenso wie in der Homöopathie hat die Philosophie des Geistes keine wirklichen Erklärungen für dessen Wirkung nachweisen können.

Seit über 2000 Jahren gibt es hierzu bereits die verschiedensten Versuche zu den Erklärungsansätzen, die man despektierlich vielleicht, wie ich es einst getan habe, als „UEPhA-Cup der Ismen“ bezeichnen könnte. Epiphänomenalismus, Funktionalismus, Materialismus,…, um nur einige stellvertretend zu nennen. Allen „Ismen“ in der Philosophie des Geistes ist allerdings gemein, dass man sie in Kategorien in Bezug auf das „Leib-Seele“-, „Geist-Körper“- oder „Psyche-Materie“-Problem klassifizieren kann.

Diese Konzepte der Dichotomie tauchen zuallerst in Form des „Dualismus“ (z. B. Eigenschaftsdualismus“, David Chalmers) auf. Neuerdings auch durch die Ergebnisse der kognitiven Neurowissenschaften beflügelt, sind auch Formen eines „verkappten Dualismus“ („Neo-Cartesianismus“, Thomas Fuchs) als Spielart des „Monismus“ (Nichtreduktiver Materialismus“, Donald Davidson) durch die „Naturalisiserung des Geistes“ in Mode gekommen.

Das Ergebnis aller Erklärungsansätze ist aber in der Summe gleich nichts. Wenn man die „rote Pille“ geschluckt hätte, würden von allen deduktiv-logischen Theorien am Ende der empirischen Überprüfung nichts übrig bleiben, weil sie dem „wissenschaftlichen Realismus“ nicht standhalten würden. Man würde in Anlehnung an „Matrix“ aus der „Illusion der gedanklichen Konstrukte“ erwachen und die „Wirklichkeit der physiologischen Prozesse“ erkennen.

Aber auch die Einnahme der „blauen Pille“ hätte ebenfalls starke Nebenwirkungen, da sie in Form des „radikalen Konstruktivismus“ alle Versuche der wissenschaftlichen Objektivierung ablehnen würde und im Extremfall im „subjektiven Solipsismus“ landen würde. Falsifikationen werden hierdurch unmöglich gemacht. Dies hätte ebenfalls zur Folge, dass man mit der Erkenntnis weiterleben muss, dass unsere „Wirklichkeit“ nur konstruiert ist und man niemals einen Zugriff auf die Realität erhalten kann.

Damit dem nicht so sein muss, versuche ich schon seit Längerem für eine „nichtreduktive, bidirektionale Neurophilosophie“ für die Aufklärung des Phänomens „Bewusstsein“ in der „1. Person Perspektive“ zu werben. In dieser Form der Neurophilosophie sollen dann die „Konzepte“ der Philosophie des Geistes mit den „Fakten“ der kognitiven Neurowissenschaften als „Konzept-Fakt-Iterativität“ abgeglichen werden. Es geht darum „das Beste aus beiden Welten“ in einer echten Interdisziplinarität zu vereinen.

Fazit: „Wirf die Pillen weg!“ Es geht nicht um die Inhaltsstoffe selber, sondern um die Relationen. Das wollen wir nun an dem nächsten Arzneimittel „Wissen“ noch einmal überprüfen.

 

Arzneimittel „Wissen“: „Bewusstsein“ in den „kognitiven Neurowissenschaften“

Die kognitiven Neurowissenschaften haben aufgrund ihrer elektrophysiologischen (EEG, MEG) und bildgebenden Messverfahren (CT, PET, MRT, fMRT) zu einer regelrechten „Goldgräberstimmung“ im Bereich der Aufklärung des Phänomens „Bewusstsein“ geführt, die in dem positivistischenManifest der Hirnforscher“ 2004 gipfelte. Aufgrund der großen Menge an empirischen Daten hatte man die Hoffnung, dass es in nächster Zeit gelingen würde das Gehirn und seine physiologischen Prozesse und kognitiven Strukturen aufzuklären und hieraus Modelle und Theorien zur Konstitution des Bewusstseins zu erhalten.

Nun, 20 Jahre später gibt es zugegebenermaßne bereits große Leistungen und Erfolge im Bereich der kognitiven Neurowissenschaften zu verzeichnen. Aber das „neuronale Korrelat des Bewusstseins“ gilt weiterhin als „heiliger Gral“, da es scheinbar nicht auf den „Scanbildern der fMRts“ zu bannen oder als „Peaks der EEGs“ in den Ausschlägen zu erkennen ist.

Die Einnahme der „roten Pille“ würde diesen „naiven Realismus“ wahrscheinlich noch verstärken, da hierdurch die empirischen Ergebnisse als real existent angenommen werden. Die Gleichsetzung von Wahrnehmung und Realität führt dazu, dass die Ergebnisse nicht kritisch im Sinne der Falsifikation überprüft werden. Dies kann man leider an einigen Studien aus dem Bereich der kognitiven Neurowissenschaften auch beobachten. Es geht letztendes nur noch um die Datenerhebung, die schon als wissenschaftliches Ergebnis deklariert wird. Die konzeptuelle Interpretation der Daten fällt da schon mal hinten runter. Das sogenannte neuronale Korrelat des Bewusstseins stellt insofern auch gar kein Forschungsziel dar, da es bekanntermaßen nicht falsifizierbar ist.

Die Verabreichung der „blauen Pille“ würde abe auch zu keinem Erfolg führen, da sie den „radikalen Konstruktivismus“ in Form des Neurokonstruktivismus“ (Thomas Fuchs) befördern würde und aus einer naturalistischen Sicht sogar das Phänomen „Bewusstsein“ gänzlich eliminieren würde. Das Bewusstsein wäre dann nur noch ein physiologisches Konstrukt des Gehirns im Ego-Tunnel“ (Thomas Metzinger) eine „geistige Multimedia-Show“ (Antonio Damasio) oder „Cartesisches Theater“ (Daniel Dennett). Das hätte zur Folge, dass man das phänomenale Bewusstsein einfach als „nettes Gadget“ oder „kognitives Interface“ für den Umgang mit der Umwelt degradiert oder ebenfalls einfach eliminiert, da es nur eine evolutionäre Spielart in den Entwicklungsstufen des Gehirns darstellt. Das neuronale Korrelat des Bewusstseins wäre damit ebefalls obsolet.

Fazit: Die Pillen, gleich welcher Couleur, haben hier auch keinerlei erwünschte Effekte. Sie führen in beiden Fällen zur Degradierung oder Negierung des Phänomens „Bewusstsein“.

Das aber Bewusstsein existent ist, kann man im eigenen Selbstversuch jeden Tag testen. Die Suche der kognitiven Neurowissenschaften nach dem neuronalen Korrelat des Bewusstseins im Gehirn muss aus meiner bescheidenen Sicht aber ebenfalls erfolglos bleiben, da es dort in der Tat gar nicht existent ist. Vielleicht liegt es an der materialistischen Sichtweise, die in den kognitiven Neurowissenschaften aufgrund des naturalistischen Paradigmas vorherrschen, dass man den prozessualen, strukturalen Aspekt in Form des embodiments und embededdness nicht stärker berücksichtigt. Natürlich spielt das Gehirn eine entscheidende Rolle bei der Konstitution des Bewusstseins, allerdings keine solitäre.

Die Korrelationen des gesamten Körpers (hauptsächlich natürlich die Wahrnehmungsorgane und das Zentralnervensystem) als „Verkörperung“ des Bewusstseins und die ganze Umwelt (natürlich nur loakal gemein) als „Einbettung“ des Bewusstseins muss bei der Aufklärung des physiologischen Prozesses meines Erachtens mitgemessen werden. Es führt nicht weiter nur die Korrelationen und Strukturveränderungen allein im Gehirn zu suchen. Natürlich verändert sich dort etwas, aber das ist dann ja schon das Ergebnis und nicht die Wirkung. Man muss die Wirkungsweise und nicht das Resultat untersuchen, um den Prozess aufzuklären.

Fazit

So, jetzt sind Sie mir aber lange genug durch den „Kaninchenbau“ gefolgt. Ich hoffe, es war nicht ganz so langweilig und trocken. Aber was machen wir jetzt mit „Morpheus Angebot“ vom Anfang nach der Wahl der entsprechenden Pille? „Da steh‘ ich nun, ich armer Tor, Und bin so klug als wie zuvor!“ Oder welche Schlüsse könnte man nun ziehen? Ich will es daher am Schluss noch einmal versuchen alles zusammenzufassen:

  1. Ein Realismus, ob nun naiv oder nicht, bringt uns nicht weiter. Ich denke, dass wir tatsächlich keinen direkten Zugriff auf die Realität im ontologischen Sinne haben, sondern nur auf die Wirklichkeit im epistemologischen Sinne.
  2. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Konstruktivismus, radikal oder nicht, damit die bessere Alternative für die Beschreibung der Wirklichkeit ist, da ihm der objektive Abgleich zur Realität fehlt und damit letztendlich zu einem anthropischen Prinzip führen würde.  
  3. Wenn dem so ist, dann nützt auch kein noch so gut gemeinter wissenschaftlicher Realismus, da er die Realität nicht wirklich abbilden kann. Es bleibt insofern nur eine Beschreibung der Strukturen (Korrelationen), die insofern ein moderater, epistemischer Strukturenrealismus vielleicht ganz gut darstellen könnte.
  4. Daher denke ich, dass ein moderater, epistemischer Strukturenrealismus, der mit einer prozessualen Neurophilosophie interdisziplinär zusammenarbeiten würde, hier vielleicht ein paar Fortschritte zur Aufklärung der Konstitution des Bewusstseins bringen könnte.
  5. Aus diesem Grunde wäre es doch vielleicht mal wieder Zeit über den so oft beschworenen „Paradigmenwechsel“ nachzudenken. Da diese Form des Holismus oder Polykontexturalität vielleicht auch zur Lösung anderer aktueller Probleme und Krisen beitragen könnte.

Daher überlasse ich Morpheus zum Abschluss nochmal die letzten Worte zur Systemtheorie:

„Die Matrix ist ein System, Neo. Dieses System ist unser Feind. Was aber siehst du, wenn du dich innerhalb des Systems bewegst? Geschäftsleute, Lehrer, Anwälte, Tischler… Die mentalen Projektionen der Menschen, die wir zu retten versuchen. Bis es dazu kommt, sind diese Menschen immer noch Teil des Systems und das macht sie zu unseren Feinden. Du musst wissen, dass die meisten von ihnen noch nicht soweit sind abgekoppelt zu werden. Viele dieser Menschen sind so angepasst und vom System abhängig, dass sie alles dafür tun, um es zu schützen.“ (https://www.matrix-architekt.de/matrix-1/kapitel-08-die-waechter.shtml, Hervorhebungen hinzugefügt)

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor

Der Naturalismus (und damit der zeitliche Prozess) ist meines Erachtens Teil des Problems und nicht der Lösung. Der Begriff Bewusstsein z.B. hat Bedeutung ausschließlich im Kontext der Sprache, d.h. im Kontext seiner Unwidersprüchlichkeit mit allen anderen Begriffen. Damit ist über das ‚Bewusstsein‘ schon alles gesagt und jeder weiß, was damit gemeint ist. <Bewusstsein> ist schon die Theorie, wenn auch eine affirmativ nicht definierbare. Die Frage, wie Bewusstsein zu definieren sei, ist daher nicht nur sinnlos, sondern auch sprach-destruktiv. Wer die Frage trotzdem stellt und nach Antworten sucht, begibt sich in die Welt der Theorien-in-zweiter-Instanz, des Modells und des bottom-up (Naturalismus-) Syndroms. Er wird aber über kurz oder lang feststellen, daß Phänomene (Erscheinungen) zwar einen Datenaspekt haben, Daten aber keinen Phänomenaspekt. Anders ausgedrückt: Modelle bleiben Modelle, weil sie nicht sprachintegrabel sind. Damit haben sie keinen Bezug zur ‚Welt‘. Diesen Bezug kann nur die klassische (zeit-lose) Theorie leisten. 

Deshalb empfehle ich die gelbe Pille: Den Negativen Strukturalismus (siehe auch „Skizze eines negativen Strukturalismus“)

Anwendungsgebiete: bei dialektischen Verwirrungszuständen, wissenschaftl. Allmachtsfantasien Wissenschaftssophismus, Komplexitätsdelirium, geistiger Anämie und materialistischer Obstipation

Wechselwirkungen: neutralisiert die von naivem Realismus, Konstruktivismus, Reduktionismus und Naturalismus hervorgerufenen Illusionen, Denkbarrieren und Zwangsvorstellungen

Nebenwirkungen: kann gegenwärtig zu akademischer Diskriminierung führen

Was ist drin in der gelben Pille? Phänomene (Erscheinungen) und semantische Theorien (keine Modelle, Algorithmen, Daten, etc.!). Beide sind nur gemeinsam zu haben (kein Phänomen ohne Theorie und keine valide Theorie ohne Phänomene). Sie sind real, insofern sie nicht abweisbar sind. Mit zunehmender Sprachdurchdringung sedimentieren valide Theorie-Phänomen-Paare von intellektueller Wahrnehmung zu unmittelbarer Ästhetik. Phänomen-Theorie-Paare sind zeit-invariantes, synthetisches a priori Wissen. Zwischen Theorien und Phänomenen besteht folglich weder ein analytischer, konstruktivistischer noch ein naturalistischer Zusammenhang, sie sind orthogonal zueinander und nicht aufeinander reduzierbar. Der Versuch der Hinterfragung dieses Wissens ist somit ein Kategorienfehler. Das Merkmal valider Theorien besteht alleinig in ihrer Widerspruchslosigkeit im Kontext der Sprache und damit im sinnlichen Sich-Zeigen. Im Negativen Strukturalismus fallen Ontologie und Epistemologie untrennbar zusammen: was sich nicht widerspricht IST!

Der Negative Strukturalismus ist so real wie nur irgend etwas real sein kann – aber er ist nicht universal, er ist nicht absolut. Er ist real für-uns, in unserem System der Begriffe.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Der letzte Absatz sollte lauten: Das, was der Negative Strukturalismus hervorbringt, ist so real wie nur irgend etwas real sein kann…Es ist real für uns…

Dirk
Dirk
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz,

vielen Dank für Deinen Kommentar und den „Beipackzettel“ zu Deinem „Rezept“ des „Negativen Strukturalismus“, auf den ich hier gerne kurz eingehen möchte.

Du schreibst: „Der Naturalismus (und damit der zeitliche Prozess) ist meines Erachtens Teil des Problems und nicht der Lösung.“ [Sic], genauso so isset. Wenn man nur mit dem „Medikament“ „Naturalismus“ versucht „herumzutherapieren“, kommt man nicht wirklich weiter, da es in dieser Hinsicht so wirksam ist, wie „Ibuprofen gegen Nagelpilz“. Der Naturalismus bekämpft zwar den „Schmerz“, aber die Syptomatik bleibt trotzdem erhalten.

Allerdings sehe ich Deine Diagnose „Der Begriff Bewusstsein z.B. hat Bedeutung ausschließlich im Kontext der Sprache, d.h. im Kontext seiner Unwidersprüchlichkeit mit allen anderen Begriffen.“ auch wiederum eher skeptisch, da „der Begriff Bewusstsein“ nicht nur „Bedeutung ausschließlich im Kontext der Sprache“ hat. Es geht gar nicht so sehr um den „Kontext seiner Unwidersprüchlichkeit mit allen anderen Begriffen“.

Die „Widersprüchlichkeit“ liegt meines Erachtens nicht so sehr in der Sprache oder der Begrifflichkeit, sondern in der Konzeption. Deshalb gehe ich in diesem Punkt auch nicht einig mit Dir, wenn Du schreibst „Bewusstsein ist schon die Theorie, wenn auch eine affirmativ nicht definierbare.“, da aus meiner Sicht „Bewusstsein“ nicht nur „affirmativ“, sondern auch gut „definierbar“ ist.

Ich weiß zwar, was Du damit meinst, aber es geht aus meiner bescheidenen Sicht, gar nicht so sehr um die „Reinheit der Sprache“ oder die „absolute Definition der Begriffe“. Auch auf die Gefahr in einen Instrumentalismus zu geraten, der Begriff „Bewusstsein“ ist nur ein „terminus technicus“; mehr nicht.

Daher lehne ich aber, genau wie Du die „Welt der Theorien-in-zweiter-Instanz, des Modells und des bottom-up (Naturalismus-) Syndroms“ ab, da sie uns nicht wirklich weiter bringt. Es gibt da kein „bottom-up“ und der Weg würde auch ins Leere führen.

Du schreibst: „Er wird aber über kurz oder lang feststellen, daß Phänomene (Erscheinungen) zwar einen Datenaspekt haben, Daten aber keinen Phänomenaspekt. Anders ausgedrückt: Modelle bleiben Modelle, weil sie nicht sprachintegrabel sind. Damit haben sie keinen Bezug zur ‚Welt‘.“ Bei dem ersten Teil mache ich mit, beim zweiten nicht. Das haben wir schon so oft diskutiert, vielleicht aber noch nicht mit Dir, dass hier ein klassischer „Kategoriefehler“ vorliegt, wenn man „Daten mit Phänomen gleichsetzt“.

Trotzdem versuche ich das Phänomen „Bewusstsein“ auf diese Art zu „retten“, da ich es nicht nur als „sparchintegrables Modell“ sehe, sondern als „physiologisches Modell“ sehe, das mit Hilfe des Strukturenrealismus beschrieben werden kann. Wenn Du möchtest, kannst Du es auch gerne dialektisch als „Negativen Strukturenrealismus“ versuchen zu beschreiben. Das ändert aus meiner Sicht nicht wirklich etwas, da es nur wie in der früheren Fotografie aus dem Negativ ein „Bild“ erschafft.

Du schreibst: „Zwischen Theorien und Phänomenen besteht folglich weder ein analytischer, konstruktivistischer noch ein naturalistischer Zusammenhang, sie sind orthogonal zueinander und nicht aufeinander reduzierbar. Der Versuch der Hinterfragung dieses Wissens ist somit ein Kategorienfehler.“ Jo, her mit der „Pille“ ob jetzt „orthogonal“ oder „polykontextural“. Hauptsache sie wirkt endlich mal.

