Der Gott der Wissenschaften

Der Gott der Wissenschaften

Der Gott der Wissenschaften – ein anderer Gottesbeweis

In einem Philosophie-Forum bin ich auf folgende Frage gestoßen, die mich dazu bewegt hat einen Blog zum Thema „Gott und Wissenschaften“ zu schreiben. Ich bin sehr auf Eure Meinung gespannt und würde mich freuen, wenn Ihr mir ein paar Kommentare hinterlasst.

Vielen Dank und

viele Grüße

Philo Sophies

„Der Gott der Wissenschaften“:

Kann die Abwesenheit von etwas Echtem (z.B. Gott) durch die Wissenschaft bewiesen werden?
1. Ja (wie? )))
2. Nein (warum? )))
3. Was ist der wissenschaftliche Gott?“ (Quelle: Walter Kant, LIFE – Gesellschaft, Politik, Philosophie & Religion)

„Lieber Herr Kant,
zunächst einmal großes Kompliment für die Frage(n)!
Aus meiner Sicht stellen sie die zentrale Frage(n) in der Philosophie dar:

a) Kann man einen logischen Beweis zu einem außerlogischen Bereich führen?
b) Die Gretchenfrage: Wie hält es die Wissenschaft mit Gott?

Zu a) Mögliche Gottesbeweise

Zu Herrn Kants 2. Frage: Meiner Ansicht nach „nein“, da dies ein Beispiel für einen tautologischen Zirkelschluss darstellt. Etwas, was abwesend ist, kann nicht als evident bewiesen werden.

Selbst andersherum: die Evidenz Gottes lässt sich ebenfalls nicht beweisen. Siehe Descartes Gottesbeweis in der 3. Meditation, der ebenso zu einem tautologischen Zirkelschluss führt.

„Es geht um die Frage, ob es möglich sei, einen „letzten Grund“ (im Sinne einer letzten Ursache bzw. eines unhintergehbaren ersten Anfangs) zu finden bzw. wissenschaftlich zu beweisen. Hans Albert behauptet, dass jegliche Versuche für eine Letztbegründung scheitern müssen bzw. ins Münchhausen-Trilemma führen. Das Münchhausen-Trilemma bedeutet, dass jeder Versuch des Beweises eines letzten Grundes zu einem von drei möglichen Ergebnissen führt:


1. zu einem Zirkelschluss, (die Conclusio soll die Prämisse beweisen, benötigt diese aber, um die Conclusio zu formulieren)
2. zu einem infiniten Regress (es wird immer wieder eine neue Hypothese über die Begründbarkeit eines letzten Grundes formuliert, die sich jedoch wiederum als unzureichend erweist oder wieder in einen Zirkel führt)
3. zum Abbruch des Verfahrens an einer Stelle und der Dogmatisierung der dortigen Begründung“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchhausen-Trilemma)

Die Punkte 1. und 2. des Trilemmas halte ich für ein rein logisches Problem, mit dem die Philosophie schon lange leben kann. Es geht ja letzten Endes nicht nur um Lösungen (wie bei den Mathematikern), sondern auch die Fragen führen zu einem Ziel.

Daher denke ich, ist der 3. Punkt die „Dogmatisierung“ im Trilemma problematischer, da ich hierfür Anzeichen in der modernen Naturwissenschaft durchaus erkennen kann (siehe Hawkings „starkes anthropisches Prinzip“ oder Postmans „Technopol„). Meine Hypothese geht dahin, dass ich befürchte, dass es der Naturwissenschaft gar nicht um die Falsifikation/Verifikation des Gottes der Bibel geht, sondern um die Inthronisierung eines „neuen Gottes“.

Lustiger ist es aber eher, dass die Wissenschaft nicht (mehr) versucht Gott zu beweisen oder zu negieren. Die Naturwissenschaft glaubt nämlich, sie sei selbst der neue Gott (s. Neil Postman „Das Technopol„). Der Gott der Wissenschaften ist das autopoeitische System (im Luhmann´schen Sinne) selber (also damit wiederum nicht beweisbar, da systemimmanent ;-).

