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Gastbeitrag von Dr. Bernd Stein: „Die Lösung der Rätsel der Quantenphysik“
Der hier veröffentliche Essay stammt von Bernd Stein, der schon häufiger auf meinem Wissenschaftsblog exzellente Texte geschrieben hat, wie z. B. sein letzten Gastbeitrag „Das Ding an sich“. In diesem neuen Beitrag, der auf meiner Seite zum ersten Mal exklusiv veröffentlicht worden ist, versucht Bernd Antworten zur „Lösung der Rätsel der Quantenphysik“ zu finden.
Sein erklärtes Ziel ist hierbei aber „die Ontologie der Physik widerspruchfrei und kohärent mit unserer Alltagserfahrung zu beschreiben“. Es soll ausdrücklich nicht durch einen mathematischen Formalismus oder eine neue Metaphysik versucht werden, die Probleme der modernen Physik und der Quantenphysik zu überwinden. Im Gegenteil Bernd versucht auf den Alltagserfahrungen eines jeden Menschen aufzubauen, dass jeder zunächst einmal in einer „Welt vieler Möglichkeiten“ lebt, in der aber immer nur eine geringe Anzahl realisiert werden. Dadurch, dass eine Möglichkeit aus den Potentialitäten ausgewählt wird, wird sie erst konkret messbar und beobachtbar.
Das Problem der „Nicht-Observabilität“ begegnet einem in der Quantenphysik ja des Häufigeren, ebenso wie die fehlende Anschaulichkeit des Untersuchungsgegenstandes. Daher ist man umso froher, wenn einem mal ein alternatives Konzept vorgeschlagen wird, das einen ganz anderen Blick auf das Problem nehmen lässt. Bernd hat dies in diesem Exzerpt schon einmal probeweise versucht.
Die geneigte Leserin oder der geneigte Leser sei an dieser Stelle aber auch schon einmal auf das bereits von ihm veröffentlichte, sehr lesenswerte Buch „Das Dilemma der Physik und seine Überwindung“ und sein Paper „Felder, Wellen, Quantenobjekte – Versuch einer einheitlichen Beschreibung physikalischer Ontologie“, wo er ein wenig detailierter auf das erwähnte Problem der Quantenphysik und seine Lösungsmöglichkeiten eingeht. Über zahlreiche Kommentare und Rückmeldungen würden wir uns natürlich sehr freuen. Jetzt möchte ich aber lieber Bernd zu Worte kommen lassen, damit er seine Konzept schon einmal in diesem Essay vorstellen kann:
Die Lösung der Rätsel der Quantenphysik
– oder wie sich die Ontologie der Physik widerspruchfrei und kohärent mit unserer Alltagserfahrung beschreiben lässt
Problemstellung
Die moderne Feld- und Quantenphysik hat eine Reihe tiefgreifender philosophischer Fragen aufgeworfen, die trotz großer Bemühungen über ein Jahrhundert hinweg bis heute nicht befriedigend beantwortet werden konnten:
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Worin besteht die Ontologie statischer Felder und elektromagnetischer Wellen?
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Wie „entstehen“ Eigenschaften oder „Zustände“ beim Messvorgang an Quantenobjekten (quantenphysikalisches „Messproblem“)?
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Was verursacht Messkorrelationen beim Zerfall von Verschränkungen – lax gefragt: wie kommt die „spukhafte Fernwirkung“ von Quantenobjekten zustande („Nicht-Lokalität“)?
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Wie entstehen die Interferenzen beim Doppelspaltversuch (Teilchen zeigen angeblich Welleneigenschaften – Welle-Teilchen-Dualismus).
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Welche Realität beschreibt der mathematische Apparat der Feld- und Quantentheorien?
Die Physik kann diese Fragen nur anhand von Modellen beantworten, denen in der Grundlegung Konsistenz oder Logik fehlt. Aus Sicht der Physik können Quantenobjekte sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften haben (Welle-Teilchen-Dualismus). Die Beschreibung der fundamentalen physikalischen Bausteine dieser Welt ist daher nur mit einem Kategorienfehler möglich. Aus dieser Not heraus behaupten viele Physiker, unser klassisches Kategoriensystem würde nicht ausreichen, um die Quantenwelt angemessen zu beschreiben. Sie behaupten, dass uns die Quantentheorien zu einer neuen, bisher ungewohnten ontologischen Perspektive zwingt. Sie fordern eine neue Art des Denkens, die unsere konventionellen Begriffe und Konzepte über den Grund der physikalischen Welt erweitert oder transzendiert. Angeblich offenbart die Quantenphysik sogar die Grenzen unserer Erkenntnismöglichkeiten, und zeigt auf, dass die Natur der Realität möglicherweise so komplex und widersprüchlich ist, dass sie von unseren klassischen Begriffen nicht erfasst werden kann.
Die Physik kann die obigen Fragen mit ihren Begriffen, Methoden und ihrem Realitätsverständnis nicht beantworten, weil es wissenschaftstheoretische und erkenntnistheoretische Fragen sind, die gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Physik fallen. Auf die von Physikern vielfach propagierte neue Art des Denkens sollten sich Philosophen meiner Ansicht nach nicht einlassen. In meiner Publikation versuche ich daher – nach den althergebrachten Regeln des philosophischen Diskurses, nämlich auf der Grundlage klarer Analyse und mit stringenter Argumentation, wenn auch mit starker Referenz zur Physik – durch rein philosophische Überlegungen eine verständliche – das heißt mit der Alltagserfahrung kohärente – Antwort auf die obigen Fragen zu geben, und zwar durch eine widerspruchsfreie Beschreibung der Ontologie – durch Beschreibung, durch mehr nicht!
Lösungsansatz
Ich zeige zunächst auf, dass die obigen Fragen aus einer realistischen Perspektive (zum Beispiel aus der des wissenschaftlichen Realismus) grundsätzlich nicht zu beantworten sind. Die meisten Realisten gehen davon aus, dass die physikalische Welt auf bestimmte Weise beschaffen ist, und wir uns mit unseren besten Theorien der Wahrheit dieser Beschaffenheit immer weiter annähern. Eine bestimmte Beschaffenheit der physikalischen Welt wird aber von der Mathematik der Feld- und Quantentheorien gar nicht beschrieben, und sie kann auch aus den Experimenten nicht entnommen werden: gleiche Experimente lassen sich mit unterschiedlichen Ontologien erklären. Dem Realisten fehlen zudem Begriffe, mit denen die Unbestimmtheiten, die bei Betrachtung der Quantenwelt aus realistischer Perspektive notorisch auftreten, kohärent mit unserer Erfahrung und Intuition erklärt werden könnten. Schon aus diesen Gründen plädiere ich in meinem Publikation dafür, die physikalische Welt nicht aus der eingeschränkten Sicht des Realisten zu betrachten – eine Sicht, in die wir alle (Physiker(innen) und Philosophen) leider aus Denkgewohnheit immer wieder – fast unvermeidlich wie ich meine – zurückfallen.
Der Realist glaubt, dass alles, was geschieht, in Übereinstimmung mit Naturgesetzen auf lokale und reale Ursachen rückführbar ist, zum Beispiel auf Kräfte. Man kann Ursächlichkeit aber auch anders beschreiben, nämlich als Reduktion von zunächst allgemeiner Potentialität im Zeitverlauf auf etwas, das einzig und allein möglich ist. Dazu muss man bei der Betrachtung der äußeren Welt neben der Wirklichkeit auch den modalen Teil der Realität – die vorhandenen Potentialitäten – ins Blickfeld rücken. Potentialität ist nur ein anderes Wort für eine vorhandene Menge an Möglichkeiten, und jeder einzelnen Wirkung, jeder Veränderung, geht die Möglichkeit dieser Wirkung und Veränderung voraus. Ohne vorherige Möglichkeit von Wirklichkeit entsteht keine Wirklichkeit. Nicht nur Wirkliches ist dann kausal, auch Möglichkeiten können gewissermaßen „kausal wirken“, nämlich dann, wenn eine Menge beliebig vieler Möglichkeiten (Potentialität) durch äußere Zwänge (Veränderung äußerer Fakten) immer weiter reduziert wird, bis es am Ende nur noch eine einzige Möglichkeit für ein Geschehen gibt. Wenn nur noch ein Geschehen möglich ist, geschieht nun mal zwangsläufig genau das.
Ich plädiere in meinem Aufsatz dafür, das unter Physiker(innen) vorherrschende Realitäts-verständnis zu erweitern, indem der realen physikalischen Welt, dem Untersuchungsgegenstand der Physik, bestehend aus physikalischen Gegenstanden, Eigenschaften und Kräften (Relationen) in Zeit und Raum, eine weitere kategoriale ontologische Entität, nämlich Mengen an Möglichkeiten, hinzugefügt wird. Damit wird der realen physikalischen Welt im Gegenwartsmoment, genannt Wirklichkeit, eine zweite Welt, die modale Welt der Möglichkeiten, gleichrangig beiseitegestellt. Die physikalische Realität konstituiert sich dann aus zwei Welten, Wirklichkeit und Möglichkeiten (das ist nur eine Konkretisierung der Potentialität), und diese beiden Welten bedingen sich gegenseitig – die Realität des Gegenwartsmoments besteht aus Wirklichkeiten und Möglichkeiten. Das ist eine andere Realität als die des wissenschaftlichen Realismus – und mit diesem Realitätsverständnis, so behaupte ich, kann man eine Antwort auf die obigen Fragen geben.
Denn anstelle von Eigenschaften kann man dann den Gegenständen nun Orts- und Zustands-Möglichkeiten zuordnen. Kann man ihnen viele Möglichkeiten gleichzeitig zuordnen, muss man Ort und Zustand als unbestimmt bezeichnen. Aber wenn sich die äußeren Bedingungen ändern, und sich dadurch die Zahl der Möglichkeiten für Ort und Zustand der Gegenstände verringern, bis es am Ende nur eine Möglichkeit für Ort und Zustand gibt, dann ist Ort und Zustand bestimmt, dann „ist“ ein Gegenstand an einem (neuen) Ort, und er „ist“ in einem (neuen) bestimmten Zustand (im Sinne einer Zuordnung). Es sind dann nicht die äußeren Bedingungen, die unmittelbare kausale Wirksamkeit entfalten (sie tun es nur indirekt), unmittelbar kausal ist die durch äußere Bedingungen herbeigeführte Reduktion von Möglichkeiten auf eine einzige und letzte (Reduktion der Potentialität auf das Einzig-Mögliche). Ein Vorgang im modalen Teil der Realität (Reduktion von Möglichkeiten) führt dann zu einem Ereignis: dabei „wandelt sich“ Modales in Wirkliches, Beliebiges reduziert sich auf Bestimmtes, eine Möglichkeit „verwirklicht“ sich. Platt gesagt: Wirklichkeit „entsteht aus“ Möglichkeit.
Ich plädiere dafür, bei der Betrachtung der physikalischen Welt den modalen Teil dieser Welt (die jeweils aktuellen Potentialitäten) ins Blickfeld und ins Kalkül zu nehmen. Solche ungewöhnlichen und weitreichenden philosophischen Thesen müssen jedoch auf sorgfältig entwickelten festen Grund gestellt werden. Die dazu gehörende umfangreiche Argumentation kann aus Platzgründen hier nicht dargestellt werden, der interessierte Leser wird dazu auf die Originaltexte verwiesen. Ich stelle zunächst nur die Ergebnisse dar, die sich von einem moderaten konstruktivistischen Blickwinkel auf die physikalische Realität ergeben, wenn diese um einen modalen Anteil (Möglichkeiten als Konkretisierung von Potentialität) erweitert ist. Ich wende also die neuen Begriffe und Konzepte zunächst nur an, und schon die Anwendung zeigt, dass dann eine widerspruchsfreie und konsistente Beschreibung der Quantenwelten möglich ist, mit der sich die eingangs genannten philosophischen Fragen der Quantenphysik (fast wie von selbst) beantworten. Philosophische Überlegungen lösen so die Rätsel der Feld- und Quantenphysik, aber nicht mit neuen „Theorien“, sondern mit einem erweiterten Blickwinkel auf das physikalische Geschehen in seiner Gesamtheit auf allen Größenebenen.
Was die Schrödingergleichung beschreibt
Schlüssel für eine verständliche Beschreibung der physikalischen Ontologien ist die Interpretation der Schrödingergleichung als Beschreibung des modalen Teils der Realität (der Mannigfaltigkeiten der Möglichkeiten).
Die Schrödingergleichung beschreibt mit ihrem Term ψ (Wellenfunktion oder Zustandsvektor) keine Wirklichkeit. Der Term ψ repräsentiert auch keinen aus der Mathematik irgendwie „herausgedeuteten“ Zustand, der gar durch physikalische Eigenschaften charakterisiert ist. Die Schrödingergleichung beschreibt die Möglichkeiten, die unter allen möglichen äußeren Bedingungen bestehen, einem Quantenobjekt einen bestimmten Wert einer physikalischen Größe zuordnen zu können.
Ich deute die Gleichung folgendermaßen: Man kann ein Quantenobjekt im Allgemeinen (wenn man keine Vorerfahrung hat) nicht als Objekt beschreiben, dass jederzeit an einem Ort ist, oder sich jederzeit in einem Zustand befindet – die realistische Betrachtungsweise scheitert. Man kann jederzeit nur sagen, es kann sich an allen möglichen Orten befinden, es kann alle möglichen Zustände einnehmen (es ist keine Zuordnung eines bestimmten Ortes oder Zustands möglich), und zwar deshalb, weil im Allgemeinen die physikalische Umgebung des Quantenobjekts, die apparativen Bedingungen, allgemein die physikalischen Anfangs-, Rand- oder Messbedingungen (zukünftig „äußere Bedingungen“ genannt) viele Möglichkeiten für Ort und Zustand zulassen. Schließlich sind es die äußeren Bedingungen, die die Möglichkeiten des Quantenobjekts, einen Ort oder Zustand einzunehmen, eröffnen oder beschränken. Der Term ψ in der Gleichung (Wellenfunktion oder Zustandsvektor genannt) repräsentiert diese von den äußeren Bedingungen geschaffenen Mengen an Möglichkeiten. Die äußeren Bedingungen werden durch den Hamilton-Operator (Term H) formal beschrieben. Die von den äußeren Bedingungen eröffneten oder zugelassenen Möglichkeiten werden mathematisch als Elemente eines algebraischen Raumes dargestellt (Hilbertraum).
Betrachten wir als Beispiel zunächst nur die Möglichkeit des Quantenobjekts, einen Ort „einzunehmen“ (im Sinne einer Zuordnung). Wenn die äußeren Bedingungen durch H nicht festgelegt sind, können wir dem Quantenobjekt zu jedem Zeitpunkt viele Ortsmöglichkeiten zuordnen (ψ steht für die Menge der Ortsmöglichkeiten). Der Ort des Quantenobjekts ist – unter diesen Bedingungen – „ontisch unbestimmt“. Die äußeren Bedingungen können sich aber ändern, und mit ihnen auch die Möglichkeiten des Quantenobjekts für die Einnahme eines Ortes (Zuordnung eines Ortes). Wenn das Quantenobjekt zum Beispiel durch die Blende eines Ortsmessgerätes hindurchtritt (der Term H verweist dann auf genau festgelegte äußere (Mess-) Bedingungen), hat das Quantenobjekt nur noch eine einzige Möglichkeit an einem Ort zu sein (und, adjungiert, keine Möglichkeit woanders zu sein). Dann und genau dann können wir dem Objekt nur noch eine Möglichkeit (und, adjungiert, keine andere) für einen Ort zuordnen, und dann kann man sagen: es ist an diesem Ort. Das gleiche gilt für die Möglichkeiten des Quantenobjekts, einen bestimmten Bewegungs- oder Energie- oder Spinzustand einzunehmen: Sind die äußeren Bedingungen (durch den Term H) nicht vollständig festgelegt, kann man dem Quantenobjekt zu jedem Zeitpunkt viele Möglichkeiten für die Einnahme eines solchen Zustands zuordnen, der Zustand des Objekts ist dann unbestimmt, in dem Sinne, dass wir den Zustand nicht durch bestimmte physikalische Größen kennzeichnen können. Beschränken die äußeren Bedingungen die Möglichkeiten des Quantenobjekts jedoch so weit, dass das Quantenobjekt nur noch eine einzige Möglichkeit hat, einen bestimmten Zustand einzunehmen, dann Ist das Quantenobjekt ist in diesem Zustand, in dem Sinne, dass eine Zustandsbeschreibung mit definierten physikalischen Größen möglich ist (eine Zuordnung ist möglich).
Die Schrödingergleichung beschreibt also – kurz gesagt – mit dem Term ψ die Möglichkeiten des Quantenobjekts, einen bestimmten Ort oder Zustand einzunehmen (im Sinne einer Zuordnung), und diese Möglichkeiten werden von den äußeren Bedingungen – formalisiert durch den Term H – eröffnet oder beschränkt. Die Schrödingergleichung beschreibt keine Realität, sondern Potentialität – konkret die Menge an Möglichkeiten einer Zustandsbestimmung- oder -zuordnung, die das Objekt zu jeder Zeit hat.
Die Lösung des physikalischen Messproblems
Haben sich die Möglichkeiten des Quantenobjekts für die Einnahme eines bestimmten Zustands im Zuge einer Messung (veränderte Randbedingungen) so weitgehend reduziert, dass es für das Quantenobjekt nur noch eine einzige Möglichkeit für einen Zustand gibt, zum Beispiel die Möglichkeit für einen Ort beim Durchtritt durch die Messblende eines Ortsmessgerätes, verliert die Schrödingergleichung ihre Gültigkeit. Dann gibt es keine Möglichkeiten mehr, die mathematisch beschrieben werden könnten, der eigentliche Gegenstand der Beschreibung der Schrödingergleichung (Möglichkeiten-Mengen) geht verloren, genau gesagt: ψ ist nicht mehr definiert. Man kann das so auffassen, dass diese letzte Möglichkeit „verschwunden“ ist, weil sie sich „verwirklicht“ hat. Man kann noch einfacher sagen: die Zuordnung eines Messwertes ist plötzlich möglich, weil eine einzige Möglichkeit für einen Zustand von dem zugehörigen wirklichen Zustand nicht unterscheidbar ist. Oder man drückt es so aus: wenn die Potentialität des Geschehens auf das Vorhandensein einer einzigen Möglichkeit für den Wert einer physikalischen Größe reduziert ist, kann man der physikalischen Größe genau diesen Wert zuordnen.
Da gibt es also bei einer Messung oder Wechselwirkung keine Erzeugung oder Entstehung eines bestimmten Zustandes aus einem unbestimmten Zustand im Sinne einer Zustands-Schöpfung, sondern – im physikalischen Jargon gesprochen – einfach nur eine Aufhebung von „Freiheiten“ (Möglichkeiten). Messen heißt nicht, Bestimmtheit herstellen, sondern objektive („ontische“) Unbestimmtheiten beseitigen: das Messobjekt ist vor der Messung unbestimmt, in dem Sinne, dass ihm viele Möglichkeiten zukommen, in einem Zustand zu sein, welcher durch einen möglichen Messwert charakterisiert wird. Diese vielen Möglichkeiten reduzieren sich beim Messvorgang (Änderung der Umgebungsbedingungen) auf eine einzige Möglichkeit, der Zustand des Messobjekts ist dann durch den Messwert bestimmt, genau gesagt können wir dem Messobjekt dann zur Beschreibung einen Messwert zuordnen. Die Schrödingergleichung ist logischerweise gültig bis zu dem Moment, in dem ihr Beschreibungsgegenstand, eine Menge an Möglichkeiten ψ, verloren geht.
Das, was beim Messvorgang geschieht, kann vom Standpunkt des Realisten aus nicht beschrieben werden. Denn im Begriffsinventar des wissenschaftlichen Realismus fehlt ein passender (Eigenschafts-) Begriff, mit dem ausgedrückt werden kann, dass einem betrachteten Quantenobjekt etwas zukommt, was es ontisch unbestimmt macht. Wenn wir aber einem Quantenobjekt statt Eigenschaften Möglichkeiten zuordnen, kann diese Art von Unbestimmtheit und Bestimmtheit verständlich gemacht werden: Unbestimmtheit durch die Existenz mehrerer Möglichkeiten für die Einnahme eines Zustands mit definierten Eigenschaften, und Bestimmtheit durch die Existenz nur einer Möglichkeit dafür. Das Messproblem wird damit zu einem Pseudoproblem: die Mathematik beschreibt keine „Zustände“ eines Quantenobjekts, sondern Möglichkeiten für die Einnahme eines definierten Zustands unter gegebenen Randbedingungen („Einnahme“ als sprachlicher Ausdruck für eine Zuordnung), und die Beschreibung endet schlicht und ergreifend da, wo es nicht mehr mehrere Möglichkeiten gibt, sondern nur noch eine, dargestellt durch ein Faktum, das aus dieser einen Möglichkeit zum Preis ihres eigenen Untergangs notwendigerweise hervorgegangen ist.