Viele Grüße
Dirk

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor

Hallo Dirk, lass mich auf Deine Thesen, die Du in unnachahmlicher Weise vorgetragen hast, kurz eingehen:

Mit den Begriffen „Realismus“, „Konstruktivismus“, „Strukturenrealismus“ und „epistemologische Zugriffe“  kriegst Du ontologische Probleme nicht in den Griff. Dies auch deshalb, weil wir letztlich alle Pragmatiker sind, und die Welt mal realistisch, mal konstruktivistisch, mal instrumentalistisch sehen und handhaben, je nachdem was gerade zu den Argumenten passt. Alle diese „-ismen“ haben Aspekte, die mal zutreffen, mal nützlich sind und mal Theorien untermauern und mal nicht. Wir sind uns einig, dass

a)       der Realismus ist die effektivste Sicht auf die Alltagwelt ist, er versagt aber bei den kleinen Bausteinen, aus der die Welt aufgebaut sein soll,

b)      der Konstruktivismus seine eigene Welt erschafft und kann die Frage, die uns umtreibt (ob wir das wollen oder nicht), nämlich die nach der Wahrheit der Welt, grundsätzlich nicht beantworten kann.

Dazu das Problem: den Strukturenrealismus gibt es in vielfältiger Form, aber er läßt sich am Ende auf das Zusammenspiel vereinzelter Entitäten reduzieren – am Ende sind wir wieder bei dem Einen im Gegensatz zum Ganzen, ein Ganzes haben wir aber nicht, und wir verstehen auch nicht, woraus das bestehen soll. Der epistemische Strukturenrealismus geht davon aus, es müßte etwas geben, zwischen dem Korrelationen herrschen, aber leider gibt es erst etwas, dann erst Korrelationen zwischen diesen Etwas – dies aus logischen Gründen.

Ich glaube, dass ein Paradigmenwechsel notwendig ist, aber nicht über die herkömmliche Denkweise zu erreichen ist. Die Denkgewohnheiten sind das Problem. Es sind die Denkgewohnheiten des Realisten, sie stecken tief in uns. Wer über die Welt und über Strukturen redet, redet am Ende doch von Etwas, von dem wir Teil sind, und wären wir nicht Teil davon, hätten wir darüber keine Erkenntnis. Es gibt daher nicht das Bewußtsein in uns. Es wäre gar nicht vorhanden, wenn es nicht gleichartige Bewußtseins außerhalb von uns gäbe. Ein einziges Erkennissubjekt auf der Welt kann niemals zu Erkenntnissen kommen, genauso wie ein einzelnes Objekt (ohne Austausch mit der Umgebung) nicht erkannt werden kann. Wir können nicht objektivieren, wir können nur so tun, als könnten wir dies – dies wie ich schon immer sage – aus sprach- und denkökonomischen Gründen.

Ich glaube man muss den Erkenntnisprozess selbst im Detail untersuchen. Womit beginnt Erkenntnis – mit welchen Elementarakten? Das ist mühsam, aber es muss sein. Man kann nicht am Ende anfangen, mit den „ismen“, die machen nur eine schablonenhafte Beschreibung und am Ende bist Du so klug als wie zuvor.

Grüße Bernd

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor

Hallo Bernd,

ich teile zwar nicht Deinen Pragmatismus, aber Deine Analyse des Strukturenrealismus und die Forderung nach einem Paradigmenwechels trägt.

Der Strukturenrealismus geht als Idee auf Hegel zurück, der in seiner LOGIK kritisierte, daß die klassische Logik von außen (a posteriori) an die schon längst existierenden Inhalte des Bewusstseins herangetragen wird, womit die Logik zur Theorie-in-zweiter-Instanz wird – also unbrauchbar die Einheit von Begriff und Gegenstand zu erhellen. Als legitimes Objekt der Untersuchung verbleiben also nur die Strukturen, denen die Inhalte des Bewusstseins unterliegen. Diese Strukturen müssen daher (nach Hegel) untersucht werden ohne Rückgriff auf konkrete Bewusstseinsinhalte, was die klassische Logik als Mittel der Untersuchung ausschließt, denn sie bedarf der Bewusstseinsinhalte. Die Methode der Untersuchung der Strukturen muss daher, sofern man sie Logik nennen will, eine nicht-, über-, oder post-klassische Logik sein, nämlich seine (Hegels) LOGIK. Ob er diesen Ansatz stringent durchgeführt hat, wage ich nicht zu beurteilen, weil ich seine LOGIK nur rudimentär nachvollziehen kann.

Der Strukturenrealismus verzichtet in der Tat, wie Hegel es fordert, auf die dinglichen Inhalte des Bewusstseins und verlegt sich auf Strukturen (Relationen bzw. Netze von Relationen). Zunächst habe ich Zweifel ob Relationen überhaupt Strukturen sind, aber diese Diskussion würde den Rahmen sprengen. Sicher dagegen scheint mir, das die Relationen des Strukturenrealismus nicht der Hegel‘schen Anforderung genügen, logisch nicht-klassisch sein zu müssen, denn der Strukturenrealismus diskutiert seine Relationen wie das Stahlskelett eines Hochhauses, d.h. logisch-affirmativ, während bei Hegel die (doppelte) Negation zentral, aber auch sehr schwer zu durchschauen ist. Indem der Strukturenrealismus bezüglich seiner Relationen eben doch wieder auf Bewusstseinsinhalte zurückgreift, bleibt seine Methode klassisch-logisch, nur daß er die Dinge gegen die Strukturen (Relationen) getauscht hat.

Bernd, ich glaube nicht, daß die (post)moderne Methode mit Details anzufangen und daraus Paläste zu bauen irgendwohin führt (siehe QM). Erfolgreicher scheint mir, dahin zurückzugehen, wo die moderne Wissenschaft/Philosophie falsch abgebogen ist, um dort neu anzusetzen. Der locus delicti ist m.E. an der Schnittstelle zwischen Rationalismus und Romantik (Historizismus) zu suchen.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
3 Monate zuvor

Hallo Bernd,
in diesem Artikel thematisiere ich genau das, was du hier als Problem ansprichst. Vielleicht hilft es dir weiter: https://www.dr-stegemann.de/erkenntnistheorie-anthropischer-relativismus/genetisch-relativistische-erkenntnistheorie/
Es schlägt genau den Bogen vom Subjekt zur Welt und wieder zurück.
Aber natürlich weiß es wieder jeder besser und fällt drüber her, ist aber kein Problem.

Dirk
Dirk
3 Monate zuvor

Hallo Wolfgang,

das freut mich zunächst einmal, dass Du Deine „Stimme wiedergefunden hast“ und Dich doch noch „unterhalten willst“.

Was mich allerdings ein wenig stört, dass Du gar keine Unterhaltung betreibst, sondern nur auf den Inhalt Deines Artikels auf Deiner Seite verweist. Das hatte ich Dir schon einmal geschrieben, dass dies nicht so zielführend ist. Daher müsste ich hier auch mal eine „Brandrede“ halten.

Wenn ich daher hier mal ein bisschen Meta-Kommunikation und nicht nur Meta-Physik betreiben darf, weil es leider notwendig ist.

Ein kleiner Tipp. Du kannst gerne etwas zum Thema als „Hilfe“ aus Deinem Text zitieren. Denn sonst weiß keiner genau, worüber wir uns hier unterhalten sollen.

Ich könnte auch einfach schreiben. Guckst Du hier, da wird Dir geholfen: https://philosophies.de/index.php/2021/04/25/das-neurozentristische-weltbild/

Und dann wäre es auch noch schön, wenn wir als Diskutierende uns wenigstens mal auf das beziehen könnten, was der andere geschrieben hat. Und nicht immer nur unsere Positionen in den Vordergrund stellen würden.

„Aber natürlich weiß es wieder jeder besser und fällt drüber her, ist aber kein Problem.“ Ne, darum geht es hier – jedenfalls aus meiner Sicht – nicht. Es geht nicht darum, wer es wieder „besser weiß“, sondern um einen Gedankenaustausch, der einen weiterbringt. Weil „Besserwisser“ können wir gar nicht sein, da es zu diesen Themen keine (absolute) Wahrheit geben kann (und man auch nicht so tun sollte).

Und „drüber her fallen“ würde ich dies auch nicht nennen. Da jede Kritik eigentlich schon von anfang an positiv ist, da sich jemand überhaupt die Zeit genommen hat, sich mit den Themen zu beschäftigen, die einen ebenfalls beschäftigt haben. Ich bin jedenfalls für jede Kritik dankbar, so lange sie nicht persönlich und konstruktiv ist.

Daher würde ich mich freuen, wenn Du wieder ernsthaft etwas dazu zu schreiben oder zu sagen hast.

Liebe Grüße
Dirk

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor

Hallo Wolfgang,

Ich kenne ja den Text, und falle keinesfalls darüber her, und möchte Deinen Ausführungen zu den ersten beiden Stufen der Erkenntnis zustimmen – mit einer Ausnahme: Du behauptest, die ersten drei Stufen würden einen praktischen Realismus praktizieren, der für unser Handeln und Erkennen notwendig ist und dieser Realismus sei instrumentalistisch, insofern er die Welt als Gegenstand möglicher Erkenntnis und Handlung konstituiert.

An dieser Textstelle bereits beginnst Du mit Begriffen, die ich nicht verstehe, und den von Dir verwendeten Realismusbegriff muss ich als „vage“ bezeichnen – was ist ein „praktischer, instrumentalistischer Realismus“ ?

Ich kann Dir bis zur Konstruktion von Begriffen zum intersubjektiven Austausch von Beobachtungen folgen, aber dass dies automatisch zu einem Realismus (irgendeiner Art) führt – kann ich nicht sehen. So tun, als ob das Beobachtete real wäre, ergibt sich erst nach Erfahrung (oder anders gesagt nach einer Konvention des „Nicht-Irrens“) – da liegt also eine lange Durststrecke zwischen Begriffskonstruktion und Weltsicht.

Vielleicht kannst Du mal ein Beispiel bringen für die Welt unseres Alltags, aber auch für die unbeobachtbaren Objekte der kleinsten Welten – sozusagen ein Erkenntnisprozess, der auf allen Skalen gilt. Das soll er doch. Oder haben wir über die unbeobachtbaren Objekte (noch) keine Erkenntnis?

Wie gesagt, ich will Dir gerne folgen, aber bereits an der besagten Stelle versagt mein Verständnis. Und abgesehen davon bilden schon die Begriffskonstruktionen ja nur Aspekte ab. Wie die Welt wirklich ist, bleibt ungewiss, das Wort „Realismus“ ist vielleicht nur unglücklich gewählt.
Grüße
Bernd

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor

Oder praktizieren wir mit dem Ausruf „da – da ist was“ (auf etwas außerhalb von uns) schon einen Realismus?

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
3 Monate zuvor

Hallo Bernd,
Vielen Dank für deine Kritik.
Der „praktische, instrumentalistische Realismus“ der ersten drei Stufen bedeutet nicht, dass wir automatisch zu einem metaphysischen Realismus gelangen. Vielmehr entwickelt sich dieser wie folgt:

  1. Auf der ersten Stufe haben wir die neuronale Transformation der Realität. Diese schafft bereits eine fundamentale Distanz zwischen dem „Ding an sich“ und unserer Wahrnehmung, da die Realität in elektrochemische Signale und Muster transformiert wird.
  2. Auf der zweiten Stufe erfolgt die Abstraktion und Formalisierung, die intersubjektive Verständigung ermöglicht. Hier werden gemeinsame begriffliche Strukturen entwickelt – nicht weil wir wissen, dass sie die Realität „wirklich“ abbilden, sondern weil sie sich als praktische Instrumente der Welterschließung bewähren.
  3. Die dritte Stufe führt die reflexive Dimension ein, die den konstruktiven Charakter unserer Erkenntnis explizit macht.

Der „praktische Realismus“ dieser Stufen bedeutet also nicht, dass wir einen naiven Realismus vertreten, sondern dass wir aus praktischer Notwendigkeit so handeln müssen, als ob unsere Begriffe und Modelle sich auf etwas „Reales“ beziehen würden – wobei wir uns ihrer Konstruiertheit bewusst bleiben.
Du hast völlig Recht, dass die Begriffskonstruktion nur Aspekte abbildet und die „wirkliche“ Beschaffenheit der Welt ungewiss bleibt. Genau diese Einsicht wird dann auf der vierten Stufe zur Meta-Meta-Erkenntnis radikalisiert.
Ein konkretes Beispiel für diesen Prozess auf verschiedenen Skalen:

  • Alltagswelt: Ein Tisch erscheint zunächst als unmittelbare Wahrnehmung, wird dann begrifflich gefasst und in seiner praktischen Funktion verstanden, wobei die Reflexion zeigt, dass unsere „Tisch“-Konzeption eine zweckmäßige Konstruktion ist.
  • Quantenwelt: Ein Elektron wird zunächst durch Messinstrumente „wahrgenommen“, dann mathematisch modelliert und in Theorien eingebettet. Die Reflexion zeigt hier besonders deutlich den konstruktiven Charakter unserer Begriffe – und dennoch müssen wir praktisch mit diesen Modellen arbeiten.

Ich hoffe, es ist etwas klarer geworden.

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor

Hi Wolfgang,
ja ich verstehe, was Du meinst.

Das Problem ist die zweite Stufe: dort erfolgt „die Abstraktion und Formalisierung, die intersubjektive Verständigung ermöglicht. Hier werden gemeinsame begriffliche Strukturen entwickelt – nicht weil wir wissen, dass sie die Realität „wirklich“ abbilden, sondern weil sie sich als praktische Instrumente der Welterschließung bewähren.“

Ich meine dass es schon auf dieser Stufe große Probleme gibt: die Abstraktion und Formalisierung der Beobachtung ergeben einen schwierigen Prozess. Wir benötigen dazu: Intuition und Erfahrung, sprachliche Instrumente, die Mathematik, und Kommunikation. Und wir werden dabei von Denkgewohnheiten geplagt und kulturellen Zwängen bedrängt. Unser Gehirn sträubt sich gegen alles Neue. Auf dieser Stufe 2 zerfasert der Erkenntnisprozess bereits in viele Richtungen:

Beispiel: Wir beobachten etwas Neues und müssen das, was da agiert (die Ontologie) individiueren und kategoisieren. Ich beschränke mich, damit es nicht ausufert, auf die Ontologie, und lasse den Funktionalismus außen vor. Individuierung und Kategorisierung der Objekte haben wir immer schon über Eigenschaftsbegriffe gemacht. a) Nun stellt sich heraus, dass die Ontologie zwar mit Eigenschaftsbegriffen zu beschreiben ist, aber dabei treten Kategorienfehler auf, die nicht zu beseitigen sind (z.B. Welle-Teilchen-Dualismus). b) Dann gibt es Leute, da behaupten, dass Eigenschaftsbegriffe dazu da sind, die bestehende Ontologie, die äußere Welt, zu beschreiben, wie sie ist, streiten also den instrumentellen Charakter der Begriffe von vornherein ab ab (Realisten). c) Und dann treten Leute auf den Plan, die behaupten, dass die Ontologie im subatomaren Bereich mit dem Eigenschaftsbegriff überhaupt nicht zu beschreiben ist, was große Ratlosigkeit hervorruft, denn andere Begriffe stehen nicht zur Verfügung (Messproblem der Quantenphysik). d) Und dann kommen noch welche daher und behauptet, dass die erfolgreiche instrumentelle Anwendung noch lange nicht die Erfahrung liefert, dass wir damit einen Bezug zur wahren Ontologie herstellen können, nur zu Aspekten der Ontologie – und damit würden die kleinsten Bausteine dieser Welt ewig und immer im Dunkel des kollektiven Unwissens verborgen bleiben (Konstruktivisten). Es gibt dann keine Konvention über die Beschreibung der Beobachtung, in der Stufe 2 scheitern alle Bemühungen um einen Erkenntnisgewinn. Weder die Einnahme der grünen, noch die der roten, erst Recht nicht der blauen Pille hilft hier weiter.

Ich habe jetzt, wie angekündigt, den Erkenntnisprozess, den Du allgemein beschrieben hast, und der sehr vernünftig klingt, im Detail untersucht, und stelle fest: es kann sein, dass wir gar nicht bis Stufe 3 kommen.

Was hälst Du davon? Mache ich einen Denkfehler?

Grüße
Bernd

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
3 Monate zuvor

Hallo Bernd,
es gibt verschiedene Arten von Erkenntnis. Die operationale entspricht unserem Alltagsdenken und ist in der Regel monokausal. Auf der formalisierten Stufe operiert z.B. die Wissenschaft. Wenn die Physik hier mit ihren Mitteln die Welt erklären will, sprechen wir von naivem Realismus. Auf der reflexiven Metaebene (Stufe 3) sind die Erkenntnistheorien angesiedelt. Sie lösen ihre Probleme durch die Einführung metaphysischer Begriffe, wie das Ding an sich, Gott, reine Vernunft oder sonstige Setzungen. Oder sie stellen unhinterfragbare Behauptungen auf (z.B. „es gibt nur Strukturen“). Sie begreifen ihre eigene Begrenztheit nur formal. Die relativistische Erkenntnis (Stufe 4) versteht, dass Erkenntnis sich aus dem spezifischen (epistemischen) Verhältnis von Subjekt und Welt ergibt. Sie berücksichtigt verschiedene Perspektiven, aus denen sich verschiedene Erkenntnisse ergeben (klassische und Quantenphysik).
Leider vertauschen wir diese Stufen in einer einzigen Argumentationslinie oder springen hin und her.
Beispiel Quantenmechanik: wir erkennen unser begrenztes Verständnis (Stufe 3) und suchen nach neuen Erklärungen, argumentieren mit klassisch physikalischen Kategorien (Stufe 2) und verwenden monokausale Argumente (Stufe 1).
Hinzu kommt unsere evolutionär hilfreiche Neigung, Phänomene zu ontologisieren und Dinge per schneller Assoziation zu verknüpfen. Von emotionalen Präferenzen soll gar nicht die Rede sein. Heraus kommen oft neue Rätsel oder scheinbare Lösungen, die, marktgerecht präsentiert, oftmals äußerst publikumswirksam sein können.

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor

Hi Wolfgang,

Du schreibst: „Die relativistische Erkenntnis (Stufe 4) versteht, dass Erkenntnis sich aus dem spezifischen (epistemischen) Verhältnis von Subjekt und Welt ergibt. Sie berücksichtigt verschiedene Perspektiven, aus denen sich verschiedene Erkenntnisse ergeben (klassische und Quantenphysik).“

Das sind leider nicht verschiedene, sondern sich widersprechende Erkenntnisse.

Du schreibst; „Leider vertauschen wir diese Stufen in einer einzigen Argumentationslinie oder springen hin und her.“ Das kann sein, aber die Beschreibung des Problems hat – so meine ich – System. Also muss doch die Antwort dies auch haben.