Zu b) „Der Gott der Wissenschaften“

Zu Herrn Kants 3. Frage: Der Begriff „Wissenschaftlicher Gott“ erscheint zunächst einmal auf den ersten Blick als Widerspruch oder Oxymoron. Die Wissenschaft hat des Häufigeren versucht „Gott zu töten“ (Nietzsche) oder zumindest aus ihren Gleichungen und Naturgesetzen als unbekannte, nicht-berechenbare Größe zu streichen, da etwas Nicht-Evidentes – aus naturwissenschaftlicher Sicht – auch keine Wirkung hat. Angebliche Beweise hierzu liefert die Hirnforschung (Andrew Newberg) oder sogenannte Neurotheologen (Michael Persinger) mit Hilfe des Computertomografen, die Gott als „Hirngespinst“ sehen.

Newtons Gott

Newton hat zwar noch an einen Schöpfer geglaubt, der die Natur einem Uhrwerk gleich geschaffen hat. Doch seine nicht so bekannten metaphysischen Experimente und seine Aussagen hierzu, lassen darauf schließen, dass er bereits daran geglaubt hat, dass der Mensch, wenn er das „Uhrwerk“ vollständig verstanden hat – gottgleich – Dinge erschaffen oder verändern kann.

Der positivistische Gott

Dieser „wissenschaftliche Glaube“ findet Eingang im Positivismus zum Beispiel in Form des „Laplaceschen Dämons„. Laplace geht in seiner sehr deterministischen Anschauung davon aus, dass ein geschlossenes, mathematisches Weltgleichungssystem möglich ist. Man muss „lediglich“ alle Naturgesetze und Initialbedingungen wie Lage, Position und Geschwindigkeit aller im Kosmos vorhandenen physikalischen Teilchen, jeden vergangenen und jeden zukünftigen Zustand berechnen und determinieren. Dann kann man eine allumfassende Weltformel aufstellen, also Gott in die Karten schauen und selber zum Schöpfer werden. An diesem Projekt mühte sich nun die „gesamte Zunft“ bis hin zur modernen Naturwissenschaft ab.

Das Ende Gottes in der Quantenphysik

Das mechanistische Weltbild Newtons musste allerdings einem stochastischen Weltbild der Quantenphysik (Planck, Schrödinger, Heisenberg) weichen. Der Sieg der Naturwissenschaften über Gott und der Theologie schien erreicht. Evidenzen und Zustände sind nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit (Schrödingers Wellenfunktion, Heisenbergs Unschärferelation). Es bedarf keines Schöpfers mehr, da die Natur aufgrund von allgemeingültigen physikalischen Gesetzen aus sich selber schöpft (irgendwie schon wieder tautologisch;-) und in ewiger Wiederkehr das Universum formt. Und ausgerechnet aus dieser hochabstrakten, durch-und-durch-rationalen Ecke der Theoretischen Physik (Einstein):

Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, daß das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß der nicht würfelt.(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gott_w%C3%BCrfelt_nicht)

oder auch Astrophysik bekam Gott nun „Schützenhilfe“.

Die Wiederentdeckung Gottes in der Astrophysik

Die Verfechter der „Big-Bang“(„Urknall“)-Theorie lassen Gott in der Gleichung wieder zu. Stephen W. Hawking, der an der Cambridge University als Physiker und Mathematiker auf Newtons Lehrstuhl („Lucasian Professorship“) sitzt, lässt ausdrücklich in seinen Berechnungen Gott als Schöpfer wieder zu:

„Dies kann man entweder als Beweis für den göttlichen Ursprung der Schöpfung und der Naturgesetze werten oder als Beleg für das starke anthropische Prinzip.“ (Stephen W. Hawking „Eine kurze Geschichte der Zeit“, Rowohlt (1995) S. 159)

Der neue Gott der Wissenschaften – das Technopol

Dem gegenüber glaubt aber die technopolische Gegenwelt der Naturwissenschaften an die Erschaffung eines neuen Gottes. „Die Erhebung eines Gottes macht die Absetzung eines anderen erforderlich.

