Bewusstsein aus Metastrukturen

Bewusstsein aus Metastrukturen

Der Strukturenrealismus als neuer Ansatz für die kognitiven Neurowissenschaften

Der hier veröffentlichte Essay „Bewusstsein aus Metastrukturen“ von Herrn Dr. Wolfgang Stegemann stammt von seiner gleichnamigen Webseite „dr-stegemann.de„, auf welcher er versucht eine „Systemtheorie des Menschen“ unter dem Gesichtspunkt der „biologischen Selbstorganisation von Leben“ zu entwickeln.

Ich hatte das Vergnügen im Rahmen unserer regelmäßig stattfindenden „Zoomposium-Tafelrunden“ mit Herrn Stegemann als Gast einmal über seine vorgeschlagenen Konzepte diskutieren zu können. Hierbei zeigten sich durchaus „größere Schnittmengen“ hinsichtlich des „größten gemeinsamen Teilers„, allerdings auch „größere Differenzen“ hinsichtlich des „kleinsten gemeinsamen Vielfachen„, wenn ich dies in ein „mathematisches Bild“ bringen darf.

Die Differenzen liegen in dem aus meiner Sicht neurozentristischen Konzeption der Konstitution von Bewusstsein, da das Gehirn bei ihm immer noch als „Navigationssystem“ als alleinige „Leit- und Schaltzentrale“ das Bewusstsein „schafft“ und hierbei nicht das embodiment und das embededdness als situated cognition im Sinne eines Enaktivismus miteinbezogen werden.

Den systemtheoretischen, autopoietischen Ansatz hinsichtlich eines möglichen Strukturenrealismus teile ich aber durchaus mit ihm (s. „Das neurozentristische Weltbild – bitte wenden!„), wobei ich hier von einem noch viel stärkeren autopoietischen, selbstorganisiserenden Prozess im Sinne einer „self-organized criticality“ (SOC) nach Per Bak ausgehe.

Zu den eventuellen Möglichkeiten, die der Strukturenrealismus (SR) bei der Überwindung des meines Dafürhaltens „Pseudo-Problem“ zu nenenden „Körper-Geist“-Dualismus besitzt, ist auch bereits ein weiterführendes Interview mit dem bekannten, deutschen Wissenschaftstheoretiker und Professor für Theoretische Philosophie von der Universität Magdeburg Prof. Dr. Holger Lyre geplant, der sich intensiv mit diesem Problem in seiner Forschung und Lehre beschäftigt hat.

Jetzt soll hier aber zunächst einmal Herr Dr. Wolfgang Stegemann erklären, wie das „Bewusstsein aus Metastrukturen“ entstehen kann:

Gastbeitrag von Herrn Dr. Wolfgang Stegemann: „Bewusstsein aus Metastrukturen

Abstract

Ich möchte ein Modell vorschlagen, das den Bogen von erkenntnistheoretischen bis hin zu operativen Überlegungen schlägt. Und natürlich bestimmt die erkenntnistheoretische Ausgangslage das Modell. Ich stelle Bewusstsein als biologisch-physiologische Zwangsläufigkeit dar.

Beginnen wir mit der Grundfrage.Was ist Bewusstsein? Auf der ontologischen Ebene ist die Frage ganz einfach zu beantworten: Bewusstsein ist eine Eigenschaft des Gehirns, wie etwa der Herzschlag eine Eigenschaft des Herzens ist. Hier zu fragen, warum wir Bewusstsein haben, macht keinerlei Sinn. Ebenso wenig die Frage, wie es möglich ist, dass aus Materie Gedanken werden. Da das Gehirn ein Teil des Organismus ist, wird dies letztlich weit früher beantwortet, nämlich mit der Entstehung des Lebens.

Das sich selbst organisierende Leben bringt Arbeitsweisen hervor, mit denen die Regulierung des Verhältnisses zur Umwelt sowie zur Innenwelt geschieht. Zunächst die Arbeitsweise namens Proteinbildung bei den Einzellern, später dann die Bioelektrik bei Nervensystemen. Das Gehirn ist also letztlich nichts anderes, als ein Navigationssystem.