Was die Mathematik physikalischer Theorien beschreibt
Die Natur der mathematischen Wahrheit und ihr Verhältnis zur physikalischen Wirklichkeit ist trotz aller Erfolge der Naturwissenschaften immer noch ungeklärt: wir wissen nicht, was uns die Mathematik der Feld- und Quantentheorien über die Ontologie dieser Welt sagt, genauer: sie weist nur auf Aspekte der Ontologie hin, die für den Funktionalismus von Bedeutung sind. Erweitert man die physikalische Welt (die Wirklichkeit) um einen modalen Teil (die Möglichkeiten), ist eine Antwort auf diese Frage möglich, und zwar wie folgt:
Wenn die Mathematik der klassischen Physik in ihrer allgemeinen Form (keine Randbedingungen vorgegeben) die Gegenstände beschreibt, denen man immer nur eine einzige Zustandsmöglichkeit zuordnen kann (weil die äußere Umgebung der Gegenstände nur eine Möglichkeit zulässt), und wenn die Mathematik der Quantentheorien in ihrer allgemeinen Form Gegenstände beschreibt, denen man immer gleichzeitig viele Möglichkeiten eines Zustands zuordnen kann (weil die äußere Umgebung dies erlaubt), dann beschreibt die Mathematik aller physikalischen Theorien in ihrer allgemeinen Form das Gleiche, nämlich Möglichkeiten. Sie beschreibt in ihrer allgemeinen Form die Potentialitäten, die von den physikalischen Tatsachen (den äußeren Bedingungen) im Gültigkeitsbereich der Theorie geschaffen werden. Das sind Möglichkeiten für Ort, Zustände und Geschehnisse, nicht den Ort, die Zustände oder Geschehnisse selbst. Es sind die Möglichkeiten, unter welchen Bedingungen ein bestimmter Wert einer physikalischen Bestimmungsgröße gemessen werden kann. Je mehr Anfangs- und Randbedingungen in die Mathematik eingesetzt werden, umso mehr werden die beschriebenen Möglichkeiten eingeschränkt. Sind alle möglichen Randbedingungen eingesetzt, dann sind die zuzuordnenden Möglichkeiten auf eine einzige reduziert, diese letzte Möglichkeit zeigt sich dann realisiert in einem vorhergesagten Wert einer physikalischen Bestimmungsgröße (zum Beispiel einem Messwert). Damit ist klar: Die Mathematik beschreibt in ihrer allgemeinen Form nicht das Wirkliche, sie beschreibt das Mögliche (Möglichkeiten), dies aber in einheitlicher Form, über alle Größenklassen hinweg.
Wie Verschränkung und Messkorrelationen zustande kommen
Mit dem Begriff der Möglichkeit ist auch eine plausible und widerspruchsfreie Beschreibung des Zustandekommens von Messkorrelationen beim Zerfall verschränkter Systeme möglich:
Zwei Quantenobjekte können sich bekanntlich zu einem wohlbestimmten System zusammenschließen, wobei aber die beiden Teile in keinem bestimmten Zustand sind (verschränktes System). Wir können den beiden Teilen des Systems im Rahmen einer Beschreibung deshalb keinen definierten Zustand zuordnen, weil sie in einer Situation sind, in der sie mehrere Möglichkeiten für die Einnahme eines definierten Zustands gleichzeitig haben, und aus diesem Grund noch keinen definierten Zustand einnehmen konnten. Sie sind gewissermaßen in einem unbestimmten (Vor-)Zustand, der einem definierten Zustand vorausgeht. Denn bevor ein definierter Zustand „entsteht“, muss es die Möglichkeit dazu geben, aber eben nur eine Möglichkeit, und nicht gleichzeitig mehrere verschiedene.
Worin aber besteht die Möglichkeiten-schaffende Umgebung eines jeden Teils des Systems? Nun, bei einem System aus zwei Teilen wird die relevante Umgebung eines jeden Teils jeweils von dem anderen vorhandenen Teil ausgebildet. Jedes der beiden Quantenobjekte stellt faktisch die Möglichkeiten-schaffende „Umgebung“ des anderen Quantenobjekts dar. Wenn die beiden Objekte in ihrer Eigenschaft als physikalische Randbedingung zu jedem Zeitpunkt mehrere Zustände für das jeweils andere Objekt zulassen, dann kann keines der beiden Teile in einem definierten Zustand ein. Sie sind nicht – wie vielfach behauptet wird – in all ihren möglichen Zuständen gleichzeitig, sie sind nicht in einem „Überlagerungszustand“, sie sind nicht in einem Zustand, der über alle Zustände „verschmiert“ ist – sie sind noch in einem „Vor-Zustand“, in dem sie zu jedem Zeitpunkt mehrere Möglichkeiten haben, einen bestimmten Zustand einzunehmen, einen bestimmten Zustand aber gerade deswegen noch nicht eingenommen haben.
In einem verschränkten System bestehend aus mehr als zwei Teilen bilden für jedes Einzelteil alle anderen Einzelobjekte des Systems faktisch die Möglichkeiten-schaffenden Randbedingungen aus. Und auch hier gilt: wenn diese Randbedingungen für jedes Einzelobjekt immer mehrere Zustandsmöglichkeiten zulassen, dann kann kein einziges Einzelobjekt in einem definierten Zustand sein. Verschränkte Systeme sind also Zusammenschlüsse von Einzelteilen, die sich alle gegenseitig daran „hindern“, in einen bestimmten Zustand mit definierten physikalischen Bestimmungsgrößen überzugehen, weil jedem Einzelteil des Systems vom Rest des Systems immer gleichzeitig mehrere Möglichkeiten, einen definierten Zustand einzunehmen, eingeräumt werden.
Man kann auch sagen: verschränkte Systeme sind, lax gesagt, Zusammenschlüsse von Teilen, die alle in keinem definierten Zustand sind (sie haben alle mehrere Zustands-Möglichkeiten gleichzeitig), die aber darauf „warten“ (abhängig davon sind), dass ein einziges Teil in einem definierten Zustand gerät. Denn dann sind sofort die Randbedingungen gegeben, die es ermöglichen, dass alle Objekte ebenfalls – und dies im gleichen Augenblick – in einen definierten Zustand übergehen können, weil dann alle Objekte – im gleichen Moment – nur noch eine Zustands-Möglichkeit „haben“ (im Sinne einer Zuordnung).
Dieser Übergang findet sofort statt, ganz gleich, wie weit sich die Teile des Systems voneinander entfernt haben, denn ein solcher Wegfall von Möglichkeiten, bei dem am Ende nur noch eine Möglichkeit übrigbleibt, ist im ganzen Universum instantan möglich. Die Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten, die einem Gegenstand zugeordnet werden kann, ist grundsätzlich nicht raumzeitlich strukturiert: eine Menge von Möglichkeiten, die einem Objekt oder System zukommt, kann erfahrungsgemäß im gleichen Augenblick im ganzen Universum auf eine einzige Möglichkeit „zusammenfallen“. Wenn es aber nur noch eine Möglichkeit für einen Zustand gibt, dann ist dieser Zustand „realisiert“. Natürlich ist dieser Übergang in einen definierten Zustand so, dass die Naturgesetze gewahrt bleiben. Denn physikalisch geschieht bei diesem Übergang gar nichts, es wird unter den Teilen nichts ausgetauscht, keine Energie, kein Impuls, kein Drehimpuls, Erhaltungsgrößen bleiben, wie sie sind. „Veränderungen“ finden nur im „Raum der Möglichkeiten“ statt: mehrere Möglichkeiten, die jedem Teil zukommen, fallen instantan weg, es realisieren sich im gleichen Augenblick einzig vorhandene Möglichkeiten bei jedem Teil, ganz gleich wie weit diese auseinanderliegen. Die ihnen zuzuordnenden Möglichkeiten müssen nur im „Raum“ der für alle Teile geltenden Möglichkeiten liegen (Teil der Mannigfaltigkeit dieser Möglichkeiten sein).
Facit: Man kann verschränkte Systeme als physikalische Gegebenheiten nur dann widerspruchsfrei beschreiben, wenn man davon ausgeht, dass den Teilen des Systems, die sich verschränkt haben, mehrere Zustandsmöglichkeiten gleichzeitig zukommen, und sie dadurch unbestimmt sind, besser gesagt „ontisch vage“ sind. Im gleichen Moment, in dem sie nur noch eine Möglichkeit für einen Zustand haben, sind sie in einem bestimmten Zustand (im Sinne einer Zuordnung). Die sogenannte „Korrelation“ von Messwerten nach dem „Zerfall“ verschränkter Systeme wird also nicht durch eine physikalische Wechselwirkung hervorgerufen, sondern durch Wegfall von Möglichkeiten im Raum der Zustandsmöglichkeiten. Kausal für die Möglichkeit, einem Gegenstand definierte physikalische Bestimmungsgrößen zuordnen zu können, ist das „Entstehen“ einziger Möglichkeiten im „Raum seiner Möglichkeiten“.
Die Aufhebung des Welle-Teilchen-Dualismus
Den Gegenständen unseres Alltags können wir immer einen Ort zuweisen, dies auf Grund ihrer Wechselwirkung mit Lichtstahlen – wir sehen/sagen, dass sie immer einen Ort „haben“, an einem Ort „sind“ oder einen Ort „einnehmen“ als verkürzte Sprechweise für eine Zuordnung. Wenn wir einem Gegenstand unseres Alltags aber immer einen Ort zuordnen können, dann verläuft seine Bewegung auch immer auf einer Bahn – dies aus logischen Gründen. Die Mathematik der Quantentheorie sagt uns aber: ein Elektron hat im Allgemeinen keinen Ort, es bewegt sich nicht auf einer Bahn.
Das ist aus realistischer Sicht nicht zu verstehen. Man kann aber konstruktivistisch argumentieren: man kann eben nicht davon ausgehen, dass Gegenstände „von sich aus“ einen Ort haben, sondern nur, dass man ihnen immer nur einen Ort zuordnen kann. Die definierte Position eines Gegenstandes kann dabei nur aus einer Wechselwirkung, zum Beispiel einer störungsfreien Ortsmessung, entnommen werden. Eine solche Ortsfeststellung durch Wechselwirkung (mit Licht) geschieht bei den Gegenständen unseres Alltags ständig, daraus wächst Erfahrung, dass Alltagsgegenstände immer irgendwo sind. Quantenobjekte wechselwirken aber nicht ständig mit einem Abtastmittel, woher soll die Erfahrung kommen, dass sie immer einen Ort haben? Wir können wegen des Fehlens von (Vor-) Erfahrung Quantenobjekten außerhalb von Ortsmessungen grundsätzlich keinen Ort zuweisen, auch keine Orte in Folge, und folglich wissen wir auch nicht, wie es sich fortbewegt – so ist es gemeint, wenn ich sage: Quantenobjekte haben keinen Ort.
Das „keinen-Ort-haben-Problem“ ist aber – wie kann es auch anders sein – noch diffiziler. Nehmen wir an, wir haben eine Ortsmessung durchgeführt, und wir kennen den Ort des Elektrons auf irgendeiner „ungewissen Bahn“. Nun kann es sein, dass eine (störungsfreie) weitere Ortsmessung eine Zeit lang dauert, in der das Elektron unbeobachtet bleibt. In dieser Zeit bewegt sich das Elektron aber weiter. Einen neuen Ort können wir dem Elektron dann erst nach kurzer Zeit zuordnen, es befindet sich dann an einem neuen Ort, in einem kleinen Abstand von dem zuerst gemessenen Ort. Auch die nächste (störungsfreie) Ortsmessung wird das Elektron wieder in einem kleinen Abstand von dem zuvor gemessenen Ort vorfinden. Wir „sehen“ das Elektron bei solchen Messungen dann prinzipiell nur an diskreten Orten, die alle auf einer möglichen Bahn aufgereiht eine kleine Strecke auseinanderliegen.
Wenn wir dem Elektron grundsätzlich einen Ort nur zugordnen können, es also in laxer Sprechweise (realistischer Sprechweise) einen Ort nur dann „hat“, wenn eine Wechselwirkung vorausgegangen ist, diese aber immer eine Zeit lang dauert, dann können wir dem Elektron grundsätzlich keine beliebig dicht auf einer Bahn liegenden Positionen zuordnen. In der gewohnten laxen Sprechweise müssen wir dann sagen, es „hat“ dann auch keine Orte, die beliebig dicht aneinander auf einer Bahn liegen. Physikalisch ausgedrückt: wenn eine beobachtbare Wechselwirkung die Voraussetzung dafür ist, dass wir vom Ortszustand eines realen Elektrons sinnvoll sprechen können, jede solche Wechselwirkung aber eine Zeit dauert (und das sollte sie, s. Originaltexte), dann sind alle Ortszustände, von denen man sinnvoll sprechen kann, in kleinen raumzeitlichen Abständen voneinander angeordnet. Lax gesagt: das Elektron ist dann nicht an allen Bahnpunkten kontinuierlich beobachtbar, sondern grundsätzlich im ganzen Raum nur diskontinuierlich beobachtbar.
Die Fortbewegung des Elektrons ist dann auch nicht mit einer stetigen Funktion beschreibbar. Man kann die Fortbewegung formal nur beschreiben als eine Folge von Zuständen Z0, Z1, Z2 … Zn, wobei die Zustände alle gleich sind, benachbarte Zustände sind lediglich um einen minimalen Orts- und Zeitabstand verschoben. Man kann das auch so beschreiben, dass jeder dieser Zustände Zn aus dem vorhergehenden Zustand Zn-1 durch eine Identitätsabbildung hervorgeht. Identitätsabbildungen werden gruppentheoretisch durch eine Gleichung der Form
Zn = Z0*exp i*(n*2π), n= 1,2,3…
beschrieben, mit ganzzahligem n als Index der Abbildung, und 2π als vollständige „Drehung“ eines Drehparameters (zum Beispiel ein Drehwinkel). Der Index der Abbildung formalisiert die erste, zweite, dritte Möglichkeit des Vollzugs einer den Ort des Elektrons festlegenden Wechselwirkung.
Bei seiner raumzeitlichen Propagation kommen dem Elektron also Möglichkeiten einer örtlichen Wirkung mit Ortsfeststellung nicht kontinuierlich in Raum und Zeit zu, sondern nur an aufeinanderfolgenden diskreten Raumzeitpunkten in geringem Abstand. Die hier relevanten kleinstmöglichen Orts- und Zeitabstände, in denen sich der Zustand wiederholt, werden durch wohlbekannte Gleichungen beschrieben. Der Index n kann dann durch einen lorenzinvarianten Ausdruck ersetzt werden. Dabei resultiert die bekannte Lösung der Schrödingergleichung:
Zn = Zo * exp i* 2π/h (E*t * – P*x).
Die exakte mathematische Herleitung findet sich in den Originaltexten. Diese Gleichung ist die bekannteste Lösung der Schrödingergleichung. Nach üblicher Auffassung der Physiker(innen) beschreibt diese Lösung eine sich ausbreitende harmonische ebene Welle. Nach meiner Interpretation beschreibt die Gleichung aber keine Wellenausbreitung, sondern den modellhaften Mechanismus des Vorrückens des identischen Zustandes des betrachteten Elektrons auf einen Messort in diskreten Schritten x = n* λ und t = n*T (n=1,2,3…), das ist ein Vorrücken eines Elektrons in Raum und Zeit um die Strecke x und t (ein ganzes Vielfaches von Minimalstrecken λ und T), und zwar ein Elektron, dass mit einem Wechselwirkungspartner die Energie E und den Impuls P austauschen kann. In meiner Interpretation dieser „Lösung“ der Schrödingergleichung ist von „Welle“ nicht die Rede, sondern nur von einem Quantenobjekt, das in einem Zustand ist, den wir nicht kennen, von dem wir nur sagen können, dass er erhalten bleibt, wenn das Objekt durch die Apparatur propagiert. Das ist ein Quantenobjekt, dessen „Fortbewegung“ sich deshalb in winzigen „Schritten“ vollzieht, weil man von Orten, an denen sich das Objekt aufhalten kann, nur dann sinnvoll sprechen kann, wenn diese Orte alle in einem kleinen raumzeitlichen Abstand auseinanderliegen, dessen Länge von E und P abhängt. Das ist der gleiche Abstand, den auch die Amplituden einer ebenen Welle hätten, wenn die obige Gleichung als Wellengleichung interpretiert wird.
Beschrieben wird von der Schrödingergleichung für einen „freies“ Quantenteilchen also nicht dessen Propagation, sondern nur die Menge an Möglichkeiten eines Aufenthalts an einem Raumzeitpunkt, besser gesagt: sie beschreibt nur die räumliche und zeitliche Verteilung der Möglichkeiten einer Ortsfeststellung oder Ortszuordnung. Gibt es zwei Emissionsquellen, überlagern sich zwei solcher Verteilungen, und eine Ortsfeststellung ist nur an den Stellen möglich, wo es für das bewegte Quantenobjekt nur eine, und nicht gleichzeitig mehrere Möglichkeiten für das Erreichen dieses Ortes gibt. Diese „Selektion“ von Orten, an denen sich das Quantenobjekt durch Wechselwirkung zeigen kann, sorgt für das typische „Interferenz-Streifenmuster“ beim Doppelspaltversuch (s. Originaltexte).
Worin die Ontologie physikalischer Felder besteht
Die vorstehenden Überlegungen zeigen: um das besondere Verhalten von Quantenobjekten zu erklären, muss man ihnen nicht unbedingt besondere Eigenschaften zuordnen. Zur Beschreibung ihres besonderen Verhaltens reicht es, ihnen Möglichkeiten zuordnen. Die Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten bildet eine modale Welt aus, und das Verhalten der physikalischen Gegenstände ist dann das Ergebnis von Veränderungen in der modalen Welt. Die modale Welt kann vom Erkenntnissubjekt zudem aus einer unabhängigen Metaposition heraus beschrieben werden. Mit dem Begriff der Möglichkeit kann auch die Mathematik der physikalischen Theorien neu gedeutet werden. Dem Konstruktivisten verleiht der Begriff der Möglichkeit also neue Deutungsmacht über das, woraus die Realität besteht: aus einer Wirklichkeit und den gleichzeitig vorhandenen Möglichkeiten einer Veränderung dieser Wirklichkeit.
Tatsache ist, dass die Feldterme E und B in der Mathematik der klassischen Feldtheorien, die das elektrische und magnetische Feld repräsentieren, nicht verständlich realistisch interpretiert werden können. Verfügt man aber über den Begriff der Möglichkeit, kann man widerspruchsfrei behaupten, dass die Feldterme Möglichkeiten einer spezifischen Kraftwirkung an Raumpunkten repräsentieren, also nichts Reales, sondern Potentielles – eben Möglichkeiten.
Man kann dann physikalische Felder zunächst als Verteilung von Möglichkeiten einer Kraftwirkung an jedem Raumpunkt auffassen. Danach sind nicht mögliche Kräfte mit den Raumpunkten verbunden, sondern Möglichkeiten einer Kraft. Wenn es in der Umgebung einer Feldquelle nun an jedem Raumpunkt viele Möglichkeiten einer Kraftwirkung gibt, ist die faktische Kraftwirkung an jedem Raumpunkt unbestimmt (die von mir immer wieder postulierte „ontische“ Unbestimmtheit). An den Raumpunkten innerhalb eines Feldes sind auch keine bestimmten Kräfte wirksam (wie auch?). „Taucht“ aber ein Testobjekt in ein solches Feld ein, entsteht augenblicklich eine Gegenüberstellung, eine Relation zwischen Feldquelle und Testobjekt, diese Relation stellt eine veränderte materielle (faktische) Situation für das Testobjekt und die Feldquelle dar (Randbedingungen ändern sich, Möglichkeiten ändern sich). Am Ort des Testobjekts und der Feldquelle (den Relata dieser Relation) wird dadurch die Vielzahl an Möglichkeiten einer Kraftwirkung instantan auf jeweils eine einzige Möglichkeit reduziert: aus unbestimmten Kraftwirkungen am Ort der Feldquelle und am Ort des Testobjekts werden instantan definierte Kraftwirkungen an den Orten dieser beiden Relata. Das ist der gleiche „Mechanismus“, der für die Bestimmtheit von Quantenobjekten beim „Zerfall“ eines von ihnen gebildeten verschränkten Systems gesorgt hat. Nur erlangen jetzt keine physikalischen Gegenstände eine Bestimmtheit, sondern Kraftwirkungen auf diese Gegenstände. Insofern könnte man ein physikalisches Feld nicht nur als Menge an Möglichkeiten einer Kraftwirkung ansehen, sondern auch als eine Menge von Kraftwirkungen, die maximal miteinander verschränkt sind.
Beim „Eintauchen“ eines Testobjektes in ein Feld „entsteht“ – zusammen mit der korrelierten instantanen Entstehung von Kraftwirkungen an zwei unterschiedlichen Orten (Ort der Feldquelle und Ort des Testobjekts) – auch ein Abstand zwischen Testobjekt und Feldquelle, und ferner eine Richtung längs der kürzesten Strecke bzw. längs der „Feldlinien“ von Testobjekt zur Feldquelle, und es entsteht der Betrag einer Kraft. Man kann daher auch behaupten, Felder sind verschränkte Systeme aus Dreiheiten „Abstand + Richtung + Kraftbetrag“. Man kann sagen: Felder sind verschränkte Systeme, und die Teile dieses verschränkten Systems sind die physikalischen Beziehungen der materiellen Gegenstände untereinander, wobei mit physikalischer Beziehung nur der zusammenfassende Begriff gemeint ist für eine 3er-Menge: für einen Raumabstand, eine Raumrichtung und einen Kraftbetrag.
Diese 3er Menge stellt dann die fundamentalste „physikalisch wirksame“ Relation dar. Felder werden dadurch zu Entitäten (zu notwendigen Bedingungen), die Relationen erzeugen/erlauben, in dem Sinn, dass Felder das Mittel sind, mit dem die Natur physikalische Wirksamkeit generiert, an den Orten der Relata einer Relation. Felder kann man dann – ontologisch gesehen – als verschränkte, physikalisch wirksame Relationen bezeichnen. Da eine Feldquelle allein für sich epistemisch nicht zugänglich ist, ist es der Zerfall dieser Verschränkung, der – genauso wie der Zerfall eines jeden verschränkten Systems – physikalisch wahrnehmbare Existenz entstehen lässt.
Dass man Felder als im Raum verteilte Möglichkeiten spezifischer Kraftwirkungen ansehen kann, trifft auf statische Felder, wie auch auf dynamische Felder zu. Auch das wird in meinem Essay ausführlich begründet.