»Du sollst keine anderen Götter neben mir haben« – das gilt für den Gott der Technologie ebenso wie für den Gott des Alten Testaments.“ (Neil Postman<„Das Technopol„, Fischer (1992) S. 96)
Der [neue] Gott, dem sie dienen, spricht nicht von Rechtschaffenheit oder Güte, von Mitleid oder Gnade. Ihr Gott spricht von Effizienz, Präzision, Objektivität. Und deshalb verschwinden unter dem Technopol Begriffe wie »Sünde« und »das Böse«.(Neil PostmanDas Technopol„, Fischer (1992) S. 54)

Schöne, neue Welt

So sieht also der wissenschaftliche Gott in der „Schönen, neuen Welt“ eines Aldous Huxley aus. Der neue, „wissenschaftliche Gott“ ist die Zahl, das Quantifizierbare, die Induktion, die Reduktion, die Kohärenz, das Gesetz, das System. Aber was er auf keinem Fall ist, er ist nicht menschlich, geschweige denn göttlich:

«Nennen Sie es die Schuld der Zivilisation. Gott ist
unvereinbar mit Maschinen, medizinischer Wissenschaft und
allgemeinem Glück. Man muß wählen. Unsere Zivilisation hat
Maschinen, Medizin und Glück gewählt.» (Aldous Huxley: „Schöne, neue Welt“ (1932, Fischer 1981, S. 236)

Hierzu mehr in dem nächsten Essay „Das Technopol“.

Ich bin immer mit meiner „Diogenes-Lampe“ unterwegs, um Menschen zu finden, die sich auch nach ein wenig „Licht der Erkenntnis“ sehnen. Also wenn Ihr eigene Beiträge oder Posts für meinen Wissenschaft-/Philosophie-Blog habt, immer her damit. Sie werden mit Eurem Namen als Autor auf meiner Seite veröffentlicht, so lange sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Denn nur geteiltes Wissen ist vermehrtes Wissen.
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Holger
Holger
1 Monat zuvor
Reply to  Philo Sophies

Dogma bzw. Dogmen?

Heute will nahezu jeder Gott in der Einzahl denken. Allgemein wird dies Monotheismus bezeichnet, da ergeben sich allerdings echte Zwickmühlen:

Frage 1: Geht es in den Religionen Judentum, Christentum und Islam WIRKLICH um Monotheismus?

Da bin ich mir nicht so ganz sicher – und es ergeben sich aus dieser Annahme auch unauflösbare Konflikte. Wenn ich mir die hebräische Auslegung betrachte:

„….und die Elohim (Götter) sprachen, lasst UNS Menschen machen, ein Bild, dass UNS gleich sei….“ -> da ist von Mehrzahl die Rede.

Gebot Nr. 1: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ -> da steht, dass es viele Götter gibt.

2.: Großes Dilemma

Wir befinden uns im Dualismus, sodass wir in den Kategorien Gut und Böse denken. Wer strikt monotheistisch denkt, muss auch einsehen, dass dann Gott und Satan zwingend identisch sind, siehe Altes Testament der Bibel:

2. Samuel 24,1-21

Wieder richtete sich der Zorn des HERRN gegen Israel. Er veranlasste David dazu, seinem Volk zu sagen: Geht und zählt Israel und Juda. Der König [=David] sprach zu seinem Heeresführer Joab: Reise durch die Stämme Israels von Dan bis Beerscheba und zählt das [kriegsfähige] Volk. Ich möchte wissen, wieviele es sind.

Chronik 21,1-2

Und Satan richtete sich gegen Israel und reizte David dazu, Israel zu zählen. Daraufhin sprach David zu Joab und zu den führenden des Volkes: Reist durch Israel von Beerscheba bis Dan und berichtet mir, wieviele es sind.

Es ergibt sich im Rahmen einer monotheistischen Denkweise stets die Falle, dass Gott gut und böse gleichzeitig ist.

Kann Jesus der Erlöser sein?

Jesus ist gemäß dem NT (Offenbarung 22,16) der Morgenstern. Allerdings sind auch die Gestalten Luzifer, Horus und Eosphoros / Phosphoros der Morgenstern (Abendstern).
Es ergeben sich unauflösbare Zwickmühlen und Jesus KANN definitiv KEIN Erlöser sein ->

https://www.mythologie-antike.com/t23-gott-eosphoros-phosphoros-lichttrager-lichtbringer-morgenstern