Das Bewusstseinstheater, die Gesamtheit allen Denkens und Empfindens, resultiert schließlich aus der Bündelung diverser sensorischer Reize. Kein Wunder, dass es da im Hirn blitzt und funkelt und der Eindruck entsteht, als hätte man es mit einer eigenen Geisteswelt zu tun. Und dieses Erleben ist subjektiv und individuell, das vielzitierte harte Problem des Bewusstseins existiert also nicht.

Es kann nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis sein, denn dies würde eine Subjekt-Objekt-Beziehung voraussetzen, die die Subjektivität der Qualia nicht ermöglicht. Und dazu bedürfte es eines subjektiven Schlüssels, des Codes. Und den kennt das Subjekt selbst nicht. Statistische Korrelationen erfassen die Qualia lediglich aus objektiver Sicht, keinesfalls aus subjektiver.

Tononis „Integrierte Informatiostheorie“ (IIT)

Viel interessanter ist, wie aus diversen und zunächst diffusen Reizen Denken entsteht, also sich Strukturen bzw. Ordnung bilden. Tononi hat hierzu mit seiner Integrierten Informationstheorie [1] einen Beitrag geleistet, indem er letztlich den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik bzw. die Shannonsche Informationstheorie für die Neurowissenschaft anwendbar gemacht hat.

Danach verfügt ein (lebendes) System über eine Menge an integrierter Information, mit der Entropie exportiert und Ordnung hergestellt wird, also das, was Leben im Allgemeinen auszeichnet. Es ist eine allgemeine Theorie des Bewusstseins. Da er keinen Unterschied zwischen belebter und unbelebter Natur macht, setzt er sich dem Vorwurf des Reduktionismus aus.

In der unbelebten Natur lassen sich Zustände hinsichtlich ihrer konstitutiven Elemente analysieren und damit zugleich auf diese reduzieren, d.h. Zustände sind aus den Elementen erklärbar. In der belebten Natur gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Analyse und Reduktion. Denn dort ist die Reduktion auf die Elemente als Erklärung komplexer Zustände, die auf eigenen Reaktionszyklen basieren, nicht möglich.

Reduktion muss daher dort auf Prinzipien erfolgen, die den Zuständen zugrunde liegen. Leben generiert somit eigene, nämlich biologische Naturgesetze. Und diese sind Grundlage von Emergenz. Leben dreht Kausalketten um (Top-Down Regulation – Bottom-Up Konstitution).

Der Mechanismus der Musterbildung

Noch interessanter wird es, wenn man versucht, den Mechanismus zu beschreiben, der diese Ordnung hervorbringt, die man als Denken bezeichnen kann. Strukturen – wir sprechen von Mustern [2] – werden gebildet, verglichen, aktiviert. Würden wir jede Wahrnehmung einzeln als Muster speichern, wäre die Kapazität des Gehirns schnell erschöpft. Das Gehirn sucht vielmehr Gemeinsamkeiten und reduziert die komplexen Muster.

Man kann sich das am besten so vorstellen: Ein Muster, z.B. das eines Baumes, entspricht einem gerasterten Blatt Papier, auf dem in den Kästchen unterschiedliche Zahlen zwischen 1 und 2 stehen. Ein etwas anderer Baum hat die Zahlen zwischen 1,5 und 2,5 und so weiter. Legt man alle Blätter übereinander und addiert die Zahlen vertikal in den Kästchen, ergeben sich unterschiedliche Summen. In diesen summierten Zahlen spiegeln sich die Punkte der Muster aller Bäume wieder. Topologisch dargestellt ergeben sich Berge und Täler.

Berge und Täler sind also Reduktionen vieler überlagerter Punkte. Zwar sind alle Berge und Täler miteinander verbunden, aber es kommunizieren nur die Berge miteinander. Die Kommunikation der Berge ist eine andere als die aller Punkte. Natürlich verläuft diese Kommunikation durch die Täler hindurch (wie sollte es auch anders gehen), aber es sind Impulsmuster, die auf äußere und innere Impulse reagieren.