Kausalität und Naturgesetze
Der Begriff der Möglichkeit erlaubt es, auch die Frage, was begründet einen Kausal-zusammenhang, und was kann man unter einem Naturgesetz verstehen, auf neue Weise zu beantworten. Ich habe, damit der Beitrag nicht zu lang wird, eine Besprechung dieser Themen hier ausgelassen. Sie werden in den Originaltexten jedoch ausführlich behandelt.
Zusammenfassung
Um eine Antwort auf die eingangs genannten philosophischen Fragen der Physik zu geben, schlage ich vor, das unter Physiker(innen) vorherrschende Realitätsverständnis zu erweitern. Zum herkömmlichen Beobachtungsgegenstand der Physik, bestehend aus physikalischen Gegenstanden, Eigenschaften und Kräften in Zeit und Raum, muss eine weitere kategoriale ontologische Entität, genannt Möglichkeit, hinzugefügt wird. Damit wird der realen physikalischen Welt im Gegenwartsmoment, genannt Wirklichkeit, eine zweite Welt, die modale Welt der Möglichkeiten, gleichrangig beiseitegestellt – zwei Welten, Wirklichkeit und Möglichkeiten, die sich gegenseitig bedingen. Die modale Welt hat einen anderen Status des Seins als die gegenständliche Welt. Und diese modale Welt ist nicht-raumzeitlich strukturiert. Nicht-lokale und instantane Beobachtungs-Phänomene lassen sich daher im Rückgriff auf Begriffe, die den modalen Teil der Realität kennzeichnen, widerspruchsfrei beschreiben. Und was beschreibt die Mathematik physikalischer Theorien? In ihrer allgemeinen, in ihrer Randbedingungs-freien Form beschreibt sie die modale Welt. Der unverstandenen Term ψ in der Schrödingergleichung und die Terme E und B in den Maxwell´schen Gleichungen repräsentieren Möglichkeiten. Ein Quantenobjekt „ist“ in einem definierten Zustand (man kann ihm einen solchen zuordnen), wenn die ihm zukommenden ontischen Unbestimmtheiten (viele Möglichkeiten) entfallen, und das Objekt nur noch eine Möglichkeit für einen Zustand „hat“ (im Sinne einer Zuordnung). Diese Bestimmtheits-Werdung findet statt auch bei den Teilen eines verschränkten Systems, die aus einem unbestimmten Zustand in einen bestimmten instantan und ortsunabhängig übergehen.
Die oben genannten Fragen sind damit beantwortet.
Noch ein paar zusätzliche Anmerkungen: Wenn der Untersuchungsgegenstand der Physik nicht nur aus physikalischen Gegenständen besteht, die ein mögliches Verhalten zeigen, sondern aus Gegenständen mit einem Verhalten einerseits, und den ihnen zugeordneten Möglichkeiten (für ein Verhalten) andererseits, dann ist das ist eine ganz andere paradigmatische Sicht auf die Realität, als die, die die Physik seit Jahrhunderten praktiziert, aber keine andere als die unseres Alltags, in dem sie sich bewährt hat. Es ist kein transzendentes oder esoterisches Konzept, dass aus Möglichkeiten Wirklichkeit wird, sondern nur eine logische Beschreibung des Verhältnisses von Möglichkeit und Wirklichkeit im Falle, dass nur eine einzige Möglichkeit von den physikalischen Randbedingungen zugelassen ist.
Dass ein unbestimmtes Ding durch Wegnahme von Unbestimmtheiten – die sich aus dem Vorhandensein mehrerer Möglichkeiten ergeben – eine Bestimmtheit erhält – weil nur noch eine einzige Möglichkeit existiert -, kann als das Resultat einer „Einwirkung“ (Lenkung) aufgefasst werden, die von den physikalischen Randbedingungen auf die dem Ding zugeordneten Möglichkeiten (Freiheiten) ausgeübt wird. Somit kann auch die Frage, was ist Kraft, was sind Naturgesetze, und was begründet einen Kausalzusammen-hang, mit Hilfe des Begriffs der Möglichkeit neu überdacht werden.
Man könnte meinen, eine Menge von Möglichkeiten seien – als ontologische Entitäten – nur verschränkte Wirklichkeit, und die Wirklichkeit – als Produkt des Zerfalls dieser Verschränkung – nur verwirklichte Möglichkeit, und die Realität würde beides umschließen, die Verschränkung und den Zerfall, beide in einem dialektischen Verhältnis zueinanderstehend. Die Verschränkung ist das Ganze, und die daraus entstandenen Einzelteile der Wirklichkeit sind noch untereinander gleich, solange sie nur als Einzelteile gegenüber dem Ganzen definiert sind. Physikalische Felder sind dann notwendig als Erzeuger von Verbindungen zwischen den Einzelteilen, wodurch die Einzelteile unterscheidbar werden.
Bonn, im August 2024
© Vorwort: Dirk Boucsein, Text: Bernd-Jürgen Stein
Hallo Bernd,
wenn du ‚Möglichkeit‘ als Alternative zu ‚Unbestimmtheit‘ verwendest, ändert sich nichts an der Quantentheorie. Es ist dann nur eine sprachliche Paraphrasierung.
Wenn du Möglichkeit oder Potentialität als physikalische Kategorie einführst, ordnest du ihr eine Ontologie zu, du verdinglichst quasi ein abstraktes sprachliches Konstrukt. Du begehst dann denselben Kategoriefehler wie Wheeler mit seinem It from bit, der das abstrakte Konzept Information ontologisiert und behauptet, Information existiere parallel zur bzw. vor der Materie.
Es ist so, als wenn man dem abstrakten Konzept des Mentalen einen ontologischen Status zuordnet und behauptet, es würde als Entität existieren.
Mit Konstruktivismus hat das übrigens nichts zu tun, denn du konstruierst ja keine neue Welt, sondern lediglich neue Begriffe. Das ist also purer Realismus.
Hallo Wolfang,
wenn du ‚Möglichkeit‘ als Alternative zu ‚Unbestimmtheit‘ verwendest, ändert sich nichts an der Quantentheorie.
Richtig, da ändert sich nichts, sie bleibet in allem gültig.
Es ist dann nur eine sprachliche Paraphrasierung.
Was ist eine sprachliche Paraphrasierung, was? was meinst Du – versteh ich nicht. Sprache ist doch sowie so alles.
Wenn du Möglichkeit oder Potentialität als physikalische Kategorie einführst, ordnest du ihr eine Ontologie zu, du verdinglichst quasi ein abstraktes sprachliches Konstrukt.
Was meinst Du mit physikalischer Kategorien? Ein physikalisches Objekt mit physikalischen Bestimmungsgrößen? So blöd soll ich sein? Möglichkeit als physikalische Kategorie einzuführen, die mit physikalischen Bestimmungsgrößen beschrieben wird? Wo hast Du denn das her?
Ich hatte doch schon in Deinem Beitrag – ich weis nicht wie lang – ausgeführt, dass ich Möglichkeiten als Konkretisierung von Potentialität gerade nicht als physikalisches Objekt ansehe, sondern als Nicht-Physikalisches, das aber von physikalischen Tatsachen hervorgebracht wird. Denkst Du schon wieder, physikalische Tatsachen könnten nur physikalische Tatsachen hervorbringen?
Also dann hier mal ein Beispiel:
Wir sagen auf semantisch sinnvolle Weise: Ein Messapparatur eröffnet Möglichkeiten von Messungen, natürlich auch schon dann, wenn noch nicht gemessen wurde. Das ist eine verständliche Beschreibung. Sind die hervorgebrachten Möglichkeiten einer Messung physikalische Tatsachen? ich glaube nicht, dass man von physikalischen Tatsachen sprechen kann, Ich weiß überhaupt nicht was das für eine Ontologie das sein soll – Möglichkeiten ! Es ist mir auch egal. Man kann aber über einen Versuchsaufbau unter Verwendung dieses Begriffs sinnvoll sprechen, darauf kommt es an. Den Sinn ergibt der Begriff der Möglichkeit, dieser Begriff ist sinnstiftend – nicht Ontologie-stiftend. Er beschreibt die Potentialität einer Messapparatur vor einer Messung sehr praktisch und verständlich. Ich nutze den Begriff zur Beschreibung – mehr nicht. Ich sage: es ist die Apparatur, von der die Möglichkeiten hervorgebracht werden. Es sind die physikalischen Randbedingungen, zum Beispiel die Existenz einer Blende oder die physikalische Existenz eines Spaltes, die eine Orts-Messung ermöglicht – oder die Möglichkeit einer Messung erschafft. Es ist ein sprachlicher Ausdruck zur Beschreibung einer Situation – mehr nicht. Es ist ein Vorschlag, über etwas zu widerspruchsfrei zu sprechen, indem der Begriff der Möglichkeit verwendet wird. Es ist der Vorschlag einer Sprachregelung.
Ich hatte doch ganz am Anfang, und Dirk hatte auch noch mal darauf hingewiesen – dass es mir um eine verständliche Beschreibung der Quantenobjekte und Felder geht. Es geht mir nicht um die Ontologie. I c h w e i ß n i c h t s ü b e r d i e O n t o l o g i e d e r Q u a n t e n o b j e k t e. Ich weiß nichts mehr als die Physiker auch. Ich versuche, den Quantenobjekten Begriffe zuzuordnen, mit denen ihr Verhalten unter verschiedenen Bedingungen, vor allem ihre Zustände und die Orte, die sie einnehmen können, logisch und konsistent beschrieben werden kann. Was für eine Ontologie die ausmachen, weiß ich genauso wenig wie Du und alle anderen auch.
Die Physik kann jedenfalls schon eine solche konsistente Beschreibung nicht leisten, dass kann ich Dir an vielen Beispielen drastisch aufzeigen. Ich versuche es in meinem Beitrag, und stelle meinen Versuch hier zur Disposition.
Mit Konstruktivismus hat das übrigens nichts zu tun, denn du konstruierst ja keine neue Welt, sondern lediglich neue Begriffe. Das ist also purer Realismus.
Lass bitte die Schlagwörter und Einstufungen mal ganz beiseite – das ist eine herzliche Bitte, die ich an Dich (und an Philipp) habe.
Grüße Bernd
„…dass ich Möglichkeiten als Konkretisierung von Potentialität … als Nicht-Physikalisches [ansehe], das aber von physikalischen Tatsachen hervorgebracht wird.“
Physikalische Tatsachen sind materielle Dinge, Ereignisse etc. Beispiel: mir fällt ein Betonklotz auf den Kopf.
Nichtphysikalisches wie z.B. Potentialität sind sprachliche Konzepte, die nicht die Physik hervorbringt, sondern mein Intellekt in Form von Konzepten.
Hi,
hoffentich passiert das mit dem Betonklotz nicht.
Na klar sind Nicht-Physikalisches und Potentialität sprachliche Begriffe, die nicht die Physik hervorbringt, sondern die unser Intellekt in Form von Konzepten hervorbringt (abstrakte oder sprachliche Konzepte). Ich weiß nicht was der Unterschied ist von sprachlichen Konzepten zu Bergriffen. Ich verwende den Begriff (oder das sprachlich-interlektuelle) Konzept „Möglichkeit“ zur Beschreibung eines Sachverhalts. Zur Beschreibung, zu nicht mehr. Wie soll ich denn sonst beschreiben, außer mit Sprache und Begriffen.
Vielleich kann man in die sprachlichen Begriffe auch mehr als nur Beschreibungs-Nützlichkeit hineindeuten – vielleicht kann man das. Es ist unerheblich für mein Anliegen. Ich will zunächst konsistent, widerspruchsfrei, verständlich beschreiben, dazu brauche ich Begriffe. Alles weiter folgt dann, wenn ich die Begriffe dann anwende.
In der theoretischen Physik ist dieses Verfahren gang und gebe. Man stellt eine Formel auf, die sagt richtiges vorher. Man versteht aber die die Variablen nicht, man weiß nicht, auf was sie in der Realität referieren. Also nennt man die Variablen einfach erst mal „Feld“ und „Wellenfunktion“. Das ist eine Begriffskonstruktion. Dann wendet man die Formel tausendfach an und siehe da, sie funktioniert super. Dann gehen die Begriffe in das Begriffsinventar der Physik ein, sie werden zu gängigen Bezeichnungen, für etwas, von dem man gar nicht weiß, was es ist (so die realistische Sichtweise). Meine These ist, es ist nur der Mangel an geeigneten Begriffen (sprachliche Konzepte, s.oben), dass man nicht sagen kann, auf was in der Realität diese Begriffe verweisen.
Man sucht nur seit 100 Jahren nicht danach, weil die instrumentelle Anwendung auch mit unklaren Begriffen super funktioniert, und man eine Begriffsklärung nicht nötig hat, und die Philosophie schläft.
Ich sage, die mathematischen Terme verweisen auf Möglichkeiten, Möglichkeiten im Sinne des üblichen, gängigen, alltäglich bewährten Sprachgebrauchs – und als Vorschlag. Was ist dagegen einzuwenden. Willst Du weitere Beispiele, wie gut das bei Quantenobjekten funktioniert (von denen ich nicht weiß, was die sind).
Grüße aus dem Weinlokal
Bernd
Hallo Bernd,
ich möchte eigentlich nicht kritisieren, sondern mich erst einmal für den Gastbeitrag bedanken. Du weißt, meine Interessen haben sich auch auf das Feld der Quantentheorie verlagert. Daher habe ich es erneut mit großem Interesse gelesen, was du zur Quantentheorie zu sagen hast.
Dennoch könnten für dich kritische Anmerkungen interessant sein.
1) Aus meiner Sicht handelt es sich bei den Physikern der QT explizit nicht um Realisten. Aber dein Gegenpol mag bei dir der besagte Konstruktivismus sein, eine philosophische Position, welche nach meiner Erinnerung besagt, dass wir über eine objektive „Realität“ eines physikalischen Objekts kaum oder nichts sagen können, unser Gehirn konstruiert sich aus den Wahrnehmungen eine sehr subjektive Vorstellung von der Welt, welche von einer einer tatsächlichen „Realität“ abweichen kann bzw. muss. Es ähnelt der Diskussion über „das Ding an sich“.
Für mich ist der Realismus auf der Ebene der QT dahingehend verletzt, dass ein reales Ding eben eine reale und aktuelle Existenz hat. Der besagte Schwebezustand von Quantenobjekten, eine Existenz in Möglichkeiten, eine „Noch nicht Existenz bis zur Messung“ drück für mich somit einen Antirealismus aus.
Beispiel eine Buchtitels aus meinem Bücherregal:
N. H. Hinterberger: „Die Fälschung des Realismus – Kritik des Antirealismus in Philosophie und theoretischer Physik“ (2016)
2) Von „Möglichkeiten“ spricht an vielen Stellen meines Wissens Heisenberg selbst schon, um damit seine Position allgemeinverständlicher darzulegen. Uns weist auch darauf hin, dass in der Philosophie eine Ähnlichkeit zum Konzept von Aristoteles diskutiert wird.
Ich bemühte mal eine Suchmaschine, hier ein stellvertretender Treffer:
Bernd Lukoschik: „Aristoteles, Heisenberg und der Begriff der Potentialität“
https://www.jstor.org/stable/44805698
VG, Christian
Noch ein interessanter Treffer:
BORIS KOŽNJAK: Möglichkeit, Wirklichkeit und Quantenmechanik
https://hrcak.srce.hr/file/29762?origin=publication_detail
Hi Christian,
bitte übe heftige Kritik, so gut Du kannst.
Aus meiner Sicht handelt es sich bei den Physikern der QT explizit nicht um Realisten.
Doch, das ist der Grund, warum die von mir genannten philosphischen Fragen zur Quantenphysik seit 100 Jahren nicht beantwortet sind.
Aber dein Gegenpol mag bei dir der besagte Konstruktivismus sein, eine philosophische Position, welche nach meiner Erinnerung besagt, dass wir über eine objektive „Realität“ eines physikalischen Objekts kaum oder nichts sagen können, unser Gehirn konstruiert sich aus den Wahrnehmungen eine sehr subjektive Vorstellung von der Welt, welche von einer einer tatsächlichen „Realität“ abweichen kann bzw. muss. Es ähnelt der Diskussion über „das Ding an sich“.
Ich weiß nicht, was für ein Konstruktivist ich bin. Ich habe nicht das Weltbild des wissenschaftlichen Realisten – falls man das so sagen kann. Ich konstruiere mir auch nicht „eine Welt“, sondern ist suche nach Begriffen, um Beobachtungen so zu beschreiben, so dass sie verständlich sind. Verständlich heißt: kohärent mit unserer Alltagserfahrung. Das ist irgendeine „konstruktivistische“ Manier, mehr nicht. Alle Physiker machen das. Der Begriff „Strangeness“ zur Beschreibung bestimmten Zerfallsverhalten ist eine Begriffskonstruktion. Die Worte Myon, Elektron, und was nicht alles, sind konstruierte Begriffe, die es Anfang des 19. Jahrhunderts nicht gab. Der Energiebegriff gab es da auch noch nicht. Andere Wissenschaften konstruieren ihre eigenen Begriffe. Sie dienen der Beschreibung eines beobachteten Sachverhaltes (in der Physik einer Wechselwirkung).
Ob sie auch zur Beschreibung der wahren Ontologie dienen, ist in der Physik selbst unter Realisten strittig. Ich verwende sie zur Beschreibung von Beobachtungen und Sachverhalten. Wirklich mehr mache ich nicht, bitte prüfe oder hinterfrage das im Einzelnen.
So habe ich mir den Alltagsbegriff „Möglichkeit“ aus der Alltagssprache geborgt, mit bestimmte Beobachtungen zu beschreiben, zum Beispiel Unschärfe oder Unbestimmtheit und auch den Gegenpol, die Bestimmtheit. Was ist dagegen einzuwenden?
Ich weiß, dass mein Beitrag schwer zu lesen ist, und die meisten Leser schon nicht weiterlesen, wenn ihnen eine kritische Idee zum Kommentieren gekommen ist. Ich weiss aber von früher, dass Dich der Feldbegriff sehr interessiert. Daher lese vielleicht einfach nur mal den Abschnitt „Ontologie des physikalischen Feldes“. Vielleicht hast Du da kritische Anmerkungen (ich hoffe es).
Übrigens, Die von Dir genannte Literatur kenne ich, die Autoren der letzgenannten Publikation waren schon nah dran an der richtigen Idee, und Heisenberg hat es intuitiv gehabt, es hat nur einfach mit dem Weiterdenken aufgehört: er wußte nicht, warum die eine oder andere Möglichkeit beim Zerfall der Wellenfunktion „ausgewählt“ wurde – das war ein Gedankenfehler. Kann passieren. Hat 100 Jahre alles weitere lahmgelegt.
Grüße Bernd
Hallo Bernd,
„Ohne vorherige Möglichkeit von Wirklichkeit entsteht keine Wirklichkeit. Nicht nur Wirkliches ist dann kausal, auch Möglichkeiten können gewissermaßen „kausal wirken“, nämlich dann, wenn eine Menge beliebig vieler Möglichkeiten (Potentialität) durch äußere Zwänge (Veränderung äußerer Fakten) immer weiter reduziert wird, bis es am Ende nur noch eine einzige Möglichkeit für ein Geschehen gibt. Wenn nur noch ein Geschehen möglich ist, geschieht nun mal zwangsläufig genau das.“
Ich versuche mal, das auf die Reihe zu kriegen.
Dein Standpunkt bzgl. der Quantentheorie ist die Kopenhagener Interpretation. Diese ist eine nichtreale Theorie – deshalb dein Feldzug gegen die Realisten, denen ua. eine Begrifflichkeit für die quantenbedingte ontische Unbestimmtheit fehlt; um diesen Fehler zu vermeiden schlägst du vor, den Begriff Möglichkeit dem der Wirklichkeit gleichzustellen und kausal vorauszuschalten.
Wenn das in etwa zutrifft, hätte ich folgendes dazu zu sagen.
A) Du betonst ja immer wieder, dass die Aussagen der Realisten spekulativ sind, weil sie auf Interpretationen beruhen; die KI ist aber auch nur eine Interpretation: die Annahme einer Unbestimmtheit der Natur an sich im Sinne Heisenbergs ist nicht zwingend. Wenn aber nicht entschieden werden kann, welche Quantentheorie die ausschlaggebende ist, geht dein Statement / Appell ja schon hart an die Kante der Intoleranz, oder?
B) Deine Definition von Kausalität lese ich so:
Kausalität ist die durch äußere Zwänge hervorgerufene Reduktion einer Menge von Möglichkeiten bis auf die, welche sich letztendlich als Wirklichkeit zeigt.
Das erinnert aber sehr an von-Neumanns Kollaps-Postulat, das ja gerade als ein Beispiel für den Indeterminismus gilt.
Wenn ich es richtig übersetze mit „Der Grund, dass Ereignis E eintritt, ist, dass es nur noch E gibt, das eintreten kann“, ist es mE. ein Zirkel.
C) Du hypostasierst (oder ontologisierst) Begriffe wie „Möglichkeit“, die aber keinen tatsächlichen Gegenstand / Zustand repräsentieren, sondern nur einen vorgestellten, vorausberechneten.
D) Für meinen Geschmack wechselst du ziemlich wild zwischen Ontologie und Epistemologie.
E) Vllt. ist dein Verständnis von Realität oder Realismus auch etwas eng…
Hi Heinz,
Du bist einem Verständnis sehr nahe.
Du schreibst:
Dein Standpunkt bzgl. der Quantentheorie ist die Kopenhagener Interpretation. Diese ist eine nichtreale Theorie – deshalb dein Feldzug gegen die Realisten, denen ua. eine Begrifflichkeit für die quantenbedingte ontische Unbestimmtheit fehlt; um diesen Fehler zu vermeiden schlägst du vor, den Begriff Möglichkeit dem der Wirklichkeit gleichzustellen und kausal vorauszuschalten.
Was ist eine nichtreale Theorie, das müsstest Du mir sagen, weil ich das nicht weiß.
Bohr hat lediglich behauptet, dass der Term Y in der Schrödingergleichung nicht auf etwas Reales verweist (d.h. etwas, was mit reellwertigen physikalischen Bestimmungsgrößen beschrieben werden kann). Deshalb haben Physiker den Begriff des Zustandes erfunden, der alles mögliche bedeuten kann. Physiker schreiben daher in ihren Aufsätzen auch, dass der mathematische Term Y (üblicherweise Wellenfunktion genannt) auf einen physikalischen Zustand „verweisen“ würde, oder einem „Zustand“ entsprechen würde, oder mit dem Zustand „korrespondieren“ würde – um zu vermeiden sagen zu müssen, dass der Term Y den physikalischen Zustand mathematisch repräsentiert. Also was ist Y – es ist eines der Rätsel, das ich behaupte gelöst zu haben.
Einschub: Das Problem ist noch diffiziler. Man kann Y nicht als isolierte Größe ansehen. Die zugehörige Wellenfunktion ist im Allgemeinen nämlich mit der physikalischen Umgebung verschränkt (eine Gesamt-Wellenfunktion), und eigentlich repräsentiert Y das Quantenobjekt in Verschränkung mit seiner Umgebung, und diese Verschränkung ist unabhängig von der Größe des Quantenobjekts. Das fragliche Objekt kann nämlich im Prinzip auch aus einer Katze bestehen, die dann mit der Apparatur verschränkt ist, die nur zwei Zustände kennt: Apparatur mit oder ohne Gift, sodass die Katze tot und lebendig gleichzeitig ist. Schrödinger hat sich über diesen Unsinn zu Recht empört und eine andere Interpretation seiner Gleichung angestrebt, aber zu Lebzeiten keine gefunden. Die Philosophie hat da nur dumm geguckt, und gar nichts gemacht.
Ich behaupte, die Gleichung beschreibt mit Y die Menge aller Möglichkeiten, an einem Quantenobjekt eine physikalische Größe zu messen. Es gibt da verschiedene Ausdrucksweisen: es ist die Menge der Möglichkeiten, in Abhängigkeit von den Messbedingungen (repräsentiert durch den Term H) einen Messwert zu erhalten, oder dem Objekt einen Messwert zuordnen zu können, oder die Menge der Möglichkeiten, das Objekt in einem Zustand vorzufinden, der durch eine physikalische Größe gekennzeichnet ist. Man kann da alle möglichen Ausdrucksweisen wählen.
Am Einfachsten beschreibt man das an Hand des Ortes: die Schrödingergleichung beschreibt- solange H (Hamilton-Operator) nicht festgelegt ist, all die Möglichkeiten, ein Quantenobjekt nach Beobachtung (Messung) an einem Ort vorzufinden. Befindet sich das Objekt frei beweglich im Hohlraum einer Apparatur, kann man sagen, es gibt in jedem Moment viele Möglichkeiten, es an einem Ort zu finden – wir müssen aber davon ausgehen, dass wir es nicht an beliebigen Raumpunkten finden, sondern nur dort, wo wir eine Messung machen. Man kann also nicht mehr sagen – wie es die Realisten machen (müssen) – das Objekt ist irgendwo. Es ist nur dort, wo wir es durch Messung finden, und das ist nicht an allen Raumstellen möglich, oder anders gesagt: gibt nicht überall die Möglichkeit eines Auffindens. Ist H definiert sagt sie, ihr könnt in Abhängigkeit von den und den Bedingungen das Objekt nur dort oder nur dort finden – beschreibt also die Möglichkeit, an welchen Orten das Objekt gemessen werden kann, zum Beispiel am Ort eines Messgeräten, wen H die Messbedingungen symbolisiert.
Kurz gesagt: Schrödingergleichung beschreibt die Möglichkeiten (Term Y), unter welchen (Mess)Bedingungen (Term H) eine physikalische Bestimmungsgröße an einem Quantenobjekt gemessen werden kann. Sie sagt, platt gesagt, Ihr blickt in den Nebel und seht nichts, aber ich sage Euch, unter welchen Bedingungen ihr etwas vorfinden werdet – noch platter: ich sage Euch, wie Ihr in den Nebel reinstochern müsst, um etwas zu finden.
Die Schrödingergleichung beschreibt die Potentialität, die der Messung vorausgeht, und sie tut dies äußerst konkret. Die Möglichkeiten lassen sich als Elemente eines Hilbertraumes darstellen, mathematisch durch Ix>. Wenn die äußeren Bedingungen so sind, dass es nur noch eine Möglichkeit für einen Messwert Im> gibt und keine andere (die „adjungierte“ Möglichkeit <mI, dann wird das Resultat durch das Produkt <mIm> dargestellt, und das ist genau der Messewert (Eigenwert). Die Bornsche Regel, die ja ein reines Postulat ist und mit der Schrödingergleichung nichts zu tun hat, ist damit philosophisch hergeleitet. Wenn es nur eine Möglichkeit für einen Messwert gibt und keine andere, dann können wir genau diesen reellen Wert dem Objekt zuordnen – man sagt, das Objekt „hat“ diese physikalische Eigenschaft.
Das alles ergibt eine verständliche Beschreibung, was die Gleichung aussagt. Es ist eine Deutung der Mathematik, mehr nicht. Wir können es die Philosophies-Deutung nennen. Sie wird erstmalig hier vorgestellt. Vielleicht fällt Dir auch noch ein besserer Name ein. Diese Deutung verwendet den Begriff der Möglichkeit als Konkretisierung der Potentialität für das Erhalten eines Meßwertes. Wenn wir statt einem Stock eine starke Schallwelle zur Verfügung haben, um den Nebel zu durchstochern, dann ändern sich die Meßbedingungen und die Möglichkeiten einen Meßwert zu bekommen. Diese Änderung genau beschreibt die Schrädingergleichung.
Sorry,ietzt bin ich in Lehrbuchhafte abgedriftet.
Was hattest Du noch eingewendet? Den Zirkel. Ich will jetzt zur Kausalität nichts mehr schreiben, sondern zitiere au meiner Publikation – die zu lesen empfehlenswert ist – bitte beim Verlag bestellen (das sage ich vorsorglich, weil ich nicht weiss, ob ich zitieren darf):
In der Publikation steht folgendes: Physikalische Tatsachen (Rand- oder Umgebungsbedingungen) können demnach eine Wirkung „verursachen“, aber nicht direkt, sie müssen zunächst Möglichkeiten dazu erschaffen. Es gibt keine „kausalen“ Eigenschaften, es gibt immer nur Möglichkeiten für Etwas. Der Wirkung voraus geht die Schaffung einer Auswahl von Möglichkeiten, dann die Reduzierung der Möglichkeiten in dieser Auswahl solange, bis nur noch eine einzige Möglichkeit übrigbleibt, und dann tritt die zugehörige Wirkung ein, die immer nur Verwirklichung ist. Ein Kausalzusammenhang ist daher immer ein Vorgang, der mit einer Wirkung endet, aber mit vielen, im Prinzip mit unendlich vielen physikalischen Tatsachen und den daraus resultierenden Möglichkeiten beginnt, und der am Ende in eine einzige Möglichkeit und ihre Verwirklichung „hineinmündet“. Ein Kausalzusammenhang ist – lax gesagt – die Aktivierung oder Realisierung einer über mehrere Schritte hergestellten Potenz für etwas Einzigartiges, genauer: die Einschränkung von vielen Möglichkeiten auf eine einzige Möglichkeit. Bei dieser Betrachtungsweise ist Kausalität nur ein operativer Begriff für einen auf eine Notwendigkeit ausgerichteten Vorgang, bei dem einem Objekt oder einem System eine Veränderung aufgezwungen wird, und zwar von den äußeren Umständen, den Randbedingungen der lokal stattfindenden Dynamik, letztlich aber vom Rest des Universums. Kausalität ist dann keine besondere fundamentale Beziehung zwischen zwei Einzelobjekten. Sie ist nicht das, was sich aus einer einzelgegenständlichen physikalischen Realität mit irgendwelchen darin enthaltenen „Kausalfaktoren“ ableiten lässt. Sie ist der operativ gut brauchbare Begriff für das Entstehen einer Einzelveränderung an einem Gegenstand, die aus dem „Zwang des Einzig-Möglichen“ entsteht. Das ist kein Zwang, der aus Tatsachen innerhalb der gegenständlichen Welt entsteht, wie die Transfertheorie, der Kraftbegriff der Physik, die Philosophie mit dem Begriff der „kausalen Eigenschaften“ uns weis machen will. Kausaler Zwang entsteht, weil nicht-raumzeitliche Veränderungen im modalen Teil der Realität (der Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten) zu einer einzigen Möglichkeit – dem einzig Möglichen – führen, was sich dann im gegenständlichen Teil der Realität unmittelbar auswirkt. Ein holistisches Ganzes, bestehend aus einer Menge an Möglichkeiten, reduziert sich auf eine einzige Möglichkeit. Diese Reduktion wird bewirkt durch einschränkende physikalische Randbedingungen, letztlich durch den Rest des Universums. Kausalität wird so von allen Gegenständen des Universums und an allen Gegenständen des Universums gleichzeitig erzeugt, dadurch dass die physikalischen Randbedingungen Möglichkeiten immer weiter einschränken, bis das, was geschieht, dem Zwang des Allein-Möglichen notwendigerweise folgt.
Nun schreibst Du noch klug aber nicht richtig: Du ontologisierst Begriffe wie „Möglichkeit“, die aber keinen tatsächlichen Gegenstand / Zustand repräsentieren, sondern nur einen vorgestellten, vorausberechneten.
Ich weiß nicht, ob ich das mache – vielleicht, vielleicht auch nicht. Darauf kommt es nicht an. Im Übrigen ontologisiert die Physik alles Mögliche, ohne zu wissen, was es ist, zum Beispiel Felder. Da sagt keiner was. Die Philosophie hat 200 Jahre gepennt – nichts kritisch hinterfragt, sie ist gegenüber der Physik eine lahme Ente geworden. Jetzt kommst Du mit einer Kritik daran, wo ich mal angefangen habe, und hinterfragst bei mir, was Du und Andere bei den Physikern 200 Jahre lang versäumt haben. Das ist unfair. Spaß beiseite: über den Status des Begriff der Möglichkeit kann man lange diskutieren. Er ist mir erst einmal egal. Ich nutze ihn, um etwas verständlich zu beschreiben. Wenn das gelingt, muss Einiges in dem Begriff drin stecken, das können wir gemeinsam herausfinden.
Grüße Bernd.
Hallo Bernd,
es ist der Jürgen, der dir obiges geschrieben hat.
Bohr hielt den quantenmechanischen Formalismus nicht für real, sondern nur als Instrument zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten für relevant; einzig das klassisch ermittelte Messergebnis ist real.
Deshalb nennt man die KI nicht-real.
Den Kritikpunkt der Ontologisierung scheinst du nicht so ganz wichtig zu finden; die Verdinglichung von abstrakten Begriffen ist ein ziemlicher Faux pas! Damit kann man sehr „geschmeidig“ argumentieren! Eine objekthafte Möglichkeit … lässt sie sich messen?
Ich finde meine kritischen Anmerkungen nicht entkräftet. Wäre schön und hilfreich, wenn du mal konkret auf die Punkte A bis E antwortest.
GRuß/Jürgen
Hallo Bernd,
ich hatte einen detaillierten Kommentar entworfen, der, je länger er wurde, genau so inkonsistent wurde wie Dein Beitrag. Wolfgang Pauli hatte solche prinzipiell unkritisierbaren Konstrukte
Not Even Wrong
genannt. Sie entstehen durch die Zusammenziehung kategorial getrennter Wissensdomänen, so, daß jede Aussage zwar spezialfachlich fundiert erscheint, im falschen Kontext aber ihren ursprünglichen Sinn verliert und zur leeren Floskel wird. Nach hundert Jahren theoretischer (reduktiver) Physik und positivistischer bzw. analytischer Philosophie haben sich spezialfachliche Begriffe und Konzepte derart miteinander vermengt, daß daraus ein schon zur Gewohnheit gewordener Sprachbrei entstanden ist, der nicht mehr angreifbar ist. Es gibt keine Orthodoxie mehr und die Wissenschaft ist zur Kunstform degeneriert.
Lieber Bernd, ich unterstelle Dir nicht, daß Du uns bewußt einen ironischen Wortsalat (ein Simulacrum) vorlegst, aber der Versuch einer Vereinheitlichung der physikalischen Ontologie, der implizit ein Versuch der Vereinheitlichung der Physik ist, zwingt Dich zu einer logischen Beschreibung eines Ganzen, dessen die Logik aus obigen Gründen prinzipiell nicht mächtig ist. Markus Gabriel zieht daraus die notwendige aber nicht hinreichende Konsequenz, daß Objekte nur in Sinnfeldern existieren. Was seiner Philosophie abgeht ist eine Orthodoxie von Sinnfeldern, die sich a-logisch, nämlich kategorial, zu einem Ganzen fügen.
Och Heinz,
werd doch mal konkret, Es hilft keinem, wenn Du dich in die Rolle des über Allem stehenden Beobachters begibst.
Immerhin hört es sich gut an, wenn Du sagt, ich kann dem Bernd nicht widersprechen, weil er seinen Unsinn allzu geschickt verpackt hat.
Aber es muss doch eine Stelle geben, wo Du einhaken kannst. Ich habe doch die ganze Breite der Probleme angepackt, von der Mathematik über die modalen Welten bis hin zum Welle-Teilchen-Dualismus, da wird es doch irgendwo eine Unlogik geben, auf der Du aufsetzen kannst.
Wenn Du wirklich keine findest, scheint das Ganze doch wieder irgendwo logisch zu sein, oder?
Oder habe ich nur die Kunstform der Rätsellösung zur vollen Blüte gebracht ? Das ist dann aber ein Lob wert.
Grüße Bernd
Heinz schreibt: „Markus Gabriel zieht daraus die notwendige aber nicht hinreichende Konsequenz, daß Objekte nur in Sinnfeldern existieren. Was seiner Philosophie abgeht ist eine Orthodoxie von Sinnfeldern, die sich a-logisch, nämlich kategorial, zu einem Ganzen fügen.“
Bernd,
Markus Gabriel schreibt populärphilosophisch in seiner „Sinnfeldontologie“ (fast) das gleiche wie Gabriel Vacariu in seiner „epistemologically different worlds (EDWs)“ Metaphysik. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-10444-3
Der größte Fehler der westlichen Philosophie sei die Trennung zwischen Epistemologie und Ontologie. Oder kurz gesagt: die Welt existiert nicht. Das sagen beide. Es gibt zwar ein „Sein“ (Being), aber es gibt nicht die Welt in der alle Entitäten die wir als Menschen beobachten, sei es im Alltag oder mit Technik wissenschaftlich, in Interaktion (oder wie du es nennst „Wechselwirkung“) treten können.
Es ist daher, so Markus Gabriel und Gabriel Vacariu, sinnlos eine einheitliche Ontologie (die „hinter“ den Phänomenen steht) finden zu wollen. Im Gegenteil, dieses Unternehmen führt laut Vacariu beispielsweise zu zahlreichen philosophischen Pseudoproblemen in der Philosophie des Geistes, in der Physik, in den Neurowissenschaften, etc.
Aus deren Sichtweise ist dein ganzes Unternehmen also sinnlos – es führt in sprachlichen und konzeptuellen Unsinn. Man kann Phänomene daher nur in Sinnfeldern (Gabriel) bzw. in eigenen epistemischen Welten die in epistemischer Korrespondenz zueinander stehen (Vacariu) beschreiben.
Das ist worauf Heinz in meinem zitierten Teil seines Beitrags oben anspielt, soweit ich Ihn richtig verstehe.
Hallo Bernd,
die existenzielle Krise der Teilchenphysik und der Kosmologie im 21. Jahrhundert resultiert aus der Abwahl von Welle und Interferenzmuster zugunsten von Photon und Ereignis im 20. Jahrhundert, d.h. aus dem Übergang vom a priori Wissen zur Probabilistik. Die Probabilistik erzwingt die Wiedereinführung der Aristotelische Zeitvorstellung von Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft in die Physik, die Kepler/Newton/Leibniz erfolgreich überwunden hatten. Damit kommt die Modallogik zurück ins Spiel und alle Argumente (und Paradoxien), die von Heraklit bis Parmenides und Zenon bezüglich des Werdens vorgebracht wurden, stehen wieder zur Debatte. Ein gigantischer Rückschritt zugunsten der logisch-mathematischen (diskreten) Weltmodelle einiger avantgardistischer Physiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die glaubten, den klassischen Aussageverbund von Phänomen und Hypothese auf die Hypothese verkürzen zu können, womit sich die theoretische Physik jedoch ins NIcht-Hier und Nicht-Jetzt verabschiedete. (Ich habe vor einigen Jahren zum Thema Kontinuumsphysik vs. diskreter Physik einen längeren Aufsatz geschrieben, der im Web unter dem Suchbegriff ‚The power and poverty of mathematics in physics‘ frei zugänglich ist.)
Die Wiederbelebung der Aristotelischen Zeitvorstellung in der Physik setzte an die Stelle der infinitesimalen Nachbarschaft des Kontinuums das logische! Argument der Abfolge diskreter Zustände. Damit war/ist das Feld für den Sophismus bereitet, der durch die Anwendung von klassischen (Seins)Begriffen das Werden von Möglichkeiten zu Aktualitäten glaubt beschreiben zu können. Wenn man die populärwissenschaftlichen Bücher der ‚bedeutenden‘ Physiker unserer Zeit liest, erahnt man welche fantastische Spielwiese die ‚Zeit’ der Interpretation der modernen Physik eröffnet. Da wünscht man sich doch einen Richard Feynman zurück, Du weißt schon: shut up…
Zuletzt möchte ich kurz an unsere Diskussion des Dings-an-sich anknüpfen. Der historische Prozess in Aristotelischer Zeit kann als Ding-an-sich verstanden werden, weil er unbenennbar und unerkennbar ist. Denn ein verständliches Benennen ist nur unter Zuhilfenahme zeitinvarianter (klassischer) Begriffe möglich, die aber dem historischen Prozess nicht gerecht werden können. Begriffe wie Welle, Teilchen, Bahn, Interferenz etc. entstammen aber dem klassischen (zeitinvarianten) Phänomen-Hypothese-Aussageverbund und verlieren auf der historischen Zeitachse jegliche Bedeutung. Wer sie dennoch bemüht, hängt sich zwangsläufig an ihnen auf. Und da eine Sprache, die mit zeitvarianten Begriffen operiert, nicht vorstellbar ist, ist jedes Gerede über die Formalistik und Algorithmik z.B. der QM hinaus (Feynman!) gegenstandslos, weil sie dem Versuch einer Beschreibung des Dings-an-sich gleichkommt.
Vielleicht verstehst Du nun, warum ich Deinen Beitrag nicht im Detail kritisieren kann.
@Philipp: Du hast den Kern meiner Aussage richtig getroffen, über die Details müßte man noch mal reden…
Hallo Heinz,
wenn ich dich richtig verstehe, kritisierst du, dass die moderne Physik – durch die Einführung der Probabilistik in der Quantenmechanik – von einem früheren, deterministischen und a priori fundierten Weltbild zu einem unsichereren, auf Wahrscheinlichkeiten basierenden Modell übergegangen ist. Diese Veränderung siehst du als philosophisch problematisch an, da sie die Klarheit und Vorhersagbarkeit der klassischen Physik aufgibt und zu einer Welt der Unbestimmtheit führt.
Wirfst du der Quantenphysik vor, dass sie sich keine Mühe gibt, das Rätsel zu lösen oder hast du eine Lösung in der Tasche, nur niemand will sie hören.
Es klingt so, als wolltest du sagen, wenn ihr die Quantenmechanik nicht verstehen wollt, werft sie lieber in den Papierkorb, wozu brauchen wir Computer und sonstiges Zeug. Ich meine das nicht böse.
Hi zusammen,
Auf das Argument der Ontologisierung der „Möglichkeit“, was anscheinend semantisch als Beschreibung eines Abstraktums aufgefasst wird, will ich einmal gesondert eingehen, ich hoffe es wird nicht zu lang (doch ist viel zu lang geworden, na seis drum):
Dazu folgendes Beispiele:
a) als sich herausstellte, dass mit den Maxwell´schen Gleichungen sehr richtige Vorhersagen gemacht werden konnten, hat man sich gefragt, was denn die beiden Terme E und B in den Gleichungen bedeuten. Mathematisch waren das Zuordnungen von Kraftpfeilen an jedem Raumpunkt. Was für eine Ontologie sollte das sein? Man einigte sich schließlich auf das Wort Kraftfeld oder „Feld“. Dieses „Feld“ durchdrang auch das Vakuum, und sollte offenbar auch in Abwesenheit eines Testobjekts präsent sein (wie das?). Wegen der Abwesenheit eines Trägers im Leerraum konnte man dem Feld aber keine physikalischen Eigenschaften zuordnen. Facit: Bis heute weiß man nicht, um welche physikalische Ontologie es sich handelt. Weil die feldtheoretische Mathematik aber super funktioniert, hat man das sprachlich-gedanklich-abstrakte Konzept eins Feldes einfach beibehalten. Ja, im Laufe der Zeit ist eine echte physikalische Ontologie draus geworden, sie mutierte gar zur paradigmatischen Grundlage der Physik (vereinheitl. Feldtheorie, Quantenfeldtheorie). Die Physik gründet also auf einem sprachlich-gedanklich-abstrakten Konzept, dem keine konkrete Ontologie entspricht. Das ist den Physikern schnuppe. Die Mathematik mit den Termen A und B funktioniert hervorragend, darauf kommt es an: auf den instrumentellen Nutzen, nicht auf die Ontologie. Aus Sicht der Physik können nur Philosophen, die die Physik nicht verstehen, unnötige Fragen nach der Ontologie stellen.
b) In der Doktorarbeit deBrogie´s gibt es einen einzigen Satz, ganz am Anfang, da sagt er: man könnte wegen der Gleichung p = h/Lamda doch einem Objekt mit Impuls doch einfach mal eine Welle mit der Wellenlänge Lamda zuordnen, und dann folgen 20 Seiten oder mehr Anwendung dieser kruden Idee – und siehe da, es kamen wunderbar konkrete Vorhersagen heraus. Die Mathematik funktionierte auf einmal. Nach und nach hat sich dann der Zuordnungsgedanke durchgesetzt, ja sogar soweit, dass man Objekte mit Impuls m*v, also massebehafteten Gegenständen, Welleneigenschaften zuordnete, und dann war auf einmal der Welle-Teilchen Dualismus da, eine Vorstellung, die agierende physikalische Ontologie habe mal Wellen- mal Teilcheneigenschaften – eine absurde Vorstellung über eine Ontologie. Das ist den Physikern schnuppe. Die Mathematik mit Wellenfunktionen funktioniert hervorragend, darauf kommt es an: auf den instrumentellen Nutzen, nicht auf die Ontologie. Aus Sicht der Physik können nur Philosophen, die die Physik nicht verstehen, unnötige Fragen nach der Ontologie stellen.
c) Ich kann die Beispiele mit dem Zustandsvektor oder der Wellenfunktion der Schrödingergleichung fortsetzen. Der Erfolg der Physik beruht auf ihrem instrumentellen Nutzen, er beruht nicht auf ihren Erkenntnissen über die Bausteine der Welt. Die Physik weiß, wie die Welt funktioniert, aber nicht aus was sie besteht. Ich behaupte, das hat einen Grund. Fast alle Physiker sind Realisten, die glauben, es gäbe eine Welt, die unabhängig von ihrem Erkenntnisvermögen objektiv existiert, und die physikalischen Theorien würden/sollten/müssen diese Welt beschreiben, wie sie ist. Nun ist eine physikalische Theorie nichts anderes als eine Menge mathematischer Gleichungen und deren Deutung (Meinung über das, was die Mathematik aussagt). Und alle mathematischen Gleichungen der klassischen physikalischen Theorien können und müssen so aufgefasst werden, dass sie Aussagen über diese objektive Realität machen. Ein MUSS. Auch die Väter der Quantenphysik waren Realisten.
Aber bei den mathematischen Gleichungen der Feld- und Quantentheorien führt genau diese Auffassung zu der Notwendigkeit, dass die objektive Welt auf Feldern, Materiewellen und komplexen Zustandsvektoren gegründet ist, das heißt auf eine unklare Ontologie (s. oben). Die realistische Auffassung führt zwangsläufig dazu anzunehmen, auf dem Grunde allen physikalischen Seins würden Absurditäten agieren! Die realistische Interpretation der Feld- und Quantentheorie schlägt fehl.
Das ist den Physikern aber schnuppe. Die Mathematik mit Wellenfunktionen funktioniert hervorragend, darauf kommt es an: auf den instrumentellen Nutzen, nicht auf die Ontologie. Aus Sicht der Physik können nur Philosophen, die die Physik nicht verstehen, unnötige Fragen nach der Ontologie stellen.
a), b) und c) sind der gegenwärtige Stand der Wissenschaft. Und eines ist doch klar zu sehen:
– es ist sehr vorteilhaft, ganz pragmatisch auf die instrumentalistischen Aspekte zu setzen, und die Frage nach der Ontologie unbeantwortet zu lassen –
– und es ist sehr nachteilig, die Welt als Realist zu betrachten.
Und es liegt doch auf der Hand, die Welt einmal von einem konstruktivistischen, und eben nicht vom realistischen Standpunkt aus zu betrachten, und außerdem hinsichtlich der Ontologie pragmatisch zu argumentieren.
Ich rede nicht von einem orthodoxen Konstruktivismus, sondern von einem Konstruktivismus, den wir täglich im Alltag und in der Wissenschaft praktizieren: Wir beobachten (Wechselwirkungen, was sonst), wollen dies beschreiben, bilden zur Beschreibung geeignete Begriffe, schauen ob diese passen und sich bewähren, und wenn sie sich bewähren, gehen sie in das Inventar der Alltags- und Wissenschaftsbegriffe ein. Im Alltag denke ich hier an die vielen Anglizismen, in der Physik an Begriffe wie Elektron, Myon, Strangeness, Quantenfelder, und anders mehr. Wenn sich die Anwendung dieser Begriffe sehr bewährt, wenn sie sehr häufig gebraucht werden, erfinden wir Synonyma und Kürzel, ja wir erfinden neue Wörter, die in einem Kontext eine kürzere und effektivere Sprache ermöglichen, ohne den semantische Aussage des Ursprungsbegriffs abzufälschen. Beispiel: statt zu sagen, es gibt in der Deutschen Bahn die Möglichkeit, mit meinem PC online zu gehen (jeder weiß was gemeint ist), sagen wir: wir können jetzt online gehen. Gerade die Verwendung der Modalbegriffe können sollten müssen verkürzt nur die umständliche Sprechweise über einen Sachverhalt, der präziser mittels des Begriffs der „Möglichkeit“ hätte dargestellt werden können. Präzision ist im Alltag nicht nötig, was wir wissen müssen, ergibt sich aus dem Kontext. Und natürlich gehen wir im Alltag davon aus, dass Möglichkeiten existieren – wir sagen ja „es gibt“ diese oder jene Möglichkeit – aber in welchem ontologischen Sinn diese Möglichkeiten existieren, interessiert uns im Alltag genauso wenig wie die Physiker ihre Ontologien. Wir sind im Alltag in dieser Hinsicht sogar noch bessere Physiker. Hauptsache die Sprache funktioniert, und das tut sie, auch in vielen Varianten. Und all die verschiedenen Zuordnungen werden am Ende so verwendet, als würden sie die Welt so beschreiben wie sie ist. Am Ende neigen wir immer dazu, Realisten zu sein, weil das von der Sprache her so bequem ist, aber erst wenn alle beschreibenden Begriffe sich bewährt haben. Diese ist eben der überlebensdienlichen Praxis des Alltags angepasst. Wir verallgemeinern in die Quantenwelt aus Denkgewohnheiten, die uns als Realisten nun mal eigen sind.
Wir sind also im Alltag Pragmatiker, auch wir nutzen die Sprache auf instrumentalistische Weise, alltäglich, massenhaft, unbewusst, und problemlos. Wir sind also in gewissem Sinne alle Konstruktivisten, wir konstruieren die Begriffe und nutzen sie instrumentalistisch und pragmatisch (genau wie die Physiker). Und die Verwendung der Sprache beruht auf Konstruktion und Konvention. In diesem Sinne seid Ihr alle und Ich Konstruktivisten.
Und nun kann man die philosophischen Probleme der Physik angehen: ich leihe mir den Begriff der Möglichkeit aus dem alltäglichen Sprachgebrauch und wende ihn einfach nur instrumentalistisch und pragmatisch und konstruktivistisch an (als genial einfache Lösung, alle Vorteile dieser Mittel nutzend):
Der Begriff der Möglichkeit erweist sich sehr schnell als sehr nützlich. Bevor etwas geschieht, muss es die Möglichkeit dazu geben, weil Unmögliches nicht geschieht. Naturgesetze schränken die Menge aller möglichen Möglichkeiten (die Allmöglichkeitsmenge) auf die Menge der realisierbaren Möglichkeiten ein. Wenn ich von einer Menge an Möglichkeiten rede, rede ich von einer naturgesetzlich eingeschränkten Menge an Möglichkeiten. Was unter Möglichkeit semantisch verstanden wird, ergibt sich aus dem beschreibenden Kontext. Was das Wort ontologisch ist, ist momentan irrelevant.
a) Die Mathematik aller physikalischen Theorien beschreibt dann, wenn keine Randbedingungen vorgegeben sind, also in ihrer allgemeinen Formulierung, immer Möglichkeiten, zum Beispiel die Möglichkeiten eines Bahnverlaufs, oder die Möglichkeiten, einen Messwert zu erhalten. Sie beschreibt die Realität nur dann, wenn vollständige Anfangs- und Randbedingungen in die Gleichungen eingesetzt sind.
b) Die Mathematik der Quantentheorien in ihrer allgemeinen Form beschreiben die Möglichkeiten, unter welchen Bedingungen wir für ein Quantenobjekt einen bestimmten Messwert erhalten (wir über ein Quantenobjekt etwas in Erfahrung bringen können). Durch boßes Beobachten wie bei Alltagsgegenständen erfahren wir nichts, weil diese Gegenstände unbeobachbar sind. Vorerfahrungen vor einer Messung liegen nicht vor.
Wenn wir den Aufenthaltsort eines Quantenobjekts (wo es „ist“) ermitteln wollen, so sagt uns die Gleichung: ihr werdet eine Ortsmessung im Allgemeinen nur an bestimmten diskreten Stellen im Raum vornehmen können, das sind die Orte im Raum, an denen auch die Amplitude der ebenen Welle liegen würde, die unter allgemeinen Bedingungen auch eine Lösung der zugehörigen Gleichung ist. Der Natur einen Welle-Teilchen Dualismus zu unterstellen ist überflüssig.
In einer verkürzten Sprache (was wir gerne machen) kann man sagen: Die Mathematik der Quantentheorien beschreibt Orts- und Zustandsmöglichkeiten. Oder wir sagen in realistischer Manier: sie beschreibt die Möglichkeiten eines Quantenobjekts, an einem Ort oder in einem Zustand zu sein, oder in einen neuen Zustand überzugehen. Das ist eine unpräzise realistische Sprechweise, in die auch ich gerne zurückfalle. In Wirklichkeit sagt die Gleichung, unter diesen und jenen äußeren Bedingungen (Hamiltonoperator) gibt es diese und jene Möglichkeiten (Term Y = Wellenfunktion), eine Bestimmungsgröße für das Objekt zu erhalten. Das Objekt hat demnach also keine dynamischen Bestimmungsgrößen von sich aus, sondern erst nach dem Hinsehen (messen, Wechselwirkung) können wir eine solche nennen. Die Mathematik sagt: Vor der Bestimmung ist ein Quantenobjekt ein Ding ans sich ist, und erst durch die Realisierung einer der Bestimmungs- oder Messmöglichkeiten (verkürzt gesagt: dadurch dass wir eine Messung vornehmen) erhält das Objekt eine physikalische Bestimmung – erst dadurch, und nicht schon auf Grund einer Vorerfahrung oder eines allgemeinen Vorwissens, oder gar auf Grund der metaphysischen Annahme, es habe immer eine Bestimmung von sich aus, wie die Realisten meinen. ich hoffe ich habe es klargemacht.
c) Wenn es nur eine einzige Möglichkeit für einen Messwert gibt, wenn also nur auf eine einzige bestimmte Art (äußere Zwänge) ein Messwert zu bekommen ist, ist die Schrödingergleichung nicht mehr zuständig (die beschreibt Möglichkeiten in der Mehrzahl). Genau das kann aber bei einer Menge an Möglichkeiten passieren: die Menge der Möglichkeiten, einen Messwert zu erhalten, kann sich durch äußere Zwänge (Randbedingungen ändern sich) auf eine einzige Möglichkeit reduzieren: wenn dir äußeren Bedingungen sich geändert haben und nur noch eine einzige Möglichkeit für einen Messwert zulassen, verkürzt gesagt, wenn nur ein Messwert erhalten werden kann, wenn nur einer möglich ist – dann wird der auch gemessen. Das beschreibt, in einfacher Sprache dargestellt, den unverstandenen „Messvorgang“.
Der Realist kann dies nicht verstehen, denn aus realistischer Sicht kann ein Messwert nur epistemisch ungewiss sein, das Objekt hat eine Eigenschaft vor der Messung, die wir nur nicht kennen, wir müssen nur messen, um sie zu wissen. Ich sage, über die Eigenschaften des Quantenobjekts vor der Messung können wir – anders als bei Alltagsgegenständen – keine Aussage machen, auch nicht die, dass das Objekt eine Eigenschaft schon hat. Das ist eine sinnlose Aussage. Erst wenn gemessen ist, können wir eine Aussage machen. In einem solchen Fall einer einzigen Möglichkeit ist die Beschreibung einer Menge an Messmöglichkeiten obsolet, die Mathematik macht keine Aussage mehr. Die beschreibt nur Möglichkeiten, keine Gewissheiten. Es wurde Gewissheit geschaffen – das wars.
d) Leicht zu beantworten ist auch die spukhafte Fernwirkung. Wird irgendwie ein verschränktes System aus zwei Teilen geschaffen, dann ist jedes Teil in einem unbestimmten Zustand, und zwar deshalb, weil jedes Teil zwei Möglichkeiten hat, einen definierten Zustand einzunehmen, aber einen solchen gerade aus diesem Grund nicht einnehmen kann. Erst wenn es nur eine Möglichkeit für einen Zustand hat, geht es auch in diesen Zustand über. Die Physiker sagen, es ist in einem „Überlagerungszustand“, eine Wortkonstruktion, die eine unbestimmte Ontologie bezeichnet (was niemand kritisiert). Ich sage, das Quantenobjekt hat zwei Möglichkeiten, einen definierten Zustand einzunehmen, hat aber noch keinen eingenommen, und zwar deshalb nicht, weil das andere Objekt faktisch auch noch nicht in einem definierten Zustand ist, die Randbedingungen also immer für jedes Objekt wechselseitig zwei Zustände zulassen. Erst wenn ein Objekt in einen faktisch definierten Zustand übergeht (z.B. durch Messung), ändern sich die Randbedingungen, und eine der Möglichkeiten der beiden Objekts fällt weg, natürlich die Möglichkeit, die bei ihrer Realisierung die Erhaltungssätze verletzt hätte. Hat das andere Objekt auch nur noch eine Möglichkeit, in einen Zustand überzugehen, dann nimmt es diesen Zustand an, ganz gleich wo es sich befindet: hat es nur eine Möglichkeit, hat es nur eine.
Was ist daran schwer zu verstehen? Wir als Philosophen bieten der Physik einen Ausweg aus ihrer Klemme, indem wir alle instantanen und nichtlokalen Mechanismen in den Raum der Möglichkeiten verlegen. Der ist ein von der Mathematik beschrieben Raum, in dem keine raumzeitlichen Beschränkungen gibt (algebraischer Raum, Hilbertraum).
Facit: Das alles ist doch nur eine Beschreibung. Ich beantworte die philosophischen Fragen der Quantenphysik, indem ich die Quantenwelt mit Hilfe des Begriffs der Möglichkeit logisch/widerspruchsfrei beschreibe. Ich rücke dabei von der realistischen Sicht ab. Ich präsentiere keine Erkenntnisse, ich wende einen Begriff an. Das scheint mir sehr erfolgreich zu sein. Ob Möglichkeiten sich mal zu einer Ontologie emanzipieren, kann ich nicht sagen, ich vermute es. Die Physik hat viele seltsame physikalische Entitäten in ihrem Repertoire, da tummeln sich neben Gegenständen mit Eigenschaften (welcher Seins-Status kommt diesen zu?), da tummeln sich Kräfte (was soll das denn ontologisch sein?) und gerne können sich da auch Möglichkeiten in einem besonderen Seins-Status hinzugesellen. Man kann dann sagen, in jedem Gegenwartsmoment, den wir durchleben, gibt es die physikalischen Gegenstände mit ihren Eigenschaften und Kräften einerseits und es gibt Möglichkeiten einer Veränderung all dieser seltsamen Entitäten andererseits, und irgendwann wird uns dieses Sammelsurium an Begriffen und ontologisch unbestimmten Entitäten, die alle gleichzeitig existieren, in einem Rahmen, den wir Realität nennen (als Konvention), so geläufig und aus sich heraus so selbstverständlich sein, dass wir Fragen nach der realen Ontologie gar nicht mehr stellen. Möglichkeiten als ontologische Entitäten gehören einfach zur Realität – Punkt. Aus.
Ich sage doch: alles ist pragmatische Konstruktion und Konvention, wie wir die Welt sehen. Der realistische Standpunkt ist lediglich in den meisten Fällen sehr praktisch, für die Quantenwelten müssen wir einen anderen Blickwinkel aufmachen. Lasst uns doch die Möglichkeiten dazu hernehmen, und dann pragmatisch beschreiben.
Insofern kann die Idee, ich solle doch mal sagen, wie Physikalisches etwas Unphysikalisches hervorbringt, aber bitte nichts Sprachlich-Konzeptionelles, nur aus dem Kopf eines eingefleischten Realisten kommen, der sich nicht vergegenwärtigt, was wir mit der Sprache bezogen auf die äußere Welt alles behaupten: da bringt eine Messung (das ist nichts anderes als eine störungsfreie Wechselwirkung) eine Bestimmtheit hervor, da beseitigen Trennwände die Möglichkeit einer Raumquerung, da erzeugen physikalische Umstände plötzlich alle möglichen Eventualitäten. Welchen ontologischen Status das Wort „Bestimmtheit“ hat, oder das Wort „Möglichkeiten“ oder das Wort „Eventualitäten“ ist zur zutreffenden verständlichen Beschreibung des jeweiligen Sachverhalts uninteressant, die Sätze sind beschreibende Konstruktionen, die interkommunikativ Sinn machen. Das reicht, um ihre Verwendung zu rechtfertigen.
Also alles in allem, es ist überflüssig zu fragen, ontologisiert der nun oder nicht. Das führt nur zu so langen Kommentaren und zu nichts weiter.
Ich sage Euch jetzt am Ende: es ist längst überfällig, dass wir als Philosophen der Physik einmal sagen, wo es lang geht.
Philip meint es ist alles Unsinn. Und Jürgen meint es ist perfekt verpackter Blödsinn. Meinetwegen – wenn meine Beschreibung funktioniert, ist es mir egal, dann bin ich Physiker. Philip hat auch Recht, in gewissem Sinn ist alles Unsinn – siehe den Beitrag „Absurdismus“ – so bin ich eben auch unbedarfter Philosoph. Dummerweise muss ich als solcher dann die Absurditäten, die die Physik hervorbringt (schon wieder etwas Nicht-Physikalisches hervorgebracht), abnicken mit „oh wie schön“.
Nä, da ist mir trotz meines Alters ehrlich gesagt der Streit mit denen lieber.
Zu diesem Streit lade ich Euch herzlich ein.
Grüße
Bernd
Dein Fehler liegt darin, dass du den Begriff „Möglichkeit“ ontologisierst, also ihm eine eigenständige Existenz zuschreibst, als ob er real wäre. Dabei übersiehst du, dass „Möglichkeit“ lediglich ein Begriff ist, den wir verwenden, um potenzielle Szenarien zu beschreiben. Er existiert nicht als eigenständiges Ding in der Welt, sondern nur in unserem Denken als sprachliches Werkzeug.
Du begehst hier einen Kategoriefehler: Du setzt einen abstrakten Begriff, der nur eine potenzielle Realität beschreibt, mit etwas gleich, das wirklich existiert. So wie „Rot“ nicht als eigenständige Entität existiert, sondern nur als Eigenschaft von Dingen, ist auch „Möglichkeit“ nichts, was für sich selbst steht. Sie ist eine sprachliche Konstruktion, die wir verwenden, um auf etwas Möglicherweise-Zukünftiges zu verweisen.
Philosophen wie Kant haben diesen Unterschied klar gemacht: Begriffe sind Mittel unseres Denkens, aber sie haben keinen ontologischen Status in der Realität. „Möglichkeit“ beschreibt lediglich einen Bereich potenzieller Ereignisse – sie existiert nicht an sich.
Es wäre so, als würdest du sagen, dass die Farbe „Blau“ als eigenständiges Ding existiert, unabhängig von den Objekten, die blau sind. Genauso wenig kann „Möglichkeit“ losgelöst von den Bedingungen, die sie beschreiben soll, eigenständig existieren.
Ergänzung: Du kannst Modelle der Welt entwerfen, wie du willst – du kannst beliebig viele Variablen oder Felder einführen, um Aspekte der Realität zu erfassen. Das ist völlig legitim. Du kannst also deine eigene ein Epistemologie entwerfen, dagegen kann niemand etwas sagen. Aber was du nicht tun darfst, sind methodologische oder methodische Fehler machen. Wenn du abstrakte Begriffe wie „Möglichkeit“ ontologisierst, machst du genau so einen Fehler. Und wenn die Methodik deines Modells fehlerhaft ist, bricht das gesamte Modell zusammen.
Hi Wolfgang,
Die Methodik des Modells (wahrscheinlich meinst Du die Idee über das Modell) ist fehlerhaft, wenn ich einem Gegenstand Eigenschaften zuschreibe, die von zwei kategorisch unterschiedlichen Gegenstandsklassen stammen – zum Beispiel einem Teilchen eine Frequenz und eine Polarisation. Darauf beruht aber das Modell der Strahlung, insbesondere das Modell des Lichts. Du müsstest also den Vorwurf fehlerhafter Modellbildung zuerst einmal der Physik machen, und da würde ich mich anschließen. Und dann kann man als Philosoph eine Zuordnung vornehmen, die in sich schlüssig ist. Einwände?
Grüße Bernd.
Hi Wolfgang,
Ich setze Möglichkeiten nicht als „eigenständiges Ding“, sondern als von physikalischen Tatsachen hervorgebracht, so wie Kräfte hervorgebracht werden, werden auch Möglichkeiten hervorgebracht. Ich brauche keine neue Ontologie, sondern einen neuen beschreibenden Begriff. So wie man einem Ding zu seiner Beschreibung Eigenschaften zuordnen kann, können wir einem Ding Möglichkeiten zuordnen. Das ist kein ein Kategorienfehler weil alles das, was man in der Physik mit einem Gegenstand verknüpft, wie Eigenschaften, Kräfte und Möglichkeiten sowieso alle unterschiedliche Seinsformen haben. Auch die Möglichkeit hat, wenn man denn will (ich will das nicht ausschließen) eine eigene Seinsform. Ich verwende dazu den Begriff rein instrumentell und nicht als ontologische Entität, schließe aber nicht aus, dass man, wenn man weiter denkt, darunter auch eine ontologische Entität verstehen kann. Und zwar aus folgendem Grund: gäbe es keine Möglichkeit, dass etwas eintritt, würde gar nichts eintreten: Es gäbe nur Stillstand und Leere.
Grüße Bernd
Bernd, ein physikalischer Zustand, egal welcher, lässt sich mit allen möglichen Zustandsbeschreibungen darstellen. Der Begriff „Möglichkeit“ repräsentiert dabei einen Konjunktiv in Bezug auf den Gegenstand. Er beschreibt also nicht, was gerade ist, sondern was unter bestimmten Bedingungen sein könnte.
Genau das tut die Wahrscheinlichkeitstheorie, wenn sie postuliert, dass sich der Zustand X morgen so oder so verändern könnte. Es geht dabei um potenzielle Veränderungen in der Zukunft, die wir anhand von Wahrscheinlichkeiten beschreiben. Diese „Möglichkeit“ unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von der Unbestimmtheit in der Quantenphysik.
Es gibt keine andere Art von „Möglichkeit“. Sie ist keine intrinsische Eigenschaft eines Zustands, sondern nur eine Beschreibung dessen, was in der Zukunft eintreten könnte. Das bedeutet: Die Möglichkeit existiert nicht als reale Entität, sondern ist ein Werkzeug unseres Denkens, um potenzielle Entwicklungen zu beschreiben.
Hallo Wolfgang,
ich nehme Deinen Einwand ernst. Wahrscheinblich reicht es nicht, nur mit dem Argument des Pragnmatismus den Begriff der Möglichkeit einzuführen. Ich muss aber dazu einige Überlegungen anstellen, was etwas Zeit kostet. Ich melde mich mit einer ausführlichen Stellungsnahme zu dem Begriff Anfang nä. Woche.
Ich sehe, dass es ohne Erörterung des Begriffs nicht geht. Du hörst vonb mir.
Vielen Dank jedenfalls für Deine Hartnäckigkeit.
Grüße Bernd
„Und Jürgen meint es ist perfekt verpackter Blödsinn.“
Das habe ich nicht gesagt, Bernd!
Ich verstehe im Grunde nur nicht, warum du dich – nach entweder-alles-oder-garnichts-Manier – so hartnäckig an deinem Agnostizismus festbeißt – nur weil man von der QM lediglich probabilistische Auskunft bekommt? Die wissenschaftlichen Resultate geben schon ein gewisses Abbild der Realität wieder und eine Realität anzunehmen ist mE. aus methodischen Gründen einfach erforderlich, wenn man Philosophie betreiben will.
Ich sehe keine Notwendigkeit, eine objekthafte Möglichkeit einzuführen, nur weil der Realismus angeblich keine Möglichkeit hat, die Unbestimmtheiten zu benennen. Es ist zB durchaus auch ein Realismus mit konstruktivistischen & wahrschkt.-theoretischen Elementen denkbar. Warum diese Radikalität? Und warum nicht etwas mehr kritisches Bewusstsein gegenüber der KI?
Hi Jürgen,
ohne den Begriff der Möglichkeit kannst Du die philosophischen Probleme der Physik nicht lösen. Im Gegenteil, Du. ziehst vor dem vielen philosophischen Unsinn, den philosophierende Physiker als Erkenntnis in die Welt setzen – vor allem in den populärwissenschaftlichen Schriften – den Schwanz ein. Du must schon als Philosoph einmal eigenständig mit dem Denken anfangen, und dich nicht immer nur auf fremde Theorien stützen. Du musst Dich der Übermacht der Physik entgegenstellen. In en Augen philosophierender Physiker ist die Naturphilosophie, die Metaphysik und die Erkenntnistheorie nur unnützes Palaver. Wir müssen mal Kante zeigen.
Grüße Bernd
Hi Jürgen, ich verwechsle Dich immer mit Heinz, das tut mir leid. Auch der letzte Beitrag so dachte ich ist von Heinz. Bitte entschulkdige vielmals.
Nein, Du kennst die Quantenphysik besser – aber nicht gut genug. Du erhälst von der Quantenphysik nicht nur probabilistiche Aussagen. Die Quantenphysik macht über die Ontologie absurde Aussagen – die meisten Physiker machen überhaupt keine Aussagen mehr, sie sagen, wie beschreiben nur und erklären nichts, aber die Beschreibungen – zum Beispiel die von verschränkten Systemen – sind schon inkonsistent. Was glaubst Du, was ich da auf Vorträgen von renommierten Leuten alles gehört habe. Es sind gravierende Probleme, die diese Wissenschaft hat, und es wird ziemlich viel Mist in die populärwissenschaftliche Welt gesetzt – so als könnten zwei Gegenstände zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Orten sein. Das glauben mittlerweile auch schon einige Philosophen. Die Aussagen von Bohr oder Bohm sind eigentlich da gar nicht so wichtig.
Grüße Bernd
„Im Gegenteil, Du. ziehst vor dem vielen philosophischen Unsinn, den philosophierende Physiker als Erkenntnis in die Welt setzen – vor allem in den populärwissenschaftlichen Schriften – den Schwanz ein. Du must schon als Philosoph einmal eigenständig mit dem Denken anfangen, und dich nicht immer nur auf fremde Theorien stützen. Du musst Dich der Übermacht der Physik entgegenstellen. „
Lieber Bernd.
Was weißt du denn von meinem Schwanz? Seit meinem ersten Auftritt hier kannst du untrüglich erkennen, dass ich sehr kritisch bin, vor Allem der KI gegenüber, was ich bei dir aber vermisse! Du mahnst eigenständiges Denken an, hängst aber kritiklos dem dänischen Unsinn an.
In den Augen philosophierender Physiker ist die Naturphilosophie, die Metaphysik und die Erkenntnistheorie nur unnützes Palaver. Wir müssen mal Kante zeigen.
Du meinst mit „philosophierender Physiker“ wahrscheinlich die Instrumentalisten, die nicht verstehen, sondern nur rechnen wollen. Die sind mE. aber out of discussion, weil sie eben n i c h t philosophieren wollen!
Was machst du jetzt mit der Kritik von Wolfgang und mir bzgl. der Hypostasierung des Begriffs Möglichkeit ? Das ist ein schwerer, aber valider Einwand gegen dein Konzept.
Hallo Jürgen,
Du warst mit dem Kommentar nicht gemeint, ich bitte vielmals um Entschuldigung.
Zum Begriff Möglichkeit melde ich mich in Kürze, s. auch meinen Kommentar zum Beitrag von Wolfgang – bin momentan beruflich
überlastet. Ich melde mich – und werde Dich nicht mehr verwechseln. Das tut mir sehr leid. Ich nehme Deine Einwände ernst. Bitte warte auf den nä, Kommentar.
Grüße
Hallo Bernd,
[so schlimm war die Verwechslung nun auch wieder nicht (-; ]
Zu dir:
„Der Realist kann dies nicht verstehen, denn aus realistischer Sicht kann ein Messwert nur epistemisch ungewiss sein, das Objekt hat eine Eigenschaft vor der Messung, die wir nur nicht kennen, wir müssen nur messen, um sie zu wissen.“
Das ist nicht in Stein gemeißelt und nur e i n e Interpretation. Nicht alle Realisten sind I….! Ich halte die Annahme einer realen Außenwelt für erforderlich, wenn man sich nicht im Solipsismus festfahren will. Aber ich habe auch Distanz genug, zu erkennen, dass unsere Theorien Konstrukte sind, die nur korrelieren bzw. repräsentieren, aber es gibt eine Menge untrüglicher Hinweise, die es wahrscheinlich werden lassen, dass sie die Realität approx. abbilden.
Schau dir das Born-Axiom an:
„Sei das System in einem Zustand präpariert, der durch 𝜓 repräsentiert wird und sei ai ein Eigenwert des zugehörigen Operators Â, dann ist die Wahrscheinlichkeit P(ai), bei einer Messung den Wert ai zu erhalten, gegeben durch die Bornsche Regel Pai=(ai 𝜓 )2
=> Kommt es in dieser Bornschen Regel nicht auf den Zusatz „bei einer Messung“ an, kann man realistisch interpretieren, dass dem quantenphysikalischen System sämtliche Eigenschaften zu jeder Zeit zuzuordnen sind und dass es sich deterministisch entwickelt. Dann aber ist die Standard-Quantenmechanik unvollständig, da ontologisch offenbar mehr vorliegt, als epistemisch (eben nur stochastisch) bestimmt werden kann, so dass sie durch verborgene Parameter ergänzt werden müsste.
=> Kommt es dagegen in der Bornschen Regel wesentlich auf den Zusatz „bei einer Messung“ an, so wie die KI das tut, weil sie nicht zugeben kann, dass sie unvollständig ist, dann kann das so interpretiert werden, dass das mikroskopische Quantensystem in der Regel nicht schon vor der Messung von ai die entsprechende Eigenschaft ai hätte, sondern dass es sie erst während der Messung bekommt.
MaW: Wenn du lediglich Eigenwerte = Messwerte als Elemente der physikalischen Realität betrachtest, dann musst du die Realität solange leugnen, bis du sie gemessen hast, da du sie dann erst „erzeugst.“
Dann ist sie aber auch nur eine zugeschnittene Messtheorie!
Im Hilbertraum jedenfalls kommt ein solcher Messvorgang nicht vor, so dass jede Interpretation, die den Bezug auf eine Messung in der Bornschen Regel für wesentlich ansieht, eine zusätzliche und erstmals indeterministische Dynamik annehmen muss, wofür die KI aber wiederum keine plausible Erklärung hat.
„Durch boßes Beobachten wie bei Alltagsgegenständen erfahren wir nichts, weil diese Gegenstände unbeobachbar sind. „
Diese „Gegenstände“ sind nicht unbeobachtbar, es sind zwei Observable A und B die nicht kommutieren, infolgedessen man keine Zustände misst, in denen beide Observable zugleich scharfe Werte haben. Du kannst zu jeder Zeit Einzelwerte mit beliebiger Genauigkeit messen! Ist ‘ne Frage der „Messfrequenz“, soviel ich weiß.
„In Wirklichkeit sagt die Gleichung, unter diesen und jenen äußeren Bedingungen (Hamiltonoperator) gibt es diese und jene Möglichkeiten (Term Y = Wellenfunktion), eine Bestimmungsgröße für das Objekt zu erhalten. Das Objekt hat demnach also keine dynamischen Bestimmungsgrößen von sich aus, sondern erst nach dem Hinsehen (messen, Wechselwirkung) können wir eine solche nennen.“
Oh nein, Bernd! Nicht du auch!! Hinsehen als Kausalfaktor??? Mais bon.
Ich denke, es ist eine Sache der verwendeten Mathematik, siehe „Spektral-Axiom“:
„Die Menge aller möglichen Messergebnisse a einer Observablen A ist durch das Spektrum σ(A) des Operators A. gegeben“
Letztendlich ist es – wenn ich es recht sehe – die übernommene Eigenschaft des Hamiltonian bzw. der Hamilton-Fkt., die alle unter bestimmten energetischen Bedingungen möglichen Werte präsentiert, was sich in der Quantenmechanik im Spektrum des Operators zeigt. Der Messakt, die Wechselwirkung, wie du richtig schreibst, ergibt einen Wert, der zufällig mit einem Eigenwert des Operators korreliert.
Der Eigenwert und der Messwert haben im Grunde überhaupt nichts miteinander zu tun, es gibt keine kausale Verbindung zwischen diesen beiden. In der klassischen Mechanik hast du zu jedem Bedingungszenario einen diskreten Wert, die Operator-Mathematik der Quantenmechanik kann nur Alles, eben das ganze Spektrum – es ist, als würde die Schrödinger-Gleichung sich überhaupt nicht dafür interessieren, was tatsächlich passiert und im Grunde ist der Messakt eine Korrektur, die uns mitteilt, welcher Eigenwert im Spektrum relevant war und welche nicht;
das Teilchen aktiviert die Messstrecke und am Display erscheint der Wert. Da kollabiert auch nichts! Im Hilbertraum, sprich Laborjournal, steht immer noch der Operator mit seinem Spektrum, nur hat er keine Relevanz mehr, was ja von vorneherein klar ist, wenn der Eigenwerte viele sind, aber nur einer für das Bingo! infrage kommt. Diese Dramatik um den Kollaps ist mE. völlig daneben.
Ich glaube, dieses Szenario sorgt mehr für Verwirrung als für Klärung mit dem absoluten Unsinn, dass ein „Hinsehen“ irgendetwas bewirken kann (Das Sehen ist ein passiver bzw. interner Vorgang)! Und wie das oben zu sehen ist, bist du diesem Unsinn offensichtlich auch erlegen.
Was muss ich tun, um dich zu überzeugen, dass die KI philosophisch nichts taugt!? (-;
Hallo Bernd,
„Philip meint es ist alles Unsinn.“
Du musst mal meine Beiträge richtig lesen, wie oft du mich schon missverstanden hast.
Ich habe mir die Mühe gemacht dir einen Teil von Heinz Beitrag im Detail zu erläutern da du diesen nicht verstanden hattest. Nicht ich sage dass das was du schreibst Unsinn ist, sondern aus Sicht der Sinfeldontologie von Markus Gabriel (die Heinz erwähnte) sowie aus Sicht der EDWs Metaphysik von Vacariu (die mit der Sinnfeldontologie fast identisch ist) wäre deine Philosophie „falsch“.
Wie kann man dann einen Beitrag der so klar formuliert ist direkt wieder falsch verstehen?
PS: nur als Ergänzung bevor das nächste Missverständnis auftritt.
Wie sinnvoll deine Philosophie im Hinblick auf die Physik ist kann ich kaum beurteilen. Meine Kritik (in Wolfgangs Thema) bezog sich darauf wenn du meinst sie auch auf das Thema des Bewusstseins anzuwenden, oder auf Prozesse des Körpers auf der Ebene der Biologie.
Soviel Differenzierung muss schon sein. 😉
Aber ich habe nie behauptet dass das was du hier machst per se Unsinn sei!
Hallo Philip,
Ich denke doch, daß Du meine Philosophie beurteilen kannst, ist ja nur allgemeine Philosophie, ich wäre jedenfalls an Deinem Urteil interessiert. Ich melede mich in Kürze mit Überlegungen zum Begriff der Möglichekeit.
Grüße Bernd
„Ich denke doch, daß Du meine Philosophie beurteilen kannst, ist ja nur allgemeine Philosophie“
Mir fehlt das Wissen in der Physik. Wie soll ich eine Philosophie der Physik beurteilen wenn ich kein ausreichendes Wissen in den hier behandelten physikalischen Themen habe? Das funktioniert nicht.
Mein einziger Kritikpunkt ist der den Wolfgang bereits vorgebracht hat, nämlich dass Möglichkeiten eher etwas sind die a priori von uns in die Welt gelegt werden, also Teil unserer Beobachtung sind, nicht aber Teil der Umweltphänomene.
Ich wollte diesen Punkt aber nicht ansprechen da eine Diskussion darüber nur zu weit weg von dem eigentlichen Inhalt deines Artikels führen würde. Ich würde in der Diskussion hier also lieber Mitleser bleiben statt mit dir zu diskutieren.
Ich stelle nur eine Frage da mich deine Antwort darauf doch interessieren würde. Also mal positivistisch gefragt: wie misst du „Möglichkeiten“?
Hi zusammen,
ich will nun noch einmal auf den Begriff der Möglichkeit zurückkommen, wie er verwendet werden kann und wie ich ihn verwende.
Es handelt sich um einen Begriff, der in vielen verschiedenen Kontexten verwendet werden kann. Zum Beispiel als „logische“ Möglichkeit: „die Möglichkeit, dass etwas wahr ist“, als „subjektive“ Möglichkeit: „ich habe das Abitur, also habe ich die Möglichkeit zu studieren“. Ich verwende den Begriff der Möglichkeiten ausschließlich zur Beschreibung objektiver Gegebenheiten in physikalischen Kontexten: „an diesem Ort ist ein Messgerät, dort gibt es die Möglichkeit, den Wert einer bestimmten physikalischen Bestimmungsgröße zu messen.“
Dass ich das Wort in physikalischen Kontexten verwende, hat nicht zur Folge, dass dem Begriff nun automatisch etwas Ontologisches oder Physikalisches oder gar Nicht-Physikalisches anhaftet. Wir verwenden in der Physik überwiegend Begriffe mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen, zum Beispiel den Begriff „Abstand“. Es gibt einen Abstand in der Geometrie, einen physikalischen Abstand, und auch einen „abstrakten“ Abstand, zum Beispiel den Abstand zwischen Arm und Reich, oder den Abstand zwischen oben und unten in einer Hierarchie. Es gibt den Begriff „schwer“ als physikalische Größe, wir sagen aber auch, die Schuld wiegt schwer. Der semantische Gehalt der Begriffe wird im Kontext festgelegt und verstanden. So ist es auch mit dem Begriff der Möglichkeit. Eine bestimmte Bedeutung, die immer gilt, zu unterstellen, ist falsch. Es gibt nichts, was die Semantik des Begriffs unabhängig vom Kontext festlegt (übrigens genau wie beim Begriff der „Wirkung“). Und etwas Abstraktes grundsätzlich als physikalisch irrelevant zu bezeichnen, ist auch falsch. Naturgesetze sind nun wirklich etwas Abstraktes, aber sie sind physikalisch höchst relevant.
Zum Schluss daher: ich sehe Möglichkeiten nicht als „Ereignisse“ an, und auch nicht als „ewige“ Objekte, und auch nicht als „emergenten Phänomene“ – sie sind dies in keinem Kontext. Ich sehe sie auch nicht als „Einschätzungen zukünftiger Wahrscheinlichkeiten“, man kann sie auch nicht messen, sie doch keine physikalischen Bestimmungsgrößen.
Ja was sind es denn? Es sind Begriffe, die viele Bedeutungen haben, zur Beschreibung der Welt nützlich sind, und die ich in einem Kontext verwende, um Quanteneffekte widerspruchsfrei zu beschreiben. Der Kontext macht es: wenn Faust sagt, da bin ich nun ich armer Tor, genauso schlau wie eh zuvor, dann weiß jeder, dass mit Tor nicht das physikalische Objekt Tor gemeint ist. Daher bitte ich Euch, den Begriff wie ich ihn verwende aus dem Kontext heraus zu betrachten.
Dennoch will ich den Begriff der „Möglichkeit“ genauer beleuchten und zwar will ich hier noch zwei Aspekte nennen:
a) ich behaupte, die Mathematik der Feld- und Quantentheorien beschreibt Möglichkeiten – dass heißt: meine im beschreibenden Kontext verwendeten Entitäten genannt „Möglichkeiten“ (sag es absichtlich neutral) lassen sich als mathematische Objekte formalisieren.
b) ich behaupte: mögliche Tatsachen oder Ereignisse sind etwas grundsätzlich anderes als Möglichkeiten. Wenn ein Physiker sagt, die allgemeine Gleichung der Wurfparabel beschreibt alle möglichen Wurfparabeln, dann ist dies etwas anderes, als wenn er sagen würde, es existieren viele Möglichkeiten für eines Bahnverlaufs.
Unter allen möglichen Wurfparabeln versteht man nämlich die konkreten Bahnverläufe unter allen möglichen Randbedingungen. Diese Bahnverläufe beschreibt man mathematisch mit reellen Zahlen.
Mögliche Bahnverläufe sind aber etwas anderes als die Möglichkeiten eines Bahnverlaufs. Die Möglichkeiten eines Bahnverlaufs sind Möglichkeiten, und keine möglichen Bahnverläufe unter irgendwelchen noch eintretenden Bedingungen.
Zur Mathematik: Mathematiker können alles Mögliche im wahrsten Sinne des Wortes in einen algebraischen Raum packen, auch Möglichkeiten. Sie werden als komplexwertige Vektoren oder Funktionen in einem solchen Raum dargestellt. Sich ausschließende Möglichkeiten bilden eine orthogonale Basis, man kann die Elemente des Raums, die Möglichkeiten repräsentieren, addieren und multiplizieren. Das heißt die Mathematik beschreibt sie formal in einer Gleichung, mit der etwas vorhergesagt wird, also sollten sie etwas „Objektives“ sein und einen Bezug zur Realität haben. Und sie sollten etwas fundamentales sein, weil sie in den Gleichungen grundlegender Theorien auftreten. Die Gleichung erhält dann eine besondere Deutung, nämlich die einer Beschreibung von Möglichkeiten. E und B in den allgemeinen (!) Maxwellgleichungen verweisen dann in der Realität auf eine Gesamtheit von Möglichkeiten, hier Möglichkeiten einer Kraftwirkung. Man kann so – muss nicht – ein statische Feld als Gesamtheit von Möglichkeiten einer Kraftwirkung auf ein Testobjekt ansehen. Es liegt schlicht auf der Hand, dies so zu sehen. Wenn wir also einen Magneten auf den Tisch legen, dann umgibt ihn ein Feld, und das kann man – so interpretiere ich die Mathematik – als eine Gesamtheit von Möglichkeiten einer Kraftwirkung an jedem Raumpunkt ansehen. Ein Magnet hat nun mal die Potenz, andere Magnete anzuziehen oder abzustoßen, und es liegt auf der Hand, diese Potenz als etwas Reales anzusehen, wie es die Physik ja auch macht: Felder sind reale physikalische Objekte. Statt Potenz sage ich genauer: Gesamtheit von Möglichkeiten einer Kraftwirkung, und dann liegt es ebenfalls auf der Hand, Möglichkeiten als nicht- gegenständliche reale Entitäten anzusehen, genauso wie Kräfte, die auch reale nicht gegenständliche Entitäten sind, und deren ontologischer Status von Philosophen gewöhnlich nicht hinterfragt wird. Die Mathematik selbst gibt also hier vor, was man unter Möglichkeiten einer Kraftwirkung zu verstehen hat: eine reale physikalisch wirksame nicht-gegenständliche und fundamentale ontologische Entität – in diesem Kontext !!! und nur in diesem Kontext !
Und nun zur modalen Abgrenzung (es wird wieder lang und es liest keiner weiter): Die Mathematik der Quantentheorien beschreibt immer eine Möglichkeiten-Menge, die Mathematik der klassischen Theorien immer „einzige Möglichkeiten“. Es gibt keine einelementige Möglichkeitsmenge, weil dann, wenn es nur eine Möglichkeit für etwas gibt, wird dieses Etwas zur Realität. Realität „entsteht“ im Gegenwartmoment durch Realisierung einer Möglichkeit (gesagt aus einem realistischem Blickwinkel). Natürlich entsteht gar nichts, sondern wir können weil es nur eine Möglichkeit für den Wert einer Bestimmungsgröße gibt, genau dann nur eine neue Zuordnung / Bestimmung machen. Solche laufenden neue Bestimmungen des Ortes sind gleichbedeutend mit der Aussage, das Objekt bewegt sich, letzteres ist nr einfacher zu verstehen.
Wenn also jemand sagt, das Objekt durchläuft alle möglichen Orte auf einer Bahn, lassen sich diese Orte mit reellen Zahlen kennzeichnen. Mögliche Orte sind aber keine Möglichkeiten, einen Ort zu durchlaufen. An möglichen Orten gibt es keine Potenz, nur Möglichkeiten, dass ein Ort durchlaufen wird, kennzeichnen Potenz. Möglichkeiten sind keine reellen Entitäten, es sind keine Entitäten, die mit physikalischen Bestimmungsgrößen beschrieben werden können. Möglichkeiten haben eine eigene Seins-Art, einen eigenen Realstatus – jedenfalls verwende ich sie in diesem Sinne. Wenn es also in jedem Gegenwartsmoment neben der gegenständlichen Wirklichkeit auch Möglichkeiten für Veränderungen dieser Wirklichkeit gibt, dann gibt es neben den gegenständlichen Entitäten, den Relationen, den Eigenschaften, und was es sonst noch an physikalischen Entitäten gibt (unsichtbares Licht, Dunkle Materie) eben auch die physikalische Entität „Mannigfaltigkeit von Möglichkeiten“ als von der Mathematik beschriebene ontologische Entität. Die Realität besteht dann aus Wirklichkeit und Möglichkeiten einer Veränderung dieser Wirklichkeit.
Das ist nur als Vorschlag für eine Beschreibung anzusehen, als Versuch einer besseren Interpretation der Mathematik, zum pragmatischen Umgang mit den philosophischen Problemen der Physik – nicht als Feststellung eines bestimmten ontologischen Status. Ich setze der Behauptung der Physiker, wir könnten die Quantenwelt nicht verstehen, etwas entgegen, eine Interpretation, die in sich schlüssig ist, denn meine Deutungen sind begründet und nachvollziehbar – aber sie stehen nicht als finale Behauptung da, sondern zur wissenschaftlichen Disposition.
Grüße
Bernd
Hallo Bernd,
einerseits sollen Möglichkeiten keinen ontologischen Status haben. Sie sind nun einmal keine Dinge oder Entitäten, das ist klar. Andererseits haben sie aber doch irgendwie eine „Wirkung“ in der Welt; denn was wären sie ohne Einfluss oder Wirkung? Irgendwie sind sie also doch wieder ontologisch (du implizierst es meiner Meinung nach auch wenn du es negierst). Siehe z.B. hier ein Zitat von dir aus deiner Antwort:
„Möglichkeiten haben eine eigene Seins-Art, einen eigenen Realstatus – jedenfalls verwende ich sie in diesem Sinne“
Tut mir leid, aber für meinen Geschmack widersprichst du dir häufiger in einer Antwort selbst.
Ein weiteres Zitat:
„Mögliche Bahnverläufe sind aber etwas anderes als die Möglichkeiten eines Bahnverlaufs. Die Möglichkeiten eines Bahnverlaufs sind Möglichkeiten, und keine möglichen Bahnverläufe unter irgendwelchen noch eintretenden Bedingungen.“
Auch das ist klar; in der Stochastik nennt man es Ergebnisraum versus konkrete Ereignisse.
Kommen wir mal zu einem Beispiel bezüglich Möglichkeiten.
Beispiel:
Ein System das den Zustand eines maximalen Gleichgewichts erreicht hat kann „feststecken“. Sowas kennt man auch aus dynamischen Prozessen. Hier passiert nichts mehr; es kann sich nichts mehr entwickeln, jedenfalls nicht ohne Einwirkung von außen. Du würdest sagen: Das System hat keine Möglichkeiten mehr (oder keine Potentialität).
Ja!
Aber auch hier sind „Möglichkeiten“ aus meiner Sicht immer noch ein reines Beobachterphänomen und nichts was den Dingen selbst zukommt – egal in welcher Form. Du sagst: das kann nicht sein, denn entweder hat eine Sache Möglichkeiten oder es hat keine; wie soll das rein beobachterbasiert sein?
Aus meiner Sicht lautet die Antwort: wir nutzen als Menschen bestimmte „Denkkategorien“ die sich evolutionär entwickelt haben. Und wir können manche Phänomene prinzipiell nicht ohne diese Kategorien verstehen oder einfach nur „denken“. Wie können manche Denkkategorien wie „Kausalität“ oder „Möglichkeiten“ prinzipiell nicht ablegen da sie intrinsisch in uns werkeln. Sie sitzen uns wie eine Brille auf die fest mit unserem Gewicht verwachsen ist. Wir können nicht ohne diese Brille sehen.
Und mein Kritikpunkt wäre dann dass du deine Phänomenologie ontologisiert – weil es für dich nicht anders vorstellbar ist.
Ferner definierst du Möglichkeiten eher in einem negativen Sinne: man kann sagen was sie nicht sind. Man kann sie nicht messen. Man kann sie nur vage und je nach Kontext definieren. Man kann sie also auch nicht zählen, oder? Sonst könnte man sie ja messen.
So bleibt es halt letztendlich sehr vage!
Hallo Philip,
mein Ziel ist nicht, Möglichkeit als ontologische Entität in die Philosophie oder Physik einzuführen. Ich verwende den Begriff zur Beschreibung, und das es viele Bedeutungen für den Begriff gibt, passt er eben auch in meine Beschreibungen optimal hinein. Was er dann in diesen Beschreibungen konkret bedeutet, ergibt sich aus dem Kontext. Wir verfahren bei Beschreibungen in unserem Alltag genauso, auch mit diesem Begriff. Ich spreche eine Alltagssprache, ich behaupte keine neue Theorie. Einen Kategorienfehler begehe ich nur, wenn die Bedeutung, die sich aus dem Kontext der Beschreibung ergibt, sich in die Beschreibung nicht logisch oder konsistent einfügt. Das keißt ganz konkret, ob meine Beschreibung nicht verstanden wird. Fragen dazu sind aber bisher überhaupt nicht gestellt worden. Das ist auch nicht schlimm, weil die Quantentheorie sehr diffizil ist.
Es ist natürlich erlaubt zu fragen, was ist das für eine Entität im philosophischen Sinne und im physikalischen Sinne. Dazu hatte ich ausgeführt: es ist mathematisches Objekt und man kann es als ontologische Entität eigener Seinsform auffassen, das liegt sogar nahe. Es ist aber nicht mein Thema es so darzustellen. Erst wenn man den Begriff bei den von mir behandelten Fragen immer und immer wieder sinnvoll anwenden läßt, wird sich eine Vorstellung von Ontolgie ja oder nein von selbst herausbilden. Erst Beschreibung, dann Erklärung. Erst muss die Beschreibung verstehbar sein – dann kann man sich überlegen, warum sie verstehbar ist, und ob sie einen Erklärungswert besitzt.
Grüße Bernd
Hi Philip,
Du sagst: … entweder hat eine Sache Möglichkeiten oder es hat keine; wie soll das rein beobachterbasiert sein?
Ein ganz einfaches Beispiel: Der Realist sagt: ein Gegenstand (ein räumlich begrenzter Gegenstand) hat immer einem Ort, er muss schließlich irgendwo sein, aus logischen Gründen. Und wenn es sich bewegt, dann auf einer Bahn. Möglicherweise siehst Du das genauso. Es kann aus realistischer Sicht auch nicht anders sein. Es ist trivial, dies festzustellen.
Die Mathematik der Quantentheorie sagt (von allen Physikern anerkannt): ein Quantenobjekt hat keinen Ort. Und es propagiert auch nicht auf einer Bahn.
Was nun? Wie kann das sein? Aus realistischer Sicht ist das nicht zu verstehen. Punkt.
Ich biete folgende Lösung an: Die Wortwahl „hat einen Ort“ ist eine schlechte Wortwahl, die schnurstracks zu dem beschriebenen Problem hinführt. Die bessere Wortwahl ist.: wir ordnen, wenn wir den Gegenstand beschreiben wollen, ihm einen Ort zu – eine Zuordnung!. Den Gegenständen unseres Alltags können wir immer einen Ort zuordnen. Den Quantenobjekten nicht. Damit ist das Problem erst einmal sein Unlogik los.
Dann werde ich natürlich gefragt: warum kannst Du den Quantenobjekten keinen Ort zuordnen. das ist doch dann Frage: warum nicht ? Ich sage, weil ein Alltagsgegenstand zu jedem Zeitpunkt immer nur eine Möglichkeit hat. an einem Ort zu sein, aber Quantenobjekte haben zu jedem Zeitpunkt viele Ortsmöglichkeiten. Wie kann das sein, dass ein Gegenstand „Möglichkeiten hat“? Nun ein Gegenstand hat genauso Möglichkeiten (die Physiker sagen „Freiheiten“) wie ein Mensch. Die Möglichkeiten die wir haben, werden durch äußere Umstände geschaffen – sprachlich gesehen ! Und die Ortsmöglichkeiten – oder wie die Physiker geschwollen sagen, die Möglichkeiten, einen Ortszustand einzunehmen, das haben die Quantenobjekte auch, eben je nach äußeren Bedingungen (Anfangs- und Randbedingungen).
In beiden Fällen tun wir so, als ob die äußeren Bedingungen die Möglichkeiten schaffen. Und so sagt es auch die Mathematik: ein Quantenobjekt kann nicht isoliert betrachtet werden, es ist immer mit der Apparatur „verschränkt“. Es ist immer als ein Objekt zu sehen, dessen Freiheiten von der Apparatur eingschränkt werden.
Ich beschreibe also die Situation mit Begriffen, die aus dem Alltag entnommen sind, ohne ihre alltägliche Bedeutung abzuändern. Und siehe da, es funktioniert. Nun kannst du sagen: Du ontologierst den Begriff der Möglichkeit. meinetwegen, dann wird auch der Begriff der Möglichkeit oder der „Freiheit“ im Alltag ontologisiert. Sei´s drum. Jeder versteht, um was es geht. Kannst Du Dir den Kopf heißreden, was alles nicht passt. Instrumentell passt es, wie vieles in der Physik, von dem man gar nicht weiß, was das ontologisch sein soll.
Nun zu dem obigen Satz von Dir: Wenn ich von Bonn nach Köln fahren will, und habe zwei Möglichkeiten, den Zug oder das Auto zu nehmen (ein Ritt auf der Kanonenkugel scheidet dummerweise aus), dann ist das Mittel der Bewegung ungewiss. Wenn das Auto kaputt ist, oder der Zug nicht fährt, weil Streik, scheidet eine Möglichkeit aus. Wenn eine ausscheidet, bleibt nur die andere übrig. Eine Möglichkeit ist weg, dann nur eine übrig. Dann habe ich eben nur noch eine einzige Möglichkeit und das ist das einzige Mittel der Bewegung das ich habe. Es gibt dann keine Möglichkeiten mehr. Plötzlich sind alle weg ! Ist doch logisch oder? Oder beobachtest Du was anderes ? Eine einzige Möglichkeit in der Wirklichkeit ist gleichbedeutend mit einem Faktum. So betrachten wir das im Alltag.
Und ich beschreibe so den unverstandenen Messprozess – auf genau diese Weise, und verwende den Begriff der Möglichkeit genauso: ich spreche eine ganz einfache Sprache. Wenn nur ein Messwert möglich ist, dann erhalte ich diesen Messwert. Da bricht keine Wellenfunktion zusammen, sondern meine Möglichkeiten (als Mehrzahl) sind weg, und die Schrödingergleichung hat keinen Gegenstand der Beschreibung mehr (Möglichkeiten – in der Mehrzahl).
Natürlich mache ich mir über die Ontologie
Gedanken, aber erst nachdem ich das Messproblem gelöst habe – erst danach, mit Euch. Einen Physiker wird das möglichweise gar nicht interessieren, der geht direkt in die Anwendung des Begriffs.
Grüße Bernd.
… und was ich behaupte (oder besser gesagt annehme) war folgendes:
Du beschreibst nicht was wirklich geschieht, sondern du beschreibst einen Prozess den du beobachtest mit Begriffen (Möglichkeiten etc.) die menschliche Denkkategorien sind und dir genau deshalb intuitiv als evident und logisch erscheinen.
Wir können gerade Prozesse oder Phänomene in einem Mikrokosmos (Quantenprozesse) aber nicht zwangsweise immer mit menschlichen Denkkategorien erfassen. Wir können das machen – und dann erscheint die Beschreibung für viele Menschen wieder „logisch“ oder einleuchtend. Aber das heißt eben nicht dass solche Beschreibungen die mit Alltagssprache operieren korrekt sind bzw. auf den wirklich Prozess Bezug nehmen.
Das mag dann zwar so erscheinen, es leuchtet subjektiv ein, aber gerade wenn etwas subjektiv als evident erscheint ist es (umgekehrt!) wahrscheinlich sogar falsch – eben da unsere Denkkategorien angewendet auf den Mikro- und Makrokosmos irreführend sind.
Hi Philipp,
alle Beschreibungen beruhgen auf Denkategorien.
Wenn ich sage, die allgemeine „Gleichung der Wurfparabel“ beschreibt die Gesmamtheit aller möglichen Bahnen von abgefeuerten Kanonenkugeln, dann ist diese Gesamtheit eine Denkkategorie. Denn die Gesamtheit aller abgefeuerten Kanonenkugeln kommt nun mal in keiner Realität vor – es ist ein gedachtes Objekt, nicht mal ein mögliches oder realisierbares Objekt.
Trotzdem ist die Beschreibung zutreffend. Wie sollen wir denn denken außer in Denkkategorien. Wir beschreiben die Welt mit Denkkategorien, weil wir anders nicht können. Nur die Realisten sagen: sieh da, das ist eine Beschreibung, wie die äußere Welt beschffen ist – als Faktum. ich sage wenn wir es als Beschreibung der äußeren Welt auffassen, kommen wir mit der äußeren Umwelt besser klar.
Ich hatte ja schon mal gesagt, wir alle (ich auch) fallen immer wieder in die realistische Sichtweise zurück – das sind schwer überwindbare Denkgewohnheiten. Die Aussage, das Ding befindet sich da oder dort, ist nur eine verkürzte Aussage für eine Zuordnung. Dass etwas von sich aus da oder dort ist, können wir aus Gründen, die Wolfgnag schon ausgeführt hat, und Du auch, mit Gewähr gar nicht behaupten.
Grüße Bernd
Bernd, du schreibst, dass wir in Denkkategorien denken. Das ist völlig richtig. Aber bei den Denkkategorien muss man unterscheiden zwischen den Kategorien, die die ‚Realität‘ beschreiben und denen, die Denkkategorien beschreiben. Ein Quantenobjekt beschreibt die ‚Realität‘, die Denkkategorie ‚Möglichkeit‘ beschreibt eine Denkkategorie, also kein Objekt, sondern eine Wahrscheinlichkeit.
Du aber stellst beide auf eine Stufe und sagst, Möglichkeit gehört zum Objekt dazu. Das ist und bleibt ein Kategoriefehler, unabhängig, ob du Realist, Konstruktivist oder sonst was bist.
Schau mal bitte (wenn du magst) dieses Video von Minute 32:00 bis Minute 40:00.
https://www.youtube.com/watch?v=sGIYA_SjeZo
Es gibt eine „Objektebene“ (siehe Video) und eine „Beschreibungsebene“ (siehe ebenfalls Video).
Was du machst ist aus meiner Sicht folgendes. Du nimmst deine Beschreibungsebene und setzt sie implizit oder auch teilweise explizit mit der Objektebene eins.
Und das ist der Fehler (denke ich).
In der Frühphase der Quantentheorie (1908) veröffentlichte J.M.E. McTaggart einen Artikel mit dem Titel „The Unreality of Time“, der bis heute wie ein Damoklesschwert über allen Wissenschaften schwebt, die sich auf ein Aristotelisches Zeitverständnis (Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft) beziehen, d.h. eine Zeit, in der es Ereignisse gibt die stattgefunden haben, stattfinden oder als Möglichkeit stattfinden werden. Sein bis heute unwiderlegter Artikel wurde als philosophische Sternstunde gefeiert, verschwand aber schnell in den Schubladen, weil sich der Quantenzug spätestens 1905 mit Einsteins Deutung des photoelektrischem Effekts schon in Bewegung gesetzt hatte.
Bernd hat das Händchen mit seinen Beiträgen die ganz heißen Kartoffeln der Philosophie (Ding-an-sich, Zeit) auf den Tisch zu bringen. Wenn ich auch seinem Verständnis von Zeit und Möglichkeit in der Physik nicht zustimme, ergibt sich hier doch die Gelegenheit die Strukturen des Wissens zu durchleuchten, ohne auf die spezifischen Glaubensbekenntnisse von Physik, Komplexitätstheorie, Neurologie oder KI zurückgreifen zu müssen.
Es ist, glaube ich, Konsens, daß in der klassischen Physik keine geschichtliche Zeit auftaucht, denn sie ist invariant gegen Verschiebung in geschichtlicher Zeit. Das gilt natürlich auch für den ‚Fall‘ von Äpfeln oder die ‚Abfolge‘ von Jahreszeiten. Man kann also sagen, daß sich die klassische Physik bzw. klassisches Wissen mit räumlichen Gestalten (z.B. Mustern) beschäftigt. Damit unterscheidet sie sich prinzipiell von Wissenschaften, die Ereignisse und Prozesse, d.h. Zeitgestalten (versuchen zu) beschreiben.
Beispiel: Der Ottomotor funktioniert nach dem Schema eines Kreisprozesses, in dem ein System verschiedene Zustände durchläuft und dann wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt. Dieser Zyklus liegt daher im Bereich des zeitlosen Wissens, nicht in historischer Zeit, d.h. er gilt immer und zu jeder Zeit – er ist zeit-los. Wenn man den Motor aber unbegrenzt laufen läßt, wird irgendwann ein unvorhersagbares Ereignis oder eine Ereigniskette (z.B. ein Defekt) den Motor stoppen. Dieses Ereignis liegt in historischer Zeit. In diese Klasse fällt z.B. die Kosmologie (Big Bang und Expansion des Universums), die QM (Atomzerfall, Quantenkollaps), die Evolutionstheorie (Mutationsereignisse) oder die Klimatologie. Bei allen handelt es sich um einmalig ablaufende (nicht wiederholbare) Ereignisketten, die ein ‚vor‘ und ein ‚nach‘ dem Ereignis haben.
Meine Fragen:
-wie versetzt sich die Wissenschaft in die Lage verständlich über historische Ereignisse/Ereignisketten (vergangene, gegenwärtige und zukünftige) zu reden, wenn Begriffe nur in einem stabilen Kontext anderer Begriffe, also im Kontext des klassischen, zeitinvarianten Wissens Sinn machen?
-was bedeutet ‚Möglichkeit‘ in Bezug auf historische Prozesse? War die Mondlandung für Caesar eine Möglichkeit? Für wen oder was gibt es Möglichkeiten?
-das historische Ereignis (z.B. black-out) ist leer – es tritt in der Form der Abweichung von der Erwartung des Wissens auf, denn andernfalls wäre es klassisches Wissen und kein historisches Ereignis. Seine Rekonstruktion erfolgt aber auf der Basis klassischen zeitinvarianten Wissens! Was sagt das über die Ontologie historischer Ereignisse/Prozesse?
-wenn man eine Wahrscheinlichkeitsdichte nicht als relative Häufigkeit sondern als ontologisches Möglichkeitsspektrum auffasst (so lese ich Bernd), muss dann nicht die Rückwirkung des Eintretens einer dieser Möglichkeiten das System in einen neuen Zustand versetzen und so das ursprüngliche Möglichkeitsspektrum zerstören? Bestünde dieser Prozess dann in der fortlaufenden Zerstörung seiner Möglichkeiten? Wäre das ein Prozess maximaler Entropie?
Wolfgang hat schon begonnen einen Teil dieser Fragen zu beantworten. Dabei scheint mir die Erklärung, daß Möglichkeiten abstrakt sind und daher keinen ontologischen Status haben, zwar richtig aber auch ausweichend zu sein, denn sie verschiebt das Problem von ‚Möglichkeit‘ nach ‚abstrakt‘.
Ich denke, die klassische Physik beschreibt zeitunabhängige Gesetze als Abstraktionen. Die moderne Wissenschaft versetzt diese Abstraktionen in einen historischen Zeitablauf. In diesem Zeitablauf kann man Vergangenheit und Gegenwart beobachten und die Zukunft prognostizieren (Stochastik, Probabilistik). Der Unterschied liegt also ‚bloß‘ in der Einführung einer historischen Zeit. Selbst die Wahrscheinlichkeitstheorie hat die historische Zeit eingeführt. Durch die Einführung eines ‚do‘-Parameters wurde der statischen Statistik eine zeitliche Komponente hinzugefügt, die es ermöglicht, dynamische Veränderungen in den Daten über die Zeit zu beobachten (Judea Pearl).
Wenn wir die Welt verstehen wollen, müssen wir zum einen Zusammenhänge verstehen, zum anderen werden wir die Dinge nur verstehen, wenn wir wissen, wie sie so geworden sind, wie sie heute sind oder in Zukunft vielleicht werden können (Vorhersage).
Ich sehe hier für die Philosophie keine Probleme, da die Philosophie die Welt interpretiert, während die Wissenschaft sie erforscht. Für die Interpretation braucht die Philosophie die Wissenschaft bzw. die empirische Erfahrung, denn sie kann nicht durch apriorisches Wissen zu Erkenntnissen kommen, denn es gibt kein apriorisches Wissen im transzendenten Sinn.
Ich sehe ‚Möglichkeiten‘ ausschließlich als probabilistische Ereignisse, nicht als emergente Phänomene oder „ewige Objekte“. Sie existieren noch nicht in einem ontologischen Sinne, sondern sind lediglich Ausdruck unserer Einschätzung zukünftiger Wahrscheinlichkeiten.
Wahrscheinlichkeitsdichten sind für mich mathematische Konstrukte, die uns helfen, mit Unsicherheit umzugehen. Sie als ontologisches Möglichkeitsspektrum zu interpretieren, würde ihnen meiner Meinung nach eine metaphysische Bedeutung zuschreiben.
Wir werden immer Modelle der Welt erstellen, sie bei empirischer Validität zu Theorien machen, die solange gültig sind, bis sie durch bessere ersetzt werden. Genauso verhält es sich mit der Philosophie.
Übrigens: McTaggarts A- und B-Reihen und seine Argumentation halte ich für ein rein sprachliches Konstrukt, und damit für ein reines Scheinproblem.
Aber das schöne ist, jeder kann die Welt interpretieren, wie er es möchte.
Wolfgang, Möglichkeiten lassen sich nutzen für die Einschätzungen zukünftiger Wahrscheinlichkeiten, richtig – aber nicht unserer subjektiven Einschätzung, sondern sie sind Basis einer objektiven, ja sogar rechnerischen Vorhersage von der Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von Ereignissen.
Oder willst Du behaupten, die Mathematik würde nur unsere subjektive Einschätzung berechnen?
Und siehe Da, ich hatte ja schon behauptet, dass unsere Gedanken nur Bilder der Potentialitäten der äußeren Welt konstruieren, also Möglichkeiten bildhaft darstellen. Auch dafür ist der Begriff nützlich, für die Metaphysik, die aus den Tiefen menschlicher Erfahrung zu Erkenntnissen führen kann.
Grüße Bernd
Wenn man sich schon auf die Aristotelische Zeitvorstellung einläßt, dann auch bitte ganz, denn von der Zukunft sagte er, daß es keine Aussage über die Zukunft gibt, die notwendig wahr oder falsch ist. Das heißt erstmal: die Zukunft ist offen und full stop.
Wenn wir aber in einigen Bereichen, z.B. Wetter, durchaus ‚Vorhersagen‘ machen können, die je nach Wetterlage, mehr oder weniger zutreffend sind, ist damit die prinzipielle Offenheit der Zukunft nicht überwunden. Aus Sicht der Thermodynamik ist das Wetter zunächst nichts anderes als ein streng berechenbares thermodynamisches System, also zeitinvariantes Wissen. Aus dem Zustand A dieses Systems läßt der Folgezustand B exakt berechnen. Dann sind da aber buchstäblich hunderte von Einflüssen (von der unvollständigen Kenntnis des Zustands A über komplexe Wolkenbildung bis hin zum berühmten Flügelschlag eines Schmetterlings und darüber hinaus noch völlig unbekannten Einflussfaktoren) die das Wissen der Thermodynamiker torpedieren können.
Damit ist die Wetter’vorhersage‘ aber keine partielle Überwindung der Offenheit der Zukunft, sondern schlicht ein G e m e n g e von zeitinvariantem Wissen und absolutem Nichtwissenkönnen der Zukunft. Weitere Wetterforschung wird also nicht dazu führen, daß wir die Zukunft noch besser wissen können, sondern dazu, daß wir den Anteil der historischen Zeit und damit des Nichtwissenkönnens am Gemenge der ‚Vorhersage‘ durch den Ausbau des zeitinvarianten Wissens weiter und weiter zurückdrängen. Im (nicht erreichbaren!) Idealfall würde das Wetter funktionieren wie ein Ottomotor, es würde vollständig im Bereich des Wissens liegen und über die Zukunft würde niemand mehr sprechen.
‚Zeit‘ ist eine psychologische Dimension, keine wissenschaftliche!
Wenn Philipp Gehirndaten misst, kann er diese exakt einem Gestern, einem Heute und – mithilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung – einem möglichen Morgen zuordnen. Diese Zuordnung basiert auf realen, messbaren Daten und ist keine Illusion.
Die Zeit als einheitliches Konzept existiert nicht. Es gibt verschiedene Formen von Zeit, wie die physikalische Zeit (etwa in der Relativitätstheorie), die Zeit in dynamischen Systemen (Systemzeit) und die subjektive Erlebenszeit. Diese verschiedenen Arten von Zeit sind nicht miteinander identisch, haben aber jeweils ihre eigene Relevanz und Ordnung in ihren jeweiligen Kontexten.
Was du als „zeitinvariantes Wissen“ bezeichnest, ist in Wirklichkeit Wissen über Strukturen und Beziehungen zwischen Entitäten, bei dem wir die Zeit abstrahieren. Zeitinvarianz ist also nicht ein inhärentes Merkmal der Dinge selbst, sondern das Resultat einer theoretischen Abstraktion. In der realen Welt unterliegen alle Dinge ständigen Veränderungen, und es gibt keine Dichotomie zwischen „zeitinvariantem Wissen“ und historischer Zeit, da beide letztlich auf Abstraktionen beruhen. Du ontologisierst Abstraktionen und machst aus theoretischen Modellen eine vermeintlich objektive Realität.
Ich hätte viele Anmerkungen und Fragen zu Deiner Antwort. Das würde aber nicht weiterführen bevor ich verstehe, was Du unter Abstraktion verstehst. Abstraktion v. lt. abstrahere bedeutet soviel wie abziehen von, wegnehmen oder fortschleppen). Alles was Du als Abstraktion bezeichnest – und das ist nicht wenig – ist abgezogen von WAS? Gibt es ein Ur-Wissen von dem z.B. all die Zeitformen, von denen Du sprichst, abgezogen wurden? Ein Ur-Wissen, daß heute nur noch in Fragmenten existiert?
Stell dir vor, wir beobachten ein konkretes Ereignis: Ein Apfel fällt vom Baum. Aus vielen ähnlichen Beobachtungen formulieren wir ein Gravitationsgesetz. Dieses abstrahiert von den einzelnen Fällen und fasst sie in einem allgemeinen, abstrakten Konzept zusammen, das möglichst auf alle Ereignisse zutrifft. Was wir damit formulieren, ist also eine Abstraktion.
Wenn du jetzt aber sagst, die Gravitation sei eine dem Apfel innewohnende Eigenschaft, machst du diese Abstraktion zur „Substanz“. Du nimmst ein sprachliches und gedankliches Konstrukt und erklärst es zu etwas, das dem Apfel als Ding an sich zugeschrieben wird.
Dabei gibt es keinen Apfel ohne Gravitation, der ihr erst nachträglich unterworfen wird. Ein Apfel ist immer der Gravitation ausgesetzt, aber sie ist keine intrinsische Eigenschaft des Apfels, er ist also nicht ‚gravitationsinvariant‘.
Es gibt keine transzendente Objektivität, die den Dingen Eigenschaften zuweist. In diesem Punkt irrten sowohl Platon als auch Hegel.
Lass mich etwas weiter ausholen, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen:
Die besten Theorien sind die, die in der Lage sind, einen konsistenten Bogen zu spannen von der unmittelbaren Erfahrung bis zur Meta-Erkenntnistheorie und zurück.
Man stelle sich vor, ein Photonenstrahl trifft auf die Netzhaut. In diesem Augenblick endet die Ontologie des Photonenstrahls. Er wird nämlich transformiert in elektrochemische Signale. Seine Ontologie verschmilzt mit der Epistemologie des Gehirns.
Der Baum, den wir sehen, wird als Muster im Gehirn gespeichert. Es ist keine Illusion, denn es lässt sich materiell im Gehirn messen.
Was wir aber im Gehirn messen, ist nicht der Baum ‚an sich‘, sondern der Baum, wie wir ihn transformieren. Wir sehen also nur ein Transformat (epistemischer Relativismus).
Aus diesem Transformat namens Baum, also aus der Phänomenologie, machen wir eine Ontologie, indem wir sagen, das ist ein Baum. Und diese Ontologie ist identisch mit unserer (relativistischen) Epistemologie. Wir konstruieren Ontologien immer nur, in der Mikrowelt wird dies aufgrund ihrer Andersartigkeit nur besonders deutlich.
Wir bewegen uns also in einer tautologischen Blase, die wir immer weiter ausdifferenzieren (Erfahrung) und formalisieren (Wissenschaft), um daraus ein Weltbild zu gestalten (Philosophie).
Wenn man also fragt, ob es eine objektive Zeit gibt oder nicht, ist die Frage bereits falsch gestellt.
Es gibt also eine Meta-Erkenntnis (Philosophie) und eine instrumentelle Erkenntnis (Erfahrung, Wissenschaft). Beide befinden sich innerhalb der epistemischen Blase. Wir dürfen beide nicht verwechseln mit einer Erkenntnis, die von außerhalb dieser Blase kommt, denn ein ‚außerhalb‘ gibt es nicht. Genauso wenig, wie es ein ‚außerhalb‘ des Universums (für uns) gibt. Flammarions Holzstich illustriert den Wunsch, doch in eine ‚objektive‘ Welt zu blicken m.E. gut (https://de.wikipedia.org/wiki/Flammarions_Holzstich). Idealisten Glauben, unsere Erkenntnis käme von da ‚draussen‘.
Hi Wolfgang,
Du schreibst:
Ein Apfel ist immer der Gravitation ausgesetzt, aber sie ist keine intrinsische Eigenschaft des Apfels, er ist also nicht ‚gravitationsinvariant‘. Es gibt keine transzendente Objektivität, die den Dingen Eigenschaften zuweist. In diesem Punkt irrten sowohl Platon als auch Hegel.
Das sag ich doch die ganze Zeit. Wir Erkenntnissubjekte erschaffen (konstruktivistisch) Eigenschaften und ordnen die den Gegenständen (dem Ding an sich) zu. Die Dinge haben keine Eigenschaften von sich aus. Wir agieren konstruktivistisch und pragmatisch. Eine objektive Welkt „gibt es“ nur im Nachherein, weil wir mit dieser Vorstellung im Überlebenskampf besser zurechtkommen. Nur deswegen, nicht weil sie objektiv existiert. Und Eigenschaften sind nur Kürzel für die Beschreibung einer Wechselwirkung – sie sind also schon von daher nicht einmal fundamental.
Daher habe ich mich von der Vorstellung des Realisten abgegrenzt. Dieser glaubt, es gäbe diese Außenwelt und mit unseren Begriffen würden wir der Wahrheit der Beschaffenheit dieser Welt immer näher kommen. Mit dieser Vorstellung kann er die philosophischen Fragen der Physik nicht beantworten.
Vielen Dank dass Du mir zustimmst.
Physiker sind – anders als anscheinend Philosophen – sehr pragmatisch. Je nach besserer Beschreibung sind sie mal Realisten, mal Instrumentalisten, mal Konstruktivisten. Sehr flexibel. Daher kommen sie auch so weit.
Eine philosophische Haltung grundsätzlicher Art wird eben nicht weit kommen. deshalb habe ich mich darauf verlegt, nur zu beschreiben. Was Ihr aus den Begriffen macht, oder alles in sie reinsteckt, was dann so oder so ist, ist nicht mein Bier.
Grüße Bernd
Hallo Heinz,
für wen oder was gibt es Möglichkeiten?
Ich rede jetzt mal genauso allumfassend wie Du: Die Realität besteht aus Wirklichkeit und den von ihr hervorgebrachten Möglichkeiten, und die gegenständliche Wirklichkeit bringt ständig Möglichkeiten hervor, von denen sich immer einige verwirklichen, wodurch sich die gegenständliche Wirklichkeit ändert und wieder neue Möglichkeiten hervorbringt. Platt gesagt: Die Wirklichkeit ist das „Kondensat“ der Möglichkeiten, und aus dem Kondensat steigen neue Möglichkeiten hervor, die sich wieder realisieren. Der Raum der Möglichkeiten ist zeitlos, dort gibt es keine Zeit, aber die bei der Realisierung von Möglichkeiten entstehenden Veränderungen täuschen dem ruhenden, sich nicht verändernden Beobachter einen Zeitfluss vor. Sich zeitlos realisierende Möglichkeiten erzwingen Veränderung und damit eine Zeit.
Möglichkeiten werden auch nicht zerstört. Es gibt sie oder es gibt sie nicht, sie entstehen neu, oder sie fallen weg, je nach den äußeren Bedingungen der jeweiligen Situation. Im Gleichgewichtsfall (Zustand niedrigster Energie) gibt es keine Potentialität mehr, also auch keine Möglichkeiten mehr, erst recht keine, die sich realisieren könnten. Alles steht still.
Mit dem Begriff der Möglichkeit kannst Du den metaphyischen Mechanismen des Werdens und Vergehens konstruieren, ganz nach Belieben, und dies auch noch logisch und konsistent. Kannst Du, musst Du aber nicht. Du hast ein Werkzeug, mehr nicht.
Eine Wahrscheinlichkeitsdichte – was soll denn das sein? Die Rückwirkung des Eintretens einer Möglichkeiten versetzt das System in einen neuen Zustand. Es werden dann neue Möglichkeiten geschaffen. Aus der neuen Menge der Möglichkeiten entfallen wieder welche (realisieren sich) und es kommen dann wieder neue Möglichkeiten zu der vorhandenen Menge hinzu. Es realisiert sich immer nur die Möglichkeit, die in der vorhandenen Möglichkeitenmenge einzig ist (es gibt nur diese und keine andere), zum Beispiel eine Spin-Einstellung). Die Möglichkeiten, an einem Ort zu sein, bleiben vom Wegfall und neuen Spin-Einstellungsmöglichkeiten unberührt.
Grüße Bernd
Bernd,
ohne Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsdichte kann man nicht über Wahrscheinlichkeiten sprechen. Das Integral über die Wahrscheinlichkeitsdichte ist definitionsgemäß ‚1‘. Die Wellenfunktion z.B. ist eine Wahrscheinlichkeitsdichte, aus der man z.B. berechnen kann, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist ein Teilchen in einem gewissen Raumbereich (dx,dy,dz) zu finden. Die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen an einem bestimmten Ort (x,y,z) zu finden ist null.
Ansonsten schließe ich mich dem letzten Kommentar von Wolfgang an, vielleicht mit folgendem Hinweis:
Lies Dir mal die Entstehungsgeschichte des QM Spins durch, insbesondere die Historie des Stern-Gerlach Versuchs. Der 1/2-zahlige Spin war das (verzweifelte) Postulat um das völlig unerwartete Ergebnis dieses Versuchs in die QM integrieren zu können. Der Spin hat auch innerhalb der QM keine angebbare Bedeutung, sondern ist formal notwendig. Deshalb ‚gibt‘ es den Spin in der QM und sonst nirgendwo. Dein Versuch, die Inhalte und Methoden der QM auf ‚die Welt‘ zu übertragen ist ein weiterer Kategorienfehler, den Du begehst, nämlich der, Raumgestalten auf Zeitgestalten (Wissen auf Ereignisse) reduzieren zu wollen.
Hallo Heinz,
was ist denn eine Wahrscheinlichkeitsdichte? Wahrscheinlichkeiten sind Zahlen zwischen 0 und 1 und Dichte ist ein Quotient mit einem Volumen im Nenner. Was soll denn das für eine physikalische Größe sein? Die Wellenfunktion ist ein Vektor in einem Raum mit abzählbar unendlich vielen Dimensionen, und die abzählbar unendlich vielen Koordinaten dieses Vektors sind komplexe Zahlen. Du sagt nun: Die Wellenfunktion z.B. ist eine Wahrscheinlichkeitsdichte. Der genannte Vektor, die Wellenfunktion, mit ihren unendlich vielen komplexwertigen Koordinaten soll eine Wahrscheinlichkeitsdichte sein? ich bitte Dich ! Bitte fang nicht auch noch an, selbst zu „ontologisieren“.
Du redest über populärwissenschaftlichen Kram, den die Physiker in die Welt gesetzt haben, um Philosophen etwas zu erklären, was sie selbst nicht verstanden haben.
Der Spin ist notwendig, um in ihren Eigenschaften vollkommen gleiche Objekte unterscheidbar zu machen, er hat eine ganz andere und sehr wichtige Bedeutung.
Lass die Quantenmechanik ganz außen vor, ich wäre an Deinem Urteil interessiert, ob ich formal logisch und konsistent argumentiere. Ich beschreibe nur, und da ist das wichtig. Ich liefere keine neue Theorie.
Grüße
Bernd
Bernd,
um es kurz zu sagen: Du machst aus einem abstrakten Begriff eine Substanz, und das nennt man einen Kategoriefehler. Weit verbreitet in der Philosophie des Geistes.
Machst du diesen Fehler nicht, gibt es keinen inhaltlichen Unterschied zur Unbestimmtheit.
Hi,
Bernd ist heute Funktionalist, morgen Realist und übermorgen Pragmatist um ein physikalisches end-to-end Narrativ (mit Denkfehlern, dafür aber ohne Folgerungsmenge) in die Welt zu setzen, während Wolfgang per (Schutz)transformator sich die Außenwelt so zurechtlegt, daß sie einer Neurologie entspricht, wie er sie gerne hätte. Daß das Ganze eine „tautologische Blase“ ist, scheint ihn nicht zu bekümmern. Aber wie war das noch mal mit der Truman Show?
Das ist alles OK – und gut, daß wir mal drüber gesprochen haben, aber im Quark-an-die-Wand-nageln war ich noch nie sehr ausdauernd…
Für diejenigen, die postmoderne Wissenschaft-Hype-Cycles schon etwas länger verfolgen, der Hinweis auf einen kritischen Artikel von mir zur COMPLEX 2009, Shanghai: ‚Is self-organisation a rational expectation?‘
Gruß,
Heinz
Sind das jetzt Sachargumente? Schutztransformator und Außenwelt? Bist du sicher, dass du meinen Kommentar gelesen hast?
Ich habe jetzt über mehrere Tage einige Kommentare und auch Bruchteile daraus gelesen und hoffe, meine Worte ergeben in diesem Zusammenhang einen Sinn.
Dinge wie ein Schreibgerät sind nötig, damit ich als Mensch darüber reflektieren kann, was dieses Schreibgerät bereits an Voraussetzungen mit sich bringt, bevor es seinem Ziel, der Schreibkompetenz, wirklich dient.
Dabei ist Schreibkompetenz nicht einmal auf die Verkörperung eines Menschen angewiesen, sie besteht schon vor dem Schreibgerät, da nur sie es in seiner Würde aus dem wahren Dienst für sich gewinnen kann. Noch ist also alles ohne Mensch möglich, sofern das Schreibgerät natürlich gewachsen und nicht künstlich hergestellt wurde.
Sobald jedoch ein Eingriff in das natürliche Wachstum dessen erfolgt, was sich in den Dienst nehmen lässt und damit einzig dem verpflichtet ist, was es dadurch erreicht, wird es kompliziert. Handelt es sich bei diesem Gedanken nämlich um einen Menschen, so muss er sich spätestens jetzt für oder gegen etwas entscheiden, worauf er selbst nur bedingt Einfluss hat.
Entscheidet er sich für das Schreibgerät, so kann er damit seine Reflektionsmöglichkeit erweitern, indem er es für sie einsetzt. Damit kommt die Zeit ins Spiel, denn in diesem Begriff ist bereits verarbeitet, was durch das Schreibgerät reflektiert auf die Person wirkt, die der Mensch in seinen Dienst genommen hat, indem er sich für dieses Schreibgerät entschieden hat.
Trifft er seine Entscheidung ohne dieses Schreibgerät, steht ihm genau die Lebenszeit zur Verfügung, die auf ihn wartet. Im Grunde kann sich der Mensch eigentlich mithilfe eines Schreibgerätes alles erwerben, was er zum Leben braucht, da es in seiner Würde bereits angelegt, nur auf ihn gewartet hat.
Es besteht also die möglichkeit ohne Schreibgerät zu rechnen, doch das Rechenergebnis kann nur reflektiert werden, wenn sein Aufbau noch erkennbar ist. Dazu benötigt es genau zwei Daten, nämlich das seiner ersten Zahl und das vom Ergebnis aus dieser ersten Zahl. Ist die 1. Zahl 1, so fehlt ihr das Ergebnis, oder sage ich besser die Potenz der 0. Beginnt jedoch alles Leben bei 0, so versteht sich die 1 als ungeahntes Potenzial im Wandel seiner Potenz.
Die 0 verändert nichts und doch beeinflusst sie alles ab einem bestimmten Punkt des Lebens.