Der Anspruch an eine Erkenntnistheorie ist doch, uns zu sagen, wie ich im Erkenntnisprozess Irrtümer vermeide? Leistet Deine Erkenntnistheorie dies?

Oder ist Dein Anspruch nur eine Beschreibung, wie ich zu Erkenntnissen überhaupt komme, aber gibt es da nicht unendliche viele Wege zu unendlich vielen Erkenntnissen?

Oder führt Deine Theorie dazu zu sagen, eine finale Erkenntnis über einen ontologischen Sachverhalt gibt es nicht, und schon der minimale Anspruch, nur eine widerspruchfreie Beschreibung eines ontologischen Sachverhalts zu finden, ist unerfüllbar – ja auch der Anspruch  nur nach einer logischer Beschreibung einer Ontologie kann schon nicht eingelöst werden?

Ist es das?

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
3 Monate zuvor

Hallo Bernd,

Der Kern meiner genetisch relativistischen Erkenntnistheorie liegt in der systematischen Unterscheidung und Integration verschiedener Erkenntnisebenen. Den ersten drei Stufen (Wahrnehmung, Formalisierung, Reflexion) kommt dabei eine instrumentelle und methodische Funktion zu – sie ermöglichen uns praktische Orientierung und wissenschaftliches Arbeiten.

Diese Stufen sind notwendige Werkzeuge unseres Erkennens.
Die vierte Stufe markiert dann einen entscheidenden Perspektivwechsel: Sie erkennt, dass jede Erkenntnis fundamental an die spezifische epistemische Position des erkennenden Subjekts gebunden ist. Dies führt zu der Einsicht, dass unsere Erkenntnisweisen immer perspektivisch und konstruktiv sind.

Deine Frage nach „widersprüchlichen Erkenntnissen“ wie klassischer und Quantenphysik löst sich damit auf: Es sind verschiedene, gleichermaßen valide Modellierungen aus unterschiedlichen epistemischen Perspektiven. Der scheinbare Widerspruch entsteht nur, wenn man sie fälschlich als Aussagen über eine positionsunabhängige „Realität an sich“ interpretiert.

Die Theorie zielt also nicht darauf, „Irrtümer zu vermeiden“ im Sinne einer Annäherung an absolute Wahrheit. Sondern sie zeigt die Struktur unseres Erkennens auf: Wir brauchen die instrumentellen ersten drei Stufen für unser praktisches und wissenschaftliches Handeln. Zugleich erkennen wir auf der vierten Stufe deren perspektivische Bedingtheit. Diese Einsicht hebt die praktische Validität der ersten drei Stufen nicht auf – sie situiert sie nur in ihrem erkenntnistheoretischen Kontext.

Konzepte wie „objektive Wahrheit“, „Ding an sich“ oder „reine Vernunft“ erweisen sich damit als Setzungen, die eine positionsunabhängige Perspektive voraussetzen würden, quasi einen Gottmodus.

Diese Theorie ist nicht spekulativ konstruiert, sondern basiert auf den empirisch gut belegten Erkenntnissen der genetischen Epistemologie Piagets. Die ersten drei Stufen entsprechen dabei der beobachtbaren kognitiven Entwicklung.

Die vierte Stufe geht dann über Piaget hinaus, indem sie eine meta-theoretische Perspektive auf den gesamten Erkenntnisprozess einnimmt.
Damit wird die klassische Metaphysik überwunden und wird zur Metatheorie.

Dirk
Dirk
3 Monate zuvor

Lieber Bernd,

vielen Dank für Deinen interessanten Kommentar und Deine freundlichen Worte, auf die ich natürlich auch gerne antworten möchte.

Du schreibst aus meiner Sicht vollkommen korrekt: „Mit den Begriffen „Realismus“, „Konstruktivismus“, „Strukturenrealismus“ und „epistemologische Zugriffe“ kriegst Du ontologische Probleme nicht in den Griff.“ Darum ging es nämlich auch in meinem Essay, dass es nicht wirklich eine Wirklichkeit geben kann, in der wir in der Realität die „ontologische Probleme in den Griff“ bekommen könnten.

Das schafft meines Erachtens keiner, der von Dir zu Recht kritisierten „Ismen“, da (wie schon so oft erwähnt) dies zu logischen Kategoriefehlern führen würde, weil Epistemologie und Ontologie nun mal (leider) meiner Meinung nach nicht auf-/zueinander passen. Ich bezweifele eigentlich sowieseo, dass wir überhaupt eine „wahren/wahrhaftigen“ Zugriff auf die Ontologie im metaphysischen Sinne haben.

Das ist aber gerade der „Trick“ am Strukturenrealismus (SR), dass er das erst gar nicht beabsichtigt; zumindest wenn wir vom epistemischen und nicht vom ontischen SR sprechen. Es geht lediglich um die Beschreibung von Strukturen und deren möglichen Applikationen. Du kannst es auch gerne aus wissenschaftstheoretischer Sicht „Instrumentalismus“ (schon wieder ein Ismus 😉 nennen; kein Problem. Da alle anderen ontologischen, metaphysischen Positionen schon allein aufgrund der „Gödelschen Unvollständigkeitstheoreme“ sehr fragwürdig erscheinen.

Deinen Punkten a) und b) als Kritik am Realismus und Konstruktivismus stimme ich absolut zu daher halte ich ja den „Strukturen-Realismus“ für die bessere Lösung, da er das Beste aus beiden Welten enthält. Die Strukturen aus dem Konstruktivismus und den Realismus aus dem Realismus.

Du siehst ein Problem im SR: „Dazu das Problem: den Strukturenrealismus gibt es in vielfältiger Form, aber er läßt sich am Ende auf das Zusammenspiel vereinzelter Entitäten reduzieren – am Ende sind wir wieder bei dem Einen im Gegensatz zum Ganzen, ein Ganzes haben wir aber nicht, und wir verstehen auch nicht, woraus das bestehen soll.“, das ich nicht so sehe.

Es geht nicht darum, „am Ende [alles] auf das Zusammenspiel vereinzelter Entitäten [zu] reduzieren“. Im Gegenteil es geht um einen Holismus. Das Ganze ist an der Struktur wichtiger als ihre einzelnen Relationen. Deshalb kann das Ganze auch nur mit Hilfe einer Polykontexturalität (wie ich schon so oft erwähnt habe 😉 beschrieben werden. Genau aus diesem Grunde gebe ich Dir absolut Recht, wenn Du schreibst: „Ich glaube, dass ein Paradigmenwechsel notwendig ist, aber nicht über die herkömmliche Denkweise zu erreichen ist. Die Denkgewohnheiten sind das Problem.“ Wir denken immer noch dualistisch und reduktionistisch; weil es so schön „einfach“ ist.

Genau aus dem Grunde kann ich das nur unterstützen, wenn Du vollkommen richtig schreibst: „Wer über die Welt und über Strukturen redet, redet am Ende doch von Etwas, von dem wir Teil sind, und wären wir nicht Teil davon, hätten wir darüber keine Erkenntnis. Es gibt daher nicht das Bewußtsein in uns. Es wäre gar nicht vorhanden, wenn es nicht gleichartige Bewußtseins außerhalb von uns gäbe.“ Das wäre ein schönes Beispiel für „embodiment“ und „embededdness“ (ja, ja, kann schon keiner mehr hören ;-).

„Wir können nicht objektivieren, wir können nur so tun, als könnten wir dies – dies wie ich schon immer sage – aus sprach- und denkökonomischen Gründen.“ Danke, denke ich auch. Ich lese gerade das neue Buch von Michel Foucault „Der Diskurs der Philosophie“ (2024), das lange Zeit verschollen war und jetzt veröffentlicht worden ist. Wenn es gestattet ist, würde ich gerne hieraus einmal zitieren, weil es auf das, was Du geschrieben hast u. U. eine Antwort gibt:

„So schließt sich der Kreis der Funktionen des Subjekts in Bezug auf den Diskurs: Nur ein selbstbewusstes und universelles Subjekt kann die Gültigkeit eines Diskurses wie dem der abendländischen Philosophie garantieren.Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, dass ihr Schicksal mit dem des Cogito verbunden ist und dass [die abendländische Philosophie] alles, was die Souveränität des »Ich denke« gefährdet, als Gefahr für sich selbst empfinden kann; für sie kann alles, was der Form des Cogito entgeht, nur eine Illusion oder naive Objektivität sein.” »Das Ich denke muss alle meine Vorstellungen begleiten können« ist zweifellos der allgemeinste und wichtigste Satz, den die Philosophie seit Descartes jemals über sich selbst geäußert hat. Denn das Cogito ist zugleich das Wiedererfassen des Diskurses durch ihn selbst, das apodiktische Erfassen der Wahrheit und die universelle Form der Subjektivität. Wir müssen uns jedoch davon überzeugen, dass diese untrennbare Verflechtung des Themas Cogito mit der Existenz unserer Philosophie nicht das Ergebnis eines Interesses am menschlichen Wesen und den Geheimnissen seiner Innerlichkeit ist; und obwohl man in gewissem Sinne sagen könnte, dass die Philosophie des Subjekts und des Bewusstseins sich wie ein drittes Element zwischen die Sprache und die ursprüngliche Eröffnung der Wahrheit schiebt, sollte man darin kein immer tieferes Vergessen dieser Eröffnung schen; tatsächlich implizierte die Seinsweise des philosophischen Diskurses in der abendländischen Kultur, zumindest seit dem 17. Jahrhundert, mit aller Notwendigkeit den ständig wiederholten Rückgriff auf eine Theorie des Subjekts.“ (ebd. S. 42 – 43)

Ich glaube man muss den Erkenntnisprozess selbst im Detail untersuchen.“ Jo, genau das; nicht mehr und nicht weniger. Und dafür brauche ich auch keine Ontologie. Genau das, ist es was,„Philipp und seine Bande“ lobenswerter Weise so den ganzen Tag treiben. Ich glaube auch nicht, dass die sich mit der metaphysischen Ontologie des Bewusstseins beschäftigen, da dies aus o. g. Gründen auch gar keinen Sinn machen würde. Das reicht schon und ist genügend Arbeit, wenn die kognitiven Neurowissenschaften zumindest schon mal ein epistemisches Konzept haben, wie und welche Richtung sie überhaupt forschen wollen. „Das ist mühsam, aber es muss sein. Man kann nicht am Ende anfangen, mit den „ismen“, die machen nur eine schablonenhafte Beschreibung und am Ende bist Du so klug als wie zuvor.“ Jo, so isset.

Liebe Grüße
Dirk

PS: Wann kommst Du denn nochmal in Münster vorbei? Wir würden uns sehr freuen Dich wiederzusehen.

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor
Reply to  Dirk

Hi Dirk, ich komme bald, wenn mein neuer Text zu den Quantenproblemen fertig ist. Ich möchte auch gerne die Diskussion weiterführen, hab aber so wenig Zeit – Zeit ist das Problem, es ist so viel zu tun.
Grüße Bernd

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor
Reply to  Dirk

Hi Dirk,
lass uns über den epistemischen Strukturenrealismus reden.

Du schreibst: „Es geht lediglich um die Beschreibung von Strukturen und deren möglichen Applikationen.“ Ja darum geht es, aber beschreibe doch mal eine Struktur (nicht mathematisch, sondern zuerst den semantischen Gehalt des Begriffs, und dann ein Beispiel).

Dann schreibts Du: „Es geht nicht darum, „am Ende [alles] auf das Zusammenspiel vereinzelter Entitäten [zu] reduzieren“. Im Gegenteil es geht um einen Holismus. Das Ganze ist an der Struktur wichtiger als ihre einzelnen Relationen. Deshalb kann das Ganze auch nur mit Hilfe einer Polykontexturalität (wie ich schon so oft erwähnt habe 😉 beschrieben werden.“

Das verstehe ich nicht. Ein Holismus ist ein Ganzes, was keine Einzelteile kennt (Feld, verschränktes System), was nicht auf Einzelteile reduzierbar ist. Dann ist aber auch ein nicht weiter zerlegbares Einzelteil im metaphyischen Sinne bereits ein Ganzes. Wir müssen reduzieren, anders können wir die Welt nicht verstehen (wir sind selbst auch nur Teil einer Gesamtheit aus vielen Teilen). Aus einer Menge von Einzelteilen, die Beziehungen untereinander eingehen, emergiert im strengen Sinne aber nichts, weil das, was nicht individuiert ist, sich einfach nur superponiert, es sein denn, irgendwas Spukyhaftes tritt auf (ein neues Naturgesetz).

Eine Ganzheit lässt sich nur als Gegenteil einer Einzelheit definieren (Wolfgangs Stufe 2). Und solange die Einzelheiten auch nur als dialektisches Widerpart zur Ganzheit definiert sind, sind sie untereinander alle gleich (ununterscheidbar), und darüber hinaus jeder Erkenntnis unzugänglich. Erst wenn die Einzelheiten untereinander Beziehungen eingehen, gibt es Unterschiede zwischen Ihnen, und die machen sie epistemisch zugänglich, aber eben als Einzelteile, aber auch als Gesamtheit, bestehend aus Einzelteilen und Beziehungen ! Strukturen können daher kein Ganzes, keinen Holismus, ausbilden, sie sind nötig, damit wir überhaupt etwas wahrnehmen, sie sind die Voraussetzung der Existenz von Unterschieden, und unsere Fähigkeit, Unterschiede wahrzunehmen, kann man als ein apriorisches Erkenntnisprinzip bezeichnen.

Jetzt wirst Du mir bestimmt antworten, dass, wenn die Strukturen hinreichend komplex sind und auch noch in andere Strukturen eingebettet sind, dass dann diese Substrukturen zu einer neuartigen Entität heranwachsen. Ich habe da meine Zweifel, denn auf dem Grund von allem die Welt digital ist: zwei Dinge sind gleich oder ungleich – es gibt einen Unterschied oder es gibt ihn nicht. Darauf ist alles reduzierbar. Das wirst Du bestreiten und das ist ok.

Grüße Bernd

Dirk
Dirk
3 Monate zuvor

Hi Bernd,

ich weiß nicht, ob ich nicht gerade mein „ganzes Pulver“ bei meinem Kommentar auf Heinz Fragen „verschossen“ habe. Vielleicht guckst Du da nochmal, bevor ich hier auch wieder das Gleiche schreibe. Oder ich versuche unser „Lieblingsthema“ Strukturenrealismus noch einmal in aller Kürze zu beantworten.

Du möchtest von mir, dass ich „mal eine Struktur (nicht mathematisch, sondern zuerst den semantischen Gehalt des Begriffs, und dann ein Beispiel)“. Dann würde ich darauf antworten (damit ich mich nicht das Gleiche wiederholen muss), gehe doch einfach in ein Labor der kognitiven Neurowissenschaften. Die machen dort den ganzen Tag nichts anderes als aus meiner Sicht angewandten Strukturenrealismus.

Natürlich braucht man zur Auswertung der fMRI-Scans auch Mathematik. Aber das Ergebnis sind immer Strukturen, ob als Diagramm, EEG-Kurven, bunte fMRI-Bildchen, u.s.w.u.s.f., die ausgewertet müssen und denen ein gewisser Realismus zugesprochen wird. Jetzt würdest Du sagen, dass ist doch einfach „Naturalismus“ oder „Physikalismus“ oder Heinz würde die Ergebnisse anzweifeln, da sie „bottom-up“ sind.

Der kognitive Neurowissenschaftler kümmert sich aber nicht um derlei Etikettierung, da er Korrelationen zur neuronalen Struktur des Gehirns herstellen möchte. Keine Angst, es geht mir hier ausdrücklich nicht um die spukhaften „neuronalen Korrelate im Gehirn“, sondern einfache Grundlagenforschung zur Aufklärung der funktionalen Prozesse im Gehirn. Wie soll das reduktionistisch und dualistisch funktionieren?

Soll ich mir eine Gehirnzelle samt Dendriten und Synapsen herausnehmen und dann im „bottom-up“ Verfahren hieraus ein Gehirn samt Strukturen „bauen“. Das haben die ja lustigerweise im „Blue Brain Project (BBP)“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Blue_Brain) mal ohne wirklichen Erfolg tatsächlich probiert. Du musst das Thema holistisch und polykontextural angehen.

Deshalb machen die erwähnten Leibnizschen „Einheit/Differenz-Laubsägearbeiten“ hier auch gar keinen Sinn mehr. „Eine Ganzheit lässt sich nur als Gegenteil einer Einzelheit definieren.“ ist genau dieses alte Paradigma, was uns daran hindert mal neue Wege zu beschreiten. Wir brauchen ein neues Denken und nicht immer wieder die alten, abgelatschten Wege nachlaufen; da nützen auch keine „Stufen“; im Gegenteil dann versteigt man sich eher noch ;-).

Du schreibst: „Jetzt wirst Du mir bestimmt antworten, dass, wenn die Strukturen hinreichend komplex sind und auch noch in andere Strukturen eingebettet sind, dass dann diese Substrukturen zu einer neuartigen Entität heranwachsen.“ Da müsstest Du mich doch mittlerweile besser kennen, das ist doch der ganze alte Quatsch von Emergenz, worauf ich schon fast müde bin zu antworten. Wenn man holistisch und polykontextural denkt, dann müssen da keine „neuartigen Entität heranwachsen“, weil sie längst schon da sind.

Du schreibst: „Ich habe da meine Zweifel, denn auf dem Grund von allem die Welt digital ist: zwei Dinge sind gleich oder ungleich – es gibt einen Unterschied oder es gibt ihn nicht. Darauf ist alles reduzierbar. Das wirst Du bestreiten und das ist ok.“ Stimmt, danke, dass ich dein „ok“ habe ;-). Da ich das auch schon so oft gemacht habe, nehme ich einfach auch wieder ein Zitat aus meinem Essay „Der Paradigmenwechsel“ und lasse einfach Popper und Quine hierauf antworten:

„Der Dualismus „Holismus vs. Reduktionismus“

Schon Karl Popper hatte den durch den logischen Empirismus des Wiener Kreis ausgelösten Reduktionismus abgelehnt. Eine noch schärfere Kritik findet sich aber bei Willard Van Orman Quine in seinem Buch „Two dogmas of empiricism. The Philosophical Review (1951)“:

Das erste Dogma des Empirismus sieht Quine in der Dichotomie „analytisch vs. synthetisch„, da er diesen Dualismus eher für einen graduellen als einen kategorialen hält.