Mit den Impulsmustern werden also grobkörnige Eigenschaften verglichen, also die Bergspitzen und wenn nötig ein Stück ‚den Berg hinunter‘ (ähnlich dem Gradientenabstieg [3]). Wir haben also zwei Topologien, die physiologische und eine, die zwar auch physiologisch ist, aber sich in einer Superposition [nicht quantenmechanisch] befindet bzw. ein Supersystem bildet. Beide Topologien sind physiologisch, die obere erscheint psychisch. Die Topologien bilden die Gesamtheit aller Wahrnehmungsreize.

Es überlagern sich Muster derselben Gegenstandsklasse (z.B. Baum) und bilden eine Topologie, bei der die ‚Berge‚ die typischen Merkmale aller Muster beinhalten und die jene Grobkörnigkeit ausmachen, als Differenz zur bloßen Wahrnehmung, die Bewusstsein erst ermöglicht. Bei ‚Bedarf‘ kann jedes einzelne Muster im Detail aktiviert werden. Ohne diese Eigenschaft des neuronalen Systems müsste jede Lebenssituation für sich gespeichert werden.

Die Konstitution von Bewusstsein aus Metastrukturen

Dies ist genau die Stelle, an der aus bloßer Wahrnehmung Denken, also Bewusstsein wird, aus chaotischen Reizen geordnete Strukturen werden. Möglicherweise bilden die ‚BergeAttraktoren, die ein Mikro-Bereitschaftspotential schaffen, das auf entsprechende Impulsmuster reagiert. Man könnte die ‚Berge‚ auch als neuronale Mikro-Hotspots bezeichnen, die miteinander kommunizieren. Mit der Differenz der beiden Topologien entsteht aus einer Zweidimensionalität ein dreidimensionaler Erlebnisraum.

Diese gespeicherten Impulsmuster reagieren auf entsprechende Reize und beinhalten damit das, was man als Erinnerung bezeichnet. Und die lässt sich bezeichnen als elektrochemische Information in einem spezifischen Neuronenverbund.

Ein solches Supersystem wirkt (nicht ‚ist‘) holographisch. Es bildet insgesamt ein virtuelles holographisches Gesamtsystem, welches relative kausale Kraft gegenüber dem physiologischen ‚Basis‘-System gewinnt, da es eine höhere Informationsdichte hat, denn es beinhaltet die summierten Punkte aller Muster.

Es überlagert sich nicht nur horizontal, sondern baut sich ebenso vertikal hierarchisch auf – Denken wird also immer ‚abstrakter‘, beim Menschen am meisten ausgeprägt.

Es arbeitet nicht binär, also nicht mit JA/NEIN, sondern mit VIELLEICHT. Es arbeitet relativ, unscharf, adaptiv. Es strukturiert chaotische eingehende Reize – ganz im Gegenteil zur KI, die mit bereits strukturierten Daten gefüttert wird.

Die Codierung des Gehirns auf Metastruktur-Ebene

Das Gehirn arbeitet nicht rational. Die Rationalität kommt ausschließlich durch gesellschaftliche Regeln ins Spiel. Es arbeitet nicht algorithmisch, sondern passt sich an durch Nachahmung und Gewöhnung.

Die Gesamtheit dieses Supersystems bildet das ICH bzw. das Bewusstsein. Es wirkt kausal und entspricht der von E. Hoel beschriebenen Top-Down Beziehung, die er in seiner kausalen Emergenztheorie gezeigt hat. [4].

Intelligenz wäre hier zunächst ein relativer Begriff. Er bezeichnet das Verhältnis der handlungsleitenden Fähigkeiten zu der Gesamtmenge an Fähigkeiten. Mit Tononis Kategorien ausgedrückt könnte man sagen, Intelligenz ist der Quotient aus der Gesamtmenge der integrierten Information eines Zentralnervensystems und der integrierten Information des ICH (als handlungsleitende Metastruktur). Man hat damit einen allgemeinen Intelligenzbegriff, der alle zentralen Nervensysteme betrifft.

Die Spezifik des menschlichen Bewusstseins ergibt sich aus einem anderen Zusammenhang. Hier codiert die elektrochemische Sprache des Gehirns soziale Bedeutungen, die als konkrete und abstrakte Begriffe vorliegen, kulturell gespeichert sind und damit ein unerschöpfliches Reservoir darstellen, das es erlaubt, unendliche Bedeutungskombinationen zu kreieren. Die Codierung erfolgt auf der Ebene der Metastrukturen.

Zwei Dinge kommen beim Menschen noch hinzu: 1. eine funktionelle Architektur – nicht identisch mit der Hirnmorphologie, aber von ihr abhängig – in welcher die Superstruktur ICH sich in sozialen Normativen widerspiegelt (Das Freudsche ÜBER-ICH) sowie den internen Status abbildet und beides bewertet. und 2. die Entwicklung des abstrakten sprachlichen Denkens in der Form der Assimilation und Akkomodation nach Piaget [5], in der die sprachlich codierten Muster solange angewandt werden, bis das ICH in der Lage ist, sie in neuen Abstrakta zu komprimieren (Beispiel: 1+1+1+1+1 → 5×1).

Die Begriffe (wie ‚Baum‘) sind also sprachliche Abstrakta i.S. des Abstrahierens von unwesentlichen Details, es sind Konstrukte. In der Realität gibt es keinen Baum ‚an sich‘. Philosophisch erweitert hieße das, es gibt überhaupt kein Ding an sich im Kantschen Sinne. Das Ding an sich ist eine ins Metaphysische transzendierte Metastruktur, die Projektion eines Abstraktums.

Die Lösung des „Körper-Geist-Problems“ mit Hilfe von Metastrukturen

Fassen wir zusammen: Bewusstsein muss nicht bewiesen werden, es ist schon da. Es entsteht im Zusammenhang mit Metastrukturen, welche sich im Zuge notwendig selektiver, grobkörniger Wahrnehmung bilden. Metastrukturen sind also Bestandteil von Bewusstsein und kommen allen zentralen Nervensystemen zu.

Es ist also nicht so, dass wir Bewusstsein haben und nun überlegen müssen – in ganz dualistischer Weise – wie ICH oder Wille entsteht. Beides ist Bestandteil des Bewusstseins als Eigenschaft des Gehirns. Das Gehirn produziert also nicht Entscheidungen, die ICH dann irgendwann bewusst wahrnehme, wie Libet meint [6], sondern es ist das integrative ICH, das Entscheidungen produziert, mal bewusst, mal unbewusst.

Mit diesen Metastrukturen als physiologische Funktionen hat man das Körper-Geist-Problem gelöst.

Bewusstsein entsteht dann als Funktion einer Zustandsänderung, und zwar von Zustand A (Eingang chaotischer Reize) zu Zustand B (grobkörnige Strukturierung) im Rahmen der Differenz beider. Die mit B entstehenden Metastrukturen wirken steuernd, da ihre Informationsdichte höher ist, denn in ihnen summieren sich die grobkörnigen Punkte aller überlagerten kompatiblen Muster. Während es eine ‚verrauschte‘ Reizebene gibt, schafft die Metastruktur Ordnung.

Möglicherweise lässt sich eine mathematische Zwangsläufigkeit formulieren, die eine solche Extrapolation beschreibt. Physiologisch müßte der Unterschied beider Ebenen elektrisch, chemisch oder elektrochemisch beobachtbar sein – passende Untersuchungsmethoden bzw. -designs vorausgesetzt.

Möglicherweise verbirgt sich hinter den Metastrukturen ein allgemeines Prinzip, das am Gehirn als differenziertester Entfaltung von Leben am deutlichsten hervortritt: Leben bildet auf der jeweiligen Regulationsebene (Zelle, Zellverband, Organ, Nervensystem) durch die ständige Differenz von Zuständen der jeweiligen Arbeitslogik Extrapolationen, die man quasi als Master-Algorithmus bezeichnen könnte, welcher die Sprache der jeweiligen Arbeitslogik spricht.