Das zweite Dogma bildet für ihn der Reduktionismus, das heißt die Vorstellung, dass sich alle sinnvollen Aussagen auf Sätze der Beobachtungssprache durch die Methoden der analytischen Philosophie zurückführen lassen.

Quine spricht sich demgegenüber in „Two dogmas of empiricism. The Philosophical Review (1951)“ und in „Ontological relativity and other essays (1969) für einen Holismus aus, der die scheinbar divergierenden Antipoden als Übergangsformen in einem Kontinuum zulässt. So postuliert er ein Kontinuum zwischen analytischen und synthetischen Sätzen und zwischen a priori und a posteriori Wissen. Insofern könnte er eine Lösung für die anfangs beschrieben dualistischen Begriffs-Cluster „apriori-analytisch-noumenal vs. aposteriori-synthetisch-phänomenal“ darstellen.“

Die Welt ist nicht „auf dem Grund von allem […] digital“ im Gegenteil. Sie ist sehr bunt. Daher habe ich das mal in „eine Analogie als Bildvergleich“ gepackt, den ich Dir natürlich auch nicht vorenthalten möchte:

„Eine Analogie als Bildvergleich

Um dies besser zu erläutern, sei mir hier eine Analogie in Form eines – im wahrsten Sinne des Wortes – Bildvergleiches erlaubt. Das Paradigma des Dualismus mit seiner Methodik der Dichotomie ist vergleichbar dem „schwarz-weiß“-Sehen. Natürlich kann man schon mit Hilfe des dualen Systems „schwarz vs. weiß“ ein monochromes 1-Bit-Bild nur aufgrund der Kontrastwerte erzeugen. Wenn man genügend Bildpunkte (Pixel) erzeugt hat, erhält das „Bild“ auch eine entsprechende Auflösung. Dies würde dem dualistischen Paradigmas der reduktionistischen Ansätzen in den Neurowissenschaften entsprechen, genügend „Geist-Materie“-Korrelationspunkte im NCC aufzuklären, um hieraus ein Gesamtbild von der Funktionalität des Gehirns zu entwickeln. Aus den oben genannten Gründen erscheint dieses ehrgeizige Projekt aber als nicht sehr erfolgversprechend schon aufgrund der Menge der zu bildenden Korrelationen.“ (https://philosophies.de/index.php/2021/04/25/das-neurozentristische-weltbild/)

Daher lass doch mal ein bisschen mehr „Farbe“ in Deine Sichtweisen.

Liebe Grüße
Dirk

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor

Der epistemische Strukturenrealismus geht davon aus, es müßte etwas geben, zwischen dem Korrelationen herrschen, aber leider gibt es erst etwas, dann erst Korrelationen zwischen diesen Etwas – dies aus logischen Gründen.“

Der epistemische Strukturenrealismus besagt nicht dass es Entitäten mit intrinsischen Eigenschaften gibt oder nicht gibt. Er sagt lediglich dass wir Strukturen erkennen (daher epistemisch). Wissenschaftliches Wissen über die Welt sei daher strukturell. Die Natur oder intrinsische Eigenschaften von Dingen seien uns nicht zugänglich.

Er besagt nicht dass es keine Dinge gäbe die in erster Instanz eine Struktur überhaupt erst ermöglichen.

Korrelation ist übrigens ein spezifischer Begriff: es gibt verschiedene Formen der Korrelation. Relation oder Struktur impliziert nicht notwendig Korrelation; das sind komplett verschiedene Dinge.

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hi Dirk,
Di schreibst
„… Labor der kognitiven Neurowissenschaften. Die machen dort den ganzen Tag nichts anderes als aus meiner Sicht angewandten Strukturenrealismus.“

Es kann sein, dass es so aussieht, als würden die kognitiven Neurowissenschaftler den ganzen Tag nichts anderes machen als angewandter Strukturenrealismus. Sie reduzieren in Wirklichkeit auch Komplexes auf Einfacheres.

Offenbar haben wir ein unterschiedliches Verständnis von Strukturenrealismus. Ich definiere eine Struktur als eine Mange an Beziehungen zwischen zwei Objekten – so ist, meine ich auch die formale Definition. Ich habe nur gezeigt, dass solche Beziehungen dazu dienen, auf der untersten ontologischen Ebene zwei Objekte (an sich) unterscheidbar zu machen, dass also bei mehr als zwei Objekten bereits auf dieser untersten Ebene notwendigerweise Strukturen existieren, die dann in ihrer Form als Beziehungsgefüge selbst schon unterschiedliche Formen des gegenständlichen und vereinzelten Seins hervorbringen.

Oder anders herum, dass man unterschiedliche Formen des fundamentalen Seins (verschiedene Teilchen, verschiedene Felder, Wellen) schon als Strukturen deuten kann.

Strukturen sind daher – so meine ich – nichts „Höherstufiges“ mit der Potenz zu „noch Höherem“.

Die Physik beschreibt diese Strukturen übrigens nicht – das ist ein großer Irrtum von Leuten, die die Physik nicht wirklich kennen. Was heißt denn „beschreiben“ in der Physik? Letztlich ist „beschreiben“ in der Physik nichts anderes als die Deutung des mathematischen Kerns der Theorie, die Beantwortung der Frage: was sagen uns die mathematischen Gleichungen über die Wirklichkeit? Und sie sagen 100 % etwas über den Funktionalismus der Agenten aus, über die Agenten (die Ontologie) aber immer nur (in jeder (!) Theorie) etwas sehr Rudimentäres.

Zum Beipiel in der Nwetonschen Theorie sagt uns die Mathematik: da agieren Masseppunkte, in den Feldtheorien sagt uns die Mathematik: da sind Kräfte wirksam – also das ist sehr kümmerlich, was da über die Ontologie gesagt wird. Aber über die Art und Weise, wie diese Ontologie etwas Bobachtbares hervorbringt, darüber sagt uns die Mathematik sehr viel. Das können Theorien gut: etwas vorhersagen. Was da aber agiert, das sagen die Theorien nicht, und die Modelle der Agenten glänzen durch Widersprüchlichkeit. Also die Physik als Garant eines Strukturenrealismus herzunehmen, ist sehr gewagt.

Was also meinst Du mit epistemischen Strukturenrealismus. Worin unterscheidet sich die Aussage: „ich sehe hier Strukturen“, von der Aussage „hier sind Strukturen“? und ist die Unterscheidung wirklich relevant für ein einvernehmliches Verständnis von der Welt ?

Am Ende vereinbaren wir doch sehr pragmatisch, wir nehmen für unsere Sicht auf eine Frage und ihre Beantwortung immer das, was gerade am besten passt. So machen das die experimentellen Physiker und das funktioniert auch im Alltag sehr gut: mal Realist sein, und mal Konstruktivist (jeder Couleur). Vielleicht ist die Realität auch vollständig gar nicht zu erfassen, weil wir grundsätzlich immer nur Teile von ihr erfassen können.

Also ist es vielleicht müßig, sie final zu etikettieren. Vielleicht sollten wir besser etwas anderes tun, nämlich widersprüchliche Beschreibungen ausräumen, also erst einmal der Logik Geltung verschaffen gegen all diejenigen, die Unlogisches als etwas Endgültiges in der Natur verankern wollen. Da sind wir dann vom Transzendenten (oder vom Spuk) nämlich nicht mehr fern, und das was wir hier machen, ist eine Teufelei.

Übrigens noch mal zum Holismus. Was ist Holismus? Nach meinem Verständnis etwas, das aus Teilen zusammengesetzt ist, aber nicht auf diese Einzelteile reduziert werden kann. Konkret gesprochen: Die Eigenschaften der Teile eines Holismus sind nicht definiert. Ein Feld zum Beispiel besteht aus Etwas, das überhaupt nicht definiert ist. Und ein verschränktes System (ein Quantenqualter) besteht aus zwei Teilen, die nicht in einem definierten Zustand sind. Sie bilden also keine Struktur oder so etwas, sondern sie sind einfach nicht definiert. Eine Struktur muss ja aus Beziehungen bestehen, die etwas Bestimmtes definieren. Sie kann daher nichts holistisches sein. Begriffe wie Holismus und Struktur müssen in der philosophischen Diskussion definiert werden, sonst können wir nicht gemäß den Regeln des Diskurses über sie sprechen. Übrigens sind die Physiker der einhelligen Meinung, dass im allerkleinsten Bereich nichts Gegenständliches in einem definierten Zustand ist (alles ist verschränkt). Erst durch Wechselwirkung gelangen die Gegenstände in definierte Zustände. Den Mechanismus dazu habe ich an anderer Stelle beschrieben.

Ich fange daher wieder von vorn an: was sind die Definitionen der Begriffe, von denen gesprochen wird?

Grüße Bernd

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor

Ich versuche meine Kritik am Strukturenrealismus noch mal vereinfacht an einem Beispiel darzustellen:

Klassisch: F=m•a

F (die Kraft) ist einerseits ein Phänomen, das wir sinnlich via Muskeln, Sehnen, Skelett und Haut wahrnehmen können und andererseits ein Vektor (oder dessen Betrag), während m (Masse) und a (Beschleunigung) hypothetische, sinnlich nicht wahrnehmbare Entitäten (d.h. Theorien) sind. Das ist die klassische Grundstruktur jeder Theorie-Phänomen Doublette.

Unser Erkenntnissystem, behaupte ich, ist (in obigem Beispiel) an die irreduzible Doppelnatur der Kraft als Phänomen und Begriff (Theorie) gekoppelt. Zwischen beiden gibt es keinen logisch (affirmativ) aufweisbaren Zusammenhang, weil beide zwar das gleiche aber nicht dasselbe sind. Im Phänomen Kraft, als orthogonales Phänomen unter orthogonalen Phänomenen, steckt daher implizit die ganze ‚Welt‘ schon drin. Das ist meines Erachtens die Lösung des philosophischen Problems der Einheit von Einheit und Differenz, von Leibniz vorweggenommen im Ausdruck, daß jede Monade schon das ganze Universum widerspiegelt. Die Doppelstruktur unseres Erkenntnissystems zeigt sich überdeutlich in einem anderen Zusammenhang.

Das Parseval-Theorem der Fouriertransformation behauptet mit gutem Recht, intuitiv einsehbar und empirisch unwiderlegt, daß beide Seiten der Transformation (z.B. Zeit- und Frequenzdomäne) energetisch equivalent sind. Der strenge Nachweis kann aber nicht geführt werden (deshalb Theorem!), weil beide Seiten der Transformation in keiner Beziehung zueinander stehen – und hier wird es ganz offensichtlich – die über die Orthogonalität hinausgeht, denn die FT ist eine orthogonale Dekomposition. Zeit- und Frequenzbereich reden zwar über das gleiche, nicht aber über dasselbe.

Zurück zu F=m•a. Der Strukturenrealismus versteht diese Formel nun rein formal als mathematische Relation, nämlich als Beziehung zwischen Vektorkraft, Masse und Vektorbeschleunigung und verliert damit ihren phänomenalen Aspekt (der aber genetisch führend ist) und damit auch jeden Sinn. Das sieht der Strukturenrealist natürlich nicht so. Und trotzdem, weil er klassisch ausgebildet und außerdem Mensch ist, fährt das Phänomen Kraft immer unbemerkt (wenn auch ungewollt) in seiner Vektorkraft als blinder Passagier mit. Würde dieser blinde Passagier aussteigen, blieben dem Strukturenrealist keine mathematische Formeln, sondern sinnlose Ansammlungen von Zeichen und Symbolen. Das trifft sich glaube ich mit Bernds Argument, daß man in der Anwendung doch immer auf eine klassische Beschreibung zurückgeworfen wird.

Der Strukturenrealist kommt mir daher vor, wie jemand, neben dem ein (klassischer) Hammer liegt, aber versucht eine Nuss mit (strukturenrealistischen) Wattestäbchen zu öffnen. 

Wir sollten uns daher mal (ohne ideologische Scheuklappen) fragen:

a) woher die Omnipräsenz von Dualismen im menschlichen Denken rührt, worin diese genau bestehen und was exakt sie bewirken
und
b) welches Problem der Strukturenrealismus überhaupt lösen will (ich sehe es nicht)
oder
c) ob er vielleicht nur eine ideologische Doktrin im Kontext von bottom-up ist.

@ Dirk: vielleicht kannst Du bei Gelegenheit mal erklären, was Du unter Polykontexturalität verstehst. Scheint ja wichtig zu sein.

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Das Parseval-Theorem der Fouriertransformation behauptet mit gutem Recht, intuitiv einsehbar und empirisch unwiderlegt, daß beide Seiten der Transformation (z.B. Zeit- und Frequenzdomäne) energetisch equivalent sind. Der strenge Nachweis kann aber nicht geführt werden (deshalb Theorem!), weil beide Seiten der Transformation in keiner Beziehung zueinander stehen – und hier wird es ganz offensichtlich – die über die Orthogonalität hinausgeht, denn die FT ist eine orthogonale Dekomposition. Zeit- und Frequenzbereich reden zwar über das gleiche, nicht aber über dasselbe.“

Das gleiche Beispiel habe ich im Austausch mit Wissenschaftlern und Philosophen ebenfalls schon häufiger verwendet. Ich wiederhole es nachfolgend. Nur mit dem Hinweis dass ich den Punkt „über die Orthogonalität hinausgeht“ nicht ganz verstehe oder teile.

Es gibt in der Realität (ontologisch) einen Prozess. Diesen beobachten wir oder wir nehmen ihn technisch auf. Nun können wir diesen Prozess aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten die wie du sagst orthogonal zueinander stehen. Statt orthogonal könnte man auch komplementär sagen. Denn durch die Betrachtung eines Prozesses aus verschiedenen orthogonalen Perspektiven erhalten wir unterschiedliche Information, ja letztendlich mehr Wissen und Einblick. Philosophisch könnte man auch sagen: es handelt sich lediglich um verschiedene epistemische Betrachtungen auf einen Prozess. Diese epistemischen Perspektiven korrespondieren (nicht korrelieren!) zueinander. Das Ergebnis der Fourier Transform korrespondiert mit der time-domain und ist über die inverse Fourier Transform wieder zurückführbar. Warum der Begriff Korrelation hier sinnlos ist sollte einleuchten. Deshalb ist auch der Begriff „neuronale Korrelate von Bewusstsein“ meiner Meinung nach sinnlos oder, um einen Begriff von dir zu verwenden „Sprachdestruktiv“.

Weiter fortgeführt an einem konkreten Beispiel:
In der Zeitdomäne können wir die Phasenwinkel des Signals betrachten und analysieren.
Im Frequenzraum verlieren wir die Phasenwinkel (außer wir speichern sie zusätzlich „im Hintergrund“ ab wenn wir sie später wieder nutzen wollen). Dafür sehen wir die Amplitude der einzelnen Frequenzen im Frequenzraum in einer Art und Weise die in der Zeitdomäne nicht möglich ist. In der Realität gibt es aber nur einen Prozess. Diesem Prozess ist es egal ob wir ihn in der Zeitdomäne, dem Frequenzraum, oder im Phasenraum betrachten.

Ich führe bewusst überspitzt fort:
Nun kommt ein sehr schlauer und weiser Mensch daher, der Philosoph. Der Philosoph sieht nur das Ergebnis der Fourier Transform parallel zur Zeitreihe der Zeitdomäne.

Nun hebt der Philosoph beide „Dinge“ auf: in der linken Hand trägt er die Zeitreihe, in der rechten den Frequenzraum. Er weiß zwar dass beides „irgendwie“ zusammengehört, aber gleichzeitig sind es nämlich doch zwei Paar Schuhe für ihn. Das führt ihn zur Stellung einer glorreichen Frage die den Rest seiner akademischen Karriere in Anspruch nehmen wird: in welchem ontologischen Verhältnis stehen Zeitreihe (time-domain) und Frequenzraum zueinander?

Die Sprachakrobatik beginnt:
Nun können wir, dank der Komplexität unseres Denkens und der Sprache, alle möglichen -ismen erfinden die den ontologischen Zusammenhang philosophisch begründen sollen. Letztendlich alles heiße Luft – hochgestochenes Gerede um Nichts.

Warum verleitet uns das Denken sowie die Sprache in solche Sackgassen? Ich würde das, ohne weit auszuholen, anhand der evolutionären Entwicklung der Wahrnehmung und des Denkens erklären. Die Gestaltspsychologen haben Anfang des 19. Jahrhunderts einiges an Arbeit dazu geleistet. Piaget hat das Thema aus Sicht der Ontogenese (statt Phylogenese) behandelt.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hallo Philipp,

der ganze Satz lautet: …die in KEINER Beziehung zueinander stehen….die über die Orthogonalität hinausgeht. Ich gehe mal davon aus, daß Deine Argumentation auf diesem Verständnis beruht. 

Es ist zunächst völlig egal was man in die FT bzw. DFT hineinsteckt, ein Zeitsignal f(t), einen Höhenschnitt durch ein Gebirge h(x) oder ein Bild oder einen Feldzustand f(x,y). Daher ist die Bezeichnung Gegenstandsbereich vs. Frequenzbereich allgemeiner. Das nur um zu sagen, daß die FT nicht originär mit der ZEIT zusammenhängt. Aber bleiben wir bei ‚Zeitbereich’. Das Ergebnis der FT eines reellen Signals ist grundsätzlich komplex, d.h. die Phase wird immer aufgehoben, was es erlaubt, verlustfrei aus dem Frequenzbereich in den Zeitbereich zurück zu transformieren. Beide Seiten der Transformation sind nicht nur energetisch equivalent, sondern auch funktional. Jede Operation, die auf einer Seite durchgeführt werden kann, kann auch auf der anderen durchgeführt werden. Aber: während z.B. die Addition von zwei reellen Signalen im Zeitbereich trivial (anschaulich) ist, ist sie im Frequenzbereich eine komplexe (Zeiger)Addition, und während die Betragsfilterung im Frequenzbereich eine anschauliche Multiplikation ist, ist sie im Zeitbereich eine absolut unanschauliche Faltung zweier Signale. Allgemein: was auf der einen Seite anschaulich ist, ist auf der anderen ein mathematischer Prozess, eine äquivalente (Re)Konstruktion. Deshalb sind beide Seiten zwar physikalisch gleich-wertig, epistemisch aber nicht identisch. Denn während die eine Seite als Phänomen e r s c h e i n t, bleibt die andere prozessual.

Unter „komplementär“ verstehe ich ein Ganzes, daß durch genau zwei Teile (Yin & Yang) definiert wird, etwa durch x und alles minus x. Frage: was soll dieses Ganze im Fall der FT sein? Man könnte dasselbe Zeitsignal in eine Hadamard Transformation stecken und ein anderes Ergebnis (Spektrum) erzielen. Nun könnte man fragen, was denn das wahre Spektrum eines Zeitsignals ist (Fourier, Hadamard, Walsh, etc.). Die Antwort ist: es kommt immer genau das heraus, was wir a priori hineinstecken. Weder gibt es da-draußen ein Zeitsignal noch ein Spektrum.

„In der Realität gibt es aber nur einen Prozess“. Das Fourier Integral verlangt entweder einen Input, der sich von minus Unendlich bis plus Unendlich erstreckt (solche Prozesse können wir nicht kennen!), deshalb müssen wir aperiodische Signale mit Filtern (Cosinusquadrat, Blackman…) beschneiden, um ihre schnelle Konvergenz gegen Null zu erzwingen. Oder wir postulieren einen strikt! periodischen Input, dann können wir das Fourier-Integral auf -pi bis pi beschränken. Diesen Anspruch erfüllt aber nicht einmal eine Cäsium Uhr. D.h., was wir in die FT reinstecken ist kein real-existierendes Signal in historischer Zeit, sondern eine Funktion, eine räumlich-statische Figur, in der die Zeit nicht vorkommt, denn diese Funktion kann auf einem Blatt Papier oder einem Bildschirm dargestellt werden, sie ist nicht transient. Wir können prinzipiell mit Zeitgestalten nicht umgehen, weil sie in ihrem Werden begrifflich nicht fassbar sind. Der erste Schritt in jedem Erkennen ist die Annulierung der Zeit durch die Erfassung des Begriffs.

Besser als „Komplement“ gefällt mir der Begriff „Perspektive“. Allerdings leidet er unter der Auffassung, daß sie die spezielle Ansicht eines Dings beschreibt. Außerdem ist die Perspektive nicht orthogonal, d.h. das die Perspektiven eines Dings nicht notwendig frei von Redundanz sind; Perspektiven können sich überlappen. Wenn dies nicht der Fall ist, werden sie zwar zu Kategorien, beziehen sich aber nach wie vor als Dekomposition auf ein existierendes Ding. Erst in der Umkehrung, wenn also die Kategorien zuallererst die Erscheinung des Dings als solches hervorrufen (in einer a priori orthogonalen Synthese), entsprechen sie meinen erkenntnistheoretischen Vorstellungen.

„Warum verleitet uns das Denken und die Sprache in solche Sackgassen?“

In logic, however, one must think as if one had no will at all, [otherwise] from this it would become a practical science; we have therefore the science of thinking, and not of willing.

Kant Zitat in J.M. Young (ed.), Lectures on Logic, Cambridge University Press 1992

Das interpretiere ich als Aufruf zum widerspruchsfreien Denken des Ganzen als einziger Richtschnur.

—————————

In meinem Kommentar auf den Du abhebst, muss es natürlich heißen: Würde dieser blinde Passagier aussteigen, blieben dem Strukturenrealist keine PHYSIKALISCHEN, sondern nur mathematische Formeln mit einer Ansammlung sinnloser Zeichen und Symbole.

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Dass die FT sich nicht notwendig auf Zeit bezieht weiß ich, man kann sie ja z.B. auch auf Bilder anwenden. Ich habe einfach das Beispiel mit Zeit gewählt da es für die meisten leichter verständlich ist.

Mir ist auch bewusst dass die FT Annahmen macht die unsere Daten häufig eigentlich gar nicht hergeben. Totzdem wird die FT angewendet – wodurch das Ergebnis der FT qualitativ leidet (aber praktisch, d.h. in der realen Welt außerhalb Wunschvorstellungen, geht es halt oft nicht anders).

Unter Komplementär verstehe ich wissenschaftsphilosophisch folgendes: da „draußen“ in der Welt gibt es „etwas“ das „geschieht“. Nennen wir es einen Prozess. Ich kann diesen Prozess physikalisch, chemisch, biologisch (falls es sich um ein biologisches System handelt) und von vielen weiteren Perspektiven beschreiben und erklären.

Das sind alles verschiedene epistemische Perspektiven auf ein „Ding“. Welche Perspektive für die Beschreibung und Erklärung geeignet ist kommt auf das Ding bzw. den Prozess an. In Fall X eignet sich vielleicht nur eine Perspektive wirklich sinnvoll. In Fall Y kann man vielleicht zwei oder drei Perspektiven nehmen. Diese sind dann eventuell Komplementär zueinander; sie ergänzen sich bezüglich unseres Verständnisses und Erkenntnisfortschritt gegenseitig.

Sie sind dann sogesehen auch orthogonal – denn sie kommen sich gegenseitig nicht in die Quere und widersprechen sich nicht.

Das interpretiere ich als Aufruf zum widerspruchsfreien Denken des Ganzen als einziger Richtschnur.“

Extrem problematisch, besonders in der Philosophie. Wie oft hatte ich hier schon Diskussionen bei denen ich meine Ansicht klar und widerspruchsfrei fand, mein Gegenüber aber nichts verstand und alles als Konfus und voller Widersprüche sah?

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

PS: Bezüglich der FT und Erkenntnis:

Wenn man sich einmal das Innenohr des Menschen anschaut, genauer die Cochlea, dann sieht man (meiner Meinung nach) dass das Innenohr quasi laufend eine FT auf die autidorischen Inputs der Welt anwendet.

Es zerlegt das „Zeitsignal“ in ein Frequenzspektrum und leitet dieses laufend aktualisiert an das Gehirn weiter.

Solche Beobachtungen führen zu Fragen was wir eigentlich von der Umwelt wahrnehmen – und dazu wie, d.h. erkenntnistheoretischen und somit wieder philosophischen Fragen. Hier kämen dann empirische Beobachtungen mit ins Spiel.

Aber ich vermute dass dir ein solches Vorgehen zu sehr nach „bottom-up“ oder Naturalismus stinkt.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philipp,

Bei meiner länglichen Beschreibung der FT ging es mir letztlich nur darum zu zeigen, daß das, was wir in die FT reinstecken kein Zeitsignal ist, sondern unsere schon begriffliche Vorstellung von dem, was wir für ein Zeitsignal halten. Die Bewegung, Veränderung, das in-Entwicklung-sein wird durch den Begriff in die Räumlichkeit überführt. Das ist die Aufgabe des Verstands, er bringt begrifflich zum Stehen was vormals transient, d.h. komplex! war, so daß die Vernunft das zum Stehen gebrachte mit allen anderen Verstandesbegriffen auf Reinheit (Kant), Orthogonalität, Redundanzfreiheit, Nicht-Zirkularität überprüfen kann. Wenn sich das mit „Perspektiven, die sich nicht in die Quere kommen“ in Einklang zu bringen ist, wäre das eine kleine aber erste Basis eines gemeinsamen Verständnisses. Der nächste Schritt wäre dann die Diskussion, warum die Vermischung von „Perspektiven“ zu Komplexität führt, d.h. zurück zu Begriffslosigkeit und zum transitorischen.

Ich verstehe jedermanns Vorbehalte gegen eine armchair-Philosophie, weil mit ihr viel Schindluder getrieben wurde (inkl. Platon, Kant und Hegel). Sie besteht eben nicht darin etwas (z.B. eine Theorie) beweisen zu wollen, sondern in einem desinteressierten Interesse an der Welt. Interessant sind ausschließlich die Sätze die Philosophen hervorgebracht haben. Der armchair-Philosoph ist in erster Linie Kritiker, indem er versucht Widersprüche aufzudecken, dadurch, daß er neue und alte Theorien auf empirische Fälle (Phänomene) anwendet (er arbeitet nicht in Wolkenkuckucksheim). Es geht ihm auch nicht darum, eine bestimmte Theorie zu widerlegen, weil Theorien nur im Kontext aller Theorien Sinn machen. Er schiebt Begriffe und Vorstellungen hin und her, im Versuch, wie Newton es beschrieben hat, „…to find ever smoother pebbles at the beach“. D.h., er befaßt sich gedanklich-induktiv mit hoch-spekulativen Sätzen, die in (seltenen) Fällen und zufällig zu Widerspruchlosigkeit führen. Newton hat es dabei belassen, Begriffe und Sätze in die Welt zu setzen (Impulserhaltung, Trägheitsbahn) und sich zeitlebens dagegen gewehrt, daß der Hypothesen aufgestellt hätte. Hat er nicht! Er hat widerspruchsfreie Sätze allgemeiner Anwendbarkeit hervorgebracht, keine auf Wahrheit überprüfbare Theorie.

Das erklärt vielleicht mein Misstrauen gegen eine empirische Wissenschaft, die versucht Theorien aus dem Experiment abzuleiten, denn sie führt zum Modell, das eine komplexe Vermengung des schon längst gegebenen ist und dadurch die Dinge, die der Verstand zum Stehen gebracht hat, reanimiert.

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hi Heinz,

folgende Frage an dich und mich würde deine Antwort dazu wirklich interessieren und zwar nicht um dich zu testen oder herauszufordern, sondern weil – wie gesagt – mich deine Ansicht interessiert.

Du schreibst dass wir idealerweise Modelle oder Theorien ala Kant synthetisch a priori kreieren sollten. So habe ich das verstanden.

Folgender Sachverhalt:
Ich möchte wissen warum wir bei neuronaler Dynamik X bei Bewusstsein sind, nicht aber bei neuronaler Dynamik Y.

Ich messe also zwei Zustände: Aktivität X und Aktivität Y. Ich beobachte bei X einen Verlust von Bewusstsein, während Aktivität Y mit Bewusstsein korrespondiert.

Nun kann ich Überlegungen aufstellen warum dies der Fall ist. Sofern ich dich verstehe würdest du hier einlenken und sagen: „Philipp, du machst es falsch. Du gehst bottom-up vor. Was du heute behauptest wird bereits morgen wieder widerlegt“. Und so geht dieses Spiel dann ewig weiter.

Frage:
Wie würdest du in diesem Fall vorgehen? Wie komme ich hier zu synthetischem a priori Wissen; etwas das überdauert und nicht übermorgen falsifiziert wird? Ich weiß nicht wie das funktionieren soll.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hallo Philipp,

zunächst die formale Antwort auf Deine Frage:

Füge dem Wissen eine neue Dimension, etwas Absolut Neues hinzu. Anders ausgedrückt, formuliere einen Satz oder Sätze, die dem klassischen Wissen nicht widersprechen können, weil sie über dieses Wissen hinausgehen, denn das Absolut Nicht-Widersprüchliche IST, und zwar mit Notwendigkeit.

Nun zur Praxis:

Ich bin kein großer Fan von Paul Feyerabend, aber in zweierlei Hinsicht stimme ich ihm zu: 

-darin, daß neue valide Theorien zu den hergebrachten im Verhältnis der „Inkommensurabilität“ stehen müssen. Feyerabend hat sein Leben lang an einer klaren Definition des Begriffs herum gefeilt. Wenn man alle Versuche in eine Gesamtschau bringt, erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß er letztlich ‚Orthogonalität‘ meinte.
-darin, das aus der ‚Inkommensurabilität‘ die Tatsache entsteht, daß die Wissenschaft keine Methode kennt, ikonisiert in seinem Buch „Against Method“.

Die schlechte Nachricht ist also, daß es keinen Weg zu Wissen gibt, das sich synthetisch a priori nennen kann. Aber trotzdem, wenn Du solches Wissen erzeugen willst, bleibt Dir nur die Umkehrung Deiner Strategie, von Daten konstruktiv zu Wissen kommen zu wollen. Tycho Brahe, der die Planetenbahnen mit bis dahin nicht gekannter Präzision kartierte (also Daten sammelte), wußte mit ihnen aber nichts rechtes anzufangen. Seine Motivation bestand in der Verbesserung des schon Bekannten. In der Hand Keplers, der behauptete, daß Planeten sich nicht auf Kreisen, sondern Ellipsen bewegen, wurden diese super-präzisen Daten zum Nachweis seiner Theorie auf einmal Gold wert. Kepler faßte die Planetenbahnen nicht als Bewegungen in der Zeit auf, sondern (konstitutiv und nicht konstruktiv) als geometrische Figur. Er entfernte die Zeit aus den Beobachtungsdaten durch die Erfassung des Begriffs ‚Planetenbahn‘ als nicht-transienten Gegenstand. 

Die empirische bottom up Methode funktioniert deshalb nicht, weil sie in ihre Zeitprozesse etwas hineinlegt (konstruktiv hineinlegen muss), das es überhaupt nicht gibt – die Kausalität. Dadurch werden Modelle zum Ausdruck des Wollens, und halten daher in Regel von zwölf bis Mittag. 

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hi,

du schreibst:

„Füge dem Wissen eine neue Dimension, etwas Absolut Neues hinzu. Anders ausgedrückt, formuliere einen Satz oder Sätze, die dem klassischen Wissen nicht widersprechen können, weil sie über dieses Wissen hinausgehen, denn das Absolut Nicht-Widersprüchliche IST, und zwar mit Notwendigkeit.
Nun zur Praxis:
Ich bin kein großer Fan von Paul Feyerabend, aber in zweierlei Hinsicht stimme ich ihm zu: 
-darin, daß neue valide Theorien zu den hergebrachten im Verhältnis der „Inkommensurabilität“ stehen müssen. Feyerabend hat sein Leben lang an einer klaren Definition des Begriffs herum gefeilt. Wenn man alle Versuche in eine Gesamtschau bringt, erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß er letztlich ‚Orthogonalität‘ meinte.
-darin, das aus der ‚Inkommensurabilität‘ die Tatsache entsteht, daß die Wissenschaft keine Methode kennt, ikonisiert in seinem Buch „Against Method“.“

Ich stimme dem zu wenn es darum geht wirkliche Blockaden innerhalb einer Wissenschaft (oder eines Themenbereichs in einer Wissenschaft) zu überwinden.

Genau das wäre aus meiner Sicht z.B. bei der philosophischen Diskussion zum Thema Bewusstsein notwendig. Allerdings wird man dann von den meisten Teilnehmern der gängigen Diskussionen nicht mehr verstanden – eben da grundsätzlich neue Sichtweisen mit alten nicht kompatibel sind. Neue Sichtweisen gehen beispielsweise von anderen Grundannahmen aus.

Mich wundert aber dass du genau das jetzt schreibst – denn das entspricht doch genau dem Paradigmenwechsel nach Kuhn (und soweit ich mich an frühere Beiträge von dir erinnere lehnst du diese Idee doch ab).

„Against Method“ von Feyerabend steht bei mir im Schrank und ich habe es zwei Mal gelesen. Für mich eines der besten und unterhaltsamsten Bücher aus dem Bereich Wissenschaftsphilosophie.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philipp,

Du hast das Prinzip der Orthogonalität noch nicht ganz verstanden. Wenn Du einem orthogonalen System x,y eine neue Dimension hinzufügst, sagen wir z, dann hast Du zwar Absolut Neues hinzugefügt, das vorher in keiner Weise existierte, aber dadurch, daß es eine orthogonale Erweiterung ist, gliedert sich der neue Begriff widerspruchsfrei in das System ein, weil qua Orthogonalität in jeder ihrer Achsen das Ganze implizit (als Absoluter-Nicht-Widerspruch) schon vorhanden ist.

Die Sätze (und Begriffe) der (Euklidischen) Geometrie der Ebene (2D) behielten in der kartesischen 3D Welt uneingeschränkte Gültigkeit (den Griechen war der mathematische 3D-Raum unbekannt). Trotzdem ist ein ‚Ding‘ in der Ebene etwas völlig anderes als ein ‚Ding‘ im Raum.

A priori bedeutet für Kant ja soviel wie: Absolut neu und doch ab origine Absolut sicher. Wenn Du einem orthogonalen System eine weitere orthogonale Dimension hinzufügst, ist damit jede Möglichkeit eines Widerspruchs prinzipiell ausgeschlossen. Ich interpretiere Platon so, daß diese neue Dimension schon immer da war und wir uns ihrer, wenn wir sie finden, nur „erinnern“.

Unsere Struktur des Wissens ruft nicht nach Kuhnschen Revolutionen (Umwälzungen, beginning from scratch), sondern nach unwidersprüchlicher Erweiterung, nach systematischem Aufbau. Und das ist nur möglich, weil die Definition der Orthogonalität eine Absolute, voraussetzungsfreie Negation ist. Sie sagt: y ist Absolut und in jeder denkbaren Beziehung nicht x (Korrelation: Null!). Damit ist ein reiner (Kant), widerspruchsfreier, redundanzfreier und nicht-zirkulärer Begriff in die Welt gesetzt, der alle anderen unbeschadet läßt und daher ergänzt. Er macht die Welt nicht tiefgründiger, er erklärt sie nicht, sondern macht sie brillanter (Dirk würde sagen: bunter).

Erst wenn Du den konstitutiven (zeit-losen) Inhalt Deiner Daten erfaßt hast – den Begriff, der in ihnen liegt – bist Du da, wo Du hinwillst. Also, konstruiere nicht, sondern spekuliere – denke!

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz,

ich verstehe deine Position nicht ganz.

Erst schreibst du dass wirklich neues signifikantes Wissen (oder neue Erkenntnis) nicht kompatibel zu vorherigen Denkmodellen ist.

Jetzt schreibst du das neues Wissen sich quasi reibungslos in bereits bestehendes Wissen eingliedern soll – das nennst du orthogonal. Die Erweiterung von 2D zu 3D führt zu keinem Widerspruch, sie fügt nur etwas dazu.

Mein Problem: „kaputte“ (aus meiner Sicht) philosophische Denkmodelle lassen sich orthogonal so nicht erweitern. Es geht nur mit einer kompletten Revision die bereits bei geänderten Grundannahmen beginnt.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philipp,

schau Dich in Deinem Labor/Büro mal genau um. Du wirst dort keine Hardware (und nur sehr wenig Software) finden, die nicht auf dieses „kaputte“ Denkmodell (der klassischen Physik/Chemie/Biologie) zurückzuführen ist. Mir ist schon klar, daß das Simulacrum das Heroin der komplexen Wissenschaft, der Zeit-Junkees ist. Aber Ironie existiert nur, weil es etwas gibt, das man ironisieren kann. Zum Schluß – um dem Thema dieses Blogs gerecht zu werden:

Dinge ohne Relationen sind tot 

Relationen ohne Dinge sind noch nicht gezeugt

Summa: Wer der Sprache keine Rechnung trägt, macht die Rechnung ohne den Wirt.
Deshalb: Vorsicht bei der Neuerschaffung der Welt, man hebt sich leicht einen Bruch…

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hi Heinz,

du weichst der Frage aus; für mich ist mein Verständnisproblem bezüglich deiner Position so nicht erklärt.

Soweit ich dich aber verstehe (!?) glaube ich dass meine philosophische Betrachtung auf das Thema nicht allzuweit von deiner Position entfernt liegt.

Du kennst ja meine Beiträge auf diesem Blog. Und ich glaube dass meine philosophische Betrachtungsweise bezüglich vieler philosophischer Probleme relativ nah an das kommt was du mit Orthogonalität meinst. Aber vielleicht liege ich auch falsch.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philipp,

Ich habe nie behauptet, daß neues, signifikantes Wissen mit dem existierenden inkompatibel ist. Im Gegenteil, ich habe gesagt, daß es Absolut widerspruchsfrei ist, dadurch, daß es eben orthogonal und damit – nicht trotz, sondern wegen – seiner Andersheit schon in das System eingebunden ist. Beispiel: Form und Farbe eines ‚Dings‘ fallen in diesem ‚Ding‘ zwanglos (widerspruchsfrei) zusammen, weil sie sich „nicht in Quere kommen können“ und erst deshalb unabhängig voneinander manipulierbar sind (Anti-Komplexität!). Form und Farbe (plus viele weitere Begriffe) fallen jedem ‚Ding’ zu. Das Nichtwissen-Können des Zusammenhangs zwischen Form und Farbe (ihre Absolute Negation, die Nullkorrelation) ist der Grund für ihre saubere Trennung im Begriff und ihre Einheit im ‚Ding‘. Aber es geht noch weiter: Form und Farbe dieses ‚Dings‘ sind z.B. invariant unter Translation, Rotation und Spiegelung im Raum sowie unter Translation in der Zeit. Jetzt verstehst Du vielleicht, warum ich den Begriff „Perspektive“ nicht so sehr mag, denn die ändert sich schon. Ein orthogonales System ist ein System, dessen charakteristische Größen (hier Form und Farbe) unter Transformationen invariant sind. Das orthogonale System ist ein Erhaltungssystem. Wir können also die bekannte Liste der Anforderungen an den validen Begriff (rein(Kant), widerspruchsfrei, redundanzfrei, nicht-zirkulär zusammenfassen als: invariant unter Transformationen in Raum und Zeit. Das, was wir literarisch als seiend (dinglich) bezeichnen, ist formal-ästhetisch nichts anderes als Invarianz unter Transformationen. Das ist die orthogonale (nicht-prozessuale), d.h. zeit-lose Sicht auf das Denken. Sie ZEIGT sich in der Ordnung der ‚Dinge-da-draußen’, die nichts anderes als die Struktur des Denkens IST.

Philipp
Philipp
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hi Heinz,

danke für die weitere Erklärung deiner Position.

Mein kleiner Einwand bleibt bestehen:
Was orthogonal ist (und was nicht) hängt je nach Thema mit von den philosophischen Vorannahmen der jeweiligen Person ab. Das sieht man insbesondere bei der hier ewig geführten Diskussion um das Leib-Seele Problem.

Viele Menschen glauben letztendlich was sie glauben wollen. Es ist dann auch völlig egal wie man philosophisch (Argumente, Konzepte) und basierend auf empirischen Analysen argumentiert: man bekommt bestimmte philosophische Vorannahmen (die sehr tief sitzen können) nicht mehr raus. Was für Person A orthogonal rein erscheint führt bei Person B zu krassen und unlösbaren metaphysischen Problemen.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Philipp

Hi Philipp,

Du hast einen guten Punkt. Die Achsen eines validen, d.h orthogonalen Denksystems könnten völlig andere sein, als die, die Du für „kaputt“ hältst und ich klassisch oder hergebracht nenne. Das Problem ist daher zweistufig:

Wenn Du dem orthogonalen Ansatz auf einer abstrakten Ebene ohne konkrete Bezeichnung seiner Achsen zustimmen kannst, dann a) sonst b)

a) jetzt stehst Du vor dem Problem, ein System von orthogonalen Begriffen hervorbringen zu müssen, d.h. eine Sprache. Die Frage ist dann, was Du als Referenz setzen willst, denn mit der Unbestimmtheit der Achsen verschwinden auch die Phänomene, es sei denn, Du bist ein naiver Realist, der behauptet etwas vor- bzw. außersprachlich direkt wahrnehmen zu können. Auch die Rolle eines Empiristen kannst Du nicht einnehmen, weil der – was auch immer interpretierend – der begrifflichen Sprache schon bedarf. Du stehst also wie Gott in der Genesis vor einer ‚Welt‘, die „dunkel, wüst und leer“ ist. Deshalb: Achtung, verheb Dich nicht. Was ich damit sagen will: Ja, ein völlig anderes orthogonales Begriffssystem ist abstrakt denkbar, würde aber, wenn man es denn erschaffen könnte, eine inkommensurable ‚Welt‘ hervorbringen, mit der wir nicht in Beziehung treten können (durchaus mit Blick auf die QM). Daraus folgt: wenn Du das orthogonale System prinzipiell anerkennen kannst, bleibt Dir nur der Weg seiner orthogonalen Erweiterung.

b) wenn Du also a) nicht anerkennst, verfällst Du Bohrs Sprach-Pessimismus: „Wir hängen in der Sprache“, mit der Konsequenz einer notwendig begrifflich unsauberen (inkommensurablen) Erweiterung des wissenschaftlichen Systems.

Wenn A und B Positionen beziehen, die nicht miteinander vereinbar (widersprüchlich) sind, dann bezieht sich wenigstens einer (oder beide) auf Ideen und Ideologien, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie sich NICHT ZEIGEN. Dieser Widerspruch ist nicht auflösbar. Wenn dagegen A und B sich uneinig sind, ob ein gewisser Baum eine Eiche oder eine Buche ist, täuscht sich einer von beiden. Das ist etwas ganz anderes…

Dirk
Dirk
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Lieber Heinz,

leider hatte ich momentan sehr viel „um die Ohren“, sonst hätte ich Dir schon früher geantwortet. Gerne möchte ich aber versuchen Deine noch offenen Fragen, so gut es geht zu beantworten. Noch eins voarb. Das kannst Du natürlich nicht wissen, aber fast eine identische Diskussion zur „Natur des Strukturenrealismus (in Folgendem nur noch SR genannt)“ habe ich schon des Häufigeren auf meinem Blog geführt, daher sei es mir vielleicht gestattet aus meinen Antworten im Kommentarbereich zu zitieren. So, jetzt wollen wir aber mal „Butter bei die Fische geben“.

Du möchtest als „Kritik am Strukturenrealismus noch mal vereinfacht an einem Beispiel darzustellen: Klassisch: F=m•a“. Dieses Beispiel sehe ich eigentlich als einen „red herring“, da es Dir ja in Wirklichkeit, um es viel Grundlegenderes vielleicht sogar Ontologisches geht. Der epistemische Strukturenrealismus ESR macht nämlich für solche Beispiele aus der klassische, mechanischen Physik ebensoviel Sinn, wie Deine erwähnten „(strukturenrealistischen) Wattestäbchen“ zum „Nussknacken“ ;-):

„Ich muss mich, um auch mal ein Beispiel nennen zu dürfen, bei einer gleichmäßigen Bewegung eines Körpers in der schiefen Ebene nicht mit den Parametern „Luft-/Rollwiderstand“, „Rotationsbewegung der Erde“ (s.o. ;-), oder gar den „strukturalen Körper-Bahn-“ oder „Körper-Umgebung-Relationen“ auseinandersetzen. Der Reduktionismus hilft hier ungemein, das Problem auf die Parameter „Zeit“ und „Ort“ zu reduzieren und dadurch zu physikalischen Gesetzen zu kommen. Gott sei Dank!“

Klar kannst Du dann den „philosophischen Werkzeugkasten“ wieder aufmachen und dann wieder „Phenomenon vs. Noumenon“ in Kantscher Tradition auf der „Werkbank auseinanderschrauben“. Und klar kann sich der Leibniz mit seinen „Einheit/Differenz-Laubsägearbeiten“ auch eine schöne „Monade“ „zusammenbasteln“. Was beiden philosophischen Konzepten aber gemein ist, ist ihr „dualistisches Paradigma“, welches auch hervorragend zur klassischen, mechanischen Physik passt, weil es so schön reduktionistisch ist. Also nicht „F=m•a“ ist das Problem, sondern z. B. die „vermaledeite QM“. Der Dualismus macht hier einfach „schlapp“. Das wäre ein interessanteres Gebiet für die SR. Lustigerweise gibt es im Bereich der aktuellen „physikalischen Theorien“ mittlerweile einen ganzen „SR-Zoo“, meinst ist es den Theoretikern noch nicht einmal bewusst.

„Ich rolle mal das Ganze im Gegensatz zu meinem Essay von hinten rum auf. Wenn ich mich hier selbst zitieren darf: „Hier wie dort würde ich ebenfalls wieder eine etwas elegantere Lösung des Dualismus “Instrumentalismus vs. Mathematismus“ durch einen moderaten, nicht-eliminativen Strukturenrealismus, wie ihn zum Beispiel Michael Esfeld in seinem Buch „Philosophie der Physik“ (2012) beschreibt, vorschlagen. Esfeld versucht hier ebenfalls eine holistische Lösung für die Frage nach der Metaphysik der Physik zu finden. Diesen Lösungsansatz würde ich gerne als Frage nach Metalogik für eine Metamathematik der Mathematik übertragen. Die Idee besteht also folglich lediglich darin, den „Dualismus ‚Instrumentalismus vs. Mathematismus‘ durch einen moderaten, nicht-eliminativen Strukturenrealismus“ methodisch von mir aus auch epistemisch zu überbrücken. Von der „Ontologie eines Strukturenrealismus“ ist hier noch gar keine Rede. […] Ich hatte Dir hierauf ja auch noch nicht explizit geantwortet, ganz einfach da ich einen ontischen Strukturenrealismus, besonders in der eliminativen Form (ohne Relata) auch für ein schwer zu realisierendes Konstrukt halte.“

„In wiefern der Strukturenrealismus für die Physik eine neuen Lösungsansatz darstellen könnte, kann ich nicht beurteilen. Aber Herr Prof. Dr. Holger Lyre, einer der bekanntesten deutschen Vertreter des Strukturenrealismus, den wir bereits zu diesem Thema interviewen durften, hat den Strukurenrealismus zum Beispiel für die Erstellung neuer „Eichtheorien“ oder für die Lösung des Problems der „Quanten-Identität und Ununterscheidbarkeit“ als Mitautor in dem Buch „Philosophie der Quantenphysik“ (2014, ISBN: 978-3-642-37789-1) erfolgreich anwenden können. Ob dies nun der Anfang eines neuen Paradigmas für die Physik ist oder wie Sie eher vermuten bereits das Ende einer „Modewelle“ sei, kann ich ebenfalls noch nicht prognostizieren.“

Daher ist Deine Frage „a) woher die Omnipräsenz von Dualismen im menschlichen Denken rührt, worin diese genau bestehen und was exakt sie bewirken“ und mehr als legitim. Ich hatte auch schon einmal diese Frage lang und breit in meinem Essay „Das neurozentristische Weltbild – bitte wenden !“ zu beantworten versucht und Alternativen hierzu zu entwickeln. Keine Angst, ich zitiere nur die passende Stelle als Antwort auf Deine Frage:

„Erste Haltestelle: „Das Ende des dualistischen Weltbildes“ – Der Dualismus als evolutionäre Anpassungsstrategie

Aber bevor nun das dualistische Weltbild endgültig zu Grabe getragen werden kann, muss hier doch noch einmal kurz geklärt werden, wie es überhaupt zu einer solch reduktionistischen Sichtweise kommen konnte. Eine mögliche, nachvollziehbare Begründung für die Entstehung des Dualismus als epistemologische Ordnungsgröße liefert der Stammvater der evolutionären Erkenntnistheorie Rupert Riedl. Er sieht in dem Dualismus eine Anpassungsstrategie, die aus evolutionärer Sicht eine kognitive Erfassung der Welt durch Kategorisierungen erst ermöglicht hat. Riedls biologisch-evolutionärer Ansatz geht davon, dass die Dichotomien in unserem Weltbild:

„keineswegs zu Zwecken der Erkenntnis dieser Natur geschaffen worden, sondern zum „Zweck des Überlebens. Und für dieses Überleben genügt es, in diese Welt hinein gewisse Sinnesfenster zu besitzen… Und in derselben Weise besitzen wir offenbar auch eine Vorstellung von dem, was wir Materie nennen, und Strukturen gegenüber dem, was wir als Vorgänge erleben oder allgemein als Funktionen… Wir haben also für Strukturen und Vorgänge zweierlei, zunächst inkomparable Begriffe… So dass wir zwar offensichtlich vor einer einheitlichen Welt stehen, aber mit zwei erblich getrennten Sinnesfenstern und die Verbindung zwischen ihnen erst mit Mühe konstruieren müssen.

[…] Wir müssen unsere geteilten Anschauungsfenster zusammenführen und gewissermaßen probeweise beginnen mit einer Synthese, einer Zusammenfügung, unseres so lange gespaltenen Weltbildes“, um so die rationalen Fehler zu vermeiden, die wir aufgrund unseres ererbten dualistisch geprägten Anschauungssystems begehen. (Rupert Riedl: „Kultur – Spätzündung der Evolution? Antworten auf Fragen an die Evolutions- und Erkenntnistheorie.“ 1987, S. 79–85, 294 –200 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Dualismus#cite_note-7) (https://philosophies.de/index.php/2021/04/25/das-neurozentristische-weltbild/#Erste_Haltestelle_%E2%80%9EDas_Ende_des_dualistischen_Weltbildes%E2%80%9C)

Zu Deiner Frage: „b) welches Problem der Strukturenrealismus überhaupt lösen will (ich sehe es nicht)“. Darauf könnte man nun sehr tautologisch antworten: „Alles, was mit Strukturen zu tun.“ Jetzt würdest Du ganz sich einwenden. Ja, dann definiere mir doch erst einmal, was das sein soll „Strukturen“. Ich zitiere daher der Einfachheit aus dem Essay „Der Paradigmenwechsel“:

„Allerdings ist hier der besagte Paradigmenwechsel immer noch nicht vollzogen, da der mathematische Strukturbegriff von Hause aus auch schone eine Dichotomie aufweist:

„Eine mathematische Struktur ist eine Menge mit bestimmten Eigenschaften. Diese Eigenschaften ergeben sich durch eine oder mehrere Relationen zwischen den Elementen (Struktur erster Stufe) oder den Teilmengen der Menge (Struktur zweiter Stufe).“(Nicolas Bourbaki: „Die Architektur der Mathematik“ I. S. 165 f., https://de.wikipedia.org/wiki/Mathematische_Struktur#cite_note-1)

Aus diesem Grunde diagnostiziert Ladyman dem Strukturenrealismus weiterhin eine Dichotomie in ontischen Strukturenrealismus (OSR) und epistemischen Strukturenrealismus (ESR).“

„Also möchte ich mich im Folgenden hauptsächlich auf den moderaten Strukturenrealismus nach Esfeld/Lam beziehen, der diese strukturelle Kopplung der Relationen wie folgt beschreibt:

„[…] we are committed to the view that objects and relations are interdependent, being on the same ontological footing: we get the relata and the relations at once as the internal structure of a whole, neither of them being eliminable or reducible to the other one. We cannot dispense with objects on pain of running into absurdity; we cannot accord priority to relations or intrinsic properties over objects, because we cannot conceive objects as bundles of either relations or intrinsic properties, for these fail to provide for a distinction in the case of quantum entanglement as well as in the case of space-time points; and we cannot grant priority to objects, for this would commit us to primitive thisness.“ (Esfeld/Lam: „Moderate structural realism about space-time“ 2008)“ (https://philosophies.de/index.php/2021/03/31/der-paradigmenwechsel/#Die_Bausanierung_mit_%E2%80%9EArmierungsstahl_und_Beton%E2%80%9C_der_Strukturenrealismus_SR)

Ich weiß natürlich, ob das Deine Frage ausreichend beantwortet.

Zu Deiner Frage „c) ob er vielleicht nur eine ideologische Doktrin im Kontext von bottom-up ist.“. Die ist wirklich sehr viel kürzer zu beantworten: „Nein.“ Da der SR (wenn es den gibt) eben nicht reduktionistisch, eliminativ, dualistisch arbeitet, sondern eher holistisch. Ob das jetzt ein „top-down“ ist, halte ich auch nur für eine „Labeling“.

Die Antwort auf Deine Frage nach einer Erklärung zur „Polykontexturalität“ müsste dann allerdings wieder viel länger ausfallen. Ich versuche es aber so kurz wie möglich zu machen.

Ich habe das mal in „Das System braucht neue Strukturen“ folgendermaßen zu beschreiben versucht:

„4. Grundthese: Der Strukturwandel vom Dualismus in eine Polykontexturalität – Das Dual-System der KI-Forschung als punktförmige Struktur des Dualismus

Als „Mutter/Vater“ des ganzen Dilemmas darf wohl mit Fug und Recht der Dualismus und seine weitreichenden Folgen für die Wissenschaftsgeschichte bezeichnet werden, wie ich bereits des Häufigeren in den vorhergehenden Essays versucht habe zu belegen. Wenn man die ontologische Struktur des Dualismus beschreiben möchte, kann man ihn als eine punktförmige Dichotomie in der zuvor beschriebenen, klassischen aristotelischen Logik (positiv/negativ, Subjekt/Objekt, Ich/Welt,…) bezeichnen. Die hierdurch entstehenden dualistischen Geegensatzpaare bilden laut den Hegelschen Logiktexten mit-sich-selbst-identische, widerspruchsfreie, dichotome Punkte, die als Satz vom Grunde somit logische Antipoden darstellen und dadurch ein Drittes ausschließen („Tertium non datur„, TND):

„Die klassische Logik als geschlossene Kontextur ist ein strikt zweiwertiges System, das durch die Prinzipien der irreflexiven Identität, des verbotenen Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten bestimmt ist. Was dieses System nun zur Kontextur in dem von uns intendierten Sinne macht, ist, dass sie durch keinen höheren Bestimmungsgesichtspunkt von [Dualität in Form von] Positivität und Negativität in der denkenden Reflexion [der platonischen Begriffspyramide] überboten werden kann.“ (Gotthardt Günther:“Die Theorie der ‚mehrwertigen‘ Logik“, in: Berlinger, R. (Hrsg.): Philos. Perspektiven 3,Würzburg 1971, S. 116f, [mit Ergänzungen])

[…] Vereinfacht gesagt, geht es bei dem Konzept der Polykontexturalität, um die Restauration des Subjekt-Begriffes als Distribution für eine neue, logische Form der Identität, die Subjektivität und Selbstreflexivität wieder in den Prozess der Logik einbringt. Die Günthersche Mehrwertigkeit seiner Stellenwertlogik basiert gerade nicht auf einer symmetrischen Modelltheorie mit einer linearen Syntaktik. Vielmehr können für die angestrebte Distribution die polykontexturalen, mehrwertigen Stellenwertsysteme verschiedene semantische Belegungen nicht nur eines „klassischen linearen, symmetrischen Kalküls“ darstellen, sondern als „reculer pour mieux sauter“ gewissermaßen „hinter die Syntaktik“ springen. Die so gebildete „Kenogrammatik“ als gemeinsame „Struktur“ stellt mit ihren zu Morphogrammen zusammenfassbaren Kenogrammsequenzen „lediglich Zeichen von leeren Stellen, die gegebenenfalls mit Werten besetzt werden können oder auch nicht“ (Gotthardt Günther:„Das Problem einer Formalisierung der transzendental-dialektischen Logik“, 1962, S. 90) dar.

„Die Reflexivität der Form auf der Kenoebene und die Produktion von Struktur über ihre Operatoren macht es möglich, auf der Wertebene Systeme zu modellieren, die sich in der Reflexion auf die Umwelt konstituieren.[…] Eine Kenosequenz ist individuelle Struktur, die nicht über Zeichen fixiert ist (Zeichen für Struktur), sondern eine selbstdifferenzierende Leerstellenordnung und als solche Selbstdarstellung von Struktur. Relationen sind so ohne Rückgriff auf die Form der Identität, der Isolation in einer neuen Form (der Relation) ausgedrückt.“ (Joseph Ditterich: „Logikwechsel und Theorie selbstreferentieller Systeme“, http://www.vordenker.de/jditterich/jd_logikwechsel-selbst-referenz.pdf, S. 18)“ (https://philosophies.de/index.php/2021/08/14/das-system-braucht-neue-strukturen/#4_Grundthese_Der_Strukturwandel_vom_Dualismus_in_eine_Polykontexturalitaet)

Sorry, für die „Textwände“. Ich weiß auch nicht, ob das jetzt wirklich erklärend war. Aber bei konkreten Rückfragen einfach melden.

Liebe Grüße
Dirk

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Dirk

Hallo Dirk,

ich fange mal von hinten an (gekürzt und gewürzt).

G. Günters Polykontexturalität ist – meiner völlig unbedeutenden Meinung nach – der monströse Versuch der Einführung der Kybernetik in die Soziologie – eine dieser Kuhnschen Revolutionen, die die Welt auf den Kopf stellt. Monströs, weil im Vergleich zu seiner ‚Logik‘ die Quantenmechanik als Stoff für die Grundschule erscheint. Beide sind nicht an hergebrachtes Wissen anschließbar und daher – meiner Meinung nach – schon gescheiterte Ideologien. Für eine qualifizierte Kritik siehe: Karl-Heinz Ludwig (ehemaliger Wissenschaftsautor FAZ u.a.), „Pegasus als Reflexionsrest“. Er kommt u.a. zu dem Ergebnis, daß Günthers ‚Logik‘ darunter leidet, daß sie augenblicklich klassisch wird, wenn er Beispiele anführt.
Günthers Aufsatz „Das Phänomen der Orthogonalität“, von dem ich mir einiges erhofft hatte, schließt leider nicht an wissenschaftliche oder wenigstens nachvollziehbare Definitionen der Orthogonalität an und erinnert irgendwie an Pythagoräische Zahlenmystik. Beide Referenzen sind im Internet verfügbar. 

Ich habe versucht Orthogonalität als multi-dimensionalen Raum darzustellen, mit den Phänomenen als einer und den klassischen Wissenschaften als alle anderen Achsen. Damit ist offensichtlich, daß alle Achsen gleichwertig sind, d.h. ein Reduktionismus eben NICHT stattfindet. Erst dieser orthogonale Zusammenhang des Wissens erlaubt es mir, z.B. die QM als grundsätzlich nicht anschlußfähige Ideologie (in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes) zu entlarven. 

Der Dualismus nach Descartes, der bei ihm noch eine gewisse geistige Schiefllage hat, wird erst bei Leibniz zur Orthogonalität, die im Begriff der ‚prästabilisierten Harmonie“ das notwendige Nichtwissen (Nicht-wissen-können) des Zusammenhangs beider Seiten beinhaltet. Insofern erscheint mir der Dualismus als eine den Begrifflichkeiten des 17. Jahrhunderts angemessene (zweiwertige) Einfaltung der orthogonalen Vielfältigkeit klassischer! Wissenschaftsdisziplinen zu sein.

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hi Dirk,

so wie ich Dich verstehe willst Du die in den Erkenntnisprozessen enthaltenen dualistischen Sichtweisen und den Reduktionismus abschaffen, und die Welt mit einem polykontexturellen (holistischen?) nicht-dualistischen epistemischen Strukturenrealismus erklären. Erkenntnisse über was? Und welchen Dualismus? Und was versteht Du unter Polykontexturalität und Holismus?

An den Beispielen, auf die Du referiert, zum Beispiel Instrumentalismus und Mathematizismus kann ich eine Dualität nicht erkennen. Ich weiss auch nicht, worin der epistemische Strukturen-„Realismus“ sich vom ontischen Strukturen-“Realismus“ unterscheidet. Ist es nicht so, dass der ontische Strukturenrealismus den epistemischen zur Voraussetzung hat, und der Standpunkt des ontische Strukturenrealismus aber notwendige Folge eines epistemischen Strukturenrealismus ist?. 

Außerdem – wozu soll es gut sein, die klassiche Logik außer Kraft zu setzen?

Ich teile ja Deine Ansicht, dass die herrschenden Denkweisen in den Wissenschaften überwunden werden müssen (z.B. der wissenschaftliche Realismus) und finde es super gut, dass Du das immer wieder zum Theme machst. Aber ich denke, das kann man nur schrittweise machen, nicht indem man die Axt an die Wurzel legt.

Esfeld erzählt viel, wenn der Tag lang ist: „we get the relata and the relations at once as the internal structure of a whole, neither of them being eliminable or reducible to the other one.“ Das ist einfach nicht richtig. Ohne Symmetriebruch gäbe es nichts im Universum – oder wie sonst soll etwas entstanden sein? Und das Erste was entstanden ist, ist eine Einzelheit im Gegensatz zum Ganzen, und dann noch eine, und noch eine, beliebig viele-  und dann erst die Relationen, um die Einzelheiten unterscheidbar zu machen. Warum sollen gerade zwei (und nicht eine) Einzelheit und eine Relation gemeinsam als Ganzes in Erscheinung treten, warum soll ein Dreierpack sozusagen als fundamentale Einheit aus dem Nichts entstanden sein? Im Übrigen sind Abstände auch Relationen, und niemand wird behaupten, das alle Einzelteile gleich zusammen mit dem Raum (Raumabstände) und Zeit (Zeitabstände) entstanden sind – also nicht nur der Dreierpack, sondern hurra, gleich auch noch Raum und Zeit in Einem. Das wäre ja ein wahnsinniges Weltentstehungsmodell.

Esfeld hat übrigens in seinem Werk „A minimalist ontology of der natural world“ noch weitere inkonsistente Spekulationen angestellt. Es hilft alles nichts: der Strukturbegriff wird nicht von ihm, und nicht von Dir, und bisher von keinem hier, analytisch klar und argumentativ stringent definiert. Die einzige Definition, die mir einfällt ist: Strukturen sind gegebene Unterschiede (in Anlehnung an Wolfgang Sohst). Damit ist der epistemische und ontische Strukturenrealismus als Sichtweise auf die Welt eine sehr triviale Angelegenheit: natürlich erkennen wir Unterschiede, das ist sogar die kantsche Voraussetzung jeder Erkenntnis, das hat übrigens auch Herr Lyre in seinem Aufsatz „Kann moderne Physik a priori begründbar sein“ (Vortrag auf einer Tagung im Sep. 1999) als Grundlage jedes Erkennens angenommen.

Man muss doch bei den Grundlagen anfangen. Insofern ist es nicht
verkehrt, immer mal auf die Erkenntnisse der Physik zu schauen: da gibt es zum Beispiel im Universum Bosonen (Strahlungsteilchen) und Fermionen (Materieteilchen), und die Bosonen bilden keine Relationen (jedenfalls mit sich selbst, und natürlich alles als Modell). Die Esfeldsche Vorstellung, Teilchen und Relationen gehörten zusammen, ist ziemlicher Quark, weil es gem. Physik von den Teilchen, die keine Relationen bilden, den Bosonen, eben 10 Mio mal mehr im Universum gibt, als Teilchen mit Relationen.

Außerdem verschwindet auf kleinster Ebene, da wo die Materie so klein ist, und alles andere so auf Abstand ist, dass es nicht mehr mit der Materie wechselwirkt, alles in einen verschränkten Zustand, der definitionsgemäß ein Ganzes ist, ein holistisches materielles Gebilde. Warum willst Du ein solches Gebilde neu über Polykontexturalität definieren, wie sollen wir dann den verschränkten Zustand umbenennen – ein Holismus 1. Klasse, und die polykontexturalen Strukturen ein Holismus 2. Klasse – oder umgekehrt?

Versteh mich bitte nicht falsch. Ich finde Deine Überlegungen sehr gut und freue mich, dass ist etwas habe, dem ich widersprechen kann. Ich meine aber, man muss die Dinge, von denen man spricht, definieren, wir reden sonst aneinander vorbei. Vor allen Dingen was den Dualismus anbetrift. Was ist am Dualismus schlimm? Warum scheust Du ihn wie der Teufel das Weihwasser? Du bist ja damit nicht allein. Aber keiner hier hat mir je erklärt, was er genau mit Dualismus meint. Ist die zweiwertige Logik auch ein Dualismus, den es zu überwinden gilt? Oder Materie-Geist-Dualismus, wobei ich jedenfalls nicht weiss, was mit „Geist“ gemeint ist. Ich kenne nur den Welle-Teilchen-Dualismus, der ist definiert, und der ist ja, so wie ich es in meinem Beitrag zur Quantenmechanik beschreiben habe, leicht überwindbar, indem man lediglich davon ausgeht, dass physikalische Wirkung nicht instantan stattfindet (also alle steigen mathematischen Funktionen, die die Welt beschreiben, nur Näherungen sind). Also mit einer einfachen Überlegung (die weitreichend ist). Vielleicht lösen sich die anderen Dualismus auf ähnlich Weise – durch das Überwinden von Gewohnheiten im Denken.

Ich hoffe mein Beitrag ärgert Dich nicht zu sehr. Ich bin halt Physiker und will für alles erst eine Definition haben, bevor es im Diskurs verwendet wird (und als Hilfe, damit man es mit dem Verständnis einfacher hat).

Viele Grüße aus dem Bonner Dunst
Bernd

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor

Hallo Bernd,

nur ein kurzer Einwurf:

das Verständnisproblem, daß der Dualismus bei vielen auslöst, ist nachvollziehbar, weil das innere Produkt zweier Vektoren, wenn sie einen rechten Winkel einschließen, zu Null wird. Neben dieser NULL gibt es keine weitere, d.h. erklärende, affirmative oder positive Bestimmung was Orthogonalität ist. Und trotzdem benutzen wir sie jeden Tag; das rechtwinklige Koordinatensystem x,y zum Beispiel besagt: es ist Absolut nichts in y, das in x ist, y ist Absolut nicht x.
Orthogonalität ist eine Relation (eine Absolute Negation) die keine logische Entsprechung hat, weil sie eine unendliche Relation wäre. Logisch ist sie deshalb nicht zu beschreiben, weil sie die nicht abschließbare Aufzählung wäre was A nicht ist, also: A ist nicht B, nicht C, nicht D, nicht E … ad infinitum. Aber eben weil die orthogonale Negation unendlich und dadurch Absolut ist, ist sie eine Absolut widerspruchsfreie Bestimmung, nur eben keine logisch beschreibbare, herleitbare oder gar beweisbare oder widerlegbare. Aber in der Geometrie, in der klassischen Physik (Welle-Teilchen) und in der Lebenswelt benutzen wir sie ganz selbstverständlich (und erfolgreich!) jeden Tag.

Sollten die Gödelschen Sätze, die ja das Scheitern der Logifizierung der Mathematik schon an der Arithmetik behaupten, jemals widerlegt werden, ist spätestens bei der Geometrie der Bart endgültig ab.

Nicht-orthogonale, d.h.logisch-axiomatisch-definitorische Denksysteme scheitern zwangsläufig an babylonischer Sprachverwirrung, weil ihre Begriffe widersprüchlich, redundant, zirkulär, zeit-variant – kurz – komplex sind.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz,
warum wieder mal so kompliziert? Einfacher: Syntax und Semantik sind zwei verschiedene Beschreibungsweisen.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor

Hallo Wolfgang,

Ich bin kein Linguist, aber ich sehe die Sache so:

mit Syntax und Semantik kann man vielleicht (bin mir aber sehr unsicher ob dabei nicht unbemerkt dritte Komponenten einfließen) formale Sprachen zusammenbasteln, aber nicht die natürliche. Da fehlt der ganze Bereich der Pragmatik, z.B. die Anthropologie, die Semiotik, die Rhetorik und vieles mehr. In Bezug auf die natürliche Sprache halte ich Syntax und Semantik (wie Philipp es nennen würde) für brauchbare „Perspektiven“, nicht für orthogonale Dimensionen.

Da sind zum Beispiel die Tropen, die sich dem Syntax-Semantik-Denken völlig entziehen, aber, wie z.B. die Metapher, in der natürlichen Sprache omnipräsent sind. Das „ein Virus einen Computer infiziert“ ist eine semantische Katastrophe wenn man nicht eine a-logische Syntax ansetzt, und doch weiß jeder sofort, was damit gemeint ist. Es ist immer wieder erstaunlich, daß wenn, sagen wir analytische Denker, mit ihrer komplexen Logik (sorry: endlich) durch sind, fast unweigerlich die Stelle kommt: „das kann man sich vorstellen als ob…“. Und uups, da ist sie – die a-logische Metapher. Das läßt sich aus meiner Sicht auch gar nicht nicht vermeiden, denn die Metapher ist die kleine (etwas schmuddelige) Schwester der Orthogonalität.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

OK, noch einfacher:
Formale Logik (objektive Regeln, z. B. 1 + 1 = 2) und subjektive Bedeutung (individuelle Interpretation, z. B. Was bedeuten Zahlen für mich?) sind zwei verschiedene Beschreibungsebenen.
Du vermischt sie in deinem Kommentar:

Orthogonalität ist ein formallogisches Konzept (zwei Vektoren stehen senkrecht, Skalarprodukt = 0) ist keine „absolute Negation“.
Das ist wie zu sagen: „Die Regel 1 + 1 = 2 bedeutet, dass Liebe Hass ist.“

Gödels Sätze zeigen Grenzen formaler Systeme (z. B. Arithmetik), nicht der Bedeutungskonstitution.
Das ist wie zu behaupten: „Weil Mathe unvollständig ist, kann ich das Wort ‚Baum‘ nicht verstehen.“

Du projizierst formale Strukturen auf semantische Fragen – und erzeugst so Scheinprobleme.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
2 Monate zuvor

Hallo Wolfgang,

ich halte die klassische Mathematik (Arithmetik, Geometrie, Algebra) für eine orthogonale Erweiterung der Sprache, die sich in der ‚Welt‘ zeigt. Wir benutzen sie daher ‚intuitiv‘ – wenn man das als Gegenteil von formal ansehen will. Formale Sprachen dagegen stehen in einem affirmativen Abbildungsverhältnis mit der Welt, sie sind reflektierend-interpretierend (meta- bzw. meta-meta-logisch?), und darin liegt eine große Willkür. Das war übrigens Hegels Argument für eine ‚neue‘ Logik, die sich nicht interpretierend (logisch) mit den Inhalten des Bewußtseins auseinandersetzt, sondern exklusiv mit deren Struktur. Der ‚intuitive’ (nicht-falsche-und-basta!) Zusammenhang zwischen Inhalten und Struktur des Bewußtseins geht in der Formalsprache verloren, weil die Logik der Inhalte (des Bewußtseins) notwendig bedarf; sie leitet zirkulär! die Struktur affirmativ aus den Inhalten ab.

Der Linguistic Turn (die ‚Mutter‘ aller Formalsprachen, Frege über Wittgenstein bis Hilbert) ist gescheitert, weil er glaubte legitime von illegitimen Inhalten des Bewußtseins (der natürlichen Sprache) trennen zu können – woran die analytische Philosophie übrigens immer noch glaubt. In diesem Sinn scheinen mir Formalsprachen Legosprachen zu sein, die zu dysfunktionalen Legowelten führen. Der Grund: das Nichtwissen – das Nicht-wissen-können-des-Wissens – ist kein möglicher Gegenstand der Logik – während dieses Nichtwissen m.E. die Bedingung des Wissens überhaupt ist.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
2 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Heinz, dein Text vermengt mehrere grundverschiedene Konzepte.

‚Orthogonale Erweiterung der Sprache‘:
Du behauptest, klassische Mathematik sei eine intuitive, nicht-formale Erweiterung der Sprache. Doch Mathematik ist per Definition formal – ihre Stärke liegt gerade darin, dass sie unabhängig von intuitiver Sprache operiert (z. B. axiomatische Geometrie).
Und wenn du dann Mathematik als „orthogonal“ bezeichnest, widersprichst du dir selbst: Orthogonalität ist ein formales Konzept – kein intuitives.

Hegel vs. formale Logik:
Hegel kritisierte die formale Logik, weil sie für ihn die dialektische Bewegung des Geistes nicht abbilden konnte.
Hegels „neue Logik“ war aber spekulativ-metaphysisch, keine mathematische.
Moderne formale Systeme (z. B. Modallogik) können sehr wohl Strukturen analysieren, aber sie wollen keine Hegelsche Dialektik ersetzen.
Du vergleichst Äpfel (Metaphysik) mit Birnen (Mathematik).

Der Linguistic Turn und ‚Legosprachen‘:
Deine Kritik am Linguistic Turn („gescheitert, weil er Inhalte trennen wollte“) ist historisch falsch:
Freges Projekt war nie, „illegitime Inhalte“ auszusortieren, sondern Bedeutung klar von Bezug zu trennen (Sinn vs. Bedeutung).
Wittgensteins späterer Ansatz (Philosophische Untersuchungen) betont sogar die Vielfalt der Sprachspiele – das Gegenteil deiner Darstellung.
Formale Sprachen sind Werkzeuge, keine Welterklärungen. Ein Hammer ist nicht „dysfunktional“, nur weil er kein Brot schneiden kann.

‚Nichtwissen als Bedingung des Wissens‘:
Dein zentraler Punkt – dass formale Logik das „Nichtwissen“ nicht erfasse – ist ein Kategorienfehler:
Logik beschreibt, wie aus bekannten Prämissen Schlüsse gezogen werden. Sie macht keine Aussagen darüber, was wir nicht wissen.
Dass Erkenntnis immer vorläufig ist („Nichtwissen“), ist eine erkenntnistheoretische Einsicht (vgl. Popper, Kuhn) – keine Schwäche der Logik.

Du forderst von der formalen Logik, was sie nie leisten sollte: eine Theorie des Ungewissen zu sein.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
2 Monate zuvor

Hallo Wolfgang, 

dieses Thema ist genauso interessant wie es verwickelt ist. Ich lese Wittgenstein 2.0 ähnlich, wenn auch nicht so offensichtlich positivistisch, wie Wittgenstein 1.0. Aber, diese Diskussion ist auf diesem Medium nicht führbar und würde, außer uns beide, vermutlich nur wenige interessieren.

Aber eins würde mich dennoch interessieren: Hälst Du den Linguistik Turn und damit den Logischen/Empirischen Positivismus im Ansatz (also bezüglich seiner grundlegenden Ideen) für gescheitert oder nicht?

Kants Position, die ich teile: „Ich mußte das Wissen einschränken, um zum Glauben Platz zu bekommen“.

Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
2 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz,
was hat deine Antwort mit meinem Kommentar zu tun? Ich fürchte, nichts.
Aber du hast recht, das Thema interessiert niemanden, wenn ich ehrlich bin, mich auch nicht.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
2 Monate zuvor

Danke für die Antwort!

Heinz Luediger
Heinz Luediger
2 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

P.S. Es geht nicht um „Unbestimmtheit“, es geht um Unwißbarkeit!

Bernd Stein
Bernd Stein
3 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hi Heinz,
was Du beschreibst – kann man das nicht mit den einfachen Worten „sich ausschließende Tatsachen“ – oder auch sich ausschließende Möglichkeiten – beschreiben? Warum muss ich dafür das Wort Ortogonalität oder Dualismus verwenden ?
Grüße Bernd

Bernd Stein
Bernd Stein
3 Monate zuvor
Reply to  Bernd Stein

Im übrigen will ich ich nichts erklären und habe auch kein geschlossenes Denksystem. Ich will lediglich widerspruchsfrei und konsistent beschreiben – das ist alles. Ich will von der Welt reden, ohne in Widersprüche zu geraten. Dazu muss ich meine Voraussetzungen offen legen und logisch und kohärent mit der Erfahrung schlußfolgern. Ich will hier keine Theorien propagieren,
nur verständlich beschreiben.

Heinz Luediger
Heinz Luediger
3 Monate zuvor
Reply to  Bernd Stein

Hallo Bernd,

es geht nicht um Tatsachen, es geht um Begriffe, weil ‚Tatsachen‘ von Begriffen abhängen

Wenn Du Absolut widerspruchsfrei denkst HAST Du ein Denksystem (ob Du willst, es kennst, oder nicht)

Dualismus bzw. Orthogonalität beschreiben nicht den Inhalt des Denkens, sondern seine allgemeine Struktur

Es geht nicht um Theorien (-ismen) sondern um allgemein ANWENDBARE Begriffe bzw. Sätze. Aber: das ist kein platter Pragmatismus (lokale, d.h. logische Widerspruchsfreiheit), sondern das Denken des Ganzen in seiner Negation (ein ’a priori Pragmatismus‘). 

Die Kürze ist der Situation geschuldet, wenn Du Fragen hast, gern ein anders mal mehr…

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
2 Monate zuvor
Reply to  Heinz Luediger

Hallo Heinz, was meinst Du damit, dass Tatsachen von Begriffen abhängen?


Heinz Luediger
Heinz Luediger
2 Monate zuvor

Hallo Bernd,

für die alten Griechen war es ausgemachte Tatsache daß
der Kosmos aus kristallinen Sphären besteht, die die Gestirne tragen, weil sie ja sonst herunterfallen würden.

Ist doch logo – oder?

Dirk
Dirk
3 Monate zuvor

Lieber Bernd,

zunächst einmal vielen Dank für Deinen weiteren Kommentar zum Thema, der mich überhaupt nicht „ärgert“. Im Gegenteil, ich freue mich, dass Du Dich hierfür interessierst.

Du weißt, ich schätze Dich und Deine philosophischen Gedanken und Deine Hartnäckigkeit, mit der Du das „Wesen des Dings an sich“ zu ergründen suchst sehr, nur wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in Redundanzen „verstricken“. Ich habe nämlich das Gefühl, dass ich Deine Fragen zum „polykontexturellen (holistischen?) nicht-dualistischen epistemischen Strukturenrealismus“ schon sehr oft zu beantworten versucht habe.

Eine ausführliche Darstellung findest Du übrigens auch in Heinz‘ Kommentar. Wenn ich das hier jetzt schon wieder alles erläutere und zitiere, wird wahrscheinlich die/der letzte geneigte Leser*in in den „offset-Modus“ schalten. Ich möchte einer Diskussion aber keinesfall ausweichen, sondern wir können uns gerne noch einmal explizit darüber unterhalten, wenn wir uns mal wieder IRL treffen. Was hältst Du davon?

Liebe Grüße aus dem Münsterländer Abendland
Dirk

Bernd Stein
Bernd Stein
3 Monate zuvor
Reply to  Dirk

Machen wir !
Bernd

Roswitha Steffens
Roswitha Steffens
1 Monat zuvor

Bewusstsein ist etwas, das mit jemandem in Beziehung tritt, der damit eine dauerhafte Verbindung herstellt, die zwischen den beiden erhalten bleibt und ihren gemeinsamen Weg durch die Zeit als Raum hervorbringt. Zunächst ist das Bewusstsein damit erfüllt, doch im bestehenden Raum oder sage ich besser über den Bestand im Raum aus diesem Bewusstsein herrscht Uneinigkeit. Sie mag, begründet in seiner Einheit oder hervorgerufen durch ihre Wiedergeburt einen gewissen Stillstand auslösen, der sich über einen Zeitraum hinweg ergibt, in dem sich alle miteinander auseinandersetzen müssen, die das Bewusstsein in seiner Beziehung zu ihrer Identität und seiner Einheit stärken wollen.

Erst im Übergang vom Bewussten Dasein in eine unbewusste Zeit, die sich in ihrer Wiederholung aus verschiedenen Zeiteinheiten ergibt, werden Gesetzmäßigkeiten sichtbar, die das Bewusstsein begründen kann, indem es eine ganz bestimmte Identität annimmt und mit ihr zusammenarbeitet. Gemeinsam bestätigen Bewusstsein, Identität und Zusammenarbeit in ihrer Koexistenz die Einheit, aus der sich alles zu einem einzigen Tag ergibt.

Dieser eine Tag, ich will ihn Alltag nennen, der Beginn des Lebens, das im Prinzip als bewegendes Ereignis für das Bewusstsein anlegt, was es braucht, um gemeinsam zutage treten zu können, sodass dieses Ereignis der Urknall, durch Gott zusammengeführt von der Identität herausgefordert wird, die sich ihrer Einheit bereits bewusst, seiner Einheit annähert. Diesen Annäherungsversuch verstehe ich in meiner Existenz als Mutter durch die Geburt von Jesus, der als Teilidentität des Vaters auftritt, für dessen Bewusstsein die Einheit zu sprechen lehrte, wer sie erreicht hat.

Das Sprechen zu lernen ist abhängig von den Vorbildern, die in seinem Bewusstsein existieren, jedoch erst in Kraft treten, wenn sie, von ihm angesprochen, weiß, dass es ihre Identität braucht, um seine ganze Kapazität freizugeben. Identitäre Kraft, ich will sie Autorität nennen, gilt für das Primat (Vater/Mutter) allen Lebens, sodass es in seiner primären Stellung vor dem Bewusstsein erst im Bewusstsein dafür, die Einheit erreichen kann, durch die es fortsetzt, was er, der Primat ihres Lebens in seiner Würde hervorbringt.

Mein Leben fand Raum im Herz von Franziskus, ein Herz, dessen Bewusstsein den Urknall integriert, sodass er nichts von seiner Bedeutung für die Menschheit verliert. Seine Intelligenz schuf im Bewusstsein für ihre Naturgewalten einen Erkenntnisraum, aus dem schöpfen kann, wer als Mensch vom Leben bereits integriert, mit seinem Bewusstsein verbunden bleibt. Die eigene Identität wirkt darin unbedeutend und klein, ersetzt sie doch niemals das Herz von dem alles Leben ausgeht, indem es sich in seiner Einheit und ihrer Würde als Primat rechtfertigen kann.

Ich hoffe mein Kommentar kann zur Bereicherung dieses Beitrags beitragen, denn den Erkenntnisraum, von dem ich spreche repräsentiert ein Netzwerk aus Menschen, die im Bewusstsein füreinander, miteinander verbunden sind, sodass sein Herz immer wissen will, was aus der Einheit hervortritt, die sich an ihm erfüllt weiß.

Würde nicht jeder Mensch gerne wissen, wie sein ganz eigener Blick auf die Vergangenheit für die Zukunft Bedeutung gewinnt?

Wie können wir im Bewusstsein für das Leben der Einheit trotzen, die sich daraus für den Menschen ergibt, der sich mit ihrer Gegenwart auseinandersetzt?

Bei aller Liebe, wem das zu kompliziert ist, der findet in seinem eigenen Herz alles, was das Leben hervorbringen kann, da es sich in seiner Einheit einzig an die Menschheit wendet, die es ganz und gar verstehen will.

Philo
Philo
4 Tage zuvor

Lieber H. V.,

es gibt also doch noch Menschen in „Philosophie Gruppen“ auf Facebook, die sich inhaltlich mit Artikeln auseinandersetzen und sogar noch etwas dazu schreiben wollen ;-). Daher lassen Sie mich Ihnen zunächst einmal meinen herzlichen Dank aussprechen für Ihre „Skizze einer Kritik des Artikels“, auch wenn inhaltlich natürlich nicht mit Ihnen übereinstimme. Also kommen wir zu dem Inhaltlichen Ihrer Kritik:

Sie machen zunächst einmal die „passenden Schubladen“ (wie in Philosophiekreisen leider allzu oft üblich) auf, um mich dort besser mit den entsprechenden Etiketten „epistemischen strukturellen Realismus, Pragmatismus, erkenntnis-skeptizismus, Nihilismus“ zu verorten. Dann wollen wir doch mal reinschauen.

Zu „epistemischen strukturellen Realismus“: Okay, moderater ESR mach ich mit, obwohl ich lieber von „Polykontexturalität“ sprechen möchte, da der ESR meines Erachtens nicht wirklich hilft die dualistische, „grundlegende Lücke zum Verhältnis von „Konstruktivismus vs. Realismus“ in Bezug auf unser „Bewusstsein“ zu schließen“. Habe ich auch so in meinem Essay geschrieben, wenn ich hier aus dem Fazit zitieren dürfte:

„Daher denke ich, dass ein moderater, epistemischer Strukturenrealismus, der mit einer prozessualen Neurophilosophie interdisziplinär zusammenarbeiten würde, hier vielleicht ein paar Fortschritte zur Aufklärung der Konstitution des Bewusstseins bringen könnte.

Aus diesem Grunde wäre es doch vielleicht mal wieder Zeit über den so oft beschworenen „Paradigmenwechsel“ nachzudenken. Da diese Form des Holismus oder Polykontexturalität vielleicht auch zur Lösung anderer aktueller Probleme und Krisen beitragen könnte.“ (https://philosophies.de/index.php/2025/01/04/konstruktivismus-vs-realismus/)

Zu „Pragmatismus“: Klar warum denn nicht? Endlich mal raus aus dem „Elfenbeintürmchen“ 😉

Zu „erkenntnis-skeptizismus“: Das passt eher nicht, lieber „Anthropzentrismus“ oder wenn überhaupt „Neuroskeptizismus“ (https://www.dasgehirn.info/entdecken/neurokritik/neuroskeptizismus-im-zweifel-gegen-den-angeklagten). Klar, können wir zu einigermaßen gesicherten Erkenntnissen kommen. Der wissenschaftliche Realismus funktioniert ganz gut, wenn man das „Wir irren uns empor!“ von Ihrem Fast-Namensvetter dem Physiker und Philosophen Gerhard Vollmer miteinschließt ;-). Wir haben aus meiner bescheidenen Sicht allerdings keinen Zugriff auf eine metaphysische Ontologie. Daher bleibt alle Erkenntnis nur für uns gültig. Wenn Sie das mit Erkenntnis-Skeptizismus meinten, dann gebe ich Ihnen Recht.

Zu „Nihilismus“: ne, das passt gar nicht, da er ja laut Defintion „Gültigkeit jeglicher Seins-, Erkenntnis-, Wert- und Gesellschaftsordnung verneint“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Nihilismus). Das macht ja wirklich keinen „Sinn“. Wenn überhaupt Nihilismus, dann im Sinne Nietzsches und nicht im Sinne Schopenhauers: „Nietzsche wollte nicht nur destruktiv im Pessimismus verharren wie Schopenhauer, sondern suchte eine Perspektive zur Überwindung des Nihilismus.“, um den besagten „Paradigmenwechsel“ anzuschieben.

Zu „Es passt aber gut zu der heutigen Gesellschaft und der Zeit auch wenn es die Realität nicht beschreibt. Man möchte sich auf nichts festlegen alles wird hinterfragt und in Frage gestellt. Es werden aber auch keine Alternativen angeboten. Gleichzeitig lässt man alles offen und somit auch alles zu.“: Da gebe ich Ihnen absolut Recht. Das beobachte ich auch mit immer größerem Ärgernis. Für mich ist auch „Feierabend“ mit dem Methodenpluralismus in Feyerabends „Anything goes“, dann schon lieber „The Structure of Scientific Revolutionsvon Thomas S. Kuhn. Daher Alternativen habe ich, denke ich, genug angeboten. Wir sind nur leider, auch wenn es schon April ist, immer noch im „Vormärz“ ;-).

Zu Ihrem Hinweis auf die „strohmänner“ oder der Kritik am „Realismus“ „Er begründet nämlich die Ablehnung des Realismus durch die Ablehnung des naivenrealismus. Diesen vertritt aber heutzutage so gut wie keiner mehr und schon gar kein ernstzunehmender Realist: Das ist ja gerade der Witz am „Realismus“, dass er gar nicht merkt wie stark er von Bedingungen und Konditionen abhängig ist. Also insofern eine naive Einstellung gegebenüber dem ontologischen Zugriff auf die Realität hat. Derlei „ernstzunehmende Realisten“ sind mir leider schon des Häufigeren auch heutzutage noch über den Weg gelaufen. Einfaches Beispiel: Fragen Sie doch mal einen Naturwissenschaftler, vielleicht einen Physiker, inwiefern er an dem „Erkenntnisobjekt“ als „Forschersubjekt“ in dem „Untersuchungsprozess“ beteiligt ist. Sie erhalten fast immer die Antwort: „Gar nicht, da es sich um objektive Erkenntnisse handelt!“ Entschuldigung, aber das klingt für mich eher nach „naivenrealismus“ und ich meine dies nicht nur als „Unschärferelation“.

Zu der Kritik der Form des Aufsatzes das „Fiktion und philosophisches miteinander vermengt“ werden: Ja, das beschreiben Sie völlig korrekt. Deshalb weise ich auch immer darauf hin, dass es sich um keinen fachwissenschaftlichen Aufsatz handelt, sondern um einen Essay. Daher vielen Dank für das Kompliment in Bezug auf die „intellektualität des Autors“. Aber darum geht es gar nicht. Es geht mir in meinem Projekt viel mehr darum: „Die unterschiedlichen Essays („etwas längere Blogs“ 😉) auf philosophies sollen sich daher mit den vielfältigen Aspekten von Wissenschaft und Philosophie in unserer heutigen Zeit beschäftigen. Es gilt dabei den Staub von den alten Buchdeckeln weg zu pusten und den Weg aus dem einsamen Elfenbeinturm zu ermöglichen. (https://philosophies.de/index.php/ueber-das-projekt/). Wenn ich zu diesem Zwecke, wie Sie schreiben „wie in der modernen Werbung mit Gefühlen gearbeitet und nicht mit Argumenten.“, ist das zunächst einmal Ihre Meinung. Aber die Argumente sind alle in meinem Essay nachzulesen und zu überprüfen und für die Wirkung kann ich nichts. Wenn es aber wie in Ihrem Falle geholfen hat, Ihr Interesse zu wecken und Sie zu einer Reaktion zu bewegen, dann hat es doch sein Ziel erreicht ;-).

Daher bin ich auch schon sehr auf Ihre„ Analyse und Kritik des philosophischen Inhalts des Artikels, und des epistemischen Strukturalismus“ gespannt. Sie können diese übrigens auch gerne als Kommentar auf meiner Seite hinterlassen, damit vielleicht auch noch andere Kommentatoren mitmachen können.

Vielen Dank für Ihr Interesse und viele Grüße

Bernd-Juergen Stein
Bernd-Juergen Stein
3 Tage zuvor
Reply to  Philo

Hallo Philo Sopies, – bist Du wirklich der Meinung, den naiven Realismus würde heute keiner mehr vertreten? gem. Zitat: „Diesen vertritt aber heutzutage so gut wie keiner mehr und schon gar kein ernstzunehmender Realist.“ Wenn Du dieser menung bist – dann irrst Du aber gewaltig. Das naiv-realistische Realitätsverständnis ist bei 95 % (und mehr) aller Naturwissenschaftler und Philosophen so präsent wie nie. Als Gründe kann ich Dir mehrere nennen, aber der Hauptgrund ist, dass alles andere gegen unsere Denkgewohnheiten ist, an denen wir auf Teufel komm raus festhalten.
Grüße Bernd