Die Entstehung steuernder Metastrukturen wäre integrale Eigenschaft allen Lebens. Entwicklung (Evolution) entsteht also nicht aus endogenen Zufällen, sondern aus der Ausnutzung von Möglichkeitsräumen, die sich aus dem Zusammenspiel von Organismus und Umwelt als Versuch/Irrtum ergeben, quasi als Differential zur Aufrechterhaltung des dynamischen Gleichgewichts (Metastrukturbildung → Wachstum → Metastrukturbildung innerhalb eines Phasenraumes).

Metastrukturen sind die ‚Zusammenfassungen‘, die Quintessenz oder Extrapolationen, die ihrerseits wieder Voraussetzung für den weiteren ‚Wachstumsprozess‘ sind.

Bliebe als Aufgabe, solche Strukturen zu finden [z.B. 7, 8]. Neue Ansätze suchen bereits nach Mustern, welche konstitutiv sind [9].

Die Entstehung von Metastrukturen

Metastrukturen entstehen durch Symmetriebrüche, die wieder neue Metastrukturen bilden. Metastrukturen würden auch mittelbare Kausalitäten erklären, wenn etwa eine Spezies zum Überleben durch Tarnung Farbmutationen generieren muss oder eine asexuell fortpflanzende Spezies in Abständen zur sexuellen Fortpflanzung übergeht, um angesammelte negative Mutationen loszuwerden etc.pp.

Nehmen wir z.B. ein einfaches Aktivator-Inhibitor System [10] aus A und B oder einen geschlossenen Hyperzyklus [11] A bis B, dann bildet dieses System eine eigene Metastruktur AB. AB ist dann die funktionelle von den Elementen abstrahierte Struktur, die als solche eigenständig agiert und mit anderen zwei- oder mehrteiligen Systemen (CD) interagiert, um neue Metastrukturen zu bilden (ABCD), deren Eigenschaften nicht linear auf ihre Elemente reduzierbar sind.

Da Leben ‚wächst‘, also aktiv ist, prozessiert das System und evolviert dabei.

Erst mit einer solchen funktionellen Architektur wird es möglich sein, menschliche Intelligenz in Ansätzen auf Maschinen zu übertragen.

Krankheit wäre die Bildung ‚falscher‘ Metastrukturen (falls es sich nicht um unmittelbare Einwirkungen durch Toxine, Strahlen oder physikalische Kräfte handelt), die durch Wachstum weiter angetrieben werden (z.B. Krebs).

Mögliche Kritikpunkte des Modells

1. Warum sollten Metastrukturen aus Grobkörnigkeit entstehen?
Geht man davon aus, dass im Gehirn alle Reize zusammenfließen, dann kann man zwar von einem ‚globalen Arbeitsraum‚ [12] sprechen, aber man hat noch nicht erklärt, warum dieser Raum strukturiertes Denken mit sich bringt. Man kann das zwar mit dem Begriff der (integrierten) Information beschreiben, der ist aber viel zu allgemein, um den eigentlichen operativen Mechanismus zu verstehen. Grobkörnige Wahrnehmung ‚zwingt‘ das Gehirn zu Abstraktionen und Verallgemeinerungen. Das bedeutet, es entsteht eine zweite, nämlich eine Abstraktionsebene, also eine Metastruktur.

2. Warum sollte Bewusstsein aus Metastrukturen entstehen?
Metastrukturen sind, wie der Name sagt, strukturbildend. Es ist ein Prozess der Formierung, mit dem Reize klassifiziert werden. Erst durch diese Strukturierung wird der ‚globale Arbeitsraum als solcher arbeitsfähig. Basismuster repräsentieren Gegenstände, aber erst Impulsmuster strukturieren die Basismuster.

Literaturverzeichnis

1. G. Tononi, et al., Integrated information theory: from consciousness to its physical substrate, Nature Reviews Neuroscience, 2016
2. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mustererkennen/10194
3. Knyazev,B., Michal Drozdzal, Graham W. Taylor, Adriana Romero-Soriano, Parameter Prediction for Unseen Deep Architectures, arXiv:2110.13100
4. Erik P Hoel et al., Can the macro beat the micro? Integrated information across spatiotemporal scales, Journal Neuroscience of Consciousness, Volume 2016 Oxford University Press
5. J. Piaget: Das Weltbild des Kindes. dtv/Klett-Cotta, München 1978
6. Benjamin Libet: Mind Time. The Temporal Factor in Consciousness. Harvard University Press, Cambridge MA u. a. 2004
7. Ji N. Madan, G. Fabre, G. Dayan, A. Baker, C.N. Wabudike, I. Flavell, (2020) A neural circuit for flexible control of persistent behavioral states Dryad Digital Repository, doi:10.5061/dryad.3bk3j9kh3.
https://doi.org/10.5061/dryad.3bk3j9kh3
8. Ryoma Hattori, Takaki Komiyama, Context-dependent persistency as a coding mechanism for robust and widely distributed value coding, 2021 DOI:https://doi.org/10.1016/j.neuron.2021.11.001
9. https://news.asu.edu/20220228-new-astrobiology-research-predicts-life-we-dont-know-it
10.Meinhardt, H. Modelle zur biologischen Musterbildung: Turings Theorie und die spätere Entdeckung der Rolle von lokaler Selbstverstärkung und langreichweiter Hemmung. Informatik Spektrum 35, 287–294 (2012). https://doi.org/10.1007/s00287-012-0625-4
11. Eigen,M., Schuster,P.: The Hypercycle. A Principle of Natural Self Organization. Springer 1979.
12. Bernard Baars: In the Theater of Consciousness: The Workspace of the Mind, NY: Oxford University Press, 1997

© Dr. Wolfgang Stegemann

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Wolfgang Stegemann
Wolfgang Stegemann
2 Jahre zuvor

Lieber Herr Boucsein,
vielen Dank für die professionelle Einführung zu dem Beitrag und ein Kompliment für Ihre profunden Essays.
Zu den von Ihnen angesprochenen Schlagworten würde ich gerne folgendes anmerken:
1. Strukturenrealismus: Zwar gibt es aus Sicht der Quanten(physik) keine Objekte, da wir aber makroskopische Wesen sind, sind sie für uns real und die Basis für die Herstellung von Beziehungen und Strukturen. Relationen hingegen werden von uns konstruiert.
2. Neurozentrismus: Bewusstsein ist eine Eigenschaft des Gehirns und nicht des Arms oder kleinen Zehs. Zwar steuern beide wichtige Reize bei, ihre Strukturierung erfolgt aber nicht dort, sondern ausschließlich im Gehirn. Von daher halte ich es für sinnvoll, im Gehirn nach der operativen Bewusstseinsgenese zu suchen. Künstliches Bewusstsein halte ich demnach auch ohne Body für möglich.
3. Embeddedness: Die Umwelt in neuronale Konzepte einzubeziehen, meine ich, ist selbstverständlich. Allerdings sollte man die analytischen Grenzen beachten, ansonsten besteht die Gefahr einer mechanischen Verbindung zwischen Außen- und Innenwelt, denn nicht alle Umwelt“rhythmen“ werden synchronisiert, und schon gar nicht 1:1.
4. Embodiment: Die Behauptung, Bewusstsein und Körper bilden eine Einheit, ist so trivial, dass sie schon wieder missverständlich wird. Aus den o.g. analytischen Gründen sollte man schon zwischen den verschiedenen, phylogenetisch entstandenen, Regulationsebenen unterscheiden, die allesamt von der Zelle bis zum ZNS ein ‚Eigenleben‘ führen und für den Organismus jeweils konstitutiv sind (bottom-up), gleichzeitig es aber eine top-down-Regulation gibt, mit der man z.B. den Placeboeffekt begründen